Auf Deutschlands Schienen sind Tag für Tag unzählige Eisenbahner und Eisenbahnerinnen mit Herz unterwegs. Einige von ihnen haben wir in den mehr als zehn Jahren unseres Wettbewerbs ausgezeichnet. Angefangen hat alles mit unserem ersten Goldsieger Jonni Käsehage, der mit beherzter Detektivarbeit dafür gesorgt hat, dass ein verlorener Laptop an Heiligabend zu seiner Besitzerin fand.
Für die siegreichen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ist die Auszeichnung mit der Ehrennadel eine Wertschätzung ihrer Arbeit. Oftmals geht der begehrten Auszeichnung jahrzehntelanger Einsatz „an vorderster Front“ voraus. Zu Recht erfüllt es die siegreichen Bahner daher mit einer angemessenen Portion Stolz, sich jetzt auch offiziell „Eisenbahner mit Herz“ nennen zu dürfen. Sie sind unsere Alltagshelden, ohne die die Bahnen nicht funktionieren würden.
Lernen Sie unsere Sieger der vergangenen Jahre kennen. Übrigens: Für uns gilt immer: Nach dem Eisenbahner mit Herz ist vor dem Eisenbahner mit Herz! Wenn Sie eine Geschichte erlebt haben, die wir unbedingt berücksichtigen sollten, nehmen wir dieser gern jederzeit HIER entgegen.
Zugchefinnen, die kurzerhand ihren Zug kürzen, Koordinationswunder in stressigen Situationen und privater Einsatz, der weit über das Übliche hinausgeht - unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner mit Herz 2024 beweisen einmal mehr, dass Sie gern die Extrameile für Ihre Fahrgäste gehen.
Für die Jury war die Wahl aus über 150 Einsendungen in diesem Jahr so schwierig, dass sie kurzerhand zwei nominierte Eisenbahner mit dem Silberpreis ausgezeichnet hat. Und das ist nicht die einzige Besonderheit beim diesjährigen "Eisenbahner/in mit Herz". Unsere Goldpreisträgerin hat nicht nur die Jury überzeugt - mit großem Abstand wurde Sie auch von der Öffentlichkeit zum Publikumsliebling 2024 gewählt. Das hat es in der Geschichte der Auszeichnung noch nie gegeben.
Hier finden Sie die Geschichten der Bundespreisträger und unsere acht Landessieger- und Siegerinnen. Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch!
Anja Szeglat ist seit fast 14 Jahren Zugchefin bei der Deutschen Bahn – und damit, wie sie lachend sagt, quasi Mädchen für alles. Ihren Job macht sie mit Herz und auch mit sehr viel Köpfchen. Ihrem Einfallsreichtum ist es zu verdanken, dass Hunderte Fahrgäste nicht in Kassel-Wilhelmshöhe strandeten, sondern doch noch ans Ziel kamen.
Anja Szeglat ist die Frau, die einen Zug schrumpfen kann. Damit hat sie die Reisenden und die Jury des Wettbewerbs gleichermaßen beeindruckt. Die 40-Jährige ist die erste Preisträgerin, die Gold gewinnt und zugleich zum Publikumsliebling gewählt wurde.
Frau Szeglat, bevor wir über Ihre Zugschrumpfung reden, lassen Sie uns darüber sprechen, wie Ihr Tag im Juni 2023 begonnen hat.
Anja Szeglat: Uff, das war ziemlich schrecklich. Das war der Morgen, an dem mein Kater Archie tot auf der Straße gefunden wurde. Ich war unendlich traurig, hatte aber gar keine Zeit zu trauern, weil ich ja zur Arbeit musste. Also habe ich Archie schnell im Garten begraben und habe mich mit dem Regional- zug auf den Weg nach Hamburg gemacht. Ich war so durch den Wind, dass ich leider zu spät bemerkt habe, dass ich quasi in einer Bierlache saß. Ich habe kurz geflucht, mich trockengeföhnt, und los ging mein Dienst im ICE.
Das klingt nach unglaublich schlechten Voraussetzungen. Andere hätten ihren Frust sicher an den Fahrgästen ausgelassen…
Anja Szeglat: Ja, aber ich habe die Zähne zusammengebissen. Dann ging es allerdings noch weiter mit den Hiobsbotschaften. Auf halbem Weg stellte sich heraus, dass es krankheitsbedingt nach einem Schichtwechsel gar nicht genügend Personal für meinen sehr langen Zug gab. Ich stand plötzlich als einzige Zugbegleiterin für 13 Wagen da und dachte: Mist.
Oh weia. Was können Sie denn in so einem Fall überhaupt tun?
Anja Szeglat: Tja, also eigentlich müsste ich in diesem Fall den Fahrgästen sagen: Sorry Leute, unser Zug endet heute leider in Kassel-Wilhelmshöhe. Denn als Zugchefin trage ich auch die Verantwortung für die Sicherheit im Zug. Und ich kann alleine unmöglich die Fahrgäste in 13 Wagen im Blick haben. Alle Fahrgäste aussteigen zu lassen und sie auf den nächsten Zug zu verweisen, war aber auch keine gute Option. Denn ich wusste, dass der nächste Zug kleiner war und all die Fahrgäste niemals Platz darin gefunden hätten. Also habe ich gegrübelt. Ich war nicht bereit, einfach aufzugeben. Und dann kam mir die Idee: Was, wenn ich einfach den Zug schrumpfe?
Das klingt ein bisschen nach „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“. Ich dachte immer, schrumpfen funktioniert nur im Film?
Anja Szeglat: (lacht) Also mein Zug war zum Glück nicht voll ausgelastet. Ich habe also überlegt, die Menschen aus 13 Wagen einfach auf sechs Wagen zu verteilen – den Zug also gewissermaßen kürzer zu machen und dann die leeren Bereiche abzuschließen. Damit hatte ich dann einen sehr viel übersichtlicheren, geschrumpften Zug.
Moment - das klingt jetzt aber sehr viel leichter, als es tatsächlich war, oder? Wie haben Sie denn die Fahrgäste dazu bewegt, sich in die sechs Waggons zu verteilen?
Anja Szeglat: Ich habe die ganze Zeit Durchsagen gemacht und die Fahrgäste auf dem Laufenden gehalten. Sie kannten also unser Personalproblem bereits. Dann habe ich ihnen gesagt: Passt auf, ich habe eine Lösung. Wir können fahren, wenn ihr euch einfach in folgenden Wagen trefft. Zum Glück hatte ich noch Mitarbeiter aus dem Bordbistro im Zug. Die haben den Fahrgästen dabei geholfen, ihr Gepäck in die anderen Waggons zu transportieren. Die Lokführerin hat dabei geholfen, die Fahrräder umzustellen – ja, und dann haben wir uns gewissermaßen alle in der Mitte des Zuges getroffen.
Wahnsinn. Und es gab kein Gemecker bei den Fahrgästen?
Anja Szeglat: Nein, die fühlten sich glaube ich ganz gut mitgenommen. Ich musste dann ja einmal durch den ganzen Zug laufen, auch um die leeren Wagen abzuschließen. Und als ich dabei durch die inzwischen gut gefüllten mittleren Wagen kam, haben mir die Fahrgäste sogar applaudiert. Mich hat das so berührt an diesem Tag, der so unangenehm begonnen hatte. Ich habe dann vor Rührung sogar geweint.
Das ist doch total verständlich. Wie ging es dann für Sie und die Fahrgäste weiter?
Anja Szeglat: Also wir haben mit ungefähr 40 Minuten Verspätung Kassel-Wilhelmshöhe verlassen, und der Rest der Fahrt verlief dann problemlos. Die Verspätung hat niemanden so richtig gestört. Denn in Kassel-Wilhelmshöhe zu stranden, wäre ja noch unangenehmer gewesen. Alle haben sich gefreut, dass wir weiterfahren konnten. Es hat sich tatsächlich niemand bei mir beschwert.
Kein Wunder, dass ein Fahrgast Sie als Eisenbahnerin mit Herz vorgeschlagen hat. Sie haben sowohl die Jury von sich überzeugt als auch den Publikumspreis abge-staubt – das gab es noch nie in der Geschichte des Wettbewerbs Eisenbahner/in mit Herz. Wie geht es Ihnen damit?
Anja Szeglat: Ich freue mich wirklich sehr darüber. Es bedeutet mir eine Menge! Für mich ist diese Auszeichnung quasi der Oscar der Eisenbahner! (lacht) Ich mache meinen Job wirklich mit Herz. Ich glaube, anders geht es auch nicht. Ich fahre zum Beispiel regelmäßig die Strecke nach Dänemark, und dabei überqueren wir mit unserem Zug die Rendsburger Hochbrücke über dem Nord-Ostsee-Kanal. Jedes Mal schaue ich aus dem Fenster und staune über Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, ich freue mich über die Erlebnisse mit den Reisenden – man muss das einfach mit Herzblut machen und all die vielen Eindrücke zu schätzen wissen, sonst ist man einfach nicht im richtigen Job.
Liebe Frau Szeglat, danke für das Gespräch – und machen Sie bitte mit genauso viel Herz weiter.
Thomas Böhm hat erst spät im Berufsleben seinen Weg zur Eisenbahn gefunden. 2020, während der Corona-Pandemie, entschied sich der gebürtige Nürnberger, seine Selbstständigkeit im Eventbereich aufzugeben und Kundenbetreuer bei der Bayerischen Regiobahn zu werden. Eine Entscheidung, die er noch keinen Tag bereut hat. Und die dem 56-Jährigen jetzt einen wohlverdienten Preis beschert.
Herr Böhm, im Moment redet alle Welt über geregelte Arbeitszeiten und über die Möglichkeit, Arbeitszeit zu reduzieren. Sie haben im vergangenen Jahr am Ende einer Spätschicht freiwillig noch drei Stunden drangehängt. Wie kam es dazu?
Thomas Böhm: Ich war an diesem Abend mit dem letzten Zug von Rosenheim nach Kufstein unterwegs. Als ich in Kufstein ausgestiegen bin und kurz vor meinem Feierabend stand, habe ich auf dem Bahnsteig einen Vater und seinen zwölfjährigen Sohn getroffen. Die beiden haben mich angesprochen, weil sie ihren Zug nach München verpasst hatten – wegen eines Gleiswechsels, ärgerlich. Und nun standen sie da, es war schon nach Mitternacht, und es fuhr kein Zug mehr nach München.
Das ist ja eine wirklich blöde Situation. Und nicht die beste Uhrzeit, um noch ein Hotel zu finden…
Thomas Böhm: Ganz genau, das hatte der Vater schon ohne Erfolg versucht. Und mit dem Sohn am Bahnsteig zu übernachten, war natürlich auch keine sehr prickelnde Option. Ich hab dann gar nicht lange drüber nachgedacht und den beiden angeboten, sie mit meinem privaten Auto nach München zu fahren.
Wie, einfach so? Weil Sie ohnehin nach München mussten?
Thomas Böhm: Naja, nicht so ganz. Eigentlich hing da ein ganz schöner Umweg dran. Mein Auto stand in Rosenheim, also gut 40 Kilometer vom Bahnhof Kufstein entfernt. Ich habe Vater und Sohn dann angeboten, dass ich wie geplant mit dem Taxi zum Bahnhof Rosenheim fahre, dort schnell mein Auto auftanke und sie wieder in Kufstein abholen komme – um sie dann zum Münchner Hauptbahnhof zu bringen, von wo aus sie wie geplant weiter nach Hannover fahren könnten.
Herr Böhm, das klingt nach einem Riesen-Umweg. Wie lange waren Sie denn da unterwegs?
Thomas Böhm: Ja, schon. Unterm Strich hat es für mich so ungefähr 300 Extra-Kilometer bedeutet, also drei Stunden nach Feierabend. Ich wollte den beiden einfach helfen, Dienst-ende hin oder her.
Wann haben Sie die beiden ungefähr am Münchner Hauptbahnhof abgesetzt? Und wann waren Sie selbst dann wohlverdient in Ihrem Bett?
In Kufstein habe ich die beiden ungefähr um 2.30 Uhr abgeholt, und in München waren wir gegen 3.45 Uhr am Hauptbahnhof. Dort konnten Vater und Sohn kurz darauf in den ersten Zug nach Hannover steigen. Ich selbst war dann so zwischen 5.00 und 5.30 Uhr zuhause.
Das ist wirklich ein außergewöhnliches Engagement. Vater und Sohn waren Ihnen sicher total dankbar?
Thomas Böhm: Ja, auf jeden Fall haben sie sich gefreut. Leider haben wir keine Telefonnummern ausgetauscht. Wir haben uns am Münchner Hauptbahnhof verabschiedet. Und ich war froh, dass ich den beiden helfen konnte. Das hat mich dann sehr glücklich und zufrieden gemacht am Ende dieser langen Nacht.
Da konnten Sie aber auch wirklich mehr als zufrieden mit sich sein. Nun passiert sowas ja nicht an jedem Arbeitstag, das wäre dann vielleicht auch etwas zu viel des Guten. Woraus ziehen Sie bei der Arbeit Ihr ganz alltägliches Glück?
Thomas Böhm: Die Strecken, auf denen ich unterwegs bin – zwischen Rosenheim, München, Kufstein, Salzburg und Holzkirchen – sind einfach landschaftlich wunderschön. Außerdem habe ich den ganzen Tag Kontakt mit den Fahrgästen. Auf deren individuelle Wünsche und Bedürfnisse lasse ich mich gerne ein. Das macht mir in meinem Job als Zugbegleiter großen Spaß.
Nun sind Sie ganz offiziell einer unserer Eisenbahner mit Herz – dazu herzlichen Glückwunsch. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Thomas Böhm: Das ist für mich wirklich wie Ostern und Weihnachten zusammen! Ich mache die Erfahrung, dass so viele Eisenbahner und Eisenbahnerinnen täglich mehr als das Nötigste machen. Natürlich gehört dann auch Glück dazu, nominiert und ausgezeichnet zu werden. Dafür möchte ich mich bei dem Vater und dem Sohn und auch bei der Jury ganz herzlich bedanken. Den Preis teile ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Bayerischen Regiobahn, die genauso einen klasse Job machen. Wir hören immer von unseren Fahrgästen, dass wir hier besonders nett sind (lacht) – es ist wirklich eine schöne Arbeit, und sie macht wirklich großen Spaß.
Ich habe den Job als Zugbegleiter leider erst sehr spät entdeckt und bin froh, jetzt bei der Eisenbahn arbeiten zu dürfen. Ich kann den jungen Leuten nur empfehlen: Kommt zur Eisenbahn, das ist ein attraktiver Job. Wir brauchen euch!
Dem wollen wir gar nichts mehr hinzufügen, lieber Herr Böhm. Danke für das Interview und Ihre Zeit.
Etwa sein halbes Leben arbeitet Gerd Müller schon für die DB Regio, seit geschlagenen 27 Jahren. Einfach Dienst nach Vorschrift zu machen, kommt für ihn nicht infrage. Er liebt die Begegnungen mit den Fahrgästen, für sie legt er sich jeden Tag ins Zeug. Im vergangenen Sommer hat er Reisende im Rollstuhl mit seinem Engagement derart beeindruckt, dass er nun Eisenbahner mit Herz ist.
Herr Müller, erst mal ganz herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung.
Gerd Müller: Vielen Dank, ich freue mich sehr.
Sie haben im Juni 2023 dafür gesorgt, dass ein kaputter Fahrstuhl am Bahnhof in Bensheim für einige Menschen im Rollstuhl nicht zu einem Drama wurde. Erzählen Sie doch mal, was vorgefallen ist.
Gerd Müller: Ich erinnere mich noch gut, denn es war eine lange Schicht an einem heißen Tag. Ich war gerade im letzten Zug vor Feierabend und eigentlich schon etwas platt. In Bensheim kam dann ziemlich aufgeregt eine Dame auf mich zu, die erzählte, dass ein Aufzug kaputt sei und eine Gruppe, zu der auch Rollstuhlfahrer gehörten, nicht zu ihrem Zug nach Frankfurt kommen könne.
Oh nein, das war sicher total frustrierend für die Gruppe. Aber was konnten Sie dann tun, wenn der Fahrstuhl kaputt ist? Sie konnten ihn ja nicht reparieren?
Gerd Müller: Es war so, dass die eine Hälfte der Gruppe, die mobil war, in meinem Zug mitgefahren ist. Die andere Hälfte der Gruppe ist mit einem Betreuer in Bensheim geblie-
ben, weil sie einfach keine andere Wahl hatte: Es war Wochenende, das Reisezentrum hatte schon geschlossen. Und kurzfristig konnte der Betreuer keinen Fahrdienst organisieren, der auf Menschen in Elektrorollstühlen eingestellt war. Ich konnte mir gut vorstellen, wie hilflos sich die Menschen fühlen mussten, die nun keine Chance hatten, in ihren Zug nach Frankfurt zu kommen. Also habe ich aus meinem fahrenden Zug heraus einen Schlachtplan entwickelt.
Wie sah der aus?
Gerd Müller: Erst mal habe ich bei der Transportleitung angerufen. Das ist die Stelle, die dafür sorgen kann, dass ein Zug auf ein anderes Gleis umgeleitet wird – in dem Fall also auf das Gleis, an dem die Rollstuhlfahrer warteten. Die Kollegin in der Transportleitung war zum Glück top drauf und wollte auch unbedingt helfen. Ich habe ständig Kontakt gehalten zur einen Hälfte der Gruppe im Zug und auch zu der anderen Hälfte, die am Bahnsteig in Bensheim immer noch gewartet hat. Ich konnte den Leiter der Gruppe am Telefon beruhigen und habe ihm versprochen, dass wir eine Lösung finden werden.
Da hatten Sie ja eine Menge zu organisieren und vor allem zu kommunizieren…
Gerd Müller: Ja, das stimmt. Ich habe auch meine Kollegen im Zug nach mir informiert, den die Gleisänderung dann ja betraf. Die Weichen werden zwar ohnehin gestellt, aber mir war wichtig, dass sie auch Bescheid wissen, warum wir die Gleisänderung haben. Zwischendurch habe ich für die Gruppe in meinem Zug immer wieder Durchsagen gemacht, weil ich gewissermaßen an meinem Platz festklebte, auf Rückrufe warten musste und ständig telefoniert habe.
Nun konnten Sie ja nicht selbst miterleben, ob der Gleiswechsel und der Umstieg für die Gruppe in Bens-heim geklappt hat. Wie haben Sie am Ende davon erfahren, dass alles gut gegangen ist?
Gerd Müller: Ich habe später nochmal meine Kollegen aus dem Zug angerufen, in dem die Rollstuhlfahrer mitfahren sollten, und nachgefragt. Sie haben mir bestätigt, dass alles ohne Probleme geklappt hat. Da ist mir dann ein Stein vom Herzen gefallen. Auf meinem Nachhauseweg später habe ich auch nochmal den Leiter der Gruppe angerufen und gefragt, wie es ihm geht. Und der war – obwohl das für mich wirklich ganz selbstverständlich war, zu helfen – total erleichtert und so beeindruckt, dass er mich bei der Allianz pro Schiene als Eisenbahner mit Herz vorgeschlagen hat.
Wie schön – und völlig verdient übrigens. Sicher wäre nicht jeder bereit, nach einem anstrengenden Tag und auch nach so vielen Jahren im Job noch die Extrameile zu gehen.
Gerd Müller: Da ist schon was dran. Ich merke immer wieder, dass ich mir als Zugbegleiter wirklich jeden Tag Mühe geben muss, weil die Fahrgäste aufgrund der vielen Verspätungen und Zugausfälle ja durchaus oft frustriert sind. Ich versuche ihnen dann immer zu zeigen, dass ich ihnen etwas Gutes tun will und dazu da bin, ihnen zu helfen – und dass ich nicht nur der Typ bin, der ihre Fahrkarte kontrolliert.
Wie oft kommt es denn vor, dass Sie auch Lob von den Fahrgästen bekommen?
Gerd Müller: Das passiert eigentlich erfreulich oft, wenn man sich ins Zeug legt für die Leute und wenn man einfach ein Herz für die Fahrgäste hat. Aber natürlich geht dann nicht jeder Fahrgast gleich den Weg, einen für den Eisenbahner mit Herz zu nominieren. Und ich bin ja schon wirklich lange dabei. Für mich ist das was ganz Besonderes. Es zeigt, dass meine Leistung hoch bemessen und anerkannt wird. Trotz aller Mühen, die man manchmal auf sich nimmt, ist das der richtige Weg. Als Eisenbahner sind wir ja Dienstleister für die Fahrgäste. Für mich ist die Auszeichnung eine Bestätigung, dass es sich lohnt, für die Fahrgäste am Ball zu bleiben.
Das freut uns, lieber Herr Böhm. Danke für Ihr Engagement.
GoAhead Baden-Württemberg
Einmal die Kinder-Fahrscheine, bitte!
Nicht alle erinnern sich noch an ihre erste Zugfahrt als Kind, wohl aber an ihre Begeisterung für die mächtigen Loks und die blitzschnell vorbeiziehende Landschaft. Was kann diese Faszination noch toppen? Richtig, eine Kinderfahrkarte. Mariama Jauernig ist so etwas wie Rekordhalterin im Verschenken von Kinderfahrkarten. In ihrer Rolle als Zugbegleiterin bei der GoAhead Baden-Württemberg sorgt sie so regelmäßig für gute Laune bei den Jüngsten und ihren Eltern.
Unsere Einsenderin freut sich auch sehr über Mariama Jauernigs Engagement – vor allem, weil es bei ihrem Sohn weit über die Kinderfahrkarte hinausging. Mariama Jauernig schenkt dem Kleinen ein unvergessliches Zugerlebnis: Spontan darf der stolze Kinderfahrkarten-Besitzer die Zugbegleiterin bei der Fahrkartenkontrolle begleiten. Sie machen zusammen einen langen Gang durch den Regionalzug. Unsere Einsenderin zeigt sich sehr dankbar – schließlich ist so ein Einsatz alles andere als selbstverständlich.
Julien Schneider
Bayerische Regiobahn
Lösungsorientiert in brenzliger Situation
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen: Unsere Einsenderin ist unterwegs im Regionalzug Richtung Ingolstadt. Der Zug ist voll, die Luft stickig und die Stimmung angespannt. Hinzu kommt, dass die einzig vorhandene Toilette kaputt und dementsprechend gesperrt ist. Besonders eine schwangere Frau hat damit zu kämpfen – sie möchte dringend das WC benutzen.
Der Lokführer Julien Schneider bekommt über die Zugbegleiter mit, was los ist und beschließt kurzerhand, selbst die Toilette zu reparieren. Das schafft er auch - und alle Fahrgäste samt der schwangeren Frau staunen nicht schlecht. „Ich bin sehr dankbar, dass es so hilfsbereites Zugpersonal bei der BRB gibt. Meinen größten Respekt an den Lokführer!“, schreibt unsere Einsenderin.
Julien Schneider beweist auf dieser Fahrt, wie ernst er die Bedürfnisse seiner Fahrgäste nimmt – er handelt so engagiert, wie es nur ein wahrer Eisenbahner mit Herz macht.
Kathleen Jurack
ODEG
Telefonische Rettung
Als Mitarbeiterin bei der ODEG-Kundenservice-Hotline erlebt Kathleen Jurack so einiges: Üble Beschimpfungen von frustrierten Kundinnen und Kunden sowie Scherzanrufe sind an der Tagesordnung. Letzten Sommer ereilt sie jedoch ein ungewöhnlicher Anruf, bei dem sie außergewöhnlich handelt. Doch dafür müssen wir erstmal ein Stück zurück in der Zeit reisen. Ein Vater möchte seine elfjährige Tochter zu einer Ferienfreizeit nach Hirschluch begleiten – doch auf der Strecke von Berlin nach Fürstenwalde vergessen sie den Koffer des Mädchens im ODEG-Regionalzug. Für die beiden ein großer Schreck, weil sich wichtige Medikamente für die Tochter im Koffer befinden.
Ein erster Anruf bei der ODEG-Kundenhotline ist niederschmetternd: Weil Sonntag ist, sei da nichts zu machen. Aber die beiden lassen nicht locker. Bei einem zweiten Telefonat mit der ODEG haben sie Kathleen Jurack an der Strippe – ein absoluter Glücksfall. Sie telefoniert sich durch bis in den Zug, in dem sich der Koffer befindet. Kathleen Jurack vereinbart mit ihren Kollegen, dass sie den Koffer an sich nehmen und ihn noch am selben Abend Vater und Tochter in Fürstenwalde übergeben. Die Erleichterung ist groß: Dank dem Einsatz von Kathleen Jurack kann das Mädchen unbeschwert ihre Ferienfreizeit genießen.
Mathias Plös
DB Fernverkehr
Zugstopp im Galopp
Bahnhöfe können verwirren: Hektik, Menschenmassen und Gleisänderungen lassen einen schnell die Orientierung verlieren. So erging es auch einer jungen Mutter am Hamburger Hauptbahnhof, die in all dem Gewusel in den falschen Zug einsteigt. Nun sitzt sie gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn im ICE nach Berlin. Dabei wollten sie doch eigentlich in die andere Richtung, nämlich zurück in ihre schleswig-holsteinische Heimat Malente. Da der ICE regulär erst wieder in Berlin hält, bedeutet die Verwechslung für sie einen Umweg von über drei Stunden.
Unsere Einsenderin – die Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden – beobachtet das Geschehen und erlebt auch die entscheidende Wendung mit, als die Frau den Zugchef Mathias Plös um Hilfe bittet. Er verspricht ihr mitfühlend, sofort eine Verbindung von Berlin zurück nach Malente herauszusuchen. Wenige Minuten später ist er wieder zurück, sogar mit einer viel besseren Nachricht: Der ICE darf ausnahmsweise in Hamburg-Bergedorf halten und die Mutter mit ihrem Sohn aussteigen lassen. Damit erspart Mathias Plös ihr nicht nur große Umwege, sondern auch jede Menge Kummer. Zu Julia Verlinden sagt er ganz bescheiden: „Für mich ist es selbstverständlich, dass ich mich für meine Fahrgäste einsetze!“
Birgitta Bub
Hessische Landesbahn
Die Ruhe im Sturm
Unwetter können vielleicht Züge aus dem Takt bringen, aber nicht die couragierte Zugbegleiterin Birgitta Bub von der Hessischen Landesbahn. Sie ist an Bord, als unsere Einsenderin Hannah Jestädt mit ihren beiden Freundinnen von Gießen nach Fulda fahren möchte. Trotz Unwetterwarnungen mit Hagel und Starkregen fährt der Zug pünktlich los. Doch nach drei Stationen ist Schluss: Wegen des Sturmes dürfen sie nicht weiterfahren. Nun ist Warten angesagt.
