5G Mobilfunk ist sowohl für die Menschen in den Zügen als auch perspektivisch für den Bahnbetrieb wichtig. Im Projekt GINT will die DB zusammen mit weiteren Projektpartnern (Netzwerkausrüster Ericsson, der Telekommunikationsanbieter O2 Telefónica und der Funkmastbetreiber Vantage Towers) die technologischen und organisatorischen Grundlagen für die Gigabit-Ausleuchtung am Gleis erforschen. Auf einer Teststrecke unseres Fördermitglieds DESAG findet seit Herbst 2023 ein entsprechendes Projekt statt. Wir haben bei Dr. Ralf Böhme (Vorstand DESAG-Gruppe) nachgefragt.
Dennis Junghans (Allianz pro Schiene e.V.): Herr Dr. Böhme, erzählen Sie mal. Sie haben im vergangenen Jahr eine eher unübliche Anfrage bekommen – von wem kam diese Anfrage und wie haben Sie reagiert?
Dr. Ralf Böhme (Vorstand DESAG-Gruppe): Die Anfrage kam von der Deutschen Bahn AG. Sie haben uns kontaktiert, um an unserer Infrastruktur die Erreichbarkeit und die Verfügbarkeit von 5G-Mobilfunk zu testen, zu verbessern und zu optimieren. Wir sind ein regionales Eisenbahnunternehmen und betreiben ein öffentliches Schienennetz im ländlichen Raum von über 450 km, welches sich vornehmlich in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg befindet. Wir haben in diesem Streckennetz der DB bereits häufig Streckenabschnitte für Versuchszwecke zur Verfügung gestellt und aufgrund der bisher äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit bei diesen Versuchen hat man sich auch bei diesem Projekt für unsere Infrastruktur entschieden.
Was genau musste denn dafür an Ihrer Infrastruktur geändert oder installiert werden?
Böhme: Die Infrastruktur wurde für den Testbetrieb auf einem Streckenabschnitt zwischen Karow (Mecklenburg-Vorpommern) und Malchow hergerichtet. Das sind ca. zwölf Kilometer. Auf dieser Strecke wurden im 1-km-Abstand neuartige Masten aufgestellt und mit entsprechender 5G-Technik ausgestattet. Diese mussten mit Strom- und Datenkabeln entlang der Schiene erschlossen werden. Dort, wo eine Stromversorgung mit Kabeln zu aufwendig gewesen wäre, versorgt eine Brennstoffzelle die Abnehmer mit elektrischer Energie.
Ansonsten waren an unserer Eisenbahninfrastruktur selbst keine Änderungen erforderlich. Bei der Durchführung der Testfahrten sind aber auch besondere bahnbetriebliche Regelungen zu treffen, da für die Tests Geschwindigkeiten erforderlich sind, die normalerweise auf dieser Nebenbahn nicht gefahren werden. Während der Testfahrten wird eine Maximalgeschwindigkeit von bis zu 140 km/h erreicht. Dank einer Gleiserneuerung, die wir mit finanzieller Hilfe des Landes Mecklenburg-Vorpommern realisieren konnten, gibt das unsere Infrastruktur auch her.
Gab es denn besondere Herausforderungen im Projekt für Sie?
Böhme: Erst einmal mussten wir vor allem die Zulassungen und rechtlichen Themen klären. Man kann ja nicht irgendwas an der Infrastruktur bauen. Solche Vorhaben müssen immer mit den Genehmigungsbehörden abgestimmt sein. Dafür hatten wir nur wenige Monate Zeit. Das war die größte Herausforderung. Da wir mit der Landeseisenbahnaufsicht von Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich sehr gut zusammenarbeiten, konnte das schnell umgesetzt werden. Vielen Dank an dieser Stelle für die erneute sehr gute Zusammenarbeit!
Zudem gab es technische Herausforderungen, die die neue 5G-Technologie betrafen. Die Masten mit dieser neuen Technologie sind bei uns zum ersten Mal an einer Schiene in Deutschland errichtet worden. Dafür mussten erst die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden. Es gibt nach unserer Kenntnis z.B. noch keine Richtlinien für den Betrieb von Brennstoffzellen im Bahnbetrieb und in Gleisnähe. Hier musste unsere Eisenbahnbetriebsleitung evtl. Risiken erkennen und bewerten und die Aufstellung mit der Ausrüsterfirma abstimmen.
Wie kann man das, was bei Ihnen gelungen ist, auf weitere Strecken übertragen?
Böhme: Aus Sicht der Schieneninfrastruktur ist die 5G-Verfügbarkeit für verkehrliche Zwecke bisher unzureichend. Im Projekt wird deshalb erforscht, unter welchen Voraussetzungen die Abdeckung entlang der Schiene unter den unterschiedlichsten betrieblichen Bedingungen verbessert und schließlich optimiert werden kann. Am Ende sollen die Ergebnisse genutzt werden, um das Schienennetz in Deutschland möglichst bald „5G-ready“ zu machen.
Sind Sie optimistisch, dass das so umsetzbar sein wird?
Böhme: Auch wenn wir kein unmittelbarer Projektpartner sind und unsere Aufgabe darin besteht, die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und Messfahrten auf der Strecke zu organisieren, bekommen wir natürlich auch die Ergebnisse mit. Ich bin ziemlich optimistisch, dass dieses Projekt Erfolg haben wird. Alle am Projekt beteiligten Unternehmen machen aus meiner Sicht einen guten Job!
Wie geht es mit der neuen 5G Infrastruktur nach Ende des Pilotversuchs weiter?
Böhme: Das ist noch völlig offen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es natürlich sehr begrüßenswert, wenn die neue Infrastruktur nicht wieder zurückgebaut werden müsste. Damit würde ein verbleibender infrastruktureller Mehrwert für die Region geschaffen.
Vielleicht könnte man z.B. bei einem möglichen Weiterbetrieb der errichteten 5G-Infrastruktur gezielt Besucher der saisonalen Verkehre ansprechen, die hier in der Region 5G-Datenübertragung auch praxisnah testen können. Derzeit laufen ja nur genormte Tests der Projektpartner und normale Reisende bzw. Mobilfunknutzer bleiben noch außen vor.
Haben Sie noch ein Beispiel, wie die Teststrecke in Zukunft genutzt werden könnte?
Böhme: Wir arbeiten derzeit an dem Projekt „Karow 365+“. Dabei geht es darum, die Schienenachse zwischen Neustadt (Dosse) und Güstrow für eine neue attraktive Regionalbahn zur Verfügung zu stellen und im Bahnhof Karow über die Ost-West-Achse Waren – Ludwigslust (in der Region heißt diese „Südbahn“) die regionale Anbindung verkehrlich zu organisieren. In diesen Fall könnten wir die entstandene 5G-Teststrecke nachhaltig für öffentliche Schienenmobilität im ländlichen Raum nutzen.
Haben Sie denn spezielle Wünsche an die Politik in Folge der Ergebnisse des Pilotprojektes?
Böhme: Ich würde mich sehr freuen, wenn wir mit dem GINT-Projekt der Politik auf Bundes- und Landesebene deutlich machen können, welches grundsätzliche Potenzial Infrastruktur im ländlichen Raum besitzt. Sowohl für die Resilienz des Schienennetzes als auch für die Gesamtgesellschaft. Dazu erhoffe ich mir, dass dieses Projekt ein Beschleunigungsfaktor ist, um die Politik für die Digitalisierung der Schieneninfrastruktur im ländlichen Raum zu sensibilisieren.
Vielen Dank für Ihre Zeit.