Am 30. August fand der sogenannte Ladies Brunch in Berlin statt. Im Rahmen des 5. Railway Forums trafen sich die Top 100 weiblichen Führungskräfte der Mobilitätsbranche um sich zu vernetzten, Fachthemen zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Unsere Autorin war dabei und berichtet von ihren persönlichen Eindrücken. Außerdem im Interview: Geschäftsführerin Larissa Zeichhardt über Klischees, die Attraktivität der Schienenbranche und ihr Leben als Mutter und Karrierefrau.
Es ist 10 Uhr morgens. Die ersten Frauen haben sich bereits versammelt und führen angeregte Gespräche, unter ihnen sind Geschäftsführerinnen, Unternehmerinnen und Projektleiterinnen. Die Stimmung ist gelassen – und das liegt nicht nur an dem Sekt, der am Eingang verteilt wurde.
„Ich war es satt, auf Messen immer nur mit Anzugträgern rumzulaufen.“, sagt Larissa Zeichhardt, Initiatorin der Veranstaltung, in ihrer kurzen Begrüßungsrede. Einen Anzug trägt beim Ladies Brunch tatsächlich fast niemand – gerade mal drei Männer sind zwischen den Frauen zu entdecken. Stattdessen sieht man High-Heels und bunte Kleider. Ein ungewohnter Anblick, denn in der Regel sind es Männer in dunklen Anzügen, die sich auf beruflichen Veranstaltungen versammeln. Allerhöchste Zeit, dass sich das ändert, findet Zeichhardt: „Unsere Branche trägt Farbe. Wir Frauen müssen uns endlich zeigen, gerade auch in Zeiten des Fachkräftemangels. Kein Unternehmen kann es sich noch leisten, auf Frauen zu verzichten.“
Zwischen Häppchen und Getränken kommt es zu interessanten Gesprächen zwischen den Frauen. Der Ladies Brunch bietet die perfekte Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten abzusprechen und Erfahren zu teilen. Eine der Teilnehmerinnen erzählt, dass es nicht immer leicht sei, als Frau ein reines Männerteam zu führen. Sie hat den Eindruck, dass Frauen es doppelt so schwer haben wie Männer, sich als Führungskraft zu beweisen und durchzusetzen. Eine andere erzählt von einem Erlebnis in einer Verhandlungsrunde, in der ein Mann sie einmal vor allen Beteiligten als „Süße“ bezeichnete. Doch die Frauen, die sich zum Ladies Brunch versammelt haben, machen nicht den Eindruck, als würden sie sich von irgendwas oder irgendjemand entmutigen lassen. Eher wirken sie so, als hätten sie gerade erst angefangen. Angefangen sich zu vernetzten, sich gegenseitig zu stärken und für eine Verkehrsbranche mit viel mehr Frauen in Führungspositionen zu kämpfen.
Unter den Gästen befinden sich auch ein paar Frauen der Deutschen Bahn, die als ein Sponsor der Veranstaltung auftritt. Birgit Bohle, Vorsitzende des Vorstands der DB Fernverkehr AG, betont in ihrer Rede, dass Frauen eine Vielzahl an Qualitäten besitzen, die sie zu besonders starken Führungspersönlichkeiten machen. Frauen seien authentisch, leidenschaftlich und stets bei der Sache. Es fällt ihnen leichter als Männern, Dinge sachlich zu betrachten und dabei frei von Eitelkeiten zu entscheiden. Ihre Botschaft an junge Frauen: „Seid euch klar darüber, was ihr wollt und was ihr könnt. Die Zeit der Zufälle ist vorbei.“
Es folgt Nicole Grummini, Bereichsleiterin U-Bahn der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), mit einem Impulsvortrag. Schnell wird klar: Grummini möchte mehr Frauen für die Berliner U-Bahn gewinnen. Der Frauenanteil liegt dort derzeit bei gerade mal 17 Prozent. Um die Frauenquote zu steigern, arbeitet sie aktiv an einem „Frauenförderplan“. Ziel sei es, gerade junge Frauen von der Branche zu überzeugen und sie vor allem langfristig zu binden. Dass Frauen es in der Schienenbranche oft schwerer haben als Männer würde u.a. daran liegen, dass viele Berufe einen Schichtdienst mit sich bringen. Das sei, gerade für alleinerziehende Frauen, eine Hürde. In Zukunft müsse sich also noch einiges verändern, um Frauen für die Schiene zu begeistern. Doch ein wichtiges Pro-Argument hat Grummini schon jetzt: „Die U-Bahn ist ein schönes Produkt zum Anfassen.“
Die Vorträge sind vorbei, die Gespräche noch lange nicht. Der Raum ist gefüllt mit Stimmen; es werden Visitenkarten ausgetauscht und Pläne geschmiedet. Ich spreche einen der drei einzigen Männer auf der Veranstaltung an und frage ihn, wie denn sein Eindruck so sei. Er antwortet: „Also das ist definitiv spannender als bei uns Männern.“
Dass die Bahnbranche auch sexy sein kann hat der Ladies Brunch definitiv gezeigt. Ein voller Erfolg also – und ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Allianz pro Schiene: Bei der Gestaltung der Einladungskarte für den „Ladies Brunch“ haben Sie sich für die Farbe Pink entschieden. Ist das nicht ein bisschen klischeehaft?