Birgitta Bub verkürzt den Fahrgästen die Zeit, indem sie mit ihnen scherzt und die Abläufe für alle verständlich erklärt. Sie eilt sogar zu einer nahegelegenen Spielhalle, um dort Wasserflaschen für alle zu besorgen. Immer wieder setzt sie sich persönlich zu den Reisenden – so wie auch zu unserer Einsenderin – und organisiert Taxis, die ihre Fahrgäste von den Bahnhöfen abholen können. Hannah Jestädt zieht zu der Reise mit Birgitta Bub ein rührendes Fazit: „Auch wenn wir über drei Stunden später als geplant zuhause waren, war es die schönste Zugfahrt meines Lebens. Wir haben viel gelacht und uns so gut aufgehoben gefühlt.“
Alexander Rezek
DB Fernverkehr
Ein Tag, eine Reise, ein Lichtblick
So gut wie jedes Jahr erreichen uns zahlreiche Einsendungen zu einem Zugbegleiter: Alexander Rezek. Seine Fahrgäste geizen nicht mit Superlativen: Er sei der freundlichste, unkomplizierteste und weltoffenste Zugbegleiter. Auch dieses Jahr nominierten ihn mehrere Fahrgäste, eine Einsendung möchten wir aber besonders hervorheben:
Peter-Michael Thiemer ist zur Beerdigung seines Pflegevaters von Berlin nach Köln unterwegs und will noch am selben Tag wieder zurück reisen. Auf der Hinfahrt gibt es jedoch eine Signalstörung, der Zug endet abrupt in Hamm. Gerade noch rechtzeitig erreichen seine Familie und er Köln und können an der Beerdigung teilnehmen. Die Frau unseres Einsenders nimmt sich vor, nie wieder Bahnreisen zu machen – bis sie auf der Rückfahrt Zugbegleiter Alexander Rezek kennenlernt. Als er das Ticket abknipst, sagt er zugewandt: „Heute hin nach Köln und heute wieder zurück von Köln – wunderbar!“
Unser Einsender schreibt: „Alexander Rezek hat es geschafft, unsere auf dem Tiefpunkt liegende Stimmung so zu erhöhen, dass wir uns toll unterhalten und austauschen konnten. Mit seiner netten Art hat er auch die Meinung meiner Frau gewandelt.“ Ein größeres Kompliment gibt es wohl kaum.
Gabriele Mischler
vlexx
Ein Engel für mehr Menschlichkeit
Die Tochter unserer Einsenderin ist unterwegs im vlexx-Zug Richtung Mainz. Auf der Suche nach einem Sitzplatz spricht die Teenagerin mehrere Fahrgäste an und fragt, ob sie sich zu ihnen setzen dürfe. Teilweise sitzen da nämlich nur die Rucksäcke und Taschen der Leute. Doch in allen Fällen stößt sie auf Ablehnung.
Die Zurückweisung der anderen Fahrgäste verletzt das eher schüchterne Mädchen. Sie stellt sich allein in den hinteren Teil des Zuges, und ihr kommen die Tränen. Glücklicherweise findet Zugbegleiterin Gabriele Mischler sie dort und reagiert sofort einfühlsam. Zunächst vermutet die vlexx-Mitarbeiterin, dass das Mädchen Liebeskummer habe, aber als sie dann den wahren Grund erfährt, fehlen ihr die Worte. Gabriele Mischler zögert nicht lange und bietet der Tochter unserer Einsenderin prompt einen Platz in der 1. Klasse an. Dort darf sie dann den Rest dieser nervenaufreibenden Zugfahrt verbringen.
Die Mutter schreibt uns sichtlich dankbar: „Es braucht einen Engel wie Gabriele Mischler in diesen Zeiten! Und an die Menschen, die lieber allein sitzen wollen – ich wünsche euch viel Liebe, ihr könnt sie wahrlich gebrauchen.“
Jörg Birkenbusch
Die Länderbahn
Einblick mit Ausblick
Am 2. Weihnachtsfeiertag ist es ruhig im Dreiländereck bei Zittau. Lokführer Jörg Birkenbusch macht sich bereit für eine winterliche Zugfahrt durch die Oberlausitz. Gerade, als er in seinem Führerstand Platz nehmen will, bemerkt er, wie ein kleiner Gast erwartungsfroh in Richtung der Fahrerkabine guckt: der anderthalbjährige Anton. Gemeinsam mit seinem Papa versucht er neugierig, hineinzulugen. Da ahnen die beiden Zug-Fans noch nicht, dass Jörg Birkenbusch ihnen gleich ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk bereiten wird: Sie dürfen in der Tür stehen bleiben, wenn der Trilex-Zug Richtung Dresden losfährt – in der absoluten Pole-Position!
Begeistert schaut Anton von Papas Armen aus und über Jörg Birkenbuschs Schulter auf die vielen verschiedenen Knöpfe und Tasten, die der Triebfahrzeugführer den beiden Zug-Fans erklärt. Durch die hügelige Landschaft bahnen sie sich den Weg nach Dresden, da zeigt ihnen der Lokführer noch eine Pferdekoppel am Wegesrand. Die Freude bei Anton und seinem Papa ist riesig. Für den einen mag es Alltag sein, für den anderen Abenteuer: Jörg Birkenbusch sorgt mit seiner Kinderfreundlichkeit und Offenheit für dieses einmalige Vater-Sohn-Erlebnis.
Die Gewinner und Gewinnerinnen des "Eisenbahner mit Herz"-Wettbewerbs sind auch 2023 wieder leuchtende Beispiele für Zivilcourage und besonderes Engagement, das über den reinen Beruf hinausgeht.
Während ganz Deutschland im Sommer 22 das 9-Euro Ticket nutze, um die Republik zu erkunden, waren es die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die unter stressigsten Bedingungen ruhig und hilfsbereit für Ihre Kunden da waren.
Prügelnde Störenfriede, verirrte Fahrgäste, ganz besondere Bedürfnisse der Bahnkunden - unsere Preisträger haben in vielen Situationen wieder einmal Herz bewiesen. Dieses Jahr sogar für tierische Passagiere. Viel Spaß mit den Sieger-Geschichten!
Zugtoiletten sind vielleicht nicht gerade die Lieblingsörtchen von Bahnreisenden – aber doch von unschätzbarem Wert, wenn die Blase unterwegs quengelig wird. Dumm nur, wenn man in einer Straßenbahn sitzt und kein WC an Bord ist … und diese Straßenbahn dann noch mit offenem Ende auf der Strecke feststeckt.
Es hätte so ein klassischer Murphy’s-Law-Tag werden können, als Jochen Dietz die Straßenbahn von Wörth nach Karlsruhe fährt. Für einen älteren Herrn, der dringend zur Toilette muss, droht die Fahrt zur Tortur zu werden. Doch unser Eisenbahner mit Herz zeigt vollen Einsatz – und am Ende verlassen Fahrzeugführer und Fahrgast fröhlich – und in jeder Hinsicht erleichtert – den Zug.
Herr Dietz, wahrscheinlich kennt jeder Mensch das Gefühl, dringend zur Toilette zu müssen - aber keine in der Nähe zu haben. Extrem unangenehm, und ab einem gewissen Punkt ja auch kaum noch zu kontrollieren. Was genau ist Ihnen und dem Fahrgast da passiert?
Ich war mit der Karlsruher S-Bahn, die auch als Straßenbahn verkehrt, zwischen Wörth und Karlsruhe unterwegs. Kurz hinterm Bahnhof Wörth, wo der Straßenbahn- in den S-Bahnbereich übergeht, gab es eine Stellwerksstörung. Dort hatte sich eine Weiche verklemmt. Wir standen also eine halbe Stunde auf der Strecke herum. Nach einer Dreiviertelstunde tat sich immer noch nichts. Wir warteten auf den Entstörungsdienst und steckten in der Zeit fest.
Und es war völlig unklar, wie lange das noch dauert?
Ja, genau. Nach geschlagenen zwei Stunden kam dann ein älterer Fahrgast zu mir und sagte, er müsse dringend zur Toilette. Aber in der Stadtbahn gibt es keine Toilette, denn eigentlich ist die ja immer nur auf kurzen Strecken unterwegs.
Oh je. Was konnten Sie denn tun außer dem älteren Fahrgast zu raten, noch ein wenig durchzuhalten?
Das war natürlich erst mal blöd. Was macht man da, wenn man auf der freien Strecke vorm nächsten Bahnhof feststeckt? Ich hatte dann die Idee, den Fahrdienst in Wörth anzurufen. In den alten Bahnhöfen gibt es noch Weichenwärter – und die müssen ja auch zur Toilette. Also habe ich nachgefragt, ob ich mit dem Fahrgast zum Wärterhäuschen kommen und die Toilette benutzen darf.
Jochen Dietz
Unternehmen: Albtal-Vekehrs-Gesellschaft mbH
Bundesland: Baden-Württemberg
Einsatzgebiet: Raum Karlsruhe
Auf so eine Idee muss man ja auch erst mal kommen! Aber wie sind Sie dann vom Gleis aus da hingekommen, ohne sich und den Fahrgast in Gefahr zu bringen?
Gut war ja schonmal, dass uns wegen der Stellwerksstörung keine anderen Züge entgegenkommen konnten. Sicherheitshalber habe ich uns beiden eine Warnweste umgelegt, denn wir mussten ja zunächst mal am Gleis entlanglaufen. Dann kam die nächste Hürde. Wir mussten über eine Leitplanke klettern, um auf die Straße zu kommen. Und der ältere Fahrgast war ja nicht mehr so beweglich. Mit über 80 könnte ich auch nicht mal eben über eine Leitplanke hüpfen. Ich habe dem Herrn dann erst mal geholfen sicher über die Gleise und dann über die Leitplanke auf die Straße zu kommen. Auf der Straße haben wir vorsichtig einige Hundert Meter zum Wärterhäuschen zurückgelegt, und der Fahrgast konnte endlich zur Toilette gehen.
Was für ein Abenteuer…und dann wieder der ganze Weg zurück zum Zug!
Der Rückweg war natürlich etwas entspannter für den Fahrgast. Nach diesem Abenteuer hatte er erst mal Durst, nur leider nichts zu trinken dabei. Zum Glück habe ich immer zwei Flaschen Wasser bei mir. Also habe ich ihm eine abgegeben. Der Fahrgast war daraufhin total begeistert. Seine Frau und er haben sich so über meine Hilfe gefreut und waren immer noch wirklich lustig drauf, als wir nach zweieinhalb Stunden Stillstand endlich weiterfahren konnten. Am Ende sind die beiden richtig glücklich in Karlsruhe angekommen.
Kein Wunder, Sie haben ja auch wirklich alles gegeben.
Ich mache den Job einfach gerne. Wir haben in den Straßenbahnen immer noch Kontakt zu den Kunden, und sie können uns über die Schulter schauen. Die Kinder winken uns von draußen zu. Das macht wirklich Spaß. Wir sind bei der AVG sowohl Straßenbahn als auch Eisenbahn. Und das beides zusammen macht den Beruf so wahnsinnig interessant.
Was bedeutet es Ihnen, dass Sie jetzt Gold-Sieger des Eisenbahner-mit-Herz-Wettbewerbs sind?
Allein die Nominierung war für mich schon eine Auszeichnung. Dass ich jetzt auch noch diesen Wettbewerb gewonnen habe, das ist kaum in Worte zu fassen. Es ist einfach super! Wir haben im Alltag schon auch viel Stress und derzeit viele Störungen. Wenn wir es trotzdem schaffen, dass die Kundinnen und Kunden nach ihrer Fahrt zufrieden sind und sie uns eine positive Rückmeldung geben, dann ist das für uns ein Sechser im Lotto. Dann weiß ich, ich habe an dem Tag alles richtig gemacht und kann zufrieden Feierabend machen. Deshalb ist diese Auszeichnung wirklich das Highlight in meiner bisherigen Karriere.
Und sicher nicht das letzte, lieber Herr Dietz. Wir gratulieren Ihnen ganz herzlich zum Eisenbahner mit Herz. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Kirstin Schley ist seit 2014 Kundenbetreuerin bei DB Regio. Sie ist zwischen Homburg und Kaiserslautern im Einsatz und sorgt dafür, dass die Fahrgäste möglichst bequem und sicher von A nach B kommen. Bei Verspätungen schaut sie nach Anschlusszügen, sie kontrolliert Tickets und unterstützt Menschen an Bord, die Hilfe beim Ein- und Aussteigen in den Zug benötigen.
Frau Schley, erst mal ganz herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung! Erzählen Sie doch mal, wie es dazu kam, dass Sie bei einer Reisenden einen so positiven Eindruck hinterlassen haben.
Im Grunde war es ein ganz normaler Arbeitstag, und ich war abends im letzten Zug von Pirmasens nach Saarbrücken unterwegs. Bei der Fahrkartenkontrolle habe ich eine Frau im Rollstuhl getroffen und wir haben festgestellt, dass sie im falschen Zug sitzt.
Oh nein, wie ist das denn passiert?
Naja, also sie wollte eigentlich in die Gegenrichtung, nach Kaiserslautern, ist aber in den falschen Zug gestiegen. Das war insofern doppelt ärgerlich, weil sie schon ein Fernbus-Ticket von Kaiserslautern nach Dresden gebucht hatte. Aber um diese Zeit hätte sie keine Chance mehr gehabt nach Kaiserslautern zu kommen, weil der letzte Zug schon abgefahren war. Es sah also so aus, als würde sie in Saarbrücken stranden und die Nacht am Bahnhof verbringen müssen.
Kirstin Schley
Unternehmen: DB Regio AG Mitte
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Einsatzgebiet: Homburg, Saarbrücken, Kaiserslautern
Keine sehr angenehme Vorstellung...
Ja, allerdings. Die Frau war verständlicherweise ziemlich aufgelöst, und ich habe versucht sie erst mal zu beruhigen. Ich hab ihr erklärt, dass wir jetzt gemeinsam schauen, ob es nicht doch irgendeine Möglichkeit gibt, nach Dresden zu kommen. Dann habe ich tatsächlich einen Bus gefunden, der nachts um 1.00 Uhr von Saarbrücken nach Dresden fahren sollte. Aber die Frau hatte kein Geld mehr dabei, um den Bus zu buchen.
Das klingt aber auch nach zu viel Pech auf einmal.
Ich habe dann kurz überlegt und habe einfach selbst das Ticket für sie gebucht und aus eigener Tasche bezahlt.
Wow, das ist aber auch nicht selbstverständlich. Sie konnten ja nicht wissen, ob sie das Geld wirklich wieder bekommen.
Die Frau hat mir zugesagt, dass sie mir das Geld am nächsten Tag oder einen Tag später überweisen würde. Ich hab mir gesagt: Ok, und falls nicht, dann habe ich halt Pech gehabt. Aber ich fand sie sehr vertrauenswürdig. In dem Moment war es mir vor allem wichtig zu helfen.
Eine echte Eisenbahnerin mit Herz!
Als wir in Saarbrücken ankamen, haben wir zusammen geschaut, von wo genau der Bus abfährt. Mit dem Rollstuhl wäre die Frau aber nicht allein zur Haltestelle gekommen. Ich habe ihr dann also noch einen Taxigutschein besorgt, damit sie mitten in der Nacht auch sicher zum Bus kommt.
Da waren Sie aber wirklich eine große Hilfe. Und dann sind Sie hoffentlich in Ihren wohlverdienten Feierabend gegangen?
Zuerst habe ich noch Telefonnummern mit der Reisenden ausgetauscht. Ich wollte ja am nächsten Morgen wissen, ob sie auch gut in Dresden angekommen ist. Und dann hat sie sich auch bei mir gemeldet und mir gesagt, dass alles gut geklappt hat und sich bedankt. Einen Tag später hatte ich sogar schon das Geld von ihr auf meinem Konto.
Das ist eine wirklich schöne Geschichte. Was bedeutet es Ihnen, dass Sie jetzt als Eisenbahnerin mit Herz dafür ausgezeichnet werden?
Das ist für mich eine tolle Anerkennung. Ich freue mich darüber und bin auch stolz auf den Preis. Man hilft ja eigentlich täglich Menschen, wenn man als Kundenbetreuerin bei der Bahn arbeitet. Im Normalfall gehen die einzelnen Taten aber eher ein bisschen verloren. In diesem Fall hatte ich das Glück, dass sich jemand gemeldet und mich nominiert hat. Ich nehme den Preis auch stellvertretend für meine Kolleginnen und Kollegen entgegen, die genau wie ich täglich den Reisenden helfen. Ob es nun um ein liegengebliebenes Handy geht oder ob man einem Fahrgast sein Ladekabel leiht – irgendwas ist ja immer. Und es ist schön, wenn diese Arbeit anerkannt und honoriert wird.
Wir freuen uns mit Ihnen über diese Anerkennung! Vielen Dank für das Gespräch, liebe Frau Schley.
Es geht doch nichts über eine ruhige, entspannte Bahnfahrt, auf der man sich einfach zurücklehnen und aus dem Fenster gucken kann. Leider klappt das nicht immer. Im Regionalzug zwischen Coesfeld und Essen beschallen Fahrgäste das ganze Abteil mit ihrer Musik. Der Streit eskaliert, und Zugbegleiter Sebastian Rösner ist mit Lokführer Andreas Immekeppel auf einmal mittendrin.
Herr Immekeppel, Herr Rösner - da muss es ja ordentlich zur Sache gegangen sein an Bord. Was genau ist passiert?
Andreas Immekeppel: Ja, also es war ein ziemlich heißer, stickiger Sommertag. Die Menschen an Bord hatten eh schon eine relativ kurze Zündschnur. Im Abteil hinter mir waren massive Randale. Und als ich mich umdrehte, sah ich einen Fahrgast mit blutgetränktem T-Shirt.
Uff, das sieht man ja zum Glück auch nicht jeden Tag.
Sebastian Rösner: Ja, das sah ziemlich unschön aus. Der blutende Fahrgast hatte eine aufgeplatzte Nase und eine aufgeplatzte Lippe. Dem habe ich erst mal geholfen, habe ihn verarztet und mir dann Andreas Immekeppel zur Verstärkung gerufen, damit wir die Störenfriede aus dem Zug rausbekommen.
Andreas Immekeppel: Genau, und dann habe ich die beiden Streitparteien voneinander getrennt. Natürlich wollte keiner schuld sein, ist ja immer so, dass natürlich nur „Unschulds- lämmer” an solchen Auseinandersetzungen beteiligt sind. Ich hab mich dann entschieden, vier dieser „Unschuldslämmer” an die frische Luft zu setzen, damit die mal ein bisschen ausdünsten können.
Andreas Immekeppel und Sebastian Rösner
Unternehmen: RheinRuhrBahn (transdev)
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Einsatzgebiet: Essen − Borken
Hatten Sie keine Angst, dass Sie in dem Gerangel selber verletzt werden?
Sebastian Rösner: Mein erster Gedanke war wirklich dem Menschen zu helfen, der da gerade geschlagen wurde und blutete. Man muss in solchen Situationen einfach selbstbewusst auf Menschen zugehen können. Denn Auseinandersetzungen zwischen Fahrgästen kommen leider gar nicht so selten vor.
Andreas Immekeppel: Angst hatte ich auch nicht. Das gehört einfach dazu. Es ist ja unsere Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen. Also habe ich im nächsten Bahnhof die Tür aufgemacht und die relativ muskulösen, gut gebauten Herren vor die Tür gesetzt. Die Tür ging wieder zu, und die standen relativ verdutzt auf dem Bahnsteig. Für den Rest des Zuges ging es dann friedlich weiter.
Klingt so, als wären Sie beide die perfekte Besetzung auch für schwierige Situationen. Haben Sie immer in der Bahnbranche gearbeitet?
Andreas Immekeppel: Nein, gar nicht. Ich habe mit über 50 Jahren als Dozent an einer Hochschule aufgehört, um Eisenbahner zu werden. Ich wollte das eigentlich früher schon, dann habe ich es einfach gemacht. Und es ist toll, weil wirklich jeder Tag anders ist. Manchmal sorgen die Fahrzeuge für kreative Abwechslung, mal die Fahrgäste oder auch die Kollegen. Es ist ein Zusammenspiel von vielen Zahnrädern, und es wundert mich jedes Mal und freut mich, wenn die Zahnräder tatsächlich auch die Maschine nach vorne bewegen.
Sebastian Rösner: Ich habe vorher in der Gastronomie gearbeitet, das war ein sehr stressiger Job. Ich habe immer gerne Kontakt zu anderen Menschen gehabt und wollte den auch weiterhin haben. Freunde und Bekannte haben mich auf die Idee gebracht, zur Eisenbahn zu gehen. Und das habe ich bis heute nicht bereut. Die Auszeichnung ist jetzt eine schöne Bestätigung dafür, dass meine Kollegen und ich einen guten Job machen.
Vielen Dank an Sie beide für Ihren Einsatz! Und ganz herzlichen Glückwunsch, dass Sie jetzt zu unseren Eisenbahnern mit Herz gehören.
Herr Özgül, was war Ihre erste Reaktion, als Sie die Situation bemerkt haben?
Ich habe sofort gespürt, dass die Frau total verängstigt war. Sie war in einer Schockstarre, ihr sind die Tränen gelaufen, und sie hat gar nicht mehr auf die obszönen Gesten und derben Sprüche der beiden sehr kräftigen Männer reagiert. Die beiden hatten sie in eine Ecke gedrängt, in der es keine Videoüberwachung gibt - sicher auch kein Zufall. Die Männer kamen ihr immer näher und haben die Frau auch angefasst. Ich musste schnell dazwischengehen.
Nun waren Sie allein unterwegs, und die Männer hätten auch Sie ziemlich leicht angreifen können.
Die beiden waren mir definitiv körperlich überlegen. Aber ich stand unter Adrenalin und habe so getan, als würde ich die Polizei alarmieren und als wären die Polizisten schon auf dem Weg. Ich wollte die Täter in Panik versetzen, damit sie weg-laufen. Das hat dann auch geklappt, und ich konnte erst mal die Frau beruhigen. Eine Touristin aus Taiwan, wie ich später erfahren habe. Wir konnten nur Englisch miteinander sprechen, aber ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass sie jetzt keine Angst mehr haben muss.
Ein Glück. Es war wirklich mutig von Ihnen dazwischenzugehen.
Ich würde mir eigentlich wünschen, dass alle so reagieren würden. Ich war schon überrascht, dass Menschen diese
Situation gesehen haben und einfach weitergelaufen sind. Die Frau hat sich später noch per Mail bei mir bedankt und ich habe ihr geschrieben, dass die Täter jetzt gefasst worden sind. Das habe ich von der Bundespolizei erfahren. Ich bin wirklich froh, dass ich helfen konnte.
Danke, Herr Özgül. Hoffen wir, dass Ihre Zivilcourage auch andere inspiriert. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung!
DB Fernverkehr
Geburt im ICE
Inan Aydin reist mit dem ICE von Paris nach Stuttgart. Eine ganz normale Zugfahrt für die Bahnfahrerin, erst mal nicht der Rede wert. Bis eine Durchsage von Zugchef Mario Bidlingmaier die wohlige Routine durcheinander bringt. Bei einer Mitreisenden haben überraschend die Wehen eingesetzt. Sie braucht dringend medizinische Hilfe.
Plötzlich ist alles anders: Der Zug wird zu einem Bahnhof in Lothringen umgeleitet, medizinische Hilfe ist auf dem Weg. Zugchef Mario Bidlingmaier hat alle Hände voll zu tun, alles zu koordinieren. Die junge Frau kann nicht mehr in ein Krankenhaus gebracht werden, die Geburt ist schon zu weit fortgeschritten. Das Baby kommt also in einem leergeräumten ICE-Abteil zur Welt.
Mario Bidlingmaier hält die Fahrgäste mit Durchsagen auf dem Laufenden. Während der Geburt hilft er beim Dolmetschen zwischen den französischen Rettungskräften und der werdenden Mutter, die aus Deutschland kommt. Trotz der stressigen Situation bleibt Mario Bidlingmaier ruhig und freundlich. Das beeindruckt auch unsere Reisende Inan Aydin: „Meiner Meinung nach verdient so ein Einsatz eine besondere Auszeichnung. Letztlich haben die DB und Mario Bidlingmaier einer Familie ein Leben geschenkt – da nimmt man ausnahmsweise auch eine Verspätung gerne in Kauf!“
Dietmar Strobel
DB Regio Bayern
24/7 im Einsatz
Es ist eine uralte Tradition: Seit dem 17. Jahrhundert werden in Oberammergau alle zehn Jahre die Passionsspiele aufgeführt. 2022 ist es wieder soweit. Nach einer Vorstellung am Samstagabend pilgern viele Zuschauerinnen und Zuschauer zum Bus. Denn zwischen Oberammergau und Murnau gibt es gerade Schienenersatzverkehr. Erst in Murnau wartet die Regionalbahn auf die Fahrgäste.
Nach einem schönen Abend folgt dann die Ernüchterung: Der Bus ist defekt, der Schienenersatzverkehr fällt aus. Dutzende Reisende drohen in Oberammergau zu stranden. Aber sie haben Glück. Denn unter ihnen ist auch Dietmar Strobel, Mitarbeiter von DB Regio. Eigentlich hat er seinen freien Tag und will genauso nach Hause kommen wie die übrigen Fahrgäste auch. Freizeit hin oder her, Dietmar Strobel nimmt jetzt die Zügel in die Hand und versucht einen Ersatzbus zu organisieren. Er telefoniert hin und her, hält die wartenden Fahrgäste auf dem Laufenden – und hat schließlich Erfolg: Er schafft es, dass zwei Busse kommen und alle zur Regionalbahn nach Murnau bringen. Die Bahn wartet auf die verspäteten Fahrgäste, auch darum hat sich Dietmar Strobel gekümmert.
„So einen tollen Dienst am Bahnreisenden wünschte ich mir immer“, schreibt uns Jens-Christian Koch. Und auch Bärbel Schmid meint: „Er war einfach super engagiert und sehr nett. Klasse! Ein echter Eisenbahner mit Herz!“
Irina Lindner
ODEG
Sturmfeste Eisenbahnerin
Ein Sturm fegt im Februar 2022 über weite Teile Deutschlands und Europas hinweg. Tief Zeynep wirbelt auch den Fahrplan auf der Schiene kräftig durcheinander. Zwischen Berlin und Stendal wird die Strecke sicherheitshalber gesperrt. Ab Mitternacht geht gar nichts mehr.
Für unseren Einsender Daniel Masera heißt das: Er steckt zusammen mit den anderen Fahrgästen fest. Sie müssen mit dem Regionalexpress wegen des Sturms im Bahnhof Elstal stehen bleiben. Es gibt weder Essen noch Trinken an Bord. Der Zug kann auch nicht evakuiert werden. Taxis und Busse stehen genauso still. Es sieht nach einer sehr ungemütlichen Nacht aus.
Zugbegleiterin Irina Lindner will es den Fahrgästen wenigstens so angenehm wie möglich machen. Zusammen mit einem der Reisenden läuft sie zu später Stunde durch den Sturm zur nächsten Tankstelle. Sie kauft von ihrem Geld Proviant und Getränke für die Fahrgäste. Die schätzen sich sehr glücklich, denn die Zugfahrt geht erst am nächsten Morgen, nach neun Stunden Stillstand, weiter. Unser Einsender Daniel Masera findet: „Sie hat sehr vorbildlich gehandelt und war die ganze Nacht für uns Fahrgäste da.“
Florian Saß
DB Station&Service
Ende gut, alles gut
Unsere Einsenderin Angelika Tarhaus ist mit dem InterCity von Gelsenkirchen an die Ostsee unterwegs. Bis Hamburg läuft alles reibungslos, doch dann stockt es. Die Weiterfahrt verzögert sich, weil eine Person auf den Gleisen unterwegs ist. Angelika Tarhaus und die anderen Fahrgäste warten erst 30, dann 60 Minuten.
Angelika Tarhaus braucht frische Luft. Sie stellt sich auf den Bahnsteig und telefoniert nebenbei. Als sie sich kurz umschaut, kriegt sie einen Schreck. Die Türen des Zuges schließen sich – und lassen sich auch nicht mehr öffnen. Der Zug fährt einfach vor ihrer Nase ab – und mit ihm auch ihr Koffer und ihr Rucksack. Jetzt ist Angelika Tarhaus richtig verzweifelt.
Doch sie hat Glück im Unglück. Am Infoschalter der DB trifft sie auf Florian Saß. Der beruhigt sie und kümmert sich dann umgehend darum, dass Angelika Tarhaus zu ihrer Reha an die Ostsee kommt – und ihr Gepäck dort bereits wie ein Empfangskomitee auf sie wartet. Florian Saß ruft unsere Reisende später sogar an und fragt nach, ob alles gut geklappt hat. Die ist rundum glücklich und schreibt uns: „Daher wünsche ich ihm, in die Reihe der Eisenbahner mit Herz aufgenommen zu werden.“ Das hat dann schonmal geklappt!
