Berlin. Die Jury hat entschieden, die Sieger stehen fest: Drei Zugbegleiter und ein Lokführer gewinnen den Titel Eisenbahner mit Herz, den die Allianz pro Schiene 2012 zum zweiten Mal vergibt. Gold erhält der ICE-Zugbegleiter Peter Gitzen aus Köln.
Tränen lügen nicht
Der langjährige Mitarbeiter von DB Fernverkehr war von gleich zwei Einsendern für den Titel nominiert worden und in beiden Fällen kämpften seine Fahrgäste mit den Tränen. Eine ältere Dame, die ihre Bahncard aus Versehen in einen Mülleimer entsorgt hatte, bekam nach dem Einsatz von Zugchef Peter Gitzen nicht nur Aufmerksamkeit und Trost gespendet, sondern auch die verlorene Bahncard und ihr Geld zurück. Für die beiden 14-jährigen Mädchen aus dem norddeutschen Oldenburg, die am späten Abend im falschen Zug Richtung Ruhrgebiet saßen, organisierte der Zugbegleiter eine Zelt-Übernachtung im heimischen Garten und zur größten Erleichterung der Eltern – eine behütete Rückreise erster Klasse quer durch die Republik.
Mit seiner ausgeprägten Hilfsbereitschaft überzeugte Peter Gitzen die Jury im Handstreich: Wer den Passagier als Gast ansieht, dessen Gastfreundschaft endet nicht am Zugabteil. Uns hat die Herzlichkeit und das private Engagement von Peter Gitzen fasziniert, der gestrandeten Reisenden in der Zeit bis zum Morgenzug aus der Patsche hilft. Ein solcher Zugbegleiter verfährt auch bei Ticket-Problemen nicht nach Schema F. Soviel Gastfreundschaft nach Dienstschluss und Recherchefreude sind selten, urteilte die Jury unter dem Vorsitz von Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege.
Der Herr der Ringe
Silber gewinnt in diesem Jahr DB-Regio Lokführer Oliver Vitze für seinen besonderen Einsatz in einer romantischen Herzensangelegenheit. Eine junge Nürnbergerin bringt ihre Freundin zum Bahnhof. Beim Winken rutscht ihr der Ehering vom Finger und landet unter dem Zug am Nebengleis. In ihrer Not klopft die Frau bei den Lokführern des wartenden Regionalexpress. Der netteste Lokführer der Welt steigt aus und kriecht für sie unter den Zug. Er wendet alle Steine, bis der Ring gefunden ist. Als die Kundin ihn voller Dankbarkeit fragt, was sie für ihn tun kann, hat der bekennende Exilberliner nur einen Wunsch: Ein Stück Seife. Die Jury würdigte vor allem die hilfsbereite Ritterlichkeit von Oliver Vitze aus dem baden-württembergischen Crailsheim: Wer im Reisenden den Menschen sieht, der klettert für Fahrgäste auch unter den Zug und sucht den verlorenen Ehering. Uns hat beeindruckt, wie der Lokführer sich nicht zu schade war, im Schotter und Schmutz nach dem Ring zu suchen.
Krankenpflege de luxe
Bronze erhält Alexandra Schertler, Zugbegleiterin bei der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) für die Fürsorglichkeit, mit der sie auf der Fahrt von Tegernsee nach München eine kranke Reisende pflegt. Als die Frau um Luft ringend an der Tür steht, bringt Alexandra Schertler sie in die erste Klasse und sorgt dafür, dass sie sich hinlegen kann. Während der Fahrt sieht sie mehrfach nach der Kranken. Die Kundin ist sehr begeistert und hätte eine solche Fürsorglichkeit bei der Bahn niemals erwartet.
Die Jury lobte die Aufmerksamkeit und den medizinischen Blick von Alexandra Schertler, die gelernte Zahnarzthelferin ist: Wer im Kunden den Menschen sieht, leidet mit. Uns hat imponiert, wie die BOB-Zugbegleiterin sich geradezu mütterlich um die gesundheitlich angeschlagene Passagierin gekümmert hat. Soviel Einfühlungsvermögen gepaart mit medizinischem Sachverstand ist selten.
Sonderpreis Zivilcourage
Erstmals vergab die Allianz pro Schiene auch den Sonderpreis Zivilcourage. Gewinner ist der DB-Regio Zugbegleiter Yalcin Özcan von der Südostbayernbahn (SOB), der von Bahn-Azubis der Fachhochschule München nominiert wurde, weil er seine Fahrgäste im Sommer 2010 vor einem gewalttätigen Schwarzfahrer beschützt hatte. Als der Betrunkene in einem fahrenden Zug der Kurhessenbahn eine Waffe zieht, gelingt es Yalcin Özcan, die Reisenden aus dem Waggon zu lotsen und den Randalierer in einem Abteil einzusperren.
Die Jury würdigt die Zivilcourage des 25-jährigen türkischstämmigen Zugbegleiters: Wer ein Herz für Fahrgäste hat, der schützt sie auch bei Gefahr. Uns hat beeindruckt, wie Yalcin Özcan den bewaffneten Aggressor isoliert und die Reisenden in Sicherheit gebracht hat. Soviel Mut ist selten.
Der Jury fiel in diesem Jahr die Wahl nicht leicht. Bahnkunden aus ganz Deutschland hatten rund 150 Geschichten eingeschickt, die abenteuerliche, denkwürdige und erfreuliche Erlebnisse auf dem rund 40.000 Kilometer langen Schienennetz schilderten. Aus diesem Fundus ermittelten die Bahnen mehr als 60 namentlich Nominierte aus allen Bundesländern, die mit Foto und ihren Geschichten in einer Online-Galerie zu sehen sind. Aus dieser Kandidaten-Galerie wählte die Jury die vier Sieger für das Jahr 2012 aus.
In der Jury sitzen neben der Allianz pro Schiene die drei großen deutschen Fahrgastverbände – Karl-Peter Naumann (Fahrgastverband Pro Bahn), Michael Ziesak (Verkehrsclub Deutschland), Christian Schultz (Deutscher Bahnkunden Verband) – und die beiden Eisenbahngewerkschaften – Virginia Monteiro (Gewerkschaft der Lokomotivführer) und Alexander Kirchner (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) – und Hans-Werner Bürkner für den Bundesverband Deutscher Eisenbahn-Freunde.