Zeichhardt: Total. Aber wer mit Klischees arbeitet, der kommt relativ weit in der PR. Ich glaube, wenn man so ein Klischee positiv nutzen kann, sollte man es tun. Und es liegt ja an uns, dann zu zeigen, dass mehr hinter der Einladung steckt als das Pink, das darauf zu sehen ist. Hier zählt aus meiner Sicht: Inhalt wiegt schwerer als Aussehen. Aber klar, im ersten Moment geht es bei der Farbe vor allem um Aufmerksamkeitsgewinnung. Und gerade in der Verkehrsbranche sticht so eine pinke Einladungskarte natürlich heraus, denn es ist die einzige pinke Karte in der Post.
Allianz pro Schiene: Wie kam es dazu, dass Sie sich für Frauen in Führungspositionen bzw. für Frauen allgemein stark machen wollten?
Zeichhardt: Ich habe eine Studie vom Weltverkehrsforum gelesen, in der es hieß, dass in Europa in der Verkehrsbranche nur ungefähr 10 Prozent der technischen Stellen von Frauen besetzt sind. Das fand ich so prägnant, dass ich dachte: das kann eigentlich echt nicht sein. Wir Frauen müssen uns offener zeigen. Gerade auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel kann es sich heutzutage kein Unternehmen leisten, Frauen in seiner Ansprache zu ignorieren. Und es gibt tolle Frauen in unserer Branche, die auch sehr aktiv sind. Das Problem ist allerdings, dass wir Frauen uns bisher kaum vernetzt haben. Wir kümmern uns um alles Mögliche, z.B. unsere Familien, und vergessen dabei, dass Vernetzen auch zum Business dazugehört. Deswegen habe ich gedacht, dass ich gerne diese Frauen in der Arbeitswelt zusammenbringen möchte.
Allianz pro Schiene: Die Bahnbranche ist derzeit noch dominiert von Männern. Wieso ist das so und wie kann man dem entgegenwirken?
Zeichhardt: Dieses Problem ist über viele Generationen gewachsen. Das ist ja nicht nur in der Bahnbranche so. Auch die Politik ist noch sehr männlich, die Polizei und auch die Bundeswehr. In der Bahnbranche liegt es wahrscheinlich größtenteils daran, dass sie ein „Hands-On-Gewerbe“ ist. Es ist eine Branche in der es darum geht, Verkehr tatsächlich möglich zu machen. Das heißt, es gibt überwiegend technische Berufe. Aber mittlerweile bewegt sich was: Wir haben viele Frauen, die nun technischen Ausbildungen nachgehen und allgemein ein großes Interesse an Technik mitbringen. Und sowas wie der „Ladies Brunch“ trägt hoffentlich dazu bei, dass sich Frauen in dieser noch sehr männerdominierten Branche nicht alleine fühlen. So ist auch die Idee zum „Ladies Brunch“ entstanden: die wenigen Frauen, die es in der Verkehrsbranche gibt, zusammenzubringen und zu Verbündeten machen. Das kam bisher echt gut an.
Allianz pro Schiene: Gemeinsam mit Ihrer Schwester leiten Sie die Firma LAT. Funktioniert das gut?
Zeichhardt: Ja, auf jeden Fall. Das ist ein riesiger Vorteil, denn wir vertrauen uns blind. Jeder hat dabei seinen eigenen Bereich, der an seine Stärken angepasst ist. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir genau das tun können, was uns am meisten Spaß macht. Das Ganze funktioniert super und geht Hand in Hand. Aber ohne unser starkes Team, das immer hinter uns steht, wäre das nicht so gut möglich.
Allianz pro Schiene: Sie haben zwei Kinder – wie schaffen Sie es, im Alltag Karriere und Kinder zu vereinen?
Zeichhardt: Da gibt es mittlerweile doch zahlreiche Frauen, die das vormachen. Mein Tipp: Man darf nicht von sich erwarten, alles hundertprozentig tun zu können. Wenn man 100 Prozent Hausfrau, 100 Prozent Karrierefrau und 100 Prozent Ehefrau sein möchte, dann ist man ganz schnell zu 100 Prozent k.o.! Das bedeutet: Prioritäten setzten. Außerdem müssen Frauen lernen, viel an andere abzugeben. Wenn man das nicht tut, dann geht man kaputt.
Allianz pro Schien: Warum heißt der „Ladies Brunch“ eigentlich nicht „Frauen-Frühstück“ oder „Damen-Frühstück“?
Zeichhardt: Das liegt daran, dass wir den „Ladies Brunch“ ursprünglich für die InnoTrans Messe initiiert hatten. Das ist eine internationale Veranstaltung. Daher auch der internationale Name.
Allianz pro Schiene: Und nun bitte noch ein Satz zum Thema Frauen & Technik.
Zeichhardt: Frauen und Technik – das ist Liebe auf den ersten Blick, man muss nur dran glauben.
Das Interview führte Carolin Flege
Weitere Informationen:
Infos zum Frauennetzwerk der Allianz pro Schiene
Zur Galerie: Starke Frauen in der Bahnbranche (mit Kurzprofilen)
Mehr Infos zum Ladies Brunch im Railway Forum Berlin (Sponsoren, Partner etc.)