Mike Menger
DB Fernverkehr
Kaputt macht kreativ
Mit Fahrrad im ICE zu verreisen ist ja an und für sich schon ein kleines Abenteuer. Unser Einsender Bernd Unterburger ist mit zwei Freunden und drei Rädern nach Würzburg unterwegs. Kurz bevor sie aussteigen wollen, wartet allerdings eine schlechte Nachricht auf sie: Denn die rechte Tür des Fahrradabteils, zu der die Fahrgäste mit ihren Rädern aussteigen müssen, ist defekt. Darauf stimmt Zugbegleiter Mike Menger die Fahrgäste vorsichtig ein. Als Alternative schlägt er vor, dass die drei Herren ihre Räder durch das Zugabteil schieben, um an der nächsten Tür auszusteigen. Wirklich attraktiv ist diese Option aber nicht – denn der Zug ist voll besetzt.
Doch dann hat Mike Menger eine viel bessere Idee. Wenn der Zug in Würzburg auf ein anderes Gleis umgeleitet werden könnte, dann könnten die Fahrradfahrer durch die funktionierende Tür ihres Abteils aussteigen, ohne ihre Räder durch den Zug zu schieben.
Mike Menger telefoniert mit der Leitzentrale in Würzburg und bittet darum, kurzfristig auf das gegenüberliegende Gleis am selben Bahnsteig umgeleitet zu werden. Und tatsächlich, das Gleis ist noch frei – und es klappt. Eine große Erleichterung für Bernd Unterburger und seine Freunde, die kurz darauf ganz bequem aus dem Zug aussteigen können. Anschließend schreibt uns Bernd Unterburger: „Das war von Mike Menger eine hervorragende Dienstleistung am Bahnkunden, die sicherlich nicht alltäglich zu erwarten ist. Dafür möchten wir auch an dieser Stelle unseren herzlichen Dank ausdrücken!“
Eva-Juliane Hoffmann
DB Fernverkehr
Im Sprint zur Eisenbahnerin mit Herz
Jonas Wernz möchte mit dem ICE von Berlin nach Aachen reisen. Leider hat der erste der beiden Züge schon 40 Minuten Verspätung angesammelt. Unser Einsender hat Zweifel, dass er seinen Anschluss-ICE in Köln noch erreicht.
Dann kommt eine gute Nachricht: Der ICE aus Berlin wird extra auf das Gleis gegenüber geleitet, damit die Reisenden schneller umsteigen können. Jonas Wernz ist erleichtert. Doch als der ICE aus Berlin in den Kölner Hauptbahnhof einfährt, fährt just in diesem Moment der ICE nach Aachen los. Der Anschluss scheint verloren.
Das will Zugchefin Eva-Juliane Hoffmann nicht hinnehmen. Sie rennt dem fahrenden ICE hinterher und schafft es, dass er noch einmal anhält. Jonas Wernz ist schwer beeindruckt: „Ich habe noch nie eine Zugchefin im Sprint auf die Abfertigung am Bahnsteig zulaufen sehen, aber heute war es soweit. Sie hat alles gegeben, was man als Gastgeberin nur für die Fahrgäste tun kann. Und ob es jetzt ihr Einsatz bei der Abfertigung war oder ihre Kollegen in der Fahrdienstleitung… der ICE hat wirklich nochmal gehalten und uns mitgenommen – und ich habe mich wieder in die Eisenbahner verliebt. Danke, dass ihr rausholt, was noch geht.“
Thomas Lehmann
ODEG
Gelungene Heimfahrt nach dem Urlaub
Monika Habich und ihr Mann kommen gerade aus dem Urlaub zurück und möchten jetzt mit dem Regionalzug vom Flughafen BER nach Stendal. Von dort soll sie ein Taxi nach Hause bringen.
Doch die Heimreise droht stressig zu werden. Der Flug verspätet sich, und das Paar bekommt gerade noch so den letzten Zug nach Stendal. Monika Habich hat nun die Befürchtung, dass es zu so später Stunde gar keine wartenden Taxis mehr in Stendal gibt. Das erzählt sie dann auch Zugbegleiter Thomas Lehmann, als der ihre Fahrkarte kontrolliert.
Der Zugbegleiter will dem Ehepaar helfen. Er versucht sofort ein Taxiunternehmen in Stendal zu kontaktieren. Das einzige wartende Taxi ist tatsächlich schon vorbestellt. Doch Thomas Lehmann lässt nicht locker. Am Ende schafft er es, ein Taxi für Monika Habich und ihren Mann zu organisieren. In Stendal begleitet er sie sogar dorthin, weil er sichergehen will, dass auch wirklich alles geklappt hat.
Monika Habich schreibt uns später: „Wir möchten uns mit dieser Nominierung noch einmal bei Herrn Lehmann bedanken. Er ist ein echter Eisenbahner mit Herz.“
Auch in schwierigen Zeiten, haben unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner wieder gezeigt, mit welchem Einsatz sie für die Reisenden da sind.
Unsere Gewinnerinnen und Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs sind wieder einmal herausragende Beispiele für besonderes Engagement für unsere Mitmenschen. Unser Goldgewinner ist wahrlich ein Held, unsere Sonderpreisgewinner half in einer der schlimmsten Katastrophen der letzten Jahre und unsere Silbersiegerinnen zeigten entschlossen Herz.
Kurzum: Unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind Botschafter der Menschlichkeit.
Wir treffen Janina Küfner und Julia Schelhorn im ICE von München nach Erfurt. Ab Nürnberg wird es voll. Die beiden behalten einen kühlen Kopf und kümmern sich um die vielen
Fahrgäste. 90 Minuten und einen Kaffee später sitzen wir zusammen in der neu gestalteten Mitarbeiterlounge in Erfurt.
Liebe Frau Küfner, liebe Frau Schelhorn, herzlichen Glückwunsch zum Eisenbahner mit Herz! Sie haben sich ja gleich zu zweit für einen Fahrgast eingesetzt...
JS: Das war selbstverständlich. Wir waren auf dem Rückweg im ICE von Hamburg nach Nürnberg via Berlin. Ich traf bei der Fahrkartenkontrolle auf eine weinende Studentin, die wegen
eines ausgefallenen Zugs ihren Super-Sparpreis für 49 Euro nicht nutzen konnte und ein Ticket für 233 Euro kaufen musste. Das geht ja gar nicht.
JK: Julia kam gleich zu mir. Und wir waren uns sofort einig, dass hier etwas schief gelaufen war.
JS: Der EC von Berlin nach Budapest war ausgefallen, im Reisezentrum am Berliner Hbf gab es ein Missverständnis mit Celia - so hieß die Studentin - sodass sie ein neues Ticket für die
Strecke über Nürnberg und Wien kaufte. Das war aber nicht nötig. Wenn ein Zug ausfällt, kann der Fahrgast jeden anderen Zug nehmen, damit er möglichst schnell an sein Ziel kommt.
Was haben Sie unternommen?
JS: Wir mussten erst einmal die völlig aufgelöste Studentin beruhigen und haben ihr einen Snack und Getränke auf Kulanz besorgt. Sie hatte ihre halbe Monatsmiete in Budapest für die Fahrkarte ausgegeben. Da sie gar nicht soviel Geld dabei hatte, musste sie die Notfall-Kreditkarte ihrer Eltern nutzen. Sie wusste nicht, wie sie das Geld jemals zurückzahlen könnte.
Das dauerte sicher lange, bis die Sache geklärt war?
JS: In jedem Fall war es nicht so einfach. Ich wollte das Reisezentrum im Berliner Hbf anrufen. Doch die Reisezentren sind telefonisch nicht erreichbar, nicht einmal für uns. Da fiel mir ein, dass die DB Lounge in Berlin direkt neben dem Reisezentrum liegt. Also habe ich dort angerufen und die Kollegin ist mit dem schnurlosen Telefon ins Reisezentrum gegangen. Nachdem ich den Fall geschildert hatte, war klar, dass die Studentin gar keine neue Fahrkarte gebraucht hätte. Bei Zugausfall dürfen Fahrgäste alternative Verbindungen nutzen, und zwar ohne Mehrkosten, auch wenn es eine längere Strecke ist.
Und dann?
JK: Wir wollten erreichen, dass die Studentin ihr Geld sofort zurückbekommt. In Nürnberg war unser Dienst zu Ende, und Celia hatte 90 Minuten Umsteigezeit. Also sind wir zusammen ins Nürnberger Reisezentrum.
JS: Und nach etwas Diskussion hat sie den Betrag abzüglich 19 Euro Bearbeitungsgebühr auch direkt auf die Kreditkarte zurückgebucht bekommen. Und die 19 Euro Bearbeitungsgebühr gab es später auch noch zurück.
Dafür gab es sicher auch ein riesiges Dankeschön der
Studentin.
JK: Sie bedankte sich gleich nach ihrer Ankunft in Budapest noch einmal über WhatsApp. Wenn ich daran denke, macht mich das heute noch froh.
JS: Wir waren dann sehr überrascht, als wir erfuhren, dass wir für den Eisenbahner mit Herz nominiert sind.
Warum, es war doch eine tolle Serviceleistung von Ihnen?
JK: Für uns war das so selbstverständlich. Wir erleben regelmäßig, dass wir Fahrgästen in wichtigen Situationen mit individuellem Einsatz helfen müssen.
JS: Ich muss an die kleine Amelie denken, deren Mutter es aus der Zigarettenpause am Bahnsteig in Fulda nicht mehr in den ICE geschafft hatte. Wir haben sie mit Süßigkeiten und Spielen getröstet – und gleich in Kassel einem Kollegen übergeben, der sie dann in den darauf folgenden Zug mit der Mutter gebracht hat.
Dann wird es ja nicht lange dauern, bis sie wieder nominiert werden.
JK: Ach, das muss gar nicht sein. Wir freuen uns genauso, wenn die Leistungen unserer Kolleginnen und Kollegen ausgezeichnet werden.
Vielen Dank für eure Zeit!
Strahlender Sonnenschein. Nachmittags. Viele Familien und Ausflügler fahren in der Bahn von
Mohammed Boujettou wieder zurück in die Stadt. Eigentlich eine ruhige Strecke. Nicht so aber
an diesem Tag. Ein Gast wird ausfällig, beleidigt andere Reisende. Und unser Bronze-Gewinner,
seit 20 Jahren Kundenbetreuer bei der eurobahn, mittendrin. Durch seine offene, herzliche und
doch bestimmte Art schafft er es, den Gast ruhig zu stellen. Die Reisenden sind ihm dankbar und
nominieren ihn umgehend für den Eisenbahner mit Herz-Wettbewerb.
Herr Boujettou, herzlichen Glückwunsch zum Bronze-Preis. Sind Sie nervös?
Ich habe noch nie ein Interview gegeben.
In einer anderen Situation haben Sie keine Nervosität gezeigt.
Da war keine Zeit. Ich musste meine Fahrgäste schützen. Aber für mich ist das Alltag, damit haben wir jeden Tag zu tun.
Wie sieht denn der Alltag bei Ihnen aus?
Das Schöne ist: In diesem Beruf gibt es keine normalen Arbeitstage. Es ist immer unterschiedlich, mal mit etwas Stress, mal ein ruhiger Tag. Ich kann nie vorher sagen, wie es wird.
Und an diesem besonderen Tag?
Zuerst war alles ganz normal. Ein sonniger Tag, viele Fahrgäste unterwegs. Ich bin in Altenbeken in den Zug nach Bielefeld eingestiegen. Ich bin zuerst einmal ganz durch den Zug gegangen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Das mache ich immer so, denn die Fahrgäste haben oft Fragen, ein falsches Ticket oder sitzen sogar im falschen Zug. An diesem Tag ist mir ein Fahrgast gleich aufgefallen.
Warum?
Er saß ganz ruhig da, hatte keine Maske auf. Ich ermahnte ihn, und er sagte nur „Jaja, okay“. Ich dachte er hätte etwas getrunken, vielleicht stand er auch unter Drogen. Als wir losfuhren, geht er auf die Knie und beginnt mit rituellen Gebeten. Bevor er sich hingekniet hat, hat er mich gefragt, wie ich heiße. Okay, sagte er, dann bete ich jetzt für dich.
Das ist nicht alltäglich, oder?
Ganz und gar nicht, obwohl ich schon einiges erlebt habe. Dann begann er Fahrgäste anzusprechen und zu belästigen. Da habe ich eingegriffen und ihm gesagt, wir setzen uns jetzt hin und reden.
Warum das? Sie hätten doch einfach die Polizei rufen können.
Das ist richtig. Aber auf dem Land gibt es keine Bundespolizei, da kann ich nur die normale Polizei rufen und das dauert meist eine halbe Stunde, bis die da ist. Ich wollte aber, dass meine Fahrgäste ihren Anschluss in Bielefeld bekommen.
Wie ging es weiter?
Er hat sich geweigert sich zu setzen, hat nochmal einen kräftigen Schluck Wodka genommen und mich umarmt. Dann habe ich weiter Fahrkarten kontrolliert. In Detmold war inzwischen ein älterer Mann eingestiegen, der von einem Wanderausflug kam. Auf einmal bekam der Störenfried einen Wutanfall, hämmerte mit den Fäusten auf die Sitze und schrie durchs Abteil. Der Wanderer entfernte sich, der Störenfried hinterher, er schrie ihn an und biss sogar in seinen Wanderstock. Da bin ich dazwischen gegangen und habe ihn festgehalten. „Lass die Leute in Ruhe“, habe ich gesagt und ihn in dem Raum zwischen Fahrkartenautomat und Toilette gedrängt und den Ausgang blockiert.
War das nicht gefährlich?
Ich hatte ja keine Wahl. Er ist jeden Fahrgast angegangen, der ihn angeguckt hat. Nur vor mir hatte er irgendwie Respekt. Er hat danach ganz zutraulich gesagt: „Du bist mein Bruder.“ Ich habe gesagt: „Ja, ich bin sogar dein Vater, wenn du willst, Hauptsache, du bist jetzt ruhig.“ Das hat dann auch geklappt, auch wenn es noch lange 30 Minuten zwischen Detmold und Bielefeld waren.
Was war das Beste an diesem Tag?
Wir waren pünktlich in Bielefeld.
Vielen Dank für das Gespräch.
Jury verleiht Sonderpreis an tatkräftigen Lokführer für Fluthilfe im Ahrtal
Pasquale D‘Ambrosio ist Lehrlokführer. Er sorgt dafür, dass aus Auszubildenden hervorragende Lokführerinnen und Lokführer werden. Mit dem diesjährigen Sonderpreis hat unsere Jury Pasquale D‘Ambrosio allerdings für sein besonderes Engagement außerhalb seiner Arbeitszeit ausgezeichnet. Im Sommer 2021 kommt es zu einer Flutkatastrophe, die besonders das Ahrtal hart trifft. Viele Menschen dort stehen vor dem Nichts und sind dringend auf helfende Hände angewiesen. So auch Niki Kozisek aus Ahrweiler, der uns Pasquale D‘Ambrosio für den Wettbewerb vorgeschlagen hat: „Pasquale war einer der ersten, helfenden Leute vor Ort und packte ohne zu fragen an mehreren Tagen „mit Herz“ und Muskelkraft an, schleppte Schlamm, räumte schwerste Lasten aus dem Weg und war eine „echte Bank“ in der Eimerkette.“ - ein preiswürdiges Engagement!
Pasquale, wie kam es, dass Du zum Fluthelfer wurdest?
Einer meiner damaligen Kameraden, aus meiner Zeit als Berufssoldat, hat über Whatsapp zur Fluthilfe aufgerufen und ich habe sofort zugesagt. Wir sind dann recht schnell in die Region gefahren und haben Niki kennengelernt, einen der betroffenen Anwohner.
Wie war der erste Eindruck dort?
Das Ausmaß der Zerstörung war wirklich gewaltig. Wir haben dann ohne zu zögern angepackt. Erstmal waren wir zwei Tage in Folge vor Ort und sind dann immer wieder hingefahren und haben gearbeitet. Ich wohne nicht sehr weit vom Ahrtal, habe eine gute Stunde Anfahrt. Wir haben immer kurzfristig erfahren, wo der Schuh besonders drückt und sind direkt dorthin. Das Netzwerk der Helfenden wurde Tag für Tag größer. Die Solidarität war beeindruckend hoch.
Was hast Du im Zuge deiner Hilfsaktion gelernt?
Wenn man zusammenhält, kann man viel bewegen! Und man muss nicht viel können oder besonders kräftig sein. Mir ist immer noch eine ältere Dame im Kopf, die mit einem Tablett mit geschmierten Stullen umherging und diese verteilt hat. Das hat mich bewegt. Alle können helfen, es ist eine Einstellungssache.
Was hat Dich motiviert hinzugehen und anzupacken?
Für mich war das eine moralische Frage. Kann ich ruhig zu Hause sitzen, wenn unweit von mir die Hölle losbricht? Das muss jeder für sich beantworten. Für mich gab es da keine Ausreden. Mir war klar, dass die Frage nicht ist, ob ich helfe, sondern: Wann geht‘s los? Durch die tatkräftige Unterstützung meiner Frau, die trotz ihrer Berufstätigkeit zu Hause viel gestemmt hat, war es dann möglich, dass ich in meiner Freizeit vor Ort sein konnte.
Nun wirst Du mit dem Eisenbahner mit Herz Sonderpreis ausgezeichnet, was bedeutet Dir das?
Der Preis ist eine sehr schöne Anerkennung. Ich freue mich darüber und war total überrascht. Vielleicht spornt die Auszeichnung ja auch andere Menschen an, anzupacken, wenn Hilfe gefragt ist. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an jeden Menschen zu appellieren: Haltet zusammen und helft, wo ihr könnt.
Mit seinem nächtlichen Einsatz für gestrandete Fahrgäste hat Adrian Lindlar das Herz der Zugkunden gewonnen. Der DB-Kundenbetreuer aus Köln setzte sich bei der bundesweiten Online-Abstimmung für den Publikumspreis bei Deutschlands Eisenbahner mit Herz in einem bis zum Schluss offenen Rennen denkbar knapp durch. Mit nur 5 Stimmen Vorsprung bei insgesamt rund 3500 Voten kürten ihn die Kunden zusammen mit seinen Kollegen Atcha Boukari und Stefan Salentin zum Publikumsliebling.
In dieser Situation steckte schon mancher Bahnkunde: Melina Kelmendi und ihre Begleitung sind unterwegs im ICE von Brüssel nach Köln, als der Zug 30 Minuten lang auf der Strecke halten muss. Im Kölner Hauptbahnhof ist der letzte Anschlusszug nach Frankfurt bereits abgefahren. Was nun? Das Paar und weitere 12 Gestrandete fürchten eine Nacht im Bahnhof verbringen zu müssen. Doch die drei Mitarbeiter von DB Station & Service zeigen vollen Einsatz: Zwei fragen telefonisch Transportmöglichkeiten an, einer von ihnen rennt aus dem Bahnhof und organisiert Kombi-Taxis. So kommen schließlich alle Fahrgäste noch nachts um halb zwei Uhr in Frankfurt an.
„Wir waren sehr dankbar, dass die drei Männer so viel Engagement an den Tag legten und zu dieser späten Stunde vereint eine schnelle Lösung fanden, so dass wir und einige weitere Reisende nicht stundenlang nachts am Bahnhof warten mussten“, schrieb Melina Kelmendi, als sie das Service-Trio für den Eisenbahner mit Herz vorschlug. Mit Erfolg – der bahnalltagsnahe Einsatz konnte die meisten Stimmen auf sich vereinen.
DB Station & Service
Einsenderin Marliese Hevicke will mit ihrem Mann ein Wochenende mit Kulturprogramm in Hamburg verbringen. Hierbei passiert, was niemand erleben möchte. Die Handtasche inklusive Konzerttickets, Impfpass und allen Ausweisen bleibt im Zug liegen!
Was tun? Glücklicherweise steht Heinz Korte schon auf dem Bahnsteig, „freundlich, zugewandt, ansprechbereit. Es dauerte keine Minute, da hatte er bereits den richtigen Telefonkontakt, beschrieb die Tasche und deren „Sitzplatz“ und schickte uns zur Beruhigung erstmal zum Kaffeetrinken“, schreibt Hevicke. Wenig später kommt Korte freudestrahlend auf die Einsenderin zu: Die Tasche ist gefunden und wird in Emden dem Lokführer des Gegenzuges übergeben. In Leer nimmt Korte das ersehnte Fundstück entgegen und übergibt es der begeisterten Einsenderin – Ende gut, alles gut!
Mirko Schrickel
DB Regionalverkehr Alb-Bodensee
Markus Zei ist unterwegs im IR3 von Waldshut nach Ulm. Kurz nach Schaffhausen, im schweizerischen Thayngen, kommt es zum Halt. Die Strecke ist aufgrund eines Personenschadens gesperrt – Weiterfahrt unmöglich.
Zei und etwa 30 Mitreisende verlassen den Zug, mit ihnen Zugbegleiter Mirko Schrickel. Dieser beruhigt die Fahrgäste und organisiert den Schienenersatzverkehr nach Singen. In Singen bleibt Schrickel weiter bei den Fahrgästen, obwohl er längst Feierabend hat und fragt diese nach ihren weiteren Reisezielen. Um etwa 22:15 Uhr geht die Reise dann von Singen weiter nach Friedrichshafen. Unserem Einsender wird klar, dass es schwierig wird, dort den letzten Zug nach Ulm zu erreichen. Doch Schrickel, der mit in den Zug gestiegen ist, hängt sich ans Telefon und erreicht, dass der Zug Richtung Ulm wartet. Damit nicht genug, organsiert er für einen weiteren Fahrgast die Weiterfahrt nach München – das alles außerhalb der Arbeitszeit.
Marko Hempel
DB Regio
Unser Einsender Johannes Korndörfer ist Hochschuldozent und regelmäßig in Berlin. Nach einem langen und intensiven Arbeitstag besucht er ein Familienmitglied und es fällt ihm erst nach seiner Ankunft auf, dass sein Rucksack fehlt – Laptop, Akten, Kaffeebecher, alles weg! Eine Nachfrage bei der BVG bleibt – trotz freundlicher Unterstützung durch eine Triebfahrzeugführerin – ohne Ergebnis. Aber: der Einsender war zuvor im Regionalexpress unterwegs und hatte seinen Rucksack „glücklicherweise“ bereits dort liegen lassen. Zugbegleiter Marko Hempel findet den Rucksack, recherchiert anhand der Unterlagen den Arbeitgeber des Einsenders, und meldet sich bei der Hochschulverwaltung. Diese informiert am Morgen darauf unseren überglücklichen Einsender, dass sein Rucksack beim Fundservice in Berlin-Lichtenberg bereitsteht. „Ich bin sehr berührt davon, dass sich Herr Hempel die Mühe gemacht hat, nach mir zu recherchieren, und dass die Kontaktaufnahme geklappt hat“, schreibt uns Johannes Korndörfer.
Nadine Gelencsér & Andreas Polaschek
ODEG
Eine Situation, in die niemand kommen will. An einem stürmischen Oktoberabend lässt Einsenderin Andrea Arold ihre Tasche voller wichtiger Unterlagen am Bahnsteig Potsdam Rehbrücke liegen. Erst in Jüterbog bemerkt sie den Verlust und fährt sofort zurück nach Potsdam. Auf dem Weg versucht Zugbegleiter Andreas Polaschek sie zu beruhigen und telefoniert eilig umher, um die Tasche zu finden – auch spendiert er Gummibärchen. Schließlich die gute Nachricht: Die Tasche ist gefunden, und befindet sich schon im entgegenkommenden Zug. Polaschek arrangiert, dass Andrea Arold schnell umsteigen kann. Im nächsten Zug wird sie von Zugbegleiterin Nadine Gelencsér empfangen, die das Fundstück schon in den Händen hält. „Ich bin beiden Zugbegleitern so dankbar und denke, dass beide „Eisenbahner mit Herz“ sind“, schreibt Andrea Arold.
Natürlich war das vergangene Jahr auch für die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ein besonderes Jahr. Auch in der Hochphase der Pandemie hielten sie ein Großteil des Angebots auf der Schiene aufrecht. Menschlichkeit wurde in diesen herausfordernden Zeiten besonders wichtig.
Unsere Gewinnerinnen und Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs sind wieder einmal herausragende Beispiele für besonderes Engagement für unsere Mitmenschen. Unsere Goldgewinnerinnen haben wildfremde Menschen kurzerhand im eigenen Pkw ans Ziel gefahren, unsere Sonderpreisgewinner organisierten eine Beerdigung für einen Fahrgast und unser Bronzegewinner zeigt, dass Humor viele Situationen erträglicher macht.
Kurzum: Unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind Botschafter der Menschlichkeit.
Liebe Frau Burkhardt, herzlichen Glückwunsch – Sie sind Eisenbahnerin mit Herz!
Burkhardt: Ich bin überrascht, weil ja viele Menschen helfend unterwegs sind. Und ich bin ja auch erst vor einem dreiviertel Jahr zur Bahn gekommen. Ich freue mich aber sehr!
Erzählen Sie, was im Mai 2020 passiert ist.
Burkhardt: Wir hatten gerade eine Phase mit super Wetter und einer Öffnung in der Corona-Pandemie. Die Züge waren voll. Die Mutter mit ihren zwei kleinen Kindern kam von München zu uns in den Norden. Aber wir hatten Verspätung. Der Bus zum Fähranleger nach Langeoog konnte nicht warten. Taxen waren auch nicht vor Ort. Da habe ich bei der Fähre angerufen – aber die wollten pünktlich ablegen. Und damit hätte die kleine Familie die Fähre verpasst.
Entsprechend verzweifelt war die Mutter…
Burkhardt: Es war ihre allererste Zugfahrt. Sie war zuvor noch nie in ihrem Leben mit der Bahn gefahren. Und dann das. Sie hatten auch nichts zu essen und zu trinken mit. Und die junge Frau wurde immer verzweifelter.
Konnte sie nicht eine Fähre später nehmen?
Burkhardt: Dann hätte sie das ganze Begrüßungsprogramm der Mutter-Kind-Kur verpasst. Sie wäre auf Langeoog nicht wie alle anderen abgeholt worden für die gemeinsame Kutschfahrt. Und sie hätte über die ganze Insel mit den beiden Kindern laufen müssen.
Wann war für Sie klar, dass Sie aktiv werden müssen?
Burkhardt: Die Kinder waren sehr lieb. Aber irgendwann fingen sie an zu weinen, weil sie sahen, wie bei ihrer Mutter die Tränen flossen. Da habe ich gesagt: Nein, da muss ich helfen und sie privat mit meinem Auto zur Fähre bringen. Meine Kollegen waren sofort einverstanden. Der Lokführer hat gewartet. So konnten wir nach dem Aussteigen den Bahnsteig schnell zweimal überqueren – erst zu Fuß zum Parkplatz und dann mit dem Auto zurück Richtung Küste. Erst dann ist er mit dem Zug weitergefahren. Sonst hätten wir es nicht geschafft.
Da ging es um jede Minute...
Burkhardt: Wirklich. Ausgerechnet an dem Tag war die Küstenstraße gesperrt. Wir mussten einen Umweg nehmen. Zwei Minuten, bevor die Fähre ablegte, kamen wir an.
Vielleicht haben Sie mit diesem Einsatz in Ihrer Freizeit die Mutter ja zur begeisterten Bahnfahrerin gemacht…
Burkhardt: Das hoffe ich! Einmal Bahn und nie wieder – das wollte ich auf keinen Fall zulassen.
Der einzig Leidtragende war Ihr Mann.
