Für alle lärmgeplagte Anwohner von Schienenstrecken ist 2020 ein wichtiges Jahr, das sie auf spürbare Erleichterungen hoffen lässt. Für Optimismus gibt es gute Gründe. Deutschland hat sich im Nationalen Verkehrslärmschutzpaket II das Ziel gesetzt, den Schienenlärm bis 2020 zu halbieren (gegenüber 2008) – und viel dafür getan. So dürfen mit dem Fahrplanwechsel 2020/21 keine lauten Güterwagen mehr auf dem deutschen Netz fahren.
Die Schiene wird also deutlich leiser. Und doch bleibt sie für viele Menschen noch immer zu laut. Daher gilt es jetzt, den Blick nach vorn auf das nächste Jahrzehnt zu richten und neue Ziele zu formulieren. Dabei sollte es auch darum gehen, die Zahl der von Schienenlärm betroffenen Menschen zu senken.
Die Allianz pro Schiene hat sich in dem von Umweltbundesamt und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderten Dialogprojekt Forum leise Bahnen im Zeitraum von April 2018 bis April 2020 mit diesen Fragen beschäftigt: Wo steht Deutschland aktuell bei der Minderung von Eisenbahnlärm? Und mit welchen Perspektiven kann es bis 2030 weitergehen?
Herausgekommen sind 7 Handlungsempfehlungen, die wir hier vorstellen wollen.
Der Bund sollte baldmöglichst neue Lärmminderungsziele für alle Verkehrsträger verabschieden, die bis 2030 erreichbar sind, und anschließend konkrete Schritte zur Erreichung dieser Lärmminderungsziele auf den Weg bringen.
Ein konkretes Ziel für den Schienenverkehr könnte sein, die Zahl der von Schienenlärm betroffenen Personen bis 2030 um 20 Prozent zu senken.
Der Bund sollte sich in der Europäischen Union für die weitere Absenkung der Lärmgrenzwerte für neue Schienenfahrzeuge einsetzen.
Zugleich können die Bundesländer beziehungsweise die Aufgabenträger bei der Vergabe von Aufträgen im Schienenpersonennahverkehr ihren Gestaltungsspielraum nutzen, um mehr zu verlangen als die Einhaltung der gesetzlichen Standards.
Die Wagenhalter müssen die Umstellung der in Deutschland eingesetzten Wagen auf die leiseren Verbundstoffbremssohlen bis Ende 2020 vollständig abschließen. Die DB Netz als Infrastrukturbetreiber sollte gemeinsam mit dem Bund das im Dezember 2020 wirksam werdende Einsatzverbot für laute Güterwagen in Deutschland monitoren. Falls trotz Einsatzverbots noch laute Güterwagen aus dem Ausland auf das deutsche Schienennetz gelangen, greifen die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen.
Um solche Fälle zu vermeiden, sollte die DB Netz AG mit den beteiligten Akteuren (Eisenbahnverkehrsunternehmen, benachbarte Infrastrukturbetreiber) Regelungen treffen, die das Einstellen nicht lärmsanierter Güterwagen in Züge in Richtung Deutschland schon im Vorfeld unterbinden.
Auch im Betrieb kann die Branche den Lärm senken. Innovationen wie vernetzte Fahrerassistenzsysteme oder ETCS tragen zu flüssigeren Abläufen bei, aber auch der Abschied vom Dieselbetrieb durch eine Elektrifizierung weiterer Strecken macht den Schienenverkehr leiser.
Der Bund sollte die notwendige Finanzierung bereitstellen, um das europäische Zugsicherungssystem ETCS zügig einzuführen. Auch sollte er die angekündigte Förderrichtlinie für alternative Antriebe im Schienenverkehr rasch verabschieden und die angekündigte Elektrifizierung weiterer Strecken vorantreiben. Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnverkehrsunternehmen können gemeinsam prüfen, ob an stark belasteten Strecken Güterzüge künftig in der Nacht Alternativrouten nutzen können.
Der stationäre Lärmschutz ist neben der Lärmminderung an der Quelle die zweite zentrale Säule der Lärmminderung im Schienenverkehr. Der Bund sollte das freiwillige Lärmsanierungsprogramm an bestehen-den Schienenwegen konsequent umsetzen und ein Zieljahr für den Abschluss des aktuellen Programms definieren. Die Kommunen sollten stärker die Möglichkeit nutzen, sich mit eigenen finanziellen Mitteln an einer aufwändigeren Umsetzung und Gestaltung von Lärmschutzmaßnahmen auch außerhalb von Tourismus- und Erholungsregionen zu beteiligen.
Die DB Netz als Infrastrukturbetreiber kann auf stark befahrenen Strecken das präventive Schienenschleifen so umsetzen, dass nicht nur die Instandhaltung, sondern auch die Lärmminderung davon profitiert. Diesen Aspekt sollte sie künftig stärker berücksichtigen.
Der Schienenverkehrssektor sollte die Lärmminderung zu einem zentralen Teil der eigenen Innovations- und Modernisierungsstrategie machen, die Fahrzeuge, Infrastruktur und Betrieb umfasst.
Der Bund sollte Forschung und Innovationen unterstützen und dazu u.a. das angekündigte „LärmLab21“ zur Erforschung von Lärmminderungspotenzialen im Schienenverkehr im Rahmen des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung (DZSF) rasch realisieren. Der Bund sollte die Erprobung der Digitalen Automatischen Kupplung im Schienengüterverkehr unterstützen.
Das Umweltbundesamt hat bereits im Mai 2019 eine umfangreiche Diskussion eingeleitet, wie sich mit geräuscharmen Maschinen und Bauverfahren die Bedürfnisse der Anwohner nach Ruhe mit dem Interesse an einem raschen und kapazitätsschonenden Bauen in Einklang bringen lassen. Die Baubranche sollte die Erkenntnisse daraus in der Praxis umsetzen.
Politik und Eisenbahnbranche müssen prüfen, mit welchen Anreizen für Infrastrukturbetreiber und Bauunternehmen sie dies unterstützen können.