Bei dem tragischen Zusammenprall zweier Züge zwischen Andria und Corato in Italien kamen jüngst zahlreiche Menschen ums Leben. Und erst im Februar sorgte bei uns das schwere Zugunglück nahe dem bayerischen Bad Aibling für große Trauer und Anteilnahme. Unfälle im Schienenverkehr passieren im Gegensatz zu Unfällen auf der Straße wesentlich seltener, die Bilder der Zugunglücke allerdings begegnen uns prominent im Fernsehen und im Internet.
Wie sicher ist die Bahn also? Im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln zeigt sich, dass die Bahn die größte Sicherheit bietet. Eine Fahrt mit dem Auto ist 63 Mal gefährlicher, legt man die zurückgelegten Kilometer und die Zahl der bei Unfällen verunglücken Personen zugrunde. In diesem Artikel stellen wir Ihnen die wichtigsten Sicherheitssysteme im Schienenverkehr vor und erklären, warum der Zug nach wie vor das sicherste Verkehrsmittel in unserem Alltag ist.
Schon bevor der Fahrgast in den Zug einsteigt, ist für die Sicherheit der Reise gesorgt. Jede Fahrt eines Zuges ist genau geplant und mit den Fahrplänen anderer Bahnen abgestimmt. Das Schienennetz in Deutschland hat derzeit eine Streckenlänge von knapp 38.000 Kilometern und wird nonstop überwacht, so dass stets gewährleistet ist, dass Eisenbahnen immer in einem ausreichend großen Sicherheitsabstand zueinander verkehren. Diese Überwachung findet mittels Sensoren statt, die in Zügen, Gleisen und Kontrollpunkten verbaut sind und ihre Daten an die Kontrollinstanzen senden.
Geplant und überwacht werden Zugfahrten von der Transportleitung der Deutschen Bahn, die in Leitstellen aufgeteilt ist. In den Leitstellen laufen alle Informationen über Züge und Strecken zusammen. Die Bundeszentrale befindet sich in Frankfurt am Main, weitere Leitstellen sind z.B. in Hannover, Berlin, Duisburg und München eingerichtet. In Abstimmung mit den Fahrdienstleitern, die den Zugverkehr von Stellwerken, Bahnhöfen und weiteren Betriebsstellen vor Ort überwachen und koordinieren, erhalten die Lokführer dann ihre Fahrerlaubnis. Auch während der Fahrt steht der Lokführer in ständigem Kontakt zu den Leitstellen und erhält Anweisungen. Zusätzlich überwachen technische Systeme alle Schritte des Fahrdienstleiters und des Lokführers.
Die elektronischen Signale sind Bestandteil von modernen Sicherungssystemen bzw. Zugbeeinflussungssystemen. Sie sorgen dafür, dass Züge zum Stehen kommen, wenn Signale nicht beachtet oder die zulässigen Geschwindigkeiten nicht eingehalten werden. Im Schienennetz der Deutschen Bahn sind alle Strecken mit einem Sicherungssystem ausgerüstet. Die beiden wichtigsten Zugbeeinflussungssysteme sind die Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) und die Linienzugbeeinflussung (LZB).
Bei der Punktförmigen Zugbeeinflussung erfolgt die Überwachung des Zuges punktförmig durch Sensoren am Gleis und am Fahrzeug. Überfährt ein Zug ein haltzeigendes Signal, wird er automatisch gebremst. Außerdem überwacht das System, ob an einem bestimmten Punkt die zulässige Geschwindigkeit des Zuges überschritten wird. So sind an Stellen, an denen ein Zug seine Geschwindigkeit um mehr als 20 Prozent reduzieren muss, beispielsweise weil eine enge Kurve kommt, sogenannte Geschwindigkeitsprüfungen vorgeschrieben. Das heißt: Ist der Zug an den Messpunkten vor der Kurve zu schnell, wird der Zug automatisch gebremst.
Bei Geschwindigkeiten über 160 km/h kommt die Linienzugbeeinflussung zum Einsatz, dh. der Zug wird nicht nur punktförmig sondern permanent überwacht und geführt. Da sich aufgrund der höheren Geschwindigkeit auch der Bremsweg des Zuges erhöht, wird der Lokführer über die LZB frühzeitiger über die Signalstellung informiert und zum Bremsen aufgefordert. Gleichzeitig wird auch die Einhaltung der korrekten Geschwindigkeit technisch dauerhaft kontrolliert. Bei Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit greift die Technik automatisch ein und bremst den Zug ab. Doppelte Sicherheit: Wenn dieses System ausfällt, greift automatisch das nächste Sicherungssystem: die PZB. So wird die Sicherheit der Zugfahrt auch in Ausnahmefällen gewährleistet. Im Aufbau ist zur Zeit das europäisches Zugbeeinflussungssystem „European Train Control System“ (ETCS), das einmal die verschiedenen Zugsicherungssysteme in Europa ablösen soll.
Die Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) ergänzt die Zugbeeinflussungssysteme PZB und LZB. Die Sifa sorgt dafür, dass ein Zug gebremst wird, wenn der Lokführer während der Fahrt handlungsunfähig wird. Dazu bedient der Lokführer während der Fahrt mindestens alle 30 Sekunden ein Pedal oder einen Taster. Bleibt die Bedienung aus, warnt das System den Lokführer zunächst optisch und akustisch bevor der Zug automatisch gebremst wird.
Welche Sicherungssysteme kommen auf einem Bahnübergang zum Einsatz? Die Schranken an Bahnübergängen werden auf zwei unterschiedliche Arten gesteuert. Vollautomatisch werden sie durch einen Zug selbst bedient, der in einem Sicherheitsbereich rund um einen Bahnübergang Sensoren an den Gleisen passiert, die dann das Heben und Senken der Schranken auslösen. Der Lokführer kontrolliert den Vorgang aus dem fahrenden Zug. Bei der manuellen Steuerung werden die Schranken vom Personal der Stellwerke und der Schrankenposten bedient. Die Kontrolle erfolgt in diesem Fall per Überwachungskamera. Zusätzlich werden einige Bahnübergänge von Radar- und Infrarot-Sensoren (Gefahrenraum-Freimeldeanlage) überwacht. Sollte sich trotz geschlossener Schranke ein Objekt auf einem Bahnübergang befinden, erhält der Lokführer eine Warnung und kann den Zug rechtzeitig bremsen.
Viele Bahnübergänge, die automatisch gesteuert werden, sind durch Halbschranken gesichert. Halbschranken sperren einen Bahnübergang ab, lassen jedoch einen Fluchtweg offen. Allerdings wird dieser Fluchtweg von verantwortungslosen Autofahrern mitunter missbraucht, den Bahnübergang trotz geschlossener Schranken zu überqueren.
Im Gegensatz zum Straßenverkehr werden die Sicherheitsvorschriften für die Lokführer strikt eingehalten, die Kontrolle ist praktisch lückenlos. Lenk- und Ruhezeiten der Lokführer sind vorgegeben, Verstöße lässt die organisatorische Planung nicht zu. Anders als auf der Straße entscheidet somit letztlich nicht der einzelne Fahrer, wie lange er fährt. Noch ein großes Sicherheitsplus für den Schienenverkehr: Die Bahn ist spurgebunden, ein Abweichen von der Fahrstrecke gibt es nicht.
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