Burkhardt: Wir wollten eigentlich abends zusammen essen gehen. Aber dafür wurde es zu spät. Da habe ich ihn angerufen: Heute musst Du Dir eine Pizza im Ofen warmmachen.
Und Ihr Mann – war der einverstanden?
Burkhardt: Der kann das verstehen. Er ist inzwischen auch Zugbegleiter. Nach meinem schönen Start hat er vor einem Jahr seine Ausbildung angefangen. Jetzt macht es ihm genauso Spaß wie mir.
Wie sind Sie denn zur Bahn gekommen?
Burkhardt: Mit 57 bin ich darein geschlittert. Lange habe ich als Kosmetikerin gearbeitet und in vielen anderen Dienstleistungsjobs, etwa in Hotels. Aber in diesen Zeiten ist es ja wichtig, etwas für sein Rentenkonto zu tun. Also habe ich mich bei der Bahn beworben. Zwei Tage später hatte ich ein Vorstellungsgespräch und zwei Tage danach habe ich angefangen.
Seiteneinsteigerin mit 57!
Burkhardt: Mein Mann war sogar ein bisschen älter, als er anfing. Jetzt sind wir drei in der Bahnfamilie. Der Bruder meines Mannes ist seit 45 Jahren bei der Bahn. Der hat als Schlosser angefangen.
Toll, wenn man kurz vor der Rente eine neue Chance bekommt.
Burkhardt: Auf jeden Fall. Wir sind ein bisschen älter, dafür aber auch verlässlicher. Die Kinder sind nicht mehr zu Hause, so dass wir uns darum nicht mehr kümmern müssen. Das ist das Schöne beim Wechsel in die Bahnbranche: Es muss der Wille da sein und dann kriegt man auch eine Chance.
Liebe Frau Menges, schon beim Einstieg ist dem begeisterten Zugreisenden Ferdinand Wanzek bei seiner Fahrt im August Ihre freundliche Art aufgefallen. Haben Sie ein Rezept für den Umgang mit Kunden?
Claudia Menges: Ich mag Menschen.
So einfach ist das?
Claudia Menges: Wenn ich morgens am Bahnsteig stehe, freue ich mich. Und im Zug freue ich mich, mit einem schönen ‚Guten Morgen‘ die Fahrgäste begrüßen zu können. Oder mit einem Lächeln bei der Fahrscheinkontrolle. Freundlich zu sein ist für mich nicht anstrengend. Ich mag den Job im Zug und gehe gerne auf Menschen zu. Das entspricht meinem Naturell.
Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen um, etwa wenn die Stimmung im Zug nicht gerade fröhlich ist…?
Claudia Menges: Da helfen die Lebenserfahrung und die Menschenkenntnis, die man über die Zeit erworben hat. Ich bin zwar erst seit vier Jahren dabei. Wichtig ist, ruhig zu bleiben. Ich bin niemand, der auf Konfrontationskurs geht.
Auch bei Ihrer Goldgeschichte geht es um eine heikle Lage und Ihren tollen Umgang damit. Was war im August vergangenes Jahr passiert?
Claudia Menges: Wir bekamen an dem Tag auf meiner letzten Fahrt von Hildesheim nach Wolfsburg kurz vor Braunschweig das Signal Rot. In Braunschweig kam es nach einem Personenunfall zu Sperrungen. Also mussten wir bis nach Lengede-Broistedt zurücksetzen. Dort sollten wir aussteigen. Und ich bekam über die Leitstelle die Info, dass ein Bus als Schienenersatzverkehr uns nach Braunschweig und weiter nach Wolfsburg bringt.
Und da wurde es schon sehr spät…
Claudia Menges: Ja, es war fast Mitternacht. Also habe ich mich erkundigt, wer wohin muss. Ich hatte zwei minderjährige Mädels an Bord, die in Braunschweig nicht mehr mit dem Bus nach Hause kamen. Um die Zeit konnte ich sie nicht allein dort stehen lassen. Da hat der Busfahrer vom Schienenersatzverkehr zugesagt, dass er sie auf dem Rückweg von Wolfsburg aus nach Hause bringen könnte. Zudem aber waren noch Ferdinand und ein ausländischer Mitbürger mit Ziel Wolfsburg im Bus. Als wir dort ankamen, war es schon nach ein Uhr. Und die Bürgersteige waren hochgeklappt. Also habe ich die beiden mit meinem Pkw nach Hause gebracht. Um die Zeit überlasse ich Menschen nicht einfach sich selbst.
Keine Angst?
Claudia Menges (lacht): Junger Mann!
Danke! Aber man kann ja auch an den Falschen geraten…
Claudia Menges: Ich bin fast 59 Jahre alt und in meinem Leben schon ein bisschen in dieser Welt herumgekommen. Bis jetzt durfte ich mich immer auf meine Menschenkenntnis verlassen. Mit einem komischen Gefühl hätte ich es nicht gemacht. Ich hatte aber kein komisches Gefühl.
Wo in der Welt waren Sie denn?
Claudia Menges: Drei Jahre habe ich in der Türkei gelebt und dort meinen Sohn geboren. Mit meinen Kindern habe ich drei Jahre in Südindien gelebt und in einem Projekt mit 2000 Menschen gearbeitet. Ich war schon immer gerne unterwegs, früher auch mit Interrail.
Und wie sind Sie beruflich zur Schiene gekommen?
Claudia Menges: Ich bin froh, dass metronom mir mit 54 Jahren noch einmal die Chance gegeben hat, neu anzufangen. Vorher habe ich als Erzieherin im Behindertenbereich gearbeitet. Das war eine erfüllende Aufgabe. Irgendwann aber war ich damit körperlich und psychisch durch. Und die Frage stellte sich: Was mache ich jetzt? Plötzlich stand metronom vor der Tür – sozusagen. Die Schienenbranche hat Menschen mit Lebenserfahrung wirklich etwas zu bieten.
Und jetzt sind Sie auch noch Eisenbahnerin mit Herz...
Claudia Menges: Das finde ich super. Damit hätte ich nie gerechnet. Leider konnte ich mich nie bei Ferdinand dafür bedanken, dass er mich vorgeschlagen hat. Das würde ich sehr gerne nachholen.
Das können Sie: Wir laden auch die Einsender der Siegergeschichten zur Preisverleihung auf der EimiH-Feier ein. Da treffen Sie Ferdinand noch einmal – virtuell oder je nach Corona-Lage hoffentlich sogar persönlich.
Claudia Menges: Das wäre ja toll. Ich möchte mich wirklich bei ihm bedanken, dass er das nicht vergessen hat.
Lieber Daniel Farny, „In Kürze erreichen wir Düsseldorf…“ Das ist eine typische Durchsage im ICE. Haben Sie mal gezählt, wie oft Sie das im Jahr ankündigen?
Daniel Farny: Sehr häufig – so viel kann ich sagen. Ich wollte mal Buch führen, wie viele Kilometer ich im Jahr fahre. Aber auch das habe ich noch nicht gemacht.
Sie sind mit einer ganz speziellen Durchsage bundesweit bekannt geworden. Wie ist Ihnen das gelungen?
Daniel Farny: Ich denke, dass ich den Zahn der Zeit getroffen habe. Das Thema Corona beschäftigt jeden. Offenbar fanden viele lustig, was ich dazu gesagt habe.
Großartige Ansage im #ICE an all die Anhänger*innen von #Verschwoerungstheorien in Zeiten des #coronavirus 👇🏽👍🏼 Genau zuhören👂🏻#Bahn #DeutscheBahn pic.twitter.com/CRqnLbxZBh
— Sabine Leidig (@SabineLeidig) May 15, 2020
War das eine spontane Aktion?
Daniel Farny: Ich hatte mir den Text vorher zurechtgelegt und aufgeschrieben.
Und wie haben die Fahrgäste im Zug reagiert? Und wie die Kollegen?
Daniel Farny: Mit den Kollegen hatte ich vorher gesprochen und sie informiert. Die Fahrgäste haben mir durchweg positives Feedback gegeben. Schon bei der Durchsage habe ich Lachen gehört.
Ihr Video ist unglaublich oft angeklickt worden im Netz. Hat Sie diese Welle überrascht?
Daniel Farny: Das hat mich überwältigt. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas so schnell öffentlich werden kann.
Corona und die Maskenpflicht sind ein heikles Thema für alle Verkehrsunternehmen. Gab es schwierige Situationen in der Pandemie für Sie?
Daniel Farny: Leider gab es die. Wir haben immer wieder Maskenverweigerer an Bord. Zum Glück ist das sehr selten geworden. Das war am Anfang noch schlimmer.
Denken Sie sich öfter etwas Besonderes aus für Ihre Durchsagen?
Daniel Farny: Im normalen Alltag ja. Da versuche ich gerne, ein bisschen Witz in die Durchsagen zu bringen. Während der Pandemie habe ich damit aufgehört. Im Zug sind weniger Reisegruppen und andere, die auf so etwas anspringen. Jetzt sind nur noch die unterwegs, die wirklich reisen müssen.
Dennoch: Bitte schildern Sie uns ein Beispiel.
Daniel Farny: Einmal hat mir ein Reisender über den QR-Code an den Sitzen eine witzige Mitteilung auf mein Handy geschickt: „Das W-Lan ist langsam und meine Sitznachbarin fällt durch die Prüfung“. Ich wusste, das kam von einer Schulklasse. Daraufhin habe ich durchgerufen: „Die Sitznachbarin in Wagen 6, die durch die Prüfung fällt, möge sich bitte beim Zugchef melden.“ Und tatsächlich: Sie kam – und hat von mir einen Getränkegutschein erhalten.
Können Sie sich noch an Ihre erste Zugdurchsage erinnern? Waren Sie nervös?
Daniel Farny: Nein. Ich hatte schon als Schüler im Praktikum in der neunten Klasse im Bahnhof Braunschweig die Anschlüsse durchgesagt. Daran kann ich mich erinnern, vor allem an die Reaktion meiner Betreuerin. Ich hätte das gut gemacht, sagte sie. Noch besser aber wäre es gewesen, wenn ich nicht die Anschlüsse der vergangenen Stunde, sondern die aktuellen durchgesagt hätte.
Apropos: Jeder Tagesschau-Sprecher kann tolle Geschichten über Pannen erzählen. Was ist Ihr Lieblings-Versprecher?
Daniel Farny: Zwischen Essen und Bochum habe ich einmal angesagt: „Nächster Halt Hildesheim“. Bis heute weiß ich nicht, wie ich darauf gekommen bin. Hildesheim liegt nicht mal auf der Route.
Freut sich ein Profi wie Sie auf die nächste Durchsage? Oder ist das nur noch Routine?
Daniel Farny: Ich mache wahnsinnig gerne Durchsagen – auch heute noch. Damit kann man die Stimmung an Bord beeinflussen. Wenn man in einer schwierigen Situation humorvolle, aber auch zuverlässige Durchsagen macht, kann man möglicherweise sogar verhindern, dass die Stimmung kippt.
In diese Lage kann sich wohl jeder Bahnreisende gut hineinversetzen: Die junge Frau Lieselotte Zein saß nach dem Besuch der Familie in der Niederlausitz auf dem Weg zurück nach Berlin glücklich im Zug und freute sich auf eine entspannte und ruhige Fahrt. Ihr Ticket wollte sie bei dem freundlichen Zugbegleiter Sebastian Fröschke erwerben, mit dem sie bereits vorher ins Gespräch gekommen war. Da merkte Lieselotte Zein zu ihrem Schreck, dass ihre Bankkarte abgelaufen war. Kein Bargeld, kein Ticket, keine gültige Bankkarte – was also tun? Eisenbahner mit Herz Sebastian Fröschke bot sofort seine Hilfe an und kauft das Ticket erst einmal auf eigene Kosten. Zurück in Berlin überweist Lieselotte Zein dem netten Zugbegleiter den Betrag. Und sie schlägt ihn gleich bei der Schienenallianz als ihren Eisenbahner mit Herz vor. „Herr Frösche hat mir den Jahresanfang wirklich gerettet und mich inspiriert, in Zukunft ebenso couragiert und menschlich zu handeln“, schreibt Zein.
Frau Rohs, Glückwunsch. Sie haben stellvertretend für die Gruppe, die Werner Meyers Bestattung ermöglicht hat, einen Sonderpreis beim „Eisenbahner mit Herz“ erhalten – Glückwunsch!
Vanessa Rohs: Dankeschön. Wir waren überrascht, weil der Wettbewerb ja eigentlich auf Fahrgasteinsendungen basiert und es hier etwas anders war. Wir haben uns sehr gefreut. So kommt es vielleicht etwas mehr an die Öffentlichkeit, was Mitarbeiter der Deutschen Bahn zusammen geschafft haben.
Wie haben Sie Werner Meyer kennengelernt?
Vanessa Rohs: Vom Sehen kannte ich ihn schon, als ich noch ein Kind war. Wir waren regelmäßig in Hannover und haben ihn dort oft mit seinem Karateanzug gesehen. Bei der Bahn bin ich „erst“ seit fünf Jahren und habe ihn dann im Zug wieder gesehen. Er war jemand, der auch mal gefragt hat, wie es einem geht und ob der Tag gut läuft. Man ist gerne auf ihn zugegangen und hat mit ihm geplaudert. Manche Kollegen kannten und schätzten ihn seit Jahrzehnten.
Er war also ein gerngesehener Stammgast im Zug?
Vanessa Rohs: Ja. Gerade in hitzigen oder chaotischen Situationen war er oft derjenige, der besänftigt und einen dann quasi gerettet hat.
Im letzten Winter ging es Meyer dann plötzlich gesundheitlich schlechter, was war passiert?
Vanessa Rohs: Er hatte im Dezember 2020 einen Schlaganfall. Im Januar habe ich ihn dann im Zug angesprochen, weil ich sah, dass er in keiner guten Verfassung ist. Er erzählte mir, dass er mit dem „Papierkram“ nicht gut zurechtkam. Also habe ich ihm angeboten, ihm bei Organisation einer Betreuung zu helfen. Das hatte ich für einen älteren Nachbarn schon einmal gemacht. Er hat sich sehr darüber gefreut. Ich habe mich dann per E-Mail an das zuständige Betreuungsgericht gewandt, um alles Weitere anzustoßen.
Dazu ist es dann leider nicht mehr gekommen?
Vanessa Rohs: Nein. Wenige Tage später ist Werner Meyer in München gestorben. Ich selbst habe davon einem Freitagabend durch unsere Facebook-Gruppe „DB-Family“ erfahren. Dort hatte ich die Tage zuvor schon auf seinen Gesundheitszustand hingewiesen, damit die Kollegen Bescheid wissen.
Wie ging es dann weiter?
Vanessa Rohs: Wir haben dann direkt in der Gruppe eine Spendenaktion gestartet – zunächst um einen Kranz zu kaufen. Da kamen dann schon in der ersten Nacht 1.800 Euro zusammen. Kurz darauf habe ich mich dann in München an das Krankenhaus und die Behörden gewendet. Wir wollten nicht, dass Werner Meyer in München anonym beerdigt wird. Da sich keine Angehörigen finden ließen, war die einzige Möglichkeit, dass wir als Gruppe die Kosten für Rückführung und Bestattung komplett übernehmen.
Eine große Verantwortung.
Vanessa Rohs: Ja. Wir haben unsere Spendenaktion öffentlich gemacht und weiter mobilisiert. Schließlich haben etwa 600 Kolleginnen und Kollegen und weitere 100 Privatpersonen insgesamt über 7.000 Euro gespendet.
Was für eine Summe. Somit haben Sie dann auch die Rückführung und eine würdige Trauerfeier realisieren können?
Vanessa Rohs: Genau. Wir konnten dann alles in die Wege leiten. Mit passenden Blumenkränzen in Hannover- und DB-Farben haben wir ein stimmiges Arrangement gefunden. Der Bestatter hat sogar noch ein großes ICE-Modell dazugestellt. Die Musikbegleitung bei der Beisetzung der Urne auf dem Waldfriedhof Seelhorst kam übrigens auch von DB-Kolleginnen und Kollegen.
DB Fernverkehr
Seit 50 Jahren tut Klaus Dieter Kabus Dienst auf dem Zug! Sein Elan ist dabei ungebremst. So haben gleich drei Einsender ihn zum Favoriten erklärt. Darius Lange bekommt von Kabus ein Getränk spendiert und erhält Infos zum Design des Zuges. „Es war ein tolles Erlebnis und eine sehr schöne Bahnfahrt“, schreibt er. Henning Röhls Sohn Theo darf eine Durchsage machen. „Eine unvergessliche Zugerinnerung“, so Röhl. Auch Dr. Alexander Jehn ist begeistert: „Kabus zeigt Haltung mit Humor, gepaart mit einem Schuss Selbstironie. Ein Botschafter mit Seele und Herz für den Betrieb Bahn.“
Gunther Egerer
DB Fernverkehr
Nathalie Garcia Hartl ist im Nachtzug nach Berlin unterwegs. Ihre Uroma ist an Covid-19 erkrankt und wird stationär behandelt. Hartl nutzt die Fahrt, um sich telefonisch nach ihrer Urgroßmutter zu erkundigen. Ein Fahrgast, der sich vom Gespräch gestört fühlt, bedrängt Hartl. Zugbegleiter Gunter Egerer eilt ihr zu Hilfe und weist den Störenfried zurecht. „Obwohl man viel liest und hört, dachte ich bisher eigentlich nicht, dass Deutschland ein Land ist, in dem man als Frau nachts nicht allein (angstfrei) Zug fahren kann. Mit solchen Zugbegleitern kann es dabei bleiben!“, schreibt Hartl.
Susann Kilian
Abellio
Rollstuhlfahrer Nicolas Bellm ist unterwegs nach Heidelberg. In Mannheim will er in den Abellio-Regionalzug umsteigen. Die Aufzüge liegen am anderen Ende des Bahnsteigs, so dass es knapp wird. Als er am Zug eintrifft, schließen sich bereits die Türen. Zugbegleiterin Susann Kilian informiert ihn, dass er die Fahrt eigentlich 24 Stunden vorher über die Mobilitätszentrale anmelden müsse, fasst sich aber ein Herz und sorgt dafür, dass er noch zusteigen kann. „Dadurch bescherte sie mir gute Laune und eine halbe Stunde Qualitätszeit“, schreibt Bellm. Ein Statement in Sachen barrierefreies Reisen!
Eva Händly & Martina Wedell
Abellio
Frank Mertens lässt im Regionalexpress seine Reisetasche stehen. Immer ein großes Ärgernis. Zum Glück findet Abellio-Zugbegleiterin Eva Händly die Tasche, nimmt sie an sich und registriert sie sogleich im Fundsachensystem. Wie kommt die Tasche nun zum Besitzer? Dank des beherzten Einsatzes von Abellio-Kollegin Martina Wedell kann unser Einsender das Fundstück wenige Tage später auf seiner Rückreise auf der gleichen Strecke an sich nehmen. „Starke Leistung am Kunden, Respekt!“, schreibt uns Frank Mertens.
Mehmet Yorulmaz
DB Fernverkehr
Lars Naundorf ist mit seiner Familie auf dem Weg nach Amsterdam und lässt in der Frankfurter DB Lounge seinen Fahrschein liegen. Im Zug fällt ihm der Verlust auf. Er ruft in der Lounge an und erfährt, dass das Ticket dort ist.
DB-Mitarbeiter Mehmet Yorulmaz eilt mit dem Fahrschein noch zum Gleis. Der Zug rollt aber schon. Die weitere Kommunikation gelingt: Zugbegleiterin Andrea Gutfrucht kommt zu den Naundorfs. Sie hat schon eine digitale Kopie des Tickets erhalten. Zudem organisiert sie, dass ein Kollege aus dem Folgezug das Ticket in Amsterdam an Naundorf übergibt. Ende gut, alles gut.
Dylan Bevers
NordWestBahn
Den 10-jährigen Sohn von Birigt Bergmann packt die Abenteuerlust. Er büxt ohne Wissen seiner Eltern aus und fährt mit der Bahn von Verden nach Bremen. Dort überkommt ihn dann das Heimweh, er steigt wieder in den Zug, leider in den falschen.
Bei Bremerhaven fällt ihm der Fehler auf. Er wendet sich an Zugbegleiter Dylan Bevers. Dieser beruhigt den kleinen Fahrgast, spendiert Kakao und findet die Telefonnummer der Bergmanns heraus. Diese sind schon voller Sorge und die Erleichterung ist riesig, als der Anruf kommt. Ende gut, alles Gut: Der kleine Passagier wird in Verden wohlbehalten von seinen Eltern abgeholt.
Sebastian Fröschke
ODEG
Lieselotte Zein hat ihre Familie besucht und sitzt im Zug zurück nach Berlin. Sie kommt mit Zugbegleiter Sebastian Fröschke ins Gespräch.
Den Fahrschein möchte sie im Zug lösen. Leider hat sie versäumt, dass ihre Bankkarte abgelaufen ist - Zahlung nicht möglich. Fröschke bietet an, das Ticket zu bezahlen, wenn sie ihm den Betrag anschließend überweist.
„Herr Fröschke hat mir den Jahresanfang wirklich gerettet und mich inspiriert in Zukunft ebenso couragiert und menschlich zu handeln. Wir leben in einer schnelllebigen, egoistischen Welt- da ist solches Handeln wirklich die Ausnahme“, so Zein.
Jeanette Mollenhauer
DB Fernverkehr
Die Leibers fahren mit dem Zug nach Wolfsburg um ihr neues Auto abzuholen. Durch eine Verspätung klappt der Anschluss nicht. Sie suchen eine Alternative, steigen aber in den falschen ICE. Kurt Leiber informiert Zugchefin Mollenhauer. Sie findet eine Verbindung zurück. Aber: Durch die Verspätung wäre die Abholung des Autos erst tags darauf möglich.
Die Leibers, über 80 Jahre alt, sind auf eine Übernachtung nicht vorbereitet. Da der Zug in dem sie sitzen eh über Wolfsburg fährt, organisiert Mollenhauer einen kurzen Halt. Die Leibers kommen so noch rechtzeitig zum neuen Auto. „Wir waren und sind Frau Mollenhauer unendlich dankbar“, schreibt Leiber.
Dieses Jahr wird der Eisenbahner mit Herz 10 Jahre alt! Eigentlich war ein brausendes Fest für unsere Helden des Alltags geplant. Aber auch in ungewöhnlichen Corona-Zeiten haben wir unsere Eisenbahner mit Herz natürlich nicht vergessen. Mehr denn je stehen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in und an den Zügen momentan im Mittelpunkt. Sie halten den Verkehr als Rückgrat unserer Gesellschaft am Laufen. Wir sagen Danke dafür!
Auch in diesem Jahr haben uns wieder unzählige Einsendungen von Bahnkunden erreicht, die uns ihre Erlebnisse mit Eisenbahner*Innen geschildert haben. Aus den besten Geschichten kürte die Jury die Gold-, Silber- und Bronze-Preisträger sowie die Landessieger aus elf Bundesländern.
Fest etabliert hat sich inzwischen auch der "Eisenbahner mit Herz - Social Media Hero", für den auf Facebook abgestimmt werden konnte. Zudem vergab die Jury einen Sonderpreis für eine außergewöhnliche Leistung.
Als Elektroniker wartet und repariert Christoph Angstl im Alltag Züge für die Bayerische Oberlandbahn GmbH. Mit Fahrgästen kommen Techniker wie der 32-jährige Vater zweier kleiner Kinder kaum in Kontakt. Ganz selten nur haben sie daher die Chance, beim Eisenbahner mit Herz zu gewinnen. Denn hier geht es um die KollegInnen, die sich über das normale Maß hinaus um ihre Kunden verdient gemacht haben. Das aber trifft auf den diesjährigen Bundessieger ganz besonders zu.
Lieber Herr Angstl, den 12. Dezember 2019 werden Sie sicher nie vergessen. Es ist der Tag, an dem Sie zum Lebensretter und Helden wurden. Was ist passiert?
Angstl: In der Tat kann ich mich an den Tag noch erinnern, als sei es gestern gewesen. Wir hatten Betriebsversammlung in Rosenheim. Als die fertig war, bin ich zum Bahnhof gelaufen. Als ich ankam, hatte ich bis zur Abfahrt des Zuges noch eine halbe Stunde Zeit. Also bin ich auf dem Bahnhof ein bisschen hin und her gelaufen, um mir die Zeit zu vertreiben. Dann stand ich auf Gleis 1. Auf einmal habe ich im Augenwinkel eine Person gesehen, die ins Gleis gestürzt ist.
Was haben Sie gedacht?
Angstl: Was kann ich jetzt machen? Das kann nicht sein. Ein Schockmoment. Da ging der Puls richtig hoch. Es war dunkel. Ich konnte die Person kaum sehen, die auf Gleis 2 lag.
Aber Sie mussten schnell handeln – schließlich konnte jeden Moment ein Zug einfahren.
Angstl: Richtig. Am Bahnsteig habe ich schnell nach einer Notrufsäule gesucht, in der Hektik aber keine gefunden. Dann rief ich laut: „Achtung! Person im Gleis!“. Zum Glück meldete sich auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig ein Mann, der Florian. Für uns war klar, dass wir schnell handeln mussten. Also sind wir beide auf die Gleise gesprungen, haben die Frau gepackt und auf Gleis 1 herübergezogen. Dann kam auch schon der Zug aus Richtung Salzburg. Die Lichter konnten wir schon sehen. Der Lokführer des Zuges setzte schon ein Signalhorn ab.
Wie konnten Sie sich in Sicherheit bringen?
Angstl: Erst einmal möchte ich mich bei Florian bedanken. Allein und ohne ihn hätte ich es nicht geschafft. Wir konnten uns in letzter Minute noch aufs andere Gleis retten, auf das wir ja auch die Frau gezogen hatten.
Hatten sie keine Angst?
Angstl: Viel nachgedacht habe ich nicht. In der Situation wollte ich einfach nur helfen. Es war mir ja klar, dass es hier um Leben oder Tod geht. Ich wollte wenigstens versuchen, die Frau zu retten.
Wie hat der Lokführer reagiert?
Angstl: Der Lokführer hat uns gesehen und sofort eine Notbremsung eingeleitet. Aber bis ein so langer Zug stehen bleibt, dauert es eben.
Jetzt sind Sie nicht nur ein Held, sondern auch Eisenbahner mit Herz. Was bedeutet die Ehrung für Sie?
Angstl: Für mich zählt, dass es der Frau wieder gut geht. Das ist das Wichtigste.
Aber über die Auszeichnung freuen Sie sich schon?
Angstl: Selbstverständlich. Zunächst war ich überrascht, dass ich überhaupt nominiert wurde. Nie hätte ich damit gerechnet, dass mich die Jury zum Bundessieger wählen würde. Das ist eine tolle Sache. Vor allem finde ich es schön, dass auch wir Techniker einen solchen Preis gewinnen können. Das Werkstattpersonal hat es verdient, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen.
Pressemitteilung der Polizei vom 13. Dezember 2019 (Auszug):
Am Bahnhof in Rosenheim haben zwei Männer unter Inkaufnahme einer erheblichen Selbstgefährdung einer 51-Jährigen das Leben gerettet. (….) Der herannahende Fernzug hatte schon einen Achtungspifff abgegeben. Unter Gefährdung ihres eigenen Lebens sprangen die 32 und 41 Jahre alten Männer ins Gleis und zogen die verletzte Frau unvermittelt aufs Nachbargleis. Aus Sicherheitsgründen stoppte die Bahn sofort den Zugverkehr für diese Gleise. Die verständigten Beamten der Landes- und Bundespolizei leisteten Erste Hilfe und versorgten die Verletzte gemeinsam mit den Rettungskräften. Die Münchnerin hatte vom Sturz eine stark blutende Wunde davongetragen und musste in eine Klinik eingeliefert werden.“
„Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Jahr mit Christoph Angstl einen Eisenbahner auszeichnen können, der gewöhnlich nicht in direktem Kundenkontakt steht. Die Goldmedaille hat sich Christoph Angstl wahrlich verdient – mit einer echten Heldentat.“
Mit Fußballfans auf dem Weg ins Stadion kann es unangenehm werden. Könnte man meinen. Nicht aber, wenn DB-Zugbegleiter Mirko Mai mit den Anhängern von Eintracht Frankfurt unterwegs ist. Dann herrscht nicht nur beste Laune. Zusammen stellen Mirko Mai und die Fans auch noch eine tolle Aktion für krebskranke Kinder auf die Beine. Für die Jury ist Mirko Mai ein echter Eisenbahner mit Herz.
Herr Mai, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem tollen Erfolg beim Eisenbahner mit Herz!
Mirko Mai: Danke. Das hätte ich nie erwartet. Ich bin ja eher der ruhigere Typ. Ich mache meine Arbeit. Ich versuche, die Fußballfans und die andere Kundschaft bei Laune zu halten. Die Kunden wollen etwas für ihr Geld bekommen Die Fans wollen unterhalten sein. Und sie wünschen sich jemanden, der für sie ansprechbar ist.
Verraten Sie uns Ihr Geheimrezept! Wie schaffen Sie es, Fußballanhänger so friedlich zu stimmen wie einen Kirchenchor auf Wochenendausflug?
Mirko Mai: Das ist ganz einfach. Schon als junger Eisenbahner habe ich ein Konzept gelernt, um mit allen Reisenden so wenig wie möglich auf Konfrontation zu gehen. Das ist das Shake-Hand-, das Kumpel-Prinzip. Wichtig ist, immer das Gespräch zu suchen, wenn jemand einmal ein Problem hat. Und ich bin flexibel. Unser Regelwerk halte ich selbstverständlich ein, lege es aber so kundenfreundlich aus wie möglich.
Die Eintracht-Fans sind als leidenschaftlich bekannt, können aber auch mal ruppig werden. Haben Sie auch negative Sachen erlebt?
Mirko Mai: Natürlich. Ich kann mich gut erinnern, wie sich einmal ein Fußballfan richtig danebenbenahm, obwohl Kinder im Zug waren. Erst einmal habe ich ihm die Tür gezeigt und ihn gebeten, den Zug freiwillig zu verlassen. Später bin ich deutlicher geworden und habe ihm den Einsatz von Ordnungsdienst und Polizei angekündigt. Er ist ausgestiegen. Vorher aber richtete er noch beträchtlichen Schaden auf der Toilette an.
Das sind ja schon schwere Herausforderungen auch für den Zugbegleiter…
Mirko Mai: Es sind Straftaten, die natürlich entsprechend geahndet werden. Ich habe über die Lautsprecheranlage allen Fans klar gesagt: Wenn wir miteinander fahren, müssen wir miteinander auskommen. Ihr könnt feiern und Spaß haben. Aber lasst mir die Züge ganz. Wer ein Problem hat, soll sich an mich wenden. Dann klären wir das im persönlichen Gespräch. Ich glaube, die Botschaft ist gut angekommen. Seitdem hatten wir Ruhe im Zug.
Selbst sind Sie bestimmt auch Eintracht-Fan, oder?
Mirko Mai: Eigentlich bin ich neutral. Selbst habe ich nie Fußball gespielt und bin auch nicht fußball-besessen. Die Leidenschaft hat sich aus dem Beruf entwickelt. Einen Vereins-Schal und einen Aufkleber auf dem Auto habe ich heute aber schon.
Wenn Fußballfans unterwegs sind, fallen viele leere Pfandflaschen an. Sie haben die Erlöse daraus der Kinderkrebshilfe Mainz gespendet. Wie kam es dazu?
Mirko Mai: Selber habe ich keine Kinder. Ich habe mir aber gedacht, dass es genügend bedürftige Kinder gibt. Also habe ich den Fans und den Fanbeauftragten gesagt: Ihr bringt die Flaschen ja eh nicht zurück in die Supermärkte. Lasst uns doch die Flaschen sammeln und etwas Gutes damit bewirken.
Was ist daraus entstanden?
Mirko Mai: Die Fans fanden das super und haben freiwillig ihr Leergut gesammelt und mir übergeben. Den Pfanderlös daraus habe ich der Kinderkrebshilfe Mainz übergeben – das waren immerhin 1011 Euro.
Tolle Sache. Die Fußballfans sind also besser als ihr Ruf.
Mirko Mai: Viele denken, die seien alles nur Säufer und wilde Kerle ohne Benehmen. Aber ich habe es ganz anders erlebt. Wichtig ist, den Wert des Menschen anzuerkennen.
„Dieser Eisenbahner hat den Titel Eisenbahner mit Herz redlich verdient. Wer seinen Job so liebt, dass man unglaublich viel private Zeit zusätzlich investiert, der ist ein wahrer Vollbluteisenbahner!”
„Selten so einen Vollbluteisenbahner gesehen. Kenne ihn jetzt seit zwei Jahren. Immer engagiert
und mit viel Verständnis und Einfühlungsvermögen im Sonderzug.”
„Kundenorientiert, immer ein offenes Ohr und sozial!”
„Er ist immer sachlich und sehr freundlich. Mirko, Du bist und bleibst der Beste!”
Komplimente von Fahrgästen bekommt Tamara Lang, freundliche Kundenbetreuerin bei der Bayerischen Oberlandbahn GmbH, immer mal wieder. Der 87-jährige Roman Mayr aber war besonders dankbar für die professionelle Herzlichkeit, mit der Tamara ihm nach einem Kreislaufkollaps am Münchner Hauptbahnhof zur Seite stand. Und jetzt ist Tamara Lang auch noch Bronzegewinnerin beim Eisenbahner mit Herz.
„Sie war ein Engel in der Not.“ Das hat Roman Mayr, Kunde der BOB, über Sie geschrieben. Kann es ein schöneres Kompliment von einem Fahrgast geben?
Tamara Lang: Ich fühle mich schon geschmeichelt. Das ist toll, so ein Kompliment von einem Kunden zu bekommen. Besonders hat mich gefreut, dass es Roman in Erinnerung geblieben ist. Und natürlich, dass er mich als Eisenbahnerin mit Herz vorgeschlagen hat.
Sie haben dem Rentner, der einen Kreislaufkollaps erlitten hatte, geholfen und dafür gesorgt, dass er sicher nach Hause kommt. Wie gut kennen sich in medizinischen Dingen aus?
Tamara Lang: Ich helfe gerne, wenn Not am Mann oder der Frau ist. Eine medizinische Ausbildung habe ich nicht. Aber im Rahmen meiner Ausbildung zur Kundenbetreuerin habe ich einen Kurs in Erster Hilfe absolviert. Und mein Papa hat als Sanitäter gearbeitet. So gesehen liegt es bei mir vielleicht ein bisschen in der Familie.
Der Vorfall ereignete sich am 21. Oktober. Können Sie sich noch gut erinnern?
Tamara Lang: Sicher. Ich stand am Starnberger Flügelbahnhof, der ja zum Münchner Hauptbahnhof gehört. Im Augenwinkel sah ich, dass am Bahnsteig ein Fahrgast zu Boden gegangen ist. Zum Glück stand ein jüngerer Mann dahinter und konnte den älteren Herren auffangen. Sonst wäre er auf den Boden gefallen.
Sie waren als Kundenbetreuerin mit der BOB unterwegs. Wie konnten Sie Roman Mayr helfen?
Tamara Lang: Ich habe mitbekommen, dass Roman unbedingt mit der BOB weiterfahren wollte, um nach Hause zu kommen. Dabei stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn. Also habe ich mich erst einmal mit Roman auf die Bank gesetzt und mit ihm geredet. Ob er denn genügend gegessen habe? Seine Antwort: Hmmm. Ja. Ein Zwetschgendatschi (für alle Nicht-Bayern: Pflaumenkuchen Anm. d. Red.). Wie schaut es aus mit Trinken? Hmmm. Na ja. Auch nicht so richtig. Ein paar Kekse hatte ich noch im Rucksack. Ein Herr brachte ihm Wasser. So konnten wir ihn versorgen, damit er in die Pötte kommt.
Eigentlich mussten Sie ja weiter mit der BOB…
Tamara Lang: Richtig. Also habe mit dem Zugführer gesprochen. Der hat von der Leitzentrale das Ok bekommen, dass ich in München bleiben und mich um den Fahrgast kümmern kann. Dann kamen die Rettungssanitäter, haben einen Kreislaufkollaps diagnostiziert, aber gesagt, dass er im Grunde wieder stabil sei. Nur wollte ich ihn nicht allein nach Hause fahren lassen. Meine Sorge war, dass noch mal etwas passieren könnte.
Also habe Sie Ihren Kunden begleitet…
Tamara Lang: Genau. Bis er unterwegs eine Dame getroffen hat, die ihn dann bis nach Hause gebracht hat. Ich habe ihn abends angerufen, um sicher zu gehen, dass es ihm auch wirklich gut geht…
Was Roman Mayr besonders begeistert hat. „Ich bin ihr sehr dankbar für ihre nette und kompetente Hilfe“ – so seine Worte. Kommen Sie immer so gut mit ihren Fahrgästen zurecht?
Lang: 99 Prozent der Fahrgäste sind einfach lieb. Einzelne Leute haben natürlich auch mal einen schlechten Tag. Aber ich denke mir: Vielleicht kann man ihnen mit einem Lächeln den Tag wieder schön machen. Meistens klappt`s.
Der Traum vom großen Glück des Lokomotivführers lebt nirgends in Deutschland wie im kleinen hessischen Ort Hungen bei Gießen. Dort wächst der heute fünfjährige Bennett auf.
Für Bennett ist es ein besonderes Geschenk, dass direkt hinter dem Wohnhaus mehrmals am Tag Züge auf den nah gelegenen Gleisen vorbeifahren. Täglich stellt er sich auf die Mauer am Garten, um den Triebwagenführern der Hessischen Landesbahn (HLB) zuzuwinken. Wenn Bennett morgens aufwacht ist, fragt er seine Eltern, wann die nächste Bahn kommt. Abends geht er freiwillig ins Bett, um seinem „Gute-Nacht-Zug“ lauschen zu können.
So viel Enthusiasmus lässt keinen Profi kalt – und schon gar nicht die Eisenbahner mit Herz von der Hessischen Landesbahn. Als Tim Geisler, Torsten Grünebaum und Stefan Leib von dem Nachwuchseisenbahner erfahren, lädt die HLB Bennett zu einer Besichtigungstour nach Butzbach ein.
Kurz vor Heiligabend ist es so weit. „Für uns unser diesjähriges Weihnachtsmärchen“, schreibt die glückliche Mutter Desiree C. „Für Bennett ging ein absoluter Herzenswunsch in Erfüllung.“ Einen ganz Vormittag führen ihn die Eisenbahner mit Herz durch die Werkstatt, statten ihn mit einer echten Warnweste der HLB aus, überreichen ihm Arbeitsschuhe und ein Set zum Basteln eines Zuges. Mit Triebwagenführer Tim Geisler am Steuer darf Bennett die Hupe auslösen und das Steuerrad anfassen. Durch die Waggons rennt der Junge und klettert auf das Dach eines Zuges.
Für Bennett war das ein „ganz besonderer Tag“, sagt Mutter Desiree und schlägt die HLB-Kollegen für den Eisenbahner mit Herz vor. Die haben streng genommen nicht einen Kunden begeistert und passen aus formalen Gründen nicht ins Raster des Wettbewerbs. Doch der Jury gefällt die Leistung so gut, dass sie das Trio mit einem Sonderpreis würdigt.
„Tim Geisler, Torsten Grünebaum und Stefan Leib haben mit ihrem herzlichen Empfang für einen kleinen Jungen dafür gesorgt, dass der seinen Lokführertraum weiter träumen kann“, stellt die Jury fest. „Das System Schiene lebt trotz aller Technik von den Menschen, ohne die kein Zug fahren könnte“, so die Jury weiter. „Für die Freude an der Zugbranche und deren vielen schönen Seiten haben die HLB-Kollegen mit ihrem warmen Empfang für einen jungen Fan auf vorbildliche Art und Weise ein Zeichen gesetzt.“
Die Warnweste trug Bennett selbstverständlich beim Fasching in Hungen. Auf seine Kappe klebte ihm die Mutter die Buchstaben HLB. Zugtickets hatte Bennett ebenfalls dabei, den offensichtlich alle Eisenbahn-Berufe faszinieren. Die Mutter drückt das so aus: „Bennett träumt davon, später einmal Teil der HLB-Familie zu werden.“
Woher die Begeisterung ihres Sohnes stammt, fragt sich die Mutter immer wieder einmal. Fußball hat er gespielt, im Kinderchor mitgesungen. Doch tief im Inneren gepackt haben ihn nur Schienen, Signale und Züge. Am Stammbaum der Familie kann es kaum liegen. Ein Uropa von Bennett hat in einem Stellwerk gearbeitet. Doch das wusste der Nachfahre nicht, als es ihn im zarten Alter von eineinhalb Jahren erstmals zu den Gleisen zog. Mit der Holzeisenbahn ging es weiter.
Inzwischen kutschieren Märklin-Eisenbahnen – jedenfalls nach Empfinden der Mutter – „in allen Variationen“ durch das Kinder- oder auch das Wohnzimmer. Bennett können es nicht genug (Modell-)Züge sein. Wenn sich die Jungen und Mädchen im „Wackelzahn“-Projekt des Kindergartens einen Ausflug aussuchen können und ein Wunsch lautet, mit dem Zug zu fahren, rätselt keiner lange, von wem der Vorschlag stammt. Als ein freundlicher Mann in Uniform Bennett fragt, ob er denn später auch einmal Polizist werden wolle, bekommt er eine klare, unmissverständliche Antwort: „Nein. Lokführer.“
Patrick Späth
DB ZugBus RAB
Einsenderin: Natalie Njimet
Noch ist Patrick Späth Azubi. Doch als er sieht, dass Fahrgäste auf dem Bahnhof Aulendorf lange auf die Regionalbahn nach Altshausen warten müssen, liefert er den perfekten Service. Natalie Njimet und drei andere Wartende nimmt er im eigenen PKW nach Altshausen mit und heitert sie mit Bonbons und guter Laune auf. Schon in jungen Jahren ist Patrick Späth ein Eisenbahner mit Herz.
Doreen Punkt
Zugbegleiterin DB Fernverkehr
Einsenderin: Annkatrin Rahf
Eine ältere, gehbehinderte Dame will im ICE in Spandau aussteigen, übersieht jedoch das „Defekt“-Schild an der Tür. Der Zug rollt los – nächster Stopp: Hamburg! Wenig später hält der ICE außerplanmäßig an einem Regionalbahnhof. Gegenüber steht eine Regionalbahn, mit der die Dame zurückfahren kann. Dank Zugbegleiterin Doreen Punkt. Sie ist für Kundin Annkatrin Rahf eindeutig eine „Eisenbahnerin mit Herz“.
Sebastian Fröschke
Zugbegleiter ODEG
Einsenderin: Sigrid Hugo (Geb.-kind)
An ihrem Geburtstag reist Sigrid Hugo mit Gästen im ODEG-Zug von Görlitz nach Hoyerswerda. Vorher bittet sie die ODEG um einen Geburtstagssekt. Mit Erfolg. Zugbegleiter Sebastian Fröschke serviert zum perfekt gekühlten Sekt aus „fast echten“ pinkfarbenen Gläsern, ein Geburtstagsständchen, zudem Süßigkeiten, kleine Präsente und Anekdoten. „Für uns alle ein unvergessliches Erlebnis“, schreibt die Einsenderin.
Eduard Skura
Zugbegleiter NordWestBahn
Einsenderin: Friedlinde Runge
Für das Wohl der Kundin gibt Eduard Skura alles. Das zeigt er, als Friedlinde Runge in der NordWestBahn auf der Fahrt von Bremen nach Lunestedt ihre Handtasche vergisst. Zugbegleiter Skura ruft auf dem Handy der Kundin die letzte gewählte Nummer und erreicht ihre Schwester. Da er am selben Abend noch einmal in Lunestedt Halt macht, kann er die Tasche ihrer überglücklichen Besitzerin übergeben.
Florian Saß
DB Station & Service
Einsenderin: Hanna Jöst
Eine Box voller toter Stechmücken hat DB-Mitarbeiter Florian Saß rechtzeitig ans Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg gebracht. Für die Forschung an Medikamenten gegen Malaria eine wertvolle Fracht. Wissenschaftlerin Hanna Jöst hatte sie im ICE liegen gelassen. Doch Florian Saß legte Überstunden ein und eilte vom Hauptbahnhof zum Institut. „Vielen Dank für den tollen Einsatz“, schreibt Jöst.
Wytze De Jong
Vias-Triebfahrzeugführer
Einsender: Lukas Jakobi und viele andere
Vom Vias-Triebfahrzeugführer Wytze De Jong mit seinem wohlklingenden holländischen Akzent schwärmt nicht nur ein Pendler auf der Strecke Wiesbaden – Frankfurt am Main. Stellvertretend für viele schreibt Lukas Jakobi, wie De Jong „die Reisenden mit humorvollen Ansagen bei Laune hält. „Weiter so, Herr de Jong“, schreibt Dauerpendlerin Kerstin S. über den Eisenbahner mit Herz.
Antje Puchert
ODEG
Einsenderin: Anna Groschwitz
Als die Tochter von Anna Groschwitz das geliebte Stofftier am Bahnsteig in Ludwigslust verliert, hat sie Glück im Unglück. ODEG-Mitarbeiterin Antje Puchert wird sofort aktiv, als Fahrgäste ihr den Rucksack übergeben. Sie schnürt ein Paket mit dem Fundstück, in das sie auch artverwandte Gummibärchen packt. Familie Groschwitz hat ihre Eisenbahnerin mit Herz gefunden!
Jutta Bittner / Heidemarie Wurm
Zugbegleiterinnen Keolis
Einsender: Guido Hornert
Guido Hornert beobachtet in der Regionalbahn von Hamm nach Münster, wie eine Mitreisende einen Kreislaufzusammenbruch erleidet. Und er erlebt, wie die beiden Keolis-Zugbegleiterinnen Heidemarie Wurm und Jutta Bittner sich umgehend und beherzt um die junge Frau kümmern, Erstversorgung leisten und Trost spenden. „Alles funktionierte Hand in Hand und die Versorgung der Patientin war top“, schreibt Hornert. Ein vorbildlicher Einsatz, mit dem die beiden Eisenbahnerinnen mit Herz zum glimpflichen Ausgang des Vorfalls beitragen.
Vlexx-Triebfahrzeugführerin /
Vlexx-Zugbegleiter
Einsenderin: Ulrike Becker
Ulrike Becker steigt in St. Wendel in den vlexx nach Mainz. Der Zug rollt schon, als ihr auffällt, dass sie ihre rote Reisetasche am Gleis hat stehen lassen. Ein Schockmoment. Gemeinsam sorgen Triebfahrzeugführerin Heike Bayer und Zugbegleiter Peter Langner dafür, dass die Tasche zurück zur Besitzerin kommt. Zugbegleiter Langner leiht der Reisenden sein privates Mobiltelefon, so dass sie ihre Familie in St. Wendel anrufen kann. Die freut sich über den „guten Service“ der Eisenbahner mit Herz.
Martin Mietschke
Abellio-Zugbegleiter
Einsenderin: Dorit Rauch
Dorit Rauch ist auf dem Weg von Weimar nach Dresden – zur Beisetzung ihres Onkels. Zwischen Naumburg und Leising hört sie eine Besorgnis erregende Durchsage: Ein Güterzug ist in Brand geraten und es geht erst einmal nicht mehr weiter. Doch Zugbegleiter Martin Mietschke sorgt dafür, dass der Zug nach Naumburg zurückfährt, kümmert sich um ein Taxi für Dorit Rauch und weitere Fahrgäste. Das alles, so schreibt Rauch, „in einer Ruhe und Gelassenheit, die schon allein einer Würdigung bedarf“. Sie kommt pünktlich zur Kapelle, um sich von ihrem Onkel zu verabschieden.
Jedes Jahr schicken Bahnkunden ihre Erlebnisse mit tollen Eisenbahner*innen an die Allianz pro Schiene. Aus den besten Geschichten kürte die Jury die Gold-, Silber- und Bronze-Preisträger sowie die Landessieger aus elf Bundesländern. Zum zweiten Mal wurde außerdem ein "Social Media Hero" geehrt, der auf Facebook fast 1.000 "Gefällt mir"-Angaben erhielt. Zudem vergab die Jury einen Sonderpreis für eine außergewöhnliche Leistung.
Über Goldgewinnerin Mareen Harder schreibt die Jury: „In einer absoluten Ausnahmesituation zeigte sie menschliche Größe. Mareen Harder ist eine echte Eisenbahnerin mit Herz.“ Es war der 2. Juni 2018, als Charlotte mit ihrem Freund Alexander nach Eschede anreist, um an dem für sie so wichtigen Gedenkgottesdienst teilzunehmen. Als sie voller Verzweiflung auf ihrer Bahn-App die wachsende Verspätung des ICE sieht, sucht Alexander Hilfe – und findet Mareen Harder. Sie sorgt dafür, dass wenige Minuten später auf Charlottes Bahn-App die unglaubliche Botschaft erscheint: „Nächster Halt Eschede“. Charlotte vermutet einen Fehler oder ein Missverständnis. Doch es stimmt: Mareen Harder hat binnen weniger Minuten einen Sonderhalt des ICE organisiert. Als der Zug in Eschede stoppt, steigen zwei Leute aus: Charlotte und Alex. Gerade noch rechtzeitig erreichen sie die Kirche.
Frau Harder, wie präsent ist das Unglück von Eschede 20 Jahre später bei Ihnen und Ihren Kollegen?
Wir haben häufig im Kollegenkreis über das Unglück gesprochen. Es sind dabei auch viele Kollegen gestoben. Der 3. Juni – das ist ein wichtiger Tag für uns Eisenbahner.
Ihre Geschichte spielt einen Tag vor dem 20. Jahrestag, am 2. Juni 2018. Können Sie sich noch erinnern, wie ein junger Mann in dem ICE Richtung Hamburg auf Sie zukam?
Sehr gut. Das spielte sich kurz vor Hannover ab. Der junge Mann schilderte mir, dass er mit seiner Freundin unterwegs sei und sie bei dem Zugunglück von Eschede ihre Mutter verloren habe. Und wie wichtig es für sie ist, am Gedenkgottesdienst am 2. Juni teilnehmen zu können. Dass es aber zeitlich nicht mehr zu schaffen ist.
Und dann haben Sie nicht lange überlegt und sofort gehandelt.
Als ich von dem Verlust der Mutter hörte, war mir klar: Ich muss helfen. Dementsprechend: Telefon heraus. Einmal telefonieren. Und dann ging es seinen Gang.
Was genau spielte sich in den wenigen Minuten im Hintergrund ab?
Ich habe mit der Verkehrsleitung in Hannover telefoniert. Die Kollegen dort müssen alles regeln. Das OK für den Halt in Eschede kam innerhalb von zwei Minuten.
Es geht dann ja auch um die Sicherheit in einem kleinen Bahnhof...
Genau. Es muss geschaut werden, ob wir komplett an den Bahnsteig passen, ob wir genug Personal im Zug haben, um gegebenenfalls zu sichern. In Eschede haben wir nur eine Tür geöffnet, weil der Bahnsteig zu kurz war und ja auch nur zwei Leute aussteigen wollten. Die Kollegen in der Zentrale müssen zudem Verzögerungen im Fahrplan einkalkulieren.
Die junge Frau, Charlotte, hat beim Ausstieg versucht, sich bei Ihnen zu bedanken. Sie mussten gleich weiterfahren. Haben Sie gemerkt, wie wichtig das für Charlotte war?
Wie erleichtert sie ist, konnte ich sehen. Für mich zählt in dem Moment, dass die Menschen dort hinkommen, wo sie hinmöchten. Das ist das Wichtigste für mich.
„Die Selbstverständlichkeit, mit der sie in diesem Moment handelte, und ihre darauf folgende Bescheidenheit haben mich dazu bewegt, Ihnen an dieser Stelle von dem Vorfall zu berichten. Diese große Geste zeugt von enormer Menschlichkeit und hat in mir eine ewig anhaltende, tiefe Dankbarkeit ausgelöst. Für mich war das alles andere als selbstverständlich.“
Wenn Alexander Pojonie einen Zug betritt, fährt die gute Laune mit. Eine rekordverdächtige Zahl von Bahnreisenden hat den Zugbegleiter für die Auszeichnung „Eisenbahner mit Herz“ vorgeschlagen. Als wir ihn am Kölner Hauptbahnhof treffen und ein Passant an einer Treppe stürzt, ist Pojonie sofort zur Stelle. Wenn andere vorbeilaufen, kümmert er sich um Verbandsmaterial und leistet erste Hilfe. Für seinen Charme, seinen Witz und seine Freundlichkeit im Umgang mit Passagieren gewann er bereits einen Landespreis – diesmal war für die Jury eine Auszeichnung auf Bundesebene fällig. Mal sehen, was nächstes Jahr kommt.
Stress und schlechte Laune – gibt es das bei Alexander Pojonie?
Natürlich. Aber ich weiß, wie ich mit Stress-Situationen umzugehen habe. Wenn es kritisch wird, hilft mir meine Liebe zum Beruf. Sobald ich im Zug bin, ist die schlechte Laune ohnehin weg.
Und jetzt die Auszeichnung als Eisenbahner mit Herz. Was bedeutet diese Wertschätzung für Sie?
Das ist für mich Gänsehaut pur. Es ist für mich eine ganz große Freude, weil ich offensichtlich die Herzen der Fahrgäste erreiche. Ein schönes Gefühl.
Für einen Zugbegleiter gibt es viele Pflichtaufgaben. Wie finden Sie die Zeit, sich intensiv um das Wohlbefinden der Passagiere zu kümmern?
Wir sind nie allein im Zug. Wir sind gemeinsam stark. Der Schaffner gemeinsam mit den vielen Kollegen, die hinter den Kulissen arbeiten.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Mein Lebensmotto ist, dass sich meine Fahrgäste wohl fühlen sollen. Für mich sind Bahnkunden wie Gäste, die ich zu Hause empfange.
Bekannt sind Ihre Gesangseinlagen. Wo haben Sie das Talent dafür entwickelt?
Schon als Schüler habe ich gerne gesungen. Einmal habe ich es geschafft, im Fernsehen den Raab der Woche zu gewinnen. Und das für eine Gesangseinlage, die mich sehr stolz gemacht hat.
Eine kleine Kostprobe, bitte.
(Singt) Junge Leute brauchen Liebe – ohne Liebe kann doch keiner leben…
Ist der ICE Ihre Bühne?
Den Eindruck will ich auf keinen Fall erwecken. Ich mache da schon meine Arbeit. Aber immer mit dem Wunsch, den Fahrgast ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Genießen Sie bei Zugfahrten auch mal die Stille, wenn Sie weniger zu tun haben?
Das tue ich. Gestern bin ich zum Beispiel aus Brüssel gekommen und konnte mir den wunderschönen Sonnenaufgang anschauen. Da konnte ich Energie tanken.
Wenn Sie einen Wunsch an Bahnreisende frei hätten, was wäre das?
Ich würde mir wünschen, dass die Fahrgäste entspannter sind. Nicht zu gestresst. Das ist einfacher gesagt als getan – aber das würde ich mir wünschen.
„Nach einem verspäteten Flug verpassten wir in München unseren Anschlusszug nach Frankfurt/Wiesbaden. Völlig genervt suchten wir daraufhin ein Hotel und probierten unser Glück mit der Bahn am nächsten Tag. Nach 15 Stunden Rückreise und weiteren viereinhalb Stunden Zugfahrt vor uns konnten wir uns kaum vorstellen, dass unsere Laune sich noch einmal aufrappeln würde. Doch wie das Schicksal es wollte, lernten wir Alexander Pojonie kennen. Letztendlich bin ich sogar froh, dass wir unseren anderen Zug verpasst haben und wir Alexander Pojonie kennenlernen durften. Ich hoffe seitdem, dass wir ihn bei jeder Bahnfahrt treffen.“
Michelle Schmid (Ditzingen)
Bronze hat sich Ronald Kwapinski verdient durch seine selbstlose Unterstützung für den zehnjährigen Dominik. Als der Junge ohne Geld und Monatskarte im Zug auf ihn zukommt, kauft ihm der Transdev-Mitarbeiter auf eigene Kosten ein Ticket. „Es ist auch in einem solchen Fall mit einem Kind alles andere als selbstverständlich, dass jemand sein eigenes Geld einsetzt, um helfen zu können“, befindet die Jury.
Sie sind der Eisenbahner, der einem kleinen Jungen aus der Patsche geholfen hat. Wie sind Sie überhaupt auf ihn aufmerksam geworden?
Wir sind gerade in Bremen vom Hauptbahnhof losgefahren. Da kam der Junge auf mich zu und sprach mich an: Er hätte kein Portemonnaie dabei, kein Geld und auch kein Ticket. Es ging nur um wenige Stationen. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie ich blitzartig auf die Idee kam, ihm einen Fahrschein zu kaufen.
Haben Sie überlegt, den Jungen einfach ohne Ticket fahren zu lassen?
Eigentlich nicht. Das ist nicht erlaubt. Der Zug war auch voll und viele Fahrgäste haben die Situation beobachtet. Alle kaufen sich ja ihr Ticket, die Kinder genau wie die Erwachsenen. Deswegen gibt es nur die Möglichkeit, entweder den Passagier aufzuschreiben oder ihm ein Ticket zu kaufen. Man muss auch den Frieden mit den anderen Fahrgästen wahren.
Und jetzt sind Sie Eisenbahner mit Herz…
Damit hätte ich nie gerechnet. Ich habe mich sehr, sehr gefreut, dass die Mutter das so positiv aufgenommen und gemeldet hat. Ich war froh, dass ich dem Jungen geholfen habe. Damit war die Sache für mich erledigt.
Sind Sie generell ein großzügiger Typ?
Es hängt bei mir von der Situation ab. Das war ja auch kein Riesenbetrag. Und als Kontrolleur entwickelt man mit der Zeit ein Gefühl: wer schwindelt einen an, wer schwindelt einen nicht an. Bei Dominik war ich mir sofort sicher, dass er ehrlich ist.
Sie arbeiten im Rentenalter weiter. Was ist das Besondere an dem Beruf?
Ich liebe das Gespräch mit den Kunden, die Betreuung, den Kontakt. Ich wäre kein Mann dafür, vorne alleine in der Lok zu sitzen. Ich suche den Umgang mit den Menschen.
Ihr Rat an alle Vergesslichen: Was sollte man machen, wenn man sein Monatsticket vergessen hat?
Nicht einfach warten und hoffen, dass einen keiner erwischt. Ich empfehle, jemanden von der Bahn zu suchen und zu fragen, wo der Kontrolleur ist. Dann findet sich eine Lösung.
„Normalerweise hätte Dominik sofort auf der Strecke aussteigen müssen oder er hätte eine Strafe bekommen. Was macht der Schaffner? Er kauft Dominik von seinem eigenen Geld eine Fahrkarte und lässt ihn damit weiterfahren. Denn Dominik hatte gar kein Geld dabei. So kam er pünktlich zu Hause an. Sonst hätte ich mir um die Uhrzeit sicherlich Sorgen gemacht. Das war doch wirklich supernett von dem Schaffner. VIELEN VIELEN DANK!“
Katharina Urban (Bremen)
Deutschlands Reisende haben den Zugbegleiter Peter Hohmann aus Fulda zum beliebtesten Eisenbahner Deutschlands gewählt. In der von der Allianz pro Schiene organisierten Online-Abstimmung kürten die Kunden den 47-Jährigen mit großem Vorsprung zu ihrem „Social Media Hero“. Damit verteidigte der Zugbegleiter der Deutschen Bahn seinen Titel aus dem Vorjahr. Am Ende sammelte er über 38 Prozent mehr Likes ein als der zweitplatzierte Mario Meier aus Oberbayern.
Hohmann begeistert als Zugbegleiter der Deutschen Bahn auf seiner Stammstrecke von Fulda nach Frankfurt die Reisenden durch seine freundliche, offene Art und seine Hilfsbereitschaft im Umgang mit den Kunden. „Durch ihn sieht man, dass Menschlichkeit doch noch möglich ist“, schreibt eine Facebook-Nutzerin. „Bester Mann ever“, heißt es in einem anderen Kommentar. „Er hat immer gute Laune und kennt die Dauerpendler.“ Eine frühere Kundin des Social Media Heros bedauert ihren Ortswechsel: „Leider sind wir umgezogen. Wir werden ihn definitiv vermissen. Zug fahren ist nie langweilig mit ihm.“
Seit zwei Jahren vergibt die Allianz pro Schiene beim „Eisenbahner mit Herz“ zusätzlich zu den Jury-Preisen die Auszeichnung „Social Media Hero“. „Hier können alle Bahnkunden im Internet direkt abstimmen“, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. „Mit ihrer Entscheidung zeigen die Reisenden klar und deutlich, dass Peter Hohmann mit seiner herzlichen Art auf einzigartige Weise die Wünsche der Kunden erfüllt.“
Lieber Peter, Glückwunsch zur Wiederwahl. Wie fühlt man sich als souveräner Titelverteidiger?
Vielen Dank. Ich freue mich sehr, dass ich gewonnen habe. Erst wollte ich nicht noch einmal mitmachen. Aber es kamen so viele Fahrgäste auf mich zu und haben mich motiviert. Da habe ich mir dann gesagt: Einmal kann man den Titel ja ruhig verteidigen.
Du hast ja eine große Fangemeinde in den sozialen Netzwerken. Hilft Deine Großmutter Dir nach wie vor, im Internet den Überblick zu behalten?
Ja, sie ist vor Kurzem 95 geworden und ist immer noch ständig online und hat die Facebook-Seite vom „Eisenbahner mit Herz“ gut im Blick.
Was uns mit Blick auf die Zukunft noch interessieren würde: Was macht einen guten Eisenbahner aus und was würdest Du dem Nachwuchs mit auf den Weg geben?
Ich bin stetig im Kontakt mit unseren Nachwuchskräften und sage immer: Ansprechbar sein, Präsenz zeigen, Blickkontakt zum Fahrgast aufbauen und vor allem immer ein offenes Ohr haben. Damit bin ich 27 Jahre gut gefahren.
Am Abend des 5. Dezember 2017: Der National Express-Triebfahrzeugführer Benjamin Ritter und der Zugbegleiter Thomas Wiese haben Dienst auf dem Rhein-Münsterland-Express, der Linie RE 7. Auf der Strecke fährt ein leerer Güterzug Richtung Rotterdam. Aufgrund von Fehlinformationen aus dem Stellwerk muss Ritter davon ausgehen, dass der vor ihm liegende Streckenabschnitt frei ist. Als er den Güterzug in einiger Entfernung wahrnehmen kann, ist die Kollision unvermeidlich. Er bremst den Zug so stark wie möglich ab und stürmt nach hinten, um seine Fahrgäste zu warnen. Bei Meerbusch-Osterath kommt es zum unvermeidlichen Aufprall und zahlreiche Fahrgäste werden verletzt. Zugbegleiter Wiese kümmert sich – obwohl selbst unter Schock – umgehend um die Verletzten. Glücklicherweise ist eine Krankenschwester an Bord, die tatkräftig mit anpackt. So kann die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte überbrückt werden, ohne dass Panik ausbricht. Die Berichterstattung über den Unfall bewegt Arndt Finkenrath zu einer Nominierung des Triebfahrzeugführers Ritter für den „Eisenbahner mit Herz“. Inge Schürmann war als Passagierin im Zug und nominiert Thomas Wiese. Da die juristische Aufarbeitung des Vorfalls abgewartet werden musste, konnten die Nominierungen im vergangenen Jahr nicht berücksichtigt werden. Nun hat die Jury sich entschieden, das außergewöhnliche Engagement der beiden tapferen Eisenbahner mit einem Sonderpreis zu würdigen. „Ritters und Wieses beherzter Einsatz trug maßgeblich dazu bei, dass der ohnehin schwere Unfall nicht noch weitaus schlimmere Folgen hatte“, lobt die Jury.
Thomas Hindelang
Triebfahrzeugführer Bayerische Oberlandbahn Meridian
Einsender: Gaby Seydel, Jannik Schubert
Auf der Strecke von Holzkirchen Richtung München kommt Jannik Schubert kaum noch dazu, sich mit seinen Begleitern zu unterhalten. Wenn Thomas Hindelang den Zug steuert, lauschen die Passagiere fasziniert seinen Durchsagen. Mit gekonnten Streckenbeschreibungen und seinen Oden an den malerischen Tegernsee oder die herrliche Herbstlandschaft wird der Triebfahrzeugführer zum allseits beliebten Reiseführer.
Michael Schweiger
Triebfahrzeugführer AVG
Einsenderin: Silke Becker
Eine Weihnachtsgeschichte der besonderen Art schreibt Michael Schweiger mit seinem couragierten Einsatz für einen Passagier, der mit starken Brustschmerzen und einem Kribbeln in der Hand an einer Haltestelle sitzt. Schweiger stoppt den Zug, verständigt sofort den Notarzt und sorgt für den schnellen Transport ins Krankenhaus. „Mit diesem überzeugenden Engagement hat Michael Schweiger wahrscheinlich ein Leben gerettet“, lobt die Jury.
Thomas Lehmann
Zugbegleiter ODEG
Einsender: Hans-Joachim Nauck
Ausweis, Bankarten, Monatskarte verloren – das passiert Passagieren jeden Tag. Ein Glück, wer dann auf einen Eisenbahner mit Herz wie Thomas Lehmann trifft. Der ehrliche Finder ruht auch in der Freizeit nicht, um die wertvollen Sachen an den Reisenden Hans-Joachim Nauck zurück zu geben. „Ich war begeistert und dankbar“, schreibt der.
Oliver Ott
Zugbegleiter ODEG
Einsender: Martin Wenzel
So stressig der Alltag auch sein mag, Oliver Ott ist stets ein Eisenbahner mit Herz. Gerade diese Freundlichkeit und Souveränität im täglichen Betrieb beeindrucken Jury und Fahrgäste. Eine Einsenderin möchte gar „nie mehr ohne ihn“ Zug fahren.
Peter Hohmann
Kundenbetreuer DB Regio Fulda
Einsender: Sabine Wachholz und andere
In den Online-Medien ist Peter Homann ohnehin ein Held – der Social Media Hero eben. Die Grundlage dafür legt er immer wieder im wirklichen Leben mit seiner zugewandten, freundlichen, geduldigen Art. Ein Wettbewerb „Eisenbahner mit Herz“ ohne Peter Hohmann ist fast schon nicht mehr vorstellbar.
Yvonne Heise
Kundenbetreuerin Usedomer Bäderbahn
Einsender: Mario Bointner
Ein Trost für einen Jungen, der den ersten Zahn verliert. Eine freundliche Geste für einen älteren Fahrgast. Diese große Herzlichkeit begeistert Jury wie Passagiere gleichermaßen. „Solche Mitarbeiter/-innen wünscht man sich täglich, wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist“, schreibt Bahnkunde Mario Bointner.
Heinz Korte
Bahnhofsmitarbeiter DB Station & Service
Einsenderin: Hildburg Kautzsch
Als sie sich bei einem Autounfall verletzt, verliert Hildburg Kautzsch auch noch ihre Brille. Da kann die Bahn helfen – oder genauer Heinz Korte. Er organsiert nicht nur den Fahrkartenkauf, sondern schenkt der Frau auch noch eine Lesebrille. So kann sie sehenden Auges nach Hause fahren und findet zugleich einen Eisenbahner mit Herz.
Shawn Glaeser
Zugbegleiter DB Fernverkehr Dortmund, DB Fernverkehr Münster
Einsender: Helge Vieweg
Jonna Upmeyer
Zugbegleiterin DB Fernverkehr Dortmund, DB Fernverkehr Münster
Einsender: Helge Vieweg
Ein Sturm, der den Fernverkehr zum Erliegen bringt, und ein zwölfjähriger Junge allein im Zug. Da springt der Zugbegleiter Shwan Glaeser zusammen mit Jonna Upmeyer, die gar nicht im Dienst ist, ein. Beide kümmern sich rührend um Robin, ersparen ihm eine Übernachtung im Hotelzug und so gelangt der Junge sicher zurück zu seinen Eltern in Lohne bei Hamm.
Jan Krehl
Triebfahrzeugführer railmen Sachsen
Einsender: Andreas Schreiber
„In einem äußerst schweren Moment für jeden Eisenbahner zeigt Jan Krehl Menschlichkeit und Persönlichkeit“ – so schreibt die Jury über den Triebfahrzeugführer. Als der Zug ausgelöst durch einen Selbstmörder einen Unfall erleidet, setzt Jan Krehl nicht nur einen Notruf ab und informiert die Passagiere. Mehrfach geht er auch durch die Waggons, steht den Fahrgästen Rede und Antwort und beruhigt sie. Eine großartige Leistung, findet auch die Jury.
Klaus Radix
Kundenbetreuer DB-Regio Schleswig-Holstein
Einsender: Christian Stolz
Einen Urlaub zu retten – das gelingt auch einem Zugführer nicht jeden Tag. Klaus Radix hat es vollbracht. Aus Versehen fährt eine Leipzigerin mit dem Portemonnaie eines Freundes im Rucksack von der Ostsee zurück in die Heimat. Ihr Bekannter Christian Stolz will am nächsten Tag in den Urlaub fahren - aber ohne Geld und Papiere? Zugführer Klaus Radix bietet sich als Geldbote an und bringt mit der nächsten Tour nach Flensburg alles zurück zum überglücklichen Besitzer.
Gabriele Kiesel
Zugbegleiterin Abellio
Einsenderin: Daniela Danz
Gleich zweimal leistet Gabriele Kiesel Hilfe, als Daniela Danz ihren Koffer sucht und ihr Anschlusszug losfährt. Die Zugbegleiterin lässt Danz noch zusteigen und informiert die Polizei, über die der Koffer den Weg zurückfindet zur erleichterten Besitzerin.
Die "Eisenbahner mit Herz 2018"-Sieger stehen fest: Bahnkunden hatten bis zum Januar rund 200 Geschichten an die Allianz pro Schiene geschickt. Aus den besten Reisegeschichten kürte die Jury die Gold-, Silber- und Bronze-Preisträger sowie die Landessieger aus acht Bundesländern. Erstmals wurde außerdem der "Social Media Hero" geehrt, der auf Facebook knapp 6.000 "Gefällt-mir"-Angaben von den Bahnkunden erhielt.
Philipp Reske fährt am 5. Oktober 2017 mit dem ICE. Wegen des Orkans Xavier bleibt sein ICE zunächst stundenlang am Bahnhof Ludwigslust stehen. Irgendwann fällt die Stromversorgung aus, und die Fahrgäste verbringen weitere sechs Stunden in einem dunklen, auskühlenden Zug. Einziger Lichtblick ist Hartmut Dreßler, „der beste Zugchef ever!“, schreibt der Einsender. Sein Eisenbahner hat zu jeder Zeit gute Laune. Als klar ist, dass es gar nicht mehr weiter geht, quartiert er alle Fahrgäste mit Hilfe des Katastrophenschutzes, der Feuerwehr und des Deutschen Roten Kreuzes in einer Sporthalle ein, sorgt für Feldbetten, Gulaschsuppe und Bohneneintopf. Dreßler schläft die ganze Nacht nicht, und doch hat er am nächsten Morgen eine gute Nachricht für seine nicht-mehr-Zuggäste: es kommen Busse, die nach Hamburg und zurück nach Berlin fahren. Zuvor aber solle jeder noch ein Brötchen essen. Reske schreibt bewundernd: „Hartmut Dreßler hat immer noch Späße gemacht, obwohl er so etwas in 40 Dienstjahren nicht erlebt hat.“
Philip Reske (Buxtehude)
Der Mitarbeiter von DB Fernverkehr Berlin „ist mit Herzblut für seine Fahrgäste dagewesen“, urteilte die Jury. „Durch seine Fürsorglichkeit hat er ein Katastrophenszenario in ein unvergessliches Gemeinschaftserlebnis verwandelt, während sich das restliche Bordpersonal bereits abgesetzt hatte.“
Herr Dreßler, muss erst ein Orkan kommen, damit sich die Menschen näher kommen?
Normalerweise nehme ich meine Fahrgäste nicht zum Kuscheln in den Arm, aber nachdem wir gemeinsam einen Tag in dem ausgekühlten Zug verbracht haben und dann noch eine Nacht in der Turnhalle, da sind mir beim Abschied schon die Tränen gekommen. So schön war das. Fast familiär.
Sie sind erst ganz zum Schluss in den Bus nach Berlin gestiegen. Wie der berühmte Kapitän, der als letzter von Bord geht.
Aber vorher habe ich noch gesagt: Ohne Frühstück fährt hier keiner weg. Und so war’s dann auch.
Wie schlimm war denn der Orkan?
Als unser Zug in Ludwigslust gestrandet ist, stand ganz in der Nähe ein Baum an der Strecke. Nachher stand der nicht mehr da. Natürlich kann nicht immer die Sonne scheinen, aber so ein Unwetter habe ich in 40 Dienstjahren nicht erlebt.
40 Dienstjahre? Dann waren Sie ja schon von Anfang an bei der Bahn.
Die Eisenbahn war meins. Ich wollte immer reisen und habe als Kind unter der Bettdecke mit der Taschenlampe Reisemagazine gelesen. Dabei habe ich mir dann die Augen verdorben, was doof war. Denn mit Brille konnte man in der DDR nicht Lokführer werden. Also lernte ich Zugbegleiter.
Aber mit der Reiselust war das in der DDR ja nicht so leicht.
Stimmt, wir hatten diesen Gartenzaun, aber ich habe sofort ein Auge auf den internationalen Verkehr geworfen. Da fuhr der D-Zug Berlin – Warschau. Und dann bekam ich das Angebot, im Transitverkehr in den Westen zu fahren.
Wie viele Ihrer Kollegen hatten so eine Erlaubnis?
Wir waren etwa 30 Reichsbahner, die fahren durften. Wir sind auch über Nacht im Westen geblieben und haben regelmäßig gemütlich mit den Bundesbahnern geschnattert. Manche von den Kollegen sind auch heute noch im Dienst.
Was dachten Sie über den Westen?
Es gab dort viel mehr Bananen, und endlich konnte ich mir jede Menge Bahnhöfe ansehen. Aber im Ernst: Es ist ein großes Glück, dass wir den Mauerfall erlebt haben. Ich werde nie vergessen, wie voll die Züge nach Westberlin waren: Wir hatten so viele Fahrgäste, dass wir fast auf dem Drehgestell gefahren sind. Mehr als Tempo 40 war da nicht drin.
Jetzt sind Sie Eisenbahner mit Herz. Was kann danach noch kommen?
Nix mehr. Jetzt kommt nur noch die Rente. Und dann werde ich ... raten Sie mal?
Verreisen und Bahnhöfe ansehen.
Ganz genau.
Robert Mewes ist beeindruckt über einen Vorfall im ICE nach Berlin: Fußballfans der Hertha geraten nach einem klar verlorenen Auswärtsspiel außer Rand und Band. Sie rauchen, kleben Aufkleber ihres Clubs überall hin und reißen die Wandverkleidung runter. Zugbegleiter Recep Buluter greift ein und wirkt auf die meisten Fans beruhigend. Bei anderen zeigen seine Worte dagegen keine Wirkung. Als einige von ihnen Fahrgäste belästigen und anpöbeln, ruft er die Bundespolizei und verweist die Störer des Zuges. „Auch hier sorgt sein umsichtiges Auftreten dafür, dass die Lage an Bord nicht eskaliert. So viel Einsatz und Besonnenheit sollten gewürdigt werden.“
Robert Mewes (Möchengladbach)
Der Mitarbeiter von DB Fernverkehr Hannover „ist ein mutiger Mensch, der auch an seinem Platz bleibt, wenn es brenzlig wird“, begeisterte sich die Jury. Allerdings sei künftig auch die Politik gefragt, um Bahnbetreiber, Zugpersonal und die Reisenden besser vor gewaltbereiten Fußballfans zu schützen.
Herr Buluter, Sie sehen nicht so aus, aber schauen Sie schon mal Fußball?
Natürlich! Ich bin leidenschaftlicher Hannover 96-Fan. Mit einem kleinen Etat bringt dieser Club wirklich einiges zu Stande.
Haben Sie also Verständnis für Fans, die an Bord der Züge ein bisschen Dampf ablassen?
Wenn Fans singen und feiern, dann habe ich dafür ein Grundverständnis. Sogar eingefleischte Hooligans haben übrigens fast immer vorbildlich gebuchte Fahrkarten – mit Platzreservierung. Erst wenn der Alkohol dazu kommt und wenn ihre Mannschaft verliert, dann drehen sie manchmal durch.
Wie bei dem verlorenen Auswärtsspiel der Hertha.
Das war schon wild: Wir haben sofort die erste Klasse abgesichert und das Bordbistro, aber in der zweiten Klasse war die Lage außer Kontrolle. Sobald andere Reisende bedroht und belästigt werden und mein Zug beschädigt wird, hört bei mir jedes Verständnis auf. Da stelle ich mich vor meine Fahrgäste.
Hatten Sie keine Angst?
Ich habe eine gute Menschenkenntnis. Und ich wirke selber nicht aggressiv. Einige der Randalierer konnte ich mit Vernunft beruhigen. Beim Rest musste dann die Polizei durchgreifen.
Die Jury fand Ihr Eingreifen mutig, und jetzt sind Sie Eisenbahner mit Herz.
Ich war sprachlos, als ich das erfahren habe. An meinem freien Tag rief mich mein Gruppenleiter um 6.44 Uhr an.
Arg früh, oder?
Das dachte ich auch. Also schlief ich weiter und rief dann mit dem ersten Kaffee in der Hand zurück. Er sagte: „Herzlichen Glückwunsch“. Fast ist mir die Tasse aus der Hand gefallen.
Wenn Sie Ihren türkischen Verwandten daheim von Ihrer Arbeit erzählen, welche Reaktionen kriegen Sie da?
Im Ausland ist es immer noch wenig bekannt, wie modern unsere Eisenbahn ist. Wir sind top in Europa. Und unsere Fahrgäste - das ist wirklich wie im Fußball: Die Deutschen sind 80 Millionen Bahnchefs.
Wenn es eine Eisenbahn-Weltmeisterschaft gäbe, wo sehen Sie die Deutsche Bahn?
Ganz klar: Anwärter auf den Titel.
Susanne Bauer-Wermuth macht eine Familienreise auf die Nordseeinsel Langeoog. Weil sie Anschluss-Pech haben, verzögert sich die Reise der vier Erwachsenen und fünf Kinder um eine Stunde. Das ist vor allem für die beiden Babys, vier und sechs Monate alt, sehr nervenaufreibend. Bei einem weiteren Umstieg lässt Bauer-Wermuth in dem ganzen Trubel einen der vier Koffer versehentlich auf dem Bahnsteig stehen. Das fällt ihr erst 20 Minuten später auf. Inzwischen hat der Koffer allerdings schon die Bundespolizei auf den Plan gerufen. Just in diesem Koffer befinden sich allerdings sämtliche Babysachen. Buchstäblicher Retter gegen die Hungersnot ist jetzt der Lokführer Swen Sengebusch. Der NordWestBahn-Mitarbeiter erkennt die Zwickmühle seiner Fahrgäste und handelt sofort. Er erwirkt als erstes, dass der Koffer wieder aus der Sicherungsverwahrung kommt. Dann teilt er seinen Fahrgästen mit, dass er heute diese Strecke nochmal fahren und dabei den Koffer mitnehmen werde. Schließlich sorgt er dafür, dass ein Busunternehmen den Koffer bis zur Küste transportiert und auf das letzte Schiff zur Insel an diesem Tag bringt. „Swen Sengebusch hat meinem Baby und mir den Urlaub gerettet! Wir hatten noch am selben Abend den Koffer auf der Insel und damit rechtzeitig für die abendliche Flasche Milch! Für mich war das die hilfsbereiteste Tat, die ich je von einem Bahnmitarbeiter erfahren habe! Es verdient meinen größten Dank und Anerkennung!“
Susanne Bauer-Wermuth (Ochsenfurt)
„Mit beachtlichem logistischem Wissen hat dieser Triebfahrzeugführer seinen Fahrgästen den Urlaub gerettet“, lobte die Jury. „Swen Sengebusch bewegt nicht nur Züge, sondern auch Polizeibeamte, Busfahrer und das Fährpersonal: Wirklich ein Meister der Reisekette.“
Herr Sengebusch, die Jury lobt Sie als Meister der Anschlusskette. Wussten Sie überhaupt, wie dramatisch das mit der letzten Fähre nach Langeoog ist?
Ich hatte mal eine Freundin, die von Langeoog kam. Und obwohl die Insulaner ja sonst sehr entspannt sind, bei der letzten Fähre am Abend auf die Insel, da geht es um was. Die darf man nicht verpassen.
Der Koffer mit dem Babybrei war bei der Bundespolizei, das Bombenräumkommando schon unterwegs und Sie haben Ihren Fahrgästen trotzdem Mut gemacht?
Ich dachte, das ist doch Ehrensache, dass dieser Koffer noch am selben Abend auf die Insel kommt. Aber natürlich konnte ich das nicht fest versprechen. Die Eisenbahn mit ihren Anschlüssen ist ein komplexes System. In so einem Fall müssen alle zusammenarbeiten: Fahrgäste, Polizei, Lokführer, Busfahrer, Fährpersonal.
Also war es gar nicht Ihr Verdienst?
Es gehört auch Glück dazu. Zufällig hatte ich an diesem Tag Verstärkung an Bord. Eine Kollegin musste ihre Streckenkunde auffrischen und konnte den Zug weiterfahren. Wäre ich allein im Führerhaus gewesen, hätte ich nicht so intensiv nach den Besitzern des Koffers forschen können.
Steht Ihnen das Glück auch sonst zur Seite?
Unbedingt. Ich hatte schon mehrere Beinahe-Unfälle an Bahnübergängen. Einmal stand ein Pkw auf den Gleisen. Trotz Notbremsung habe ich ihn am Kotflügel erwischt. Das Auto mit einer ganzen Familie drin flog in den Straßengraben. Ich schaute aus dem Zug, und sah: Da steigt Rauch auf.
Und dann?
Ich bin rausgesprungen und war auf alles gefasst. Aber der Rauch war zum Glück nur Kühlwasser. Ich war dananch außer Dienst und wurde nach Hause gebracht. Dort habe ich es aber nicht ausgehalten und fuhr ins Krankenhaus. Da sagten sie mir, dass die Familie schon wieder entlassen worden war.
Wie gut haben Sie die Orkane in letzten Jahr überstanden?
Gegen entwurzelte Bäume habe ich eine Handsäge an Bord. Ganz so leicht lassen wir uns nicht aufhalten. Auch wenn in den Zeitungen oft was anderes steht. Unsere Fahrgäste wissen das besser: In der Not sind wir für sie da.
Erstmals hatten die Reisenden in diesem Jahr auch die Möglichkeit, auf Facebook einen Publikumspreis zu vergeben. Unangefochtener Sieger ist demnach DB Regio-Zugbegleiter Peter Hohmann, der zum Stichtag 5.802 Likes von Pendlern bekommen hatte.
Frank Dieter pendelt regelmäßig nach Frankfurt am Main. Dabei fällt ihm seit Jahren der DB Regio-Zugbegleiter Peter Hohmann auf: „Man hat als Fahrgast das Gefühl, dass Herr Hohmann all seine "Gäste" persönlich kennt, da er mit fast jedem einen kurzen Smalltalk hält, worüber die Fahrgäste sichtlich erfreut sind“, schreibt der Einsender. Er habe schon mehrfach beobachten können, wie Hohmann den Reisenden ein Lächeln ins Gesicht gezaubert habe. Und das mache er schon viele Jahre. Für Dieter ist da „ein wahrer Eisenbahner mit Herz“ an Bord seines RE.
Frank Dieter
"Mit Peter an Bord lassen sich selbst legendäre Verspätungen ertragen." - Simone D.
"Solche Menschen braucht die Welt." - Ira D.
"Wenn Herr Hohmann Dienst hat, freut sich der ganze Zug" - Petra G.
"Der freundlichste Bahnmitarbeiter, den ich kenne." - Harald K.
"Ein großartiger Mann! Er hat mir schon so oft meine Stimmung gerettet und mir Mut gemacht." - Monsder S.
DB Regio-Zugbegleiter Peter Hohmann im Interview
Herr Hohmann, Sie haben in fünf Tagen 6.000 Likes bei Facebook bekommen und mehr als 1.000 Kommentare. Haben Sie schon alle gelesen?
Nein, hundert habe ich geschafft, aber dann brauchte ich eine Pause. Ich habe keinen Computer zu Hause. Keinen Laptop. Nicht mal einen Drucker. Das ist alles nix für mich. Ich rede lieber mit echten Menschen.
Wie? Sie überleben ohne Facebook-Profil?
Wenn ich dazu etwas wissen will, dann frage ich meine Großmutter. Die weiß mit Facebook Bescheid, hat Whatsapp und druckt mir auch mal was aus. Sie ist 94 und noch gut in Schuß.
Dann sind Sie ja in Ihrer neuen Rolle als „Eisenbahner mit Herz“ und „Social Media Hero“ in besten Händen.
Guten Rat kann ich wirklich brauchen. Seit die Nachricht öffentlich ist, habe ich keine ruhige Minute mehr. Radio, Fernsehen, alle wollen mit mir sprechen. Und die Nachbarn haben es in der Zeitung gelesen und fragen …
Was denn?
.. ob ich jetzt überhaupt noch arbeiten muss. So berühmt wie ich bin. Oder ob ich ihnen eine Autogrammkarte geben könnte.
Wie fühlt sich das an?
Stressig.
Offenbar sind Sie ein überaus großartiger Zugbegleiter.
Ich hatte gerade mein 25. Dienstjubiläum. Und mein Job, ja, der macht mir Spaß. Ich denke, dass ich die nächsten 20 Jahre auch noch sehr gut bei der Bahn rumkriege. Obwohl: Einer meiner Fahrgäste ist ein hochkarätiger Manager und wollte mich abwerben.
Peter Hohmann im Frankfurter Bankenviertel – das wäre doch was.
Um Gotteswillen. Meine Pendler machen sich schon Sorgen, wenn sie mich mal drei Tage nicht auf dem Zug sehen, weil ich eine andere Schicht fahre. Nein, ich kann hier nicht weg.
Auch auf Landesebene hat die Jury herausragende Leistungen gewürdigt. Immer mehr Bundesländer stellen einen Landessieger.
Giuseppe Soraci, Mitarbeiter DB Services
Einsenderin: Maria Bechmann
Maria Bechmann fährt sehr oft die Strecke Nürnberg-Regensburg mit dem ICE. Immer wieder bemerkt sie, wie sauber die Toiletten sind und wie aufmerksam das Reinigungspersonal und hier besonders Guiseppe Soraci an Bord für die Annehmlichkeit der Fahrgäste sorgt. Die Jury meint: „Saubere Leistung“.
Landessieger BERLIN
Jens Uhlig, Mitarbeiter der S-Bahn Berlin
Einsenderin: Juliane Noculak
Der sechsjährigen Mia fällt ihr Teddy ins Gleisbett – genau in den schmalen Spalt zwischen Bahn und Bahnsteig. Tränen helfen da wenig, aber Jens Uhlig von der Verkehrsaufsicht der Berliner S-Bahn weiß Rat. Für die Rettung „Brummis“ malt Mia dem Eisenbahner ein Bild. Und die Jury sagt: Große Klasse!
Landessiegerin BREMEN
Christine Wrieden, Zugbegleiterin DB Regio
Einsenderin: Rita Krumbeck
Rita Krumbeck ist gehbehindert, aber Zugbegleiterin Christine Wrieden macht ihr das Reisen leicht. Sogar einen Zug leitet sie um, damit die Eisenderin nicht an einem kaputten Aufzug scheitert. Die Jury findet: „Solch zupackende Hilfe ist leider nicht selbstverständlich.“
Landessieger HAMBURG
Ralf Hohn, Zugbegleiter DB Regio
Einsenderin: Pia Hemmerling
Blindenhund Moritz ist panisch, als er in einen Regio alter Baureihe mit Klapptüren steigen soll. Pia Hemmerling hat Angst vorm Ausstieg, aber Zugbegleiter Ralf Hohn hebt den 35 Kilo-Hund und trägt ihn aus dem Zug. Die Jury meint: „Das ist nicht Pflicht, sondern ganz klar Zugbegleiter-Kür.“
Landessiegerin HESSEN
Barbara Dybus, Zugbegleiterin DB Fernverkehr Frankfurt/M
Einsenderin: Dagmar Turlach
Die bange Frage, ob man im falschen Zug sitzt, quält so manchen Fahrgast. In diesem Fall geraten die Reisenden an ICE-Chefin Barbara Dybus aus Frankfurt/M. Sie bringt die Fahrgäste an den richtigen Platz im richtigen Zug. „Großartig: Die Notlage erkennen, bevor der Notfall eintritt“, meint die Jury.
Landessieger NIEDERSACHSEN
Heinz Korte, Mitarbeiter DB Station & Service, Bahnhof Leer
Einsenderin: Jutta Haegele
Ein hochbetagtes Ehepaar will die Tochter besuchen, doch die Reise beginnt dramatisch: Die Frau stürzt und muss in Krankenhaus. Heinz Korte betreut den verwirrten Mann. Er sorgt dafür, dass die beiden die Reise später antreten können. Die Einsender sind begeistert, die Jury ebenfalls.
Landessieger NORDRHEIN-WESTFALEN
Alexander Pojonie, Zugbegleiter DB Fernverkehr Köln
17 Einsender
Ob Orkan, Jungesellenabschied oder Politiker-Reise: Alexander Pojonie ist in allen Situationen er selbst und der meistbelobigte Zugbegleiter der Republik. Wie schon im Vorjahr schätzen die Fahrgäste seinen Witz, seine Klasse und sein Auftreten. Die Jury zögert nicht, ihn gleich nochmal auszuzeichnen.
Tom Seifert, Zugbegleiter bei der neg
Einsenderin: Margit Bassler
Der junge Tom Seifert ist erst im zweiten Ausbildungsjahr bei der Norddeutschen Eisenbahngesellschaft (neg) und springt den Fahrgästen bei wie ein alter Hase im Kundendienst. „Kein Zweifel, das ist ein Naturtalent“, urteilt die Jury.
Auf einer festlichen Gala in Berlin wurden die Preisträgerinnen und Preisträger für ihr tolles Engagement ausgezeichnet. Dabei erhielten sie viel Lob von den versammelten Bahnchefs und den Vertretern der Jury. Unsere Fotografen haben den Abend in Bildern festgehalten:
Die Eisenbahner mit Herz 2017 stehen fest: Aus über 160 Einsendungen von Bahnkunden wählte unsere Jury die Gold-, Silber- und Bronze-Preisträger. Den Sonderpreis Naturschutz erhält ein Lokführer von DB Cargo, der sich vorbildlich für ein verletztes Tier eingesetzt hat.
Zwei Männer geraten in einem Zug bei Halle in Streit um eine Frau. Die Zugbegleiterin Maria Voigt kontrolliert die Fahrkarten, da sticht einer der Männer mit dem Messer auf den anderen ein. Voigt informiert den Lokführer und versucht, die Streitenden zu trennen. Als auch die Begleiterin des Opfers Stichwunden erleidet, leistet Voigt erste Hilfe. Sie kümmert sich um die Evakuierung der Fahrgäste und ist Ansprechpartnerin für die Polizei. Lokführer Dirk Otte fürchtet, seine Kollegin könnte ebenfalls verletzt sein und eilt zum Tatort. Auch er leistet erste Hilfe. Augenzeugin Clara Münzner ist voll des Lobes: „Das Bahnpersonal hat hervorragend reagiert. Der Zug hielt so schnell wie möglich. Die Fahrgäste wurden sofort nach draußen geschickt. Dabei bewahrten die beiden Mitarbeiter jederzeit die Ruhe. Für beide war der Vorfall sichtlich belastend. Also: Großes Lob an Maria Voigt und Dirk Otte für ihr besonnenes Handeln!“
Clara Münzner (Leipzig)
„Gewalt gehört leider zum Berufsalltag der Eisenbahner in Deutschland: Keiner von uns weiß, wie er in solch einer Ausnahmesituation reagieren würde. Die beiden Abellio-Mitarbeiter wissen es. Polizeiprotokolle belegen, dass Maria Voigt und Dirk Otte trotz Lebensgefahr vorbildlich für die Verletzten dagewesen sind. Während des blutigen Zwischenfalls brach bei den Fahrgästen keine Panik aus: Auch weil das Zugpersonal die Ruhe bewahrte. Das verdient Gold. Der Preis ist auch eine Anerkennung für alles, was Maria Voigt und Dirk Otte durchlitten haben.“
Herr Otte, Sie sind auf die Messerstecher losgegangen und haben versucht, die beiden zu trennen. Dürfen wir Sie einen Helden nennen?
Otte: Sagen Sie lieber: „leichtsinnig“. Das hat nämlich meine Frau zu mir gesagt.
Aber Sie waren doch in Sorge um Ihre Kollegin Maria Voigt.
Otte: Das stimmt. Nach Marias Notruf schaute ich durch den Zug und sah ganz hinten etwas Graues am Boden liegen. Da dachte ich: „Das war’se.“ Als ich dann näher kam und die beiden Männer voneinander wegziehen wollte, da hielt mir der Angreifer sein Messer vor die Nase.
Und Sie haben dann die Abteiltür zugehalten?
Damit der nicht noch auf die Fahrgäste losgeht. Aber die ganze Brutalität der Situation habe ich erst später richtig verstanden. Als die Polizei mir das Video gezeigt hat.
Frau Voigt, haben Sie das Video auch schon gesehen?
Voigt: Nein, ich war jetzt zehn Wochen lang krank geschrieben und bin gerade erst wieder im Dienst.
Wie haben Sie den Vorfall verkraftet?
Voigt: Ich wusste schon nach einer Woche, dass ich wieder auf die Schiene zurück will. Aber die Auszeit habe ich gebraucht. Ich hatte Albträume und Angstzustände, das hat mich selber überrascht.
Und jetzt sind Sie beide „Eisenbahner mit Herz“.
Voigt: Das war nicht der Plan. Aber ich nehme es als großes Kompliment. Manchmal denke ich sogar: Es ist gut, dass es mich getroffen hat. Ich weiß jetzt, dass ich in Notlagen die Ruhe bewahre. Und dass unser Beruf gefährlich werden kann, das wusste ich von Anfang an.
Wie haben die Fahrgäste reagiert?
Voigt: Sehr besonnen. Alle haben ohne Murren den Zug verlassen, als ich ihn evakuiert habe. Und keiner hat Handy-Aufnahmen vom Tatort gemacht. Das fand ich bemerkenswert. Dabei waren das durchaus starke Bilder: Auf dem Bahnsteig lag Schnee und der war voller Blut.
Was ist mit den Verletzten geschehen?
Voigt: Die Kripo hat uns gesagt, dass alle überlebt haben. Auch die schwangere Frau, um die sich der Streit der beiden Männer wohl gedreht hat. Der Messerstecher sitzt jetzt natürlich in Untersuchungshaft.
Herr Otte, Sie haben eine Beziehungstat auf dem Zug erlebt. Eine Frau, zwei Männer, ein Messer. Und die Kollegin mittendrin. Würden Sie persönlich auch zur Gewalt neigen, wenn es um Ihre Frau und einen anderen Mann geht?
Otte: Ich wäre viel schlimmer. Ich würde meiner Frau sofort das Handy sperren.
Auf einer Fahrt nach Neuss erlebt die Bahnreisende Yasmin Theile einen multikulturell versierten Einsatz des National Express-Zugbegleiters Sadik Tubay. Bei der Fahrkartenkontrolle fragt er eine junge Frau nach ihrem Ticket. Sie kann es nicht vorzeigen, aber wiederholt immer wieder das Wort "husband". Sadik Tubay versucht es auf Deutsch und auf Englisch, aber beides beherrscht die Reisende nicht. Statt die Frau aus dem Zug zu weisen, erkundigt sich der Zugbegleiter bei den Fahrgästen, ob einer etwas von diesem „Ehemann“ mitbekommen habe. Ein Mann berichtet, dass die Frau in Münster eingestiegen sei. Vor ihrem Mann hätten sich die Türen geschlossen. Inzwischen hat Tubay herausgefunden, dass die Frau Afghanin ist. Er geht durch den Zug auf der Suche nach einem Dolmetscher. Als der dann gefunden ist, kann Sadik Tubay einen Treffpunkt für die Eheleute vereinbaren. Yasmin Theile ist beeindruckt. „Ich fand seinen Einsatz wirklich klasse. Er hat sich die Zeit genommen, die Lage wirklich zu verstehen.“
Yasmin Theile (Köln)
„Das Thema Flüchtlinge beschäftigt die Bahnkunden. Häufig spielen dabei Sprachbarrieren eine Rolle. Der Zugbegleiter Sadik Tubay geht damit geistreich und kreativ um. Statt die Frau ohne Sprache und ohne Fahrkarte als Schwarzfahrerin hinzustellen, besorgt er sich einen Dolmetscher. Als ihm klar wird, dass die Reisende unterwegs ihren Mann verloren hat, bestimmt er einen Treffpunkt für beide. Silber für einen Eisenbahner, den keine Sprachgrenze aufhält.“
Herr Tubay, haben Ihre Freunde Sie schon mal einen Frauenversteher genannt?
Das kriege ich wirklich zu hören. Ich glaube nämlich, dass Frauen mehr Hilfe brauchen als Männer.
Haben Sie deshalb so einfühlsam reagiert, als Ihnen die Reisende ohne Fahrkarte begegnet ist?
Ich wusste einfach, dass diese Frau nicht lügt. Sie war in Panik. Sie wusste nicht, was jetzt mit ihr geschieht. Da habe ich ihr erstmal klargemacht: „Keine Angst. Ich bin da, um Ihnen zu helfen.“ Das hat sie sogar verstanden, ohne dass ich es ihr sagen konnte.
Wie viele Sprachen sprechen Sie?
Ich bin in Deutschland geboren, aber kurdisch ist meine Muttersprache. Da meine Familie aus der Türkei stammt, spreche ich außerdem türkisch. Und englisch. Und ein paar Brocken arabisch.
Ganz ordentlich. Brauchen Sie das alles auf dem Zug?
Natürlich. Gerade auf dem Zug. Wenn zum Beispiel syrische Flüchtlinge bei uns mitfahren, dann spreche ich die auf kurdisch an. Gerade wenn Kinder dabei sind, dann kriegen die leuchtende Augen. Mitten in Deutschland, und auf einmal spricht der Zugbegleiter ihre Heimatsprache.
Müssen Sie häufiger helfen?
Durchaus. Zum Beispiel erzählen sie, dass einer von ihnen immer „aufgeschrieben“ wird.
Als Schwarzfahrer?
Genau. Und sie wollen wissen, was mit dem „Kollegen“ passiert. Oder die Kinder: Die fragen mich, was sie tun müssen, um einmal so zu sein wie ich. Weil ich ihnen Kinderfahrkarten gebe und sie abknipsen lasse, wollen die alle später Zugbegleiter werden. Ich habe das Gefühl, dass diese Leute oft keinen haben, der ihnen einfach mal die Dinge erklärt.
Leute von der Security sind eigentlich nicht dafür bekannt, dass sie gerne und gut erklären.
Deshalb habe ich ja auch die Branche gewechselt. Als Zugbegleiter müssen Sie vor allem gut sein im Reden und im Verstehen.
Wie fühlt es sich an, dass Sie genau deshalb „Eisenbahner mit Herz“ geworden sind?
Wie bitte? Meine Chefs haben nur gesagt, dass ich nominiert bin.
Herr Tubay, Sie gehören zu den Siegern.
Wirklich? Das ist ja nicht zu fassen. Mann, das macht mich richtig stolz.
Zwei Lehrer und 33 Schüler aus den USA sind auf Deutschlandreise mit der Bahn unterwegs. Im ICE vom Frankfurter Flughafen nach Nürnberg gehen beim Umsteigen zwei Schüler verloren. Zugchef Christian Mainka erkennt die missliche Lage der beiden Jungen, die allein im Zug sitzen geblieben sind. Er lässt sich die Notfalltelefonnummern geben und benachrichtigt die Lehrer. Mit Schrecken stellt die Gruppe fest, dass die beiden Schüler tatsächlich fehlen. Doch für den Lehrer Benjamin Marx nimmt die Reise jetzt eine überraschende Wendung. „Ohne Wenn und Aber teilte Christian Mainka mit, dass er sich darum kümmern wolle, dass meine zwei Schützlinge sicher in Regensburg ankommen würden.“ Gesagt getan: Nach seinem Dienstende in München verfrachtet Christian Mainka die zwei Schüler in den nächsten Zug nach Regensburg und begleitet sie höchstpersönlich bis ins Hotel. „Christian Mainka hat uns gerettet, und ich finde es absolut außergewöhnlich, dass sich ein Zugbegleiter so für seine Fahrgäste engagiert.“
Benjamin Marx, Texas, USA
„Der ICE-Zugbegleiter Christian Mainka hätte viel weniger tun können, und es wäre immer noch lobenswert gewesen: Schon dass er so aufmerksam war, die beiden Abgänger sofort zu bemerken. Dann: Dass er die Gruppe aus den USA informierte und einen Vorschlag hatte, wie das Problem zu lösen wäre. Die Kür aber: Er lieferte die beiden Schüler höchstpersönlich am Bestimmungsort ab. Bronze für diesen Eisenbahner, der keine halben Sachen macht.“
Herr Mainka, Sie haben zwei Schüler in Not gerettet, dabei sehen Sie selbst noch aus wie ein Schüler.
Meine Kollegen denken öfter, ich bin der Auszubildende, wenn ich den ICE besteige. Wenn ich dann die Zugchef-Armbinde anlege, machen sie große Augen.
Finden Sie auch, dass Sie noch sehr jung sind?
Ich sehe jünger aus, als ich bin. Die Ausbildung als Zugchef habe ich vor allem absolviert, damit ich den Fahrgästen noch besser helfen kann.
Sie kriegen häufiger Post von dankbaren Reisenden. Wie oft passiert es, dass Sie eingreifen müssen?
Das kommt gar nicht so selten vor. Auf Reisen können viele Dinge schief gehen. Und genau dafür sind wir da: Dass unsere Fahrgäste sicher und bequem ans Ziel kommen.
Aber die beiden Jungs hatten selber noch gar nicht bemerkt, dass sie in der Klemme steckten. Wie haben Sie das so schnell gesehen?
Ich habe meine Fahrgäste genau im Blick. Wenn vorher eine Gruppe im Zug saß und plötzlich nur noch zwei 16-Jährige übrig bleiben, die kein deutsch sprechen und ziemlich ängstlich wirken, dann fällt mir das natürlich auf.
Die Jungs kamen aus Texas. Haben Sie sich mit ihnen unterhalten?
Natürlich. Und es hat mir Spaß gemacht, dass mein Englisch mal richtig gefordert war. Ich haben ihnen erklärt, wie das Leben in Bayern so läuft.
Bayern und Texas, das ist ja von der Lebensart gar nicht so weit auseinander. Jedenfalls sind Sie jetzt Eisenbahner mit Herz.
Das war eine große Überraschung. Schon die Nominierung hat mich riesig gefreut. Aber dass die Jury mich auch noch auszeichnet, damit hätte ich nie gerechnet. Eigentlich war die Aktion doch selbstverständlich.
Nicht so ganz. Es sei denn, Sie machen Ihren Job mit Herzblut.
Zugbegleiter ist mein Traumberuf. Schon als Kind war ich glücklich, wenn mein Vater mit mir zum Bahnhof ging. Er ist selber Eisenbahner und arbeitet bei DB Netz. Der ICE, das ist meine Welt.
Was kommt als nächstes? Bahnchef?
Dazu fehlt mir leider das Studium. Aber alles, was mit Mobilität zu tun hat, interessiert mich brennend.
Also würden Sie auch auf dem Hyperloop arbeiten und Reisende in Kapseln mit Schallgeschwindigkeit durch die Lande sausen lassen?Zum Beispiel von München nach Texas?
Da bin ich ganz offen. Ich freue mich darauf, was die Zukunft bringt. Zum Glück bin ich noch jung genug.
DB Cargo-Lokführer Kai Steinkamp ist mitten in der Nacht in der Region Pforzheim unterwegs, ganz allein mit sich, seiner Lok und unzähligen Waggons im Rücken. Doch auf einmal macht es „Bumm“. Er hält an und stellt fest, dass ein kleiner Uhu sich unter der Lok verfangen hat. Steinkamp befreit den Vogel und bettet ihn in einen Karton neben sich. Während Steinkamp noch um Hilfe telefoniert, ist die Eule auf dem warmen Führerstand eingeschlafen. Am Morgen kommt der Uhu in eine Auffangstation bei Karlsruhe. Zwei Lokführerkollegen, die von der Geschichte auf Facebook erfahren, sind begeistert. „Es kommt oft vor, dass Loks Wildtiere erfassen“, schreibt Stefan Kömp, „aber dieser Lokführer hat wirklich Herz gezeigt und sich den Respekt aller Kollegen verdient.“ Sven Hausmann schreibt: „Danke, Kollege, dass du nicht aufgegeben hast.“
Stefan Kömp (Tostedt) und Sven Hausmann (Luckenwalde)
„Obwohl eine Eule strenggenommen wohl nicht als Fahrgast anzusehen ist, hat Lokführer Kai Steinkamp das Tier im besten Sinne wie einen Fahrgast behandelt. Während viele Kollegen wohl einfach weitergefahren wären, hat der DB Cargo-Mitarbeiter den Unglücksort inspiziert, die Eule geborgen und sie dann in erfahrende Hände gegeben. Dass der Uhu überlebt hat, beweist, dass dieser Lokführer viel Herz besitzt und viel Verstand dazu. Der gekonnte Einsatz für einen vom Aussterben bedrohten Vogel verdient den Sonderpreis Naturschutz.“
Herr Steinkamp, haben Sie ein Händchen für Raubtiere?
Überhaupt nicht. Meine kleine Eule und ich, wir hatten beide große Angst voreinander.
Wie verlief denn die Rettung?
Es war drei Uhr nachts, ich war mit 100 Stundenkilometern unterwegs, als ich diesen Rums hörte. Ich dachte, ich habe vielleicht ein Reh erwischt. Als ich unter die Lok schaute, sah ich den kleinen Uhu. „Oh Gott, der lebt noch. Was mache ich jetzt?“ Ich habe null Erfahrung mit Wildtieren.
Sie haben erst mal telefoniert.
Lokdienst, Feuerwehr, Bundespolizei, keiner konnte mir was sagen. Beim NABU bekam ich wenigstens einen Rat, wie ich den Vogel aus dem Räderwerk holen kann.
Wahrscheinlich war der Schnabel gefährlich.
Der Schnabel ging noch. Aber er hatte wirklich lange Greifklauen. Ich zog mir dicke Handschuhe an und versuchte mit einem Stock, den Uhu da rauszuholen. Aber der Kleine wehrte sich. Er wusste ja nicht, dass ich ihm helfen will. Er hat gefaucht. Es klang wie ein wütendes Miauen.
Und dann?
Ich habe ihn in einen Karton getan, meine Jacke drübergelegt. Im Führerstand habe ich die Fußbodenheizung angemacht. Da hat er sich langsam beruhigt. Als ich dann so kleine Schlafgeräusche hörte ...
Wie klang das?
Wie ein ganz leises Zischen. Da wusste ich, dass er sich wohl fühlt. Morgens habe ich dann die Tierrettung erreicht. Sie kamen mit einem winzigen Käfig. Und waren auch noch zu spät.
Und Ihre Lok stand am Bahnhof und hielt den ganzen Betrieb auf?
Zum Glück konnte ich ohne allzu große Verspätung weiterfahren.
Sind die Kollegen denn jetzt stolz auf Sie?
Die meisten finden es gut. Aber einige machen auch Witze. Wenn ich mal eine Schicht verhandeln will, sagen sie: „Der Steinkamp kümmert sich lieber um Eulen.“
Haben Sie Ihren Uhu noch mal wiedergesehen?
Ich habe später in Karlsruhe in der Wildtierstation angerufen, und sie haben mir erzählt, dass mein Uhu seinen gebrochenen Flügel auskuriert hat. Inzwischen wurde er ausgewildert und lebt nun wieder seine Freiheit.
Sind Sie denn auch sonst ein Umweltschützer?
Ich betrachte die Welt und alles Lebendige mit Respekt. Meinen Kaffee nehme ich in der Thermoskanne mit. Wir müssen doch nicht mit Wegwerf-Pappbechern rumlaufen. Das sage ich auch den Kollegen.
Sie sind also eine Art Vorbild?
Wohl oder übel. Aber es gibt schlimmeres, was man sein kann.
Sie bringen den ganzen Zug zum Lachen oder zum Singen, kleine Abenteurer sicher nach Hause und den Geschäftsmann pünktlich ans Ziel: Auch auf Landesebene hat die Jury herausragende Leistungen gewürdigt. Immer mehr Bundesländer stellen einen Landessieger. Wir sagen: Weiter so!
Einsender: Marcus Grün
Ein vierjähriger Junge wird fieberhaft gesucht, sogar ein Polizeihubschrauber ist schon im Einsatz. Triebfahrzeugführerin Saskia Schönlebe weiß von alldem nichts, als sie den verängstigten Emilio in ihrem Zug entdeckt. Sie sorgt dafür, dass der kleine Ausreißer sicher nach Hause kommt. Vorher zeigt sie ihm aber noch den Lokführerstand. „Absolut vorbildlich“, findet die Jury.
Einsenderin: Gabriele Schneider
Lokführer Thomas Hindelang, der regelmäßig von Teggernsee nach München fährt, hat immer einen launigen Spruch auf den Lippen. Mal weist er wie ein Fremdenführer auf das wunderschöne Isartal hin, mal wartet er mit praktischen Umsteigetipps auf. Die Jury sagt: „Klasse – und weiter so!“
Einsender: Joachim Preuß
Bei sommerlich-hitzigen Temperaturen steht der Einsender, trotz Klimaanlage im Zug, kurz vor einem Kreislaufzusammenbruch. Obwohl sie gleichzeitig noch einen Notarzteinsatz koordinieren muss kümmert sich Zugbegleiterin Simone Kroll sorgsam um den Fahrgast und verwandelt so seine Angst in Sicherheit. Die Jury lobt ihr umsichtiges Verhalten.
Einsender: Andre Barthels
Der Brandenburger Zugbegleiter „Schmitti“ ist für seine lustigen Ansagen bekannt und beliebt. Seit Jahren zählt er zu den meistnominierten Lieblingseisenbahnern. Für die Jury ein typischer Fall der goldenen Regel: Einmal Eisenbahner mit Herz – immer Eisenbahner mit Herz.
Einsender: Volker Weidemann
An seinem 12. Geburtstag lädt Lokführerin Cornelia Gerke das Geburtstagskind und seine Freunde spontan in die Fahrkanzel ein. Kurzerhand dürfen die Gäste selbst eine Durchsage machen und als Cornelia Gerke dann noch ein Geburtstagslied anstimmt lassen sich die anderen Fahrgäste nicht lange bitten. „Über Nachwuchs brauchen wir uns so nicht zu sorgen“, freut sich die Jury.
Einsenderin: Birgit Stolzke
Nach dem Opernball strandet die Einsenderin mitten in der Nacht in ihrem dünnen Kleid auf dem Bahnsteig in Stade. Es fährt keine Bahn mehr und für das Taxi reicht die schmale Witwenrente nicht. Rettung bringt Lokführer Sven Krolikowski. Er fährt die Dame mit seinem Auto bis nach Hause. Die Jury ist von so viel Einsatz, auch noch nach Feierabend, begeistert.
Einsender: N. Wiesenäcker, D. Boucsein, R. Feick
Erst vor einem Jahr beendete Lokführer Kevin Grün seine Ausbildung und schon ist er für viele Frankfurter Bahnfahrer nicht mehr wegzudenken. Gleich mehrere Einsender preisen seine humorvollen Durchsagen und seinen charmanten Umgang. „Chapeau!“, sagt auch die Jury
Einsender: Andreas Mohr
Manchmal braucht auch ein Mann von Welt, der sonst „alles im Griff“ hat, Hilfe. Unser Einsender hatte Glück und traf auf die DB-Info Mitarbeiterin Christine Herrwaldt, die ihm mit viel Geduld und einem kurzen Draht zu Flinkster die Weiterfahrt am nächsten Morgen sicherte. Der Jury imponiert diese professionelle Hilfe.
Einsender: Dirk Fourie und elf weitere
Wahre Begeisterungsstürme löst Zugbegleiter Alexander Rezek aus. Mit viel Witz und Humor sorgt er für das Wohlergehen seiner Fahrgäste. Sie beschreiben ihn als „würdevollen und eleganten sowie freundlichen und humorvollen Repräsentant der Zugbegleiterzunft“. Für die Jury eine bravouröse Leistung.
Auf einer festlichen Gala in Berlin wurden die Preisträgerinnen und Preisträger für ihr tolles Engagement ausgezeichnet. Dabei erhielten sie viel Lob von den versammelten Bahnchefs und den Vertretern der Jury. Unser Fotograf hat den Abend in Bildern festgehalten:
Eine Zugbegleiterin, ein Lokführer und ein Reisecenter-Mitarbeiter gewinnen den Titel „Eisenbahner mit Herz 2016“. Erstmals würdigt die Jury auch die herausragenden Leistungen auch auf Landesebene: Acht Bundesländer stellen in diesem Jahr einen Landessieger.
https://www.youtube.com/watch?v=CS0qQF6h7Ks&ab_channel=AllianzproSchienee.V.
Rund 100 Gäste feierten im Restaurant "Two Buddhas" im Berliner Nordbahnhof die Preisträger der sechsten Auflage des Wettbewerbs "Eisenbahner mit Herz". Neben den drei Hauptsiegern wurden erstmals auch Landessieger gekürt und von ihren Bahnchefs geehrt. Der Gold-Gewinner von 2012, Peter Gitzen, gab ein Ständchen zum Besten.
Lena-Sophia Nobbe (46) hat in ihrem Berufsleben schon viele Stationen gemeistert. Die gelernte Friseurin aus Castrop-Rauxel mit türkischen Wurzeln arbeitete an der Kasse eines Baumarkts und bei McDonald’s, bevor sie sich bei Abellio bewarb. Es war Liebe auf den ersten Blick, und das Jobangebot aus Hagen kam prompt. Dass sie mit dem neuen Arbeitsplatz auch gleich die Eisenbahn für sich entdeckte, freut die erklärte Autofahrerin besonders. Ihr Mann ist ihr darin gefolgt: Seit zwei Jahren ist er Lokführer im Güterverkehr. Lena-Sophia Nobbe fühlt sich trotzdem als Pionierin: „Ich bin die erste Eisenbahnerin in der Familie.“ Und die Beste.
Es ist sicher nicht die Aufgabe von Zugbegleitern, die eigenen Fahrgäste zu erziehen. Umso intelligenter die Reaktion von Lena-Sophia Nobbe. Ohne den Kunden vor den Kopf zu stoßen, hat sie ihm ein moralisches Stoppschild gesetzt. Dass der Einsender selbst nicht wusste, wie er damit umgehen sollte, zeigt die alltägliche Dimension der deutschen „Flüchtlingskrise“. Die Reaktion der Abellio-Mitarbeiterin steht dafür, dass jeder Mensch in unseren Zügen einen guten Platz findet. Die Jury meint: Gold für ein nachahmenswürdiges Verhalten.
„Eine sehr schöne Geschichte gegen Rassismus. Wir waren gerade in Siegen Richtung Essen losgefahren, als ein älterer Herr lautstark nach der Schaffnerin rief, und sich in Folge über eine Flüchtlingsfamilie ausließ, die in einer Sitzgruppe saß. Er fühle sich diskriminiert, wenn dieses „Pack“ hier sitzen dürfe und er müsse neben ihnen sitzen. Ich fand das total schlimm, hatte aber den Eindruck, mit dieser Meinung alleine zu sein. Die anderen Reisenden im gut gefüllten Zug schauten alle aus dem Fenster. Die Schaffnerin bewies Zivilcourage, als sie den Flüchtlingen, die ob des älteren Herrn schockiert und verängstigt reagierten, erklärte, dass solcherart Benehmen in Deutschland nicht normal sei, und dass es tatsächlich nicht zumutbar sei, neben solchen Leuten sitzen zu müssen. Dann platzierte sie die Familie in der ersten Klasse.“
Wolfram Alster (Frankfurt am Main)
In der Dienststelle von DB Regio Freudenstadt ist Fatih Yilmazli (25) der Jüngste. Seit vier Jahren fährt der gebürtige Dornstettener im zentralen Schwarzwald abwechselnd die Triebwagen der Albtal Verkehrsgesellschaft und der Deutschen Bahn. Seine Ausbilder seien „wie Eltern“ für ihn gewesen, sagt der junge Mann, der eigentlich Pilot werden wollte. Die Kollegen vor Ort verraten noch mehr: Ihr „Küken“ sei ein Muster an Gewissenhaftigkeit. Und das Zeug zum Frauenschwarm habe er außerdem. Während Fatih Yilmazli auf die „Richtige“ noch wartet, springt er für seine weiblichen Fahrgäste in die Bresche. Wenn das kein Glücksfall für die Bahn ist.
„Fatih Yilmazli hat gehandelt wie ein Ritter alter Schule. Er hat sich zuerst bei den Reisenden erkundigt, ob sie Hilfe bräuchten. Dann hat er überlegt und effizient gehandelt. Ohne dass die Frauen erst den Notrufknopf drücken mussten, hatte der Lokführer jederzeit die Übersicht in seinem Zug. Seit den Silvester-Übergriffen auf der Kölner Domplatte wissen wir, dass solch ein Einsatz für Frauen in Not leider nicht selbstverständlich ist.“
„Es war an einem Sonntag gegen 6 Uhr als ich meine Reise in Richtung Karlsruhe antrat. Ich fuhr ein paar Stationen, als plötzlich ein stark alkoholisierter Mann in die Bahn stieg. Er lief immer wieder auf und ab und belästigte Frauen. Immer wieder kniete er sich neben diese und fasste sie an, redete auf sie ein und stolperte weiter. Irgendwann kam er auch zu mir und fiel durch das Ruckeln des Zuges fast auf mich drauf. Nach nur ein paar Haltestellen kam ein netter Zugführer und nahm mich und alle Frauen mit in den ersten Wagon, damit er auf uns aufpassen konnte. Er setzte sich mit Leidenschaft für uns Frauen ein und rief am Ende die Polizei, um den Störenfried aus dem Zug zu entfernen. Ich war so erleichtert und heilfroh, dass er mir geholfen hat. Ich will mir gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn er nicht da gewesen wäre.“
Lisa Baunack (Freudenstadt)
Gerade hat Kevin Hauseder (21) eine gute Nachricht bekommen: Seine Ausbildung bei DB Vertrieb geht bald zu Ende, nun bietet die Bahn ihm einen festen Arbeitsplatz. Kein Wunder: der Junge ist soeben zum jüngsten „Eisenbahner mit Herz“ aller Zeiten gekürt worden. Dass die Einsenderin Kevin Hauseder in ihrem Brief als „Chef des Reisencenters München“ vorgestellt
hat, amüsiert den gebürtigen Schweizer köstlich. „Vom Chef bin ich noch ein bisschen entfernt.“ Aber vorstellen kann er sich einiges: „Ich strebe einen Führungsposten in der Personalbetreuung
an.“ Ziele muss man haben.
Der Auszubildende Kevin Hauseder hat ein getrenntes Liebespaar auf der Rückreise
von Italien mit vielen gekonnten Telefonaten wieder zusammengebracht, anstatt die Fahrgäste mit der Formel „Eigenverschulden“ abzuspeisen. Bronze für einen Service, der sogar einem langgedienten Vertriebsmitarbeiter zur Ehre gereichen würde. Wir prämieren damit den jüngsten „Eisenbahner mit Herz“ in der Geschichte unseres Wettbewerbs.
Martina Hiss-Nowacki ist mit ihrem Freund auf der Rückreise vom Gardasee. Weil ihr Liebster ein leidenschaftlicher Raucher ist, bereitet er das Gepäck schon in München Ostbahnhof vor, um
im Hauptbahnhof schnell aussteigen zu können. Das zumindest denkt die Einsenderin. Als der Eurocity in Ostbahnhof abfährt, sieht sie mit Entsetzen, wie ihr Mann bereits auf dem Bahnsteig steht. Am Münchner Hauptbahnhof wartet der Anschluss-ICE. Die Einsenderin wartet vor dem Zug, da ihr Mann telefonisch nicht zu erreichen ist. Gerade als die Türen des ICEs sich geschlossen haben, erreicht sie sein Anruf: „Ich habe es geschafft: Bin drin.“ Und sie? Steht draußen mit allen Fahrkarten und Bahncards, während diesmal er mit dem Zug an ihr vorbeifährt. An der Reisenden-Information sucht die Kundin Trost. DB-Mitarbeiter Kevin Hauseder hört sich amüsiert die Geschichte an, greift zum Telefon, informiert die Besatzung des
fahrenden ICE, hebt die Zugbindung der Tickets auf und organisiert, dass die Liebenden sich in Ingolstadt – diesmal gemeinsam – auf die Weiterreise nach Hamburg machen können. „In Ingolstadt ist dann auch wirklich die glückliche Zusammenführung geglückt, und wir haben Hamburg zwar mit einiger Verzögerung erreicht, die Lacher waren aber eindeutig auf unserer Seite. Ein Beweis, dass es wirklich tolle Mitarbeiter bei der Bahn gibt, die schnell und freundlich, ohne großes Tamtam helfen.“
Martina Hiss-Nowacki (Buxtehude)
Maria Verna - DB Zug Bus RAB
Eine Reisende aus Somalia hat den falschen Zug erwischt und hätte eine gefahrvolle Nacht vor sich. Zugbegleiterin Maria Verna leiht ihr eine warme Jacke und beschützt die Frau vor
zweifelhaften Hilfsangeboten. Die Jury ist begeistert von diesem herzlichen Eingreifen.
Einsender: David Gaeckle
Markus Schmidt - Bayerische Oberlandbahn
Sturm Niklas wirbelt den Fahrplan durcheinander und schickt eine Gruppe von Asylbewerbern auf eine schier endlose Irrfahrt. BOB-Lokführer Markus Schmidt organisiert einen Ersatzverkehr,
damit die Menschen noch nachts in ihrer Unterkunft ankommen. Die Jury meint: Solch einen Helfer möchte man selber in der Not gern treffen.
Eindender: Erich Wagner
Enrico Gottwald - DB Fernverkehr
Wenn Enrico Gottwald im ICE in der ersten Klasse Dienst tut, bekommen viele Fahrgäste, die ihn schon kennen, einen ganz bestimmten Glanz in den Augen. Sogar eine Trainerin für Serviceerlebnisse ist sprachlos: „Der Mann ist ein Zauberer.“ Die Jury kann das aus eigener Erfahrung bestätigen.
Einsenderin: Ira Holl
Anne Feilke - DB Fernverkehr
Teurer Abschied von der Ehefrau: Auf einmal ist die Tür zu und der ICE fährt los. Und der Hund sitzt bei brütender Hitze allein im Auto. Zugchefin Anne Feilke hat Mitleid und organisiert einen
Sonderhalt. Den erschöpften Hund kann der Einsender kurz später in die Arme schließen. Der Jury gefällt diese professionelle Hilfestellung.
Einsender: Ernst Bretz
Siegbert Giese - HLB Hessische Landesbahn
Wenn es auf den Strecken der HLB mal nicht so rund läuft, kennen die Pendler ein geheimes Gegenmittel: Die Handynummer des Zugbegleiters Siegbert Giese. Und wenn der Fahrplan nicht
hinhaut, kommt es auch vor, dass der Eisenbahner seine Reisenden von selber anruft. „Absolut außergewöhnlich“, lobt die Jury.
Einsender: Alexander Schmidt, Joachim Röser
Gero Müller - DB Station & Service Leer
Eine Rollstuhlfahrerin strandet in Begleitung ihrer 80-jährigen Mutter am Bahnhof Leer, weil die Rollstuhlrampe des Zuges versagt. Doch statt Tränen bringt der Abend ein Happy End in Gestalt des Bahnhofsmitarbeiters Gero Müller. Für die Jury eine „reife Leistung“.
Einsender: Axel Röbig
Werner van de Loo - NordWestBahn
Die Tasche ist weg, aber NordWestBahn-Lokführer Werner van de Loo hat eine Idee: Die Kundin soll ihr eigenes Telefon anrufen. Den Dieb kann er mit Hilfe des Klingelns inflagranti überführen und ihm die Tasche wieder entreißen. „Klug und mutig“, meint die Jury.
Einsenderin: Petra Schwaab-Sebastian
Lars Jaeger - HarzElbeExpress HEX
Normalerweise sitzt er als Servicekraft im Bahnhof, aber als die Zugverkleidung das Handy der Kundin geschluckt hat, passt Lars Jaeger den Zug ab und holt das gute Stück höchstpersönlich wieder hervor. Die Jury ist angetan: „Das nennen wir ‚Ärmel hochkrempeln‘“.
Einsenderin: Mandy Wittenbecher
Zwei Zugbegleiter und zwei Lokführer gewinnen den Titel „Eisenbahner mit Herz 2015“. Die Jury hatte auch in diesem Jahr die Qual der Wahl: Sie kürte die Sieger aus einer Galerie von rund 30 Titel-Kandidaten, die aus fast allen Teilen Deutschlands stammen.
Ernst Dast (62) hat in seinem Leben schon einige Stürme überstanden. Mitten im Daimler-Stammland arbeitete der gelernte Automechaniker in einem Autosalon in Filderstadt und fühlte sich unwohl. Als er hörte, dass Bürgerinitiaven auf der Strecke Böblingen – Dettenhausen die stillgelegte Schönbuchbahn wiederbeleben wollten, sattelte der gebürtige Schwabe um und wurde Lokführer. Seine Entscheidung hat er nie bereut. Heute sind die Chefs der Schönbuchbahn auf ihren Ernst besonders stolz. Schließlich schrieb Stammkunde Josef Nickel bis zum denkwürdigen Sturmeinsatz regelmäßig gefürchtete Briefe mit zahllosen Verbesserungsvorschlägen. So ein Lob zählt natürlich doppelt und dreifach.
Störungen im Betriebsablauf“, diese Durchsage kennen Bahnfahrer so gut, dass sie den Text schon im Schlaf mitsingen können. Und während so ein Reisender dann ohnmächtig im Zug sitzt und wartet, dass es endlich weitergeht, wird nicht selten ein Wunschtraum wach: Was, wenn das Zugpersonal die Sache selbst in die Hand nähme und den Zug wieder flott machte? Der Lokführer Ernst Dast hat diesen Traum wahr werden lassen. Und er hat dabei auch noch umsichtig alle Sicherheitsvorschriften eingehalten, die im komplizierten System Eisenbahn natürlich immer zu beachten sind. Er hat der Betriebsleitung Bescheid gesagt, die Fahrgäste zur Ruhe ermahnt, hat seinen Blaumann angezogen und die verkanteten Äste vom Gleis geräumt. Mit solchen Lokführern will man im Sturm unterwegs sein. Kein Wunder, dass der Einsender begeistert war. Wir sind es auch.“
„Überragender persönlicher Einsatz des Zugführers auf der Fahrt mit der Schönbuchbahn (WEG) von Böblingen nach Dettenhausen am stürmischen Abend 21.10.14. Zwischen den Haltestellen Böblingen Süd und Heusteigstraße stieß der Regioshuttle mit herabstürzenden Ästen zusammen. Es gab eine Notbremsung, bei der zwar niemand verletzt wurde, allerdings das Fahrzeug beschädigt wurde und zunächst nicht weiterfahren konnte. Sofort machte sich der Fahrer an die Aufräumarbeiten. Nach etwa 45 Minuten konnte die Bahn ihre Fahrt fortsetzen und alle Fahrgäste kamen wohlbehalten zu Hause an. Für diesen tollen Einsatz verdient der Fahrer höchstes Lob.“
Josef Nickel (Weil im Schönbuch)
Bevor Kornelia Scherer (55) vor 15 Jahren den Quereinstieg bei der Deutschen Bahn wagte, war sie Hausfrau, Mutter und jobbte gelegentlich als Gastronomin. Doch die Personaler der Bahn-Tochter Mitropa erkannten seinerzeit das Talent der Frau aus dem niedersächsischen Stade. „Eine gute Bistro-Stewardess ist eine Entertainerin: Wenn es stressig wird, rockt Kornelia das Zugrestaurant“, sagt ihr Gruppenleiter. Kornelia Scherer formuliert es nüchterner: „Nach fast 15 Jahren in der Zuggastronomie gibt’s bei mir keinen Stress mehr. Ich habe zwei Hände, und die wissen, was sie zu tun haben.
Eine erstklassige Gastronomie während der Zugreise gehört in Zeiten, in denen Mobilität oft nur nach dem kleinsten Preis bewertet wird, zur gehobenen Reisekultur. Hier hat die Eisenbahn vor ihren Konkurrenten, Auto und Fernbus, ganz klare Systemvorteile. Erst recht, wenn Gastronomen wie Kornelia Scherer an Bord sind, und ein waches Auge auf die Fahrgäste haben. Ohne dass die Reisenden die Bistro-Stewardess erst um Hilfe bitten mussten, erkannte sie die Notlage. Silber für Kornelia Scherer, die beim Service am Platz erstklassig unterwegs ist. Für so ein Muster an Fürsorglichkeit gibt es zu Recht Lob aus dem Ausland.
Die Nominierung von Kornelia Scherer erreichte die Jury indirekt: Das Ehepaar Gill aus Großbritannien war von seiner Reise mit der Deutschen Bahn so begeistert, dass es seine Lobeshymne direkt an Frau Scherers Vorgesetzen schickte:
Axel Schäfer (48) ist ein typischer Lokführer: Der Mann steht nicht gern im Rampenlicht. Und wenn man ihn im Scherz fragt, ob es vielleicht der Blick seiner strahlend blauen Augen war, der die Kundin in Ohnmacht fallen ließ, schaut er regelrecht unglücklich drein. Trotzdem freut ihn der Titelgewinn. Schließlich fährt er seit 25 Jahren für die Deutsche Bahn und kennt das Frankfurter S-Bahn-Netz wie seine Westentasche. Wie er es denn geschafft hat, die gerettete Brille so liebevoll zu verpacken, dass seine Einsenderin noch heute gerührt ist? „Da hat meine Frau geholfen.“ Immer ehrlich. Und bloß nicht zu viel Scheinwerferlicht.
Gerade im S-Bahn-Bereich von Großstädten werden Kunden oft zur anonymen Masse. Bahnmitarbeiter, die täglich Tausende von Pendlern abfertigen müssen, verlieren schnell den Blick für den Einzelfall. Nicht so Axel Schäfer. Sein Einsatz zeigt eine ganz persönliche Note, die bei der Kundin auch so angekommen ist. Spätestens als sie das liebevoll verpackte Paket auswickelte, das die Überreste ihrer Brille enthielt. Solch herzliche Anteilnahme macht aus Kunden dankbare Fahrgäste. Bronze für den S-Bahner, der sich seine Menschlichkeit in der Alltagshektik bewahrt hat.
Am 20.5.2014 kam ich mit dem ICE von Köln in Frankfurt Süd an. Ich musste weiter mit der S 5 nach Friedrichsdorf-Seulberg. Aus mir unerklärlichen Gründen bin ich mit dem Kopf gegen die S-Bahn gefallen, wobei erst das linke Glas aus meiner Brille auf das Gleis flog und danach der Rest der Brille. Da ich nicht alleine aufstehen konnte, rief ich um Hilfe. Der nette S-Bahn-Fahrer, Herr Axel Schäfer aus Schwalbach, und eine junge Dame halfen mir auf. Herr Schäfer fragte mich nach meiner Adresse und meiner Telefon-Nummer, da er nach seiner Rückfahrt nach Süd meine Brille aus dem Gleisbett holen wollte. Ich saß hinter ihm in der ersten Klasse, und nach zwei Stationen kam er ins Abteil, um sich zu erkundigen, ob es mir gut ginge.
Nach ein paar Tagen erhielt ich die Teile meiner Brille liebevoll verpackt per Post. Als ich mich bei ihm bedankte, meinte er, das wäre doch selbstverständlich, er wäre so erzogen und seine Töchter würden auch so erzogen. Als ich meinen Bekannten von dieser Hilfsbereitschaft erzählte, waren alle ganz begeistert.“ Elke Pauly (Friedrichsdorf)
Zugbegleiter, Stellwerker, Fahrdienstleiter: in der DDR hat Herbert Kusche (58) alle Stationen der Eisenbahnerkarriere durchlaufen. Als nach dem Mauerfall seine Strecke abgebaut wurde, packte er die Koffer und zog nach Konstanz an den Bodensee. Gefremdelt hat Kusche keinen Augenblick: Die Kollegen auf der Schwarzwaldbahn nahmen ihn mit offenen Armen auf und die Fahrgäste lieben den Zugbegleiter mit dem trockenen Humor: Kein anderer Eisenbahner wurde von den Reisenden so oft nominiert wie der Star der Schwarzwaldbahn.
Viele Bahnkunden, die unseren Aufruf lesen, schreiben uns, dass sie die ganz große Geschichte nicht beisteuern können, aber etwas kennen, das in ihren Augen genauso viel wert ist: Die gleichbleibend herausragende Leistung eines bestimmten Mitarbeiters. Zum Jubiläum unseres Wettbewerbs haben wir dafür den richtigen Preisträger gefunden: Herbert Kusche von der Schwarzwaldbahn hat mehr Kundenbriefe bekommen, als jeder andere nominierte Zugbegleiter. Kein Jahr, in dem er nicht in der Galerie der Nominierten vertreten gewesen wäre. Wenn ein Mitarbeiter über so viele Jahre seine tägliche Arbeit mit so viel Können, Herzblut und Humor verrichtet wie Herbert Kusche, dann ist das ein Eisenbahner der Sonderklasse, der für alle Kollegen ein Vorbild sein sollte.
2011 nominierte Dagmar Brand Herbert Kusche, weil er einen verzweifelten Fahrgast, der aus Versehen die Notbremse gezogen hatte, sehr sensibel tröstete.
2012 beschreibt Roswitha Uibel, wie Kusche auf der Fahrt so freundlich über die Sehenswürdigkeiten der Strecke informiert, dass der Damenclub weiter fährt als eigentlich geplant. Thilo Knöller beobachtet, wie mufflige Teenager die Füße vom Sitz nehmen, wenn Kusche erscheint. Monika Grom-Rocke gefällt, dass Kusche den gesamten Fahrplan im Kopf hat und Sandra Dogruer berichtet, noch keiner habe Kusche jemals schlecht gelaunt auf dem Zug erlebt.
2013 lobt Cornelius Berkmann den besonderen Charme, mit dem Kusche die Tickets einer Fahrradgruppe kontrolliert.Thomas Kalkkuhl erzählt, dass Herbert Kusche sogar Glatzen mit Springerstiefeln zur Räson bringt. Dieter Guthörlschildert im Wortlaut die berühmten Ansagen: „Heute ist es wieder kuschlig warm und eng auf unserer Fahrt.“
2014 freut sich auch Andreas Lange an der Ansage über die Kuschelzüge, während Katharina Schwanen resümiert: „Schön, dass es ihn gibt.“ Maria Wirtensohn betont, dass Kusche auch ein Meister der Früh- und Spätschicht ist.
2015 greift Daniel Rungenhagen zum Stift: Mit seinem Humor und seinen Scherzen bringt Herbert Kusche den ganzen Zug zum Lachen. Sein Engagement, sein Stolz auf die Schaffnermütze, sein ganzes Auftreten machen die Bahnfahrt zum Erlebnis. Der Einsender ist sicher: Dieser Mann soll den Titel Eisenbahner mit Herz gewinnen
Zwei Zugbegleiter und ein Lokführer gewinnen den Titel „Eisenbahner mit Herz 2014“. Die Jury hatte auch in diesem Jahr die Qual der Wahl: Sie kürte die Sieger aus einer Galerie von rund 30 Titel-Kandidaten, die aus fast allen Teilen Deutschlands stammen.
Dylan Bevers (24) ist der jüngste Eisenbahner mit Herz, den die Jury jemals aufs Podest geschickt hat. Erst seit zweieinhalb Jahren arbeitet der gebürtige Bremer mit niederländischen Wurzeln als Zugbegleiter für die NordWestBahn. Vielleicht weil er schon als Kind mit einer Lego-Eisenbahn gespielt hat, wollte er zunächst den Beruf des Lokführers lernen. Doch noch während der Ausbildung bei DB Schenker Rail hat er diese Wahl als Irrweg erkannt: „Zuwenig Menschenkontakt“, sagt der junge Mann, der seinen Titel mit Freude und genausoviel Selbstbewusstsein trägt. „Eisenbahner mit Herz: Da arbeiten viele drauf hin. Also? Ziehe ich vor mir den Hut.“
Die Fahrkartenkontrolle gehört beim Bahnfahren zu den größten Stressfaktoren für die Fahrgäste: Zugbegleiter, die ungerührt warten, während der Reisende verzweifelt in der Tasche kramt, das kennt jeder Monatskarteninhaber aus eigenem Erleben. Und faktisch ist der „Kontrolleur“ alter Schule sogar im Recht: ein Fahrgast, der seine Siebensachen samt Ticket nicht zur Hand hat, ist ein Schwarzfahrer. Selbst wenn er „nur“ ein Opfer der eigenen Vergesslichkeit ist.
Umso vorbildlicher die Handlungsweise von Dylan Bevