Drei verkehrspolitische Weichen, die EU und Bund im Europäischen Jahr der Schiene stellen sollten

1. Schienennetz grenzüberschreitend ausbauen

> Grenzübergänge für E-Loks öffnen

Straßen werden aus öffentlichen Mitteln finanziert und sind an Grenzübergängen zwischen den Mitgliedstaaten für alle Arten von Pkw und Lkw befahrbar. Schienenverbindungen werden ebenfalls aus öffentlichen Mitteln finanziert, sind aber häufig nur so sparsam ausgebaut, dass sie an der Grenze nicht für alle Zugarten nutzbar sind. Ausgerechnet die umweltfreundlichen E-Loks kommen an vielen Grenzübergängen auf der Schiene nicht weiter. In Deutschland etwa sind 30 von 57 Grenzübergängen wegen einer fehlenden Oberleitung nur für Dieselzüge nutzbar.

Forderungen:

  • Die EU muss ein Förderprogramm für die Elektrifizierung von Schienen-Grenzübergängen auflegen.
  • Die EU muss ihre Fördermittel für Verkehrs-Infrastrukturprojekte weit überwiegend auf Vorhaben im Bereich Schienenverkehr (einschließlich kombinierter Verkehr) konzentrieren, damit die Engpässe im grenzüberschreitenden Schienennetz beseitigt werden können.
  • Der Bund sollte sich mit den Nachbarstaaten abstimmen und alle Grenzübergänge auf der Schiene bis 2030 mit einer elektrischen Oberleitung ausrüsten.

2. Grenzüberschreitende Zugverbindungen im Wettbewerb unterstützen

> Mehrwertsteuer-Privileg des grenzüberschreitenden Flugverkehrs abschaffen

In der EU erheben etliche Staaten Mehrwertsteuer auf internationale Zugtickets: Österreich, Deutschland, Kroatien, Belgien, Griechenland, die Niederlande, Spanien und Frankreich. Fluggesellschaften zahlen keine Mehrwertsteuer auf internationale Tickets.

Forderungen:

  • Internationale Flugtickets dürfen nicht günstiger besteuert werden als Zugtickets. Die EU sollte Mitgliedstaaten die Mehrwertsteuerbefreiung von internationalen Flugtickets nur erlauben, wenn sie grenzüberschreitende Zugtickets ebenfalls von der Mehrwertsteuer befreien.
  • Solange grenzüberschreitende Flugtickets von der Mehrwertsteuer befreit sind, sollte der Bund die Bahnkunden nicht benachteiligen und internationale Zugtickets von der Mehrwertsteuer befreien.

> Nationale Hürden für grenzüberschreitende Zugfahrten abbauen

Einzelne Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Italien verlangen von grenzüberschreitenden Personenverkehrszügen höhere Trassenpreise als im nationalen Personenverkehr.

Forderung:

  • Die EU muss unterbinden, dass Mitgliedstaaten preisliche Hürden für grenzüberschreitende Zugfahrten aufbauen.

 

3. Den Green Deal und das Jahr der Schiene zusammenbringen

> Steuergerechtigkeit bei der Antriebsenergie schaffen

Grenzüberschreitende Fernzüge zahlen in vielen Mitgliedstaaten Stromsteuer, Flugzeuge zahlen EU-weit keine Kerosinsteuer. Deutschland erhebt EU-weit die höchste Stromsteuer für Bahnen.

Die EU-Kommission hat angekündigt, in diesem Jahr die Energiesteuerrichtlinie zu überarbeiten. Ein Lackmustest im Europäischen Jahr der Schiene.

Forderungen:

  • Ende der EU-weiten Steuerbefreiung für Kerosin.
  • Der Bund sollte die Bahnen von der Stromsteuer befreien.

> Gleichbehandlung beim Emissionshandel herstellen

Soweit der Bahnverkehr nicht bereits Strom aus erneuerbaren Quellen nutzt, ist die Erzeugung des Fahrstroms zu 100 Prozent in den kostenpflichtigen Emissionshandel einbezogen, der mit Kerosin betriebene Flugverkehr ist dagegen lediglich zu 20 Prozent kostenpflichtig.

Die EU hat angekündigt, in diesem Jahr die EU-Emissionshandelsrichtlinie zu überarbeiten. Ein Lackmustest im Europäischen Jahr der Schiene.

Forderung:

  • Den Flugverkehr EU-weit zu 100 Prozent in den kostenpflichtigen Emissionshandel einbeziehen.

> Maut-Benachteiligung der Schiene im Vergleich zur Straße beenden

Alle EU-Mitgliedstaaten sind laut EU-Recht verpflichtet, alle Zugverbindungen mit einer Schienenmaut („Trassenpreise“) zu belasten. Für den Straßenverkehr gilt diese Pflicht nicht. Die EU-Mitgliedstaaten haben lediglich die Möglichkeit. In Deutschland z.B. ist der Personenverkehr auf der Straße komplett mautfrei unterwegs und der Straßengüterverkehr außerhalb der Bundesfernstraßen ebenfalls.

Die EU hat vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie den Mitgliedstaaten erlaubt, vorübergehend die Schienenmaut auf Null zu setzen und die Einnahmeausfälle der Infrastrukturbetreiber zu ersetzen.

Forderungen:

  • Verlängerung der Ausnahmeerlaubnis für Nationalstaaten, die Schienenmaut komplett erlassen zu dürfen bis es auch für den Straßenverkehr EU-weit eine Mautpflicht gibt. Was in Pandemie-Zeiten schnell und unbürokratisch möglich ist, muss auch für den Klimaschutz möglich sein.
  • Der Bund sollte von der Pandemie-Ausnahmeerlaubnis Gebrauch machen und die Bahnen von der Schienenmaut befreien.

> Mobilitätspreise gerechter machen

Der Personen- und Gütertransport in der Europäischen Union verursachen pro Jahr externe Kosten in Höhe von knapp einer Billion Euro. Zu diesem Ergebnis kommt die EU-Kommission in einer Untersuchung aus dem Jahr 2019. Der Straßenverkehr ist mit fast 83 Prozent der stärkste Kostenverursacher, gefolgt vom maritimen Transport mit 10 Prozent, dem Lufttransport mit 5 Prozent und dem Schienentransport mit 2 Prozent.

Forderungen:

  • Die EU muss für mehr Kostenwahrheit im Verkehr sorgen und den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Internalisierung der externen Kosten vorgeben.