Daniela Kumbernuß (40) arbeitet für den Fernverkehr der Deutschen Bahn in Hannover. Die ICE-Zugchefin überzeugte durch ihre vorbildliche Krisenkommunikation während eines Polizeieinsatzes im ICE. Als junges Mädchen wollte sie niemals Eisenbahnerin werden. Einen Freund, der bei der Bahn arbeitet, wollte sie erst recht nicht. Beides ist eingetroffen.
Frau Kumbernuß, die Fahrt, die Sie zur Eisenbahnerin mit Herz macht, war eher schrecklich.
Ja, das war wirklich böse. Ich hatte an dem Tag Fieber, und wir waren nur Mädels auf dem Zug. Richtig zierliche kleine Zugbegleiterinnen. Ich war die größte von allen. Als eine Mitarbeiterin aus dem Bord-Bistro zu mir kam, stand ihr die Angst ins Gesicht geschrieben. Ein Betrunkener randalierte im Bistro, weil sie ihm keinen Alkohol ausschenken wollte. Ich schaute mir die Lage an, und es war so bedrohlich, dass ich beschlossen habe, keine Durchsage zu machen. Das hätte den Mann noch mehr gereizt. Wir hielten am Bahnhof von Solingen, und ich rief die Polizei. Die Fahrgäste wussten also nicht, warum der Zug stand. Als dann die Männer vom Einsatzkommando kamen, war sicher alles gut. Von wegen. Erst mussten wir ewig warten. Ich stieg immer wieder aus dem Zug: „Wann kommen die denn endlich.“ Und dann kamen zwei Polizistinnen um die Ecke. Zum Glück zögerten die nicht lange. Sie griffen sich den Kerl und schleppten ihn weg.
Haben denn vorher die männlichen Fahrgäste nicht geholfen?
Nein, sonst haben wir oft Glück und Bundeswehrsoldaten reisen mit. Die packen sofort mit an. Aber diesmal waren lauter Geschäftsreisende im Zug und von denen wollte keiner in ein Handgemenge verwickelt werden. Danach haben Sie eine Durchsage gemacht und den Fahrgästen alles genau erzählt.
Dürfen Sie das?
An dem Tag habe ich sicher einige Regeln aus dem Ansage- Handbuch missachtet. Aber ich wollte den Leuten einfach die Wahrheit sagen. Wenn ich selbst verreise und höre nur die knappen Durchsage, dann verstehe ich manchmal nicht, was eigentlich los ist. Bei solchen Fahrten helfen die Standardansagen oft nicht weiter.
Nun sind Sie dafür auch noch Eisenbahnerin mit Herz geworden.
Da bin ich auch völlig überrascht. Und ich freue mich riesig darüber.
Wollten Sie jemals Zugbegleiterin werden?
Nie. Ich wollte Bibliothekarin werden, aber in der DDR war das nicht so einfach mit den Wünschen. Als ich meine erste Uniform anhatte, habe ich geweint. Sie passte hinten und vorne nicht. Sie war viel zu kurz. Ich bin 1,83 groß.
Und wie sehen Sie Ihre Arbeit heute?
Ich will nie mehr etwas anderes machen. Meine Schwester arbeitet als Zugbegleiterin, mein Lebensgefährte auch, mein Schwager ist ebenfalls bei der Bahn. Da fährt ein ganzer Kumbernuß-Clan durch Deutschland.
Wer viel Bahn fährt der weiß, dass es bei außerplanmäßigen Ereignissen oft mit der Kundeninformation hapert. Wie Daniela Kumbernuß als Zugchefin die schwierige Situation mit einem gewalttätigen Fahrgast gemeistert und die Kunden dann souverän und selbstbewusst über den Vorfall und die Verspätung informiert hat, ist für uns als Jury Gold wert. Fünf Sterne für vorbildliche Krisenkommunikation.
„Ich möchte gern die Zugchefin des ICE von Köln nach Hannover als „Eisenbahnerin mit Herz“ vorschlagen. Auf jener Fahrt wurde eine Zugbegleiterin von einem Betrunkenen belästigt. Diese Situation eskalierte im Hauptbahnhof in Solingen, so dass die Zugchefin die Landespolizei rief und sich unsere Weiterfahrt verzögerte. Ich selbst saß in einem anderen Wagen und habe diesen Vorfall nicht mitbekommen. Trotzdem fand ich es bemerkenswert, wie die Zugchefin diese Situation gehandhabt hat.
Während des Geschehens selbst wusste niemand etwas davon. Erst nachdem die brenzlige Situation vorüber war, erklärte sie uns über Lautsprecher ausführlich, was geschehen war, warum sie vorher nichts gesagt hatte, dass sie für die Sicherheit nicht nur der Fahrgäste sondern auch ihres Personals verantwortlich sei. Dies allein empfand ich bereits als eine sehr offene und ehrliche Art der Kommunikationspolitik. Darüber hinaus kümmerte sie sich liebevoll darum, dass alle Fahrgäste, die ihre Anschlusszüge verpassten, eine Alternative bekamen.
Alles in allem habe ich mich als Fahrgast sehr gut umsorgt und aufgehoben gefühlt.“
Laura Gandyra (Brüssel)