3.280 Menschen kamen im vergangenen Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben, das schätzt das Statistische Bundesamt. Nahezu jeden Tag sterben zehn Menschen auf unseren Straßen. Mit der Zulassung der Gigaliner könnte das Risiko steigen, bei einem Unfall verletzt oder gar getötet zu werden. Denn: Der Einsatz der Riesen-Lkw bringt weitere Sicherheitsrisiken mit sich.
An jedem fünften Unfall, bei dem Menschen ums Leben kommen, ist ein Lkw beteiligt. Gerade im vergangenen Jahr häuften sich die traurigen Meldungen. Häufig übersahen Lkw-Fahrer das Stauende auf der Autobahn und verursachten eine Massenkarambolage oder die Laster kamen bei schwierigen Wetterverhältnissen ins Schleudern. Will man den Straßenverkehr sicherer für alle Beteiligten machen, liegt es nahe, insbesondere den Lkw-Verkehr zu reduzieren. Mit der Zulassung der umstrittenen Gigaliner macht Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) allerdings einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung.
Seit dem 1. Januar sind die 25,25 Meter langen und bis zu 44 Tonnen schweren Riesen-Lkw im Regelbetrieb. Drei von fünf Gigaliner-Typen haben per Minister-Verordnung eine unbeschränkte Zulassung erhalten, zwei wurden in den verlängerten Feldversuch geschickt. Die Riesen-Lkw machen den Straßenverkehr noch billiger, Experten rechnen deshalb mit bis zu 7.000 zusätzlichen Lkw-Fahrten. Jeden Tag. Damit steigt auch das Unfallrisiko im Straßenverkehr.
Aber nicht nur statistisch wird es für Autofahrer auf Autobahnen, Bundes-, Land- und Kreisstraßen gefährlicher. Die Gigaliner sind selbst ein Sicherheitsrisiko, denn die überlangen Laster sind viel zu groß für die deutsche Straßeninfrastruktur. Daraus ergeben sich weitere Sicherheitsbedenken, die sich unter anderem auch im Abschlussbericht zum Gigaliner-Feldversuch der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) finden:
Die Brandlast in Tunneln erhöht sich. Gerät die Ladung eines Gigaliners in Brand, geht die BASt aufgrund des größeren Volumens von einer schnelleren Brandentwicklung und einer höheren Brandstärke aus.
Außerdem sind die Nothaltebuchten in Tunneln sind zu kurz. Macht ein Gigaliner Nothalt, ragen noch knapp zwei Meter des Fahrzeugs in den Verkehrsraum hinein, mehr als die Hälfte einer Fahrbahn.
Auch die Parkplätze an Rastanlagen sind zu klein. Die Standardlänge eines Lkw-Parkplatzes beträgt 22 Meter, Gigaliner sind drei Meter länger. Außerdem überfahren sie auf Grund ihrer breiten Schleppkurve die benachbarten Parkstände, so das Fazit des Feldversuchs. Das kann zu Problemen bei der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten für Lkw-Fahrer führen.
Gigaliner sind ein Sicherheitsrisiko an Bahnübergängen. Gefahren entstehen auch durch die längeren Räumzeiten von Riesen-LKW auf Kreuzungen und Bahnübergängen. Um die Sicherheit an Bahnübergängen weiter zu gewährleisten, müssen die Anlagen umgerüstet werden. Dazu gehört etwa die Anpassung der Straßen für die größeren Schleppkurven und das Versetzen von Signalen, Kontakten und Sichtdreiecken. Die EVG schätzt die Kosten für die Umrüstung der technisch gesicherten Bahnübergänge in Deutschland auf rund sechs Milliarden Euro.
Fußgänger und Radfahrer sind gefährdet. Die genehmigten Strecken, auf denen die Gigaliner fahren dürfen, bestehen nicht nur aus Autobahnen. Auch auf kleineren Straßen kommen sie zum Einsatz. Gerade für Fahrradfahrer und Fußgänger kann es deshalb etwa in Kreisverkehren zu gefährlichen Situationen kommen. Die überlangen Lkw überragen sowohl die Fußgängerübergänge als auch die Ein- und Ausfahrten. Zudem machen sie aufgrund ihrer Größe die Verkehrssituation unübersichtlich.
Vorsicht beim Überholen: Auch Landstraßen sind Teil des Positivnetzes. Hier wird auf der Gegenfahrspur überholt. Bei den 25,25 Meter langen Lkw erhöht sich die Überholzeit und damit auch das Sicherheitsrisiko. Gerade jetzt, zu Beginn des Regelbetriebs können die meisten Autofahrer die Zeit, die sie für den Überholvorgang benötigen, aufgrund mangelnder Erfahrung noch gar nicht einschätzen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen will diese Verkehrssituation noch weiter untersuchen. Selbst überholen dürfen die Gigaliner übrigens nicht.
Trotz ernster Risiken und noch nicht vollständig untersuchter Sicherheitsbedenken dürfen die Gigaliner ab sofort im Regelbetreib fahren. Medien sprechen von einem Geschenk für die Auto-Lobby. Dass Gigaliner eine verkehrspolitische Fehlentscheidung sind, dies wird gerade beim Thema Sicherheit deutlich. Im Vergleich mit der Eisenbahn zeigt sich, dass das Verletzungsrisiko im Straßenverkehr 127 Mal höher ist. Das Risiko, bei einem Unfall ums Leben zu kommen, ist im Straßenverkehr 75 Mal höher, als bei einer Bahnfahrt. Durch mehr und längere Lastwagen ist die Bundesregierung ihrem Ziel, die Zahl der Getöteten im Straßenverkehr bis 2020 um 40 Prozent zu mindern, keinen Schritt näher gekommen. Im Gegenteil.
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