Berlin, den 31. Oktober 2016. Mit Bestürzung hat die Allianz pro Schiene auf einen Bericht der Stuttgarter Zeitung von heute reagiert, wonach das Bundesverkehrsministerium bereits an einer Erlaubnis für grenzüberschreitende Fahrten mit überlangen Lastwagen (Gigaliner) arbeitet. „Damit droht der Dammbruch beim Gigaliner“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am 31. Oktober in Berlin. „Während das Ministerium auf seiner Website treuherzig schreibt, dass nach EU-Recht grenzüberschreitende Fahrten verboten sind, ist die Prüfung bereits in vollem Gange“, sagte Flege. Ein „ministerielles Missverständnis“ schloss Flege dabei aus: „In den fünf Jahren, die der Riesen-Lkw-Test in Deutschland per Ausnahmeverordnung läuft, hat das Bundesverkehrsministerium die für überlange Lkw erlaubten Strecken auf Druck der Lkw-Lobby immer weiter ausgedehnt“, sagte Flege. „Und viele dieser Strecken führen direkt zu den Grenzübergängen.“ Damit sei der nächste Sündenfall nicht nur bei der Länge der Lastwagen, sondern auch beim Gewicht vorprogrammiert, kritisierte der Chef des Verkehrsbündnisses.
„In vielen Nachbarländern fahren Riesen-Lkw längst mit mehr als 60 Tonnen. Wenn Dobrindt jetzt die Grenzen öffnet, werden 60-Tonner aus den Niederlanden und Dänemark und 64-Tonner aus Schweden bald auch bei uns Einzug halten“, warnte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. „Statt zum Testende das Pro und Kontra seriös zu diskutieren, arbeitet das Ministerium bereits am grenzüberschreitenden Regelbetrieb durch die Hintertür.“ Die routinemäßigen Versicherungen der Befürworter von Riesen-Lkw, dass in Deutschland niemals mehr als 44 Tonnen erlaubt werden sollen, hätten nach diesem Verlauf jede Glaubwürdigkeit verloren. Flege verwies darauf, dass der von Dobrindt immer wieder favorisierte „Regelbetrieb“ ebenfalls gegen EU-Recht verstößt.
Zum Ende der fünf-jährigen Testphase mit 25 Meter langen Lastwagen auf ausgewählten Straßen erteilte die Allianz pro Schiene dem Konzept „Riesen-Lkw“ eine klare Absage:
Weitere Informationen:
Die EU Richtlinien 96/53 und 2015/719 erlauben ein Lkw-Höchstgewicht von 40 Tonnen im grenzüberschreitenden Verkehr. National und grenzüberschreitend gilt eine maximale Lkw-Länge von 18,75 Metern. Die Zulassung von größeren Lkw ist den EU-Mitgliedsstaaten nicht erlaubt. Es ist lediglich möglich, Gigaliner zeitlich und örtlich begrenzt einzusetzen, um neue Technologien zu erproben. Im Inland dürfen die Staaten das Lkw-Gewicht selbst festlegen.
Sie heißen Gigaliner, EuroCombi, Ökoliner oder Lang-Lkw, doch hinter den harmlosen Namen verstecken sich noch längere und schwerere Lastwagen. Deutschland erlaubt 25 Meter lange und bis zu 44 Tonnen schwere Lastwagen in einem sogenannten Feldversuch. Doch überall dort in Europa, wo Riesen-Lkw eingesetzt werden, wiegen sie bereits 60 Tonnen und mehr – etwa in den Niederlanden oder Dänemark. Schweden hat angekündigt, das Lkw-Gewicht von 64 auf 74 Tonnen zu erhöhen – Versuche mit 30 Meter langen und 90 Tonnen schweren Lkw laufen.
Das Bundesverkehrsministerium hat im Dezember 2011 eine Ausnahmeverordnung erlassen, um Riesen-Lkw zu testen. Die Verordnung sieht vor, dass Gigaliner in den teilnehmenden Bundesländern neben Autobahnen und Bundesstraßen auch auf einer Vielzahl von Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen fahren dürfen. Die Testfahrten sind auf fünf Jahre – bis Ende 2016 – angesetzt.
Die Befürworter übergroßer Lkw werben gerne mit Umweltargumenten, in Wirklichkeit versprechen sie sich aber eine Kostenersparnis im Lkw-Transport von bis zu 30 Prozent. Zu den Befürwortern von übergroßen Lkw gehört der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) und weitere Verbände des Straßentransportgewerbes.
Die Gegner vom Gigaliner befürchten, dass durch die Verbilligung des Lkw-Verkehrs durch Gigaliner ein Anreiz für mehr Straßengüterverkehr geschaffen wird. Durch den Kostenvorteil der Gigaliner könnten Güter von umweltfreundlichen Verkehrsträgern zurück auf die Straße verlagert werden. Das Ergebnis wären mehr Lkw-Fahrten und eine größere Umweltbelastung. Zu den Gegnern von übergroßen Lkw zählen die in der Allianz pro Schiene zusammengeschlossenen Automobilclubs, Umweltverbände und Eisenbahnen sowie der Deutsche Städtetag und die Deutsche Polizeigewerkschaft. Auf EU-Ebene haben sich die Gegner zum Bündnis No Mega Trucks zusammengeschlossen.
EU-Parlament und EU-Verkehrsminister haben im vergangenen Jahr einen Vorschlag der EU-Kommission zurückgewiesen, grenzüberschreitende Fahrten von Riesen-Lkw zwischen Nachbarstaaten zu erlauben. Während in einigen Mitgliedsstaaten Versuche mit Riesen-Lkw laufen, zeigt die EU dem Gigaliner nun das Stoppschild und schlägt mit Sicherheitsverbesserungen und aerodynamischen Optimierungen einen grundsätzlich anderen Weg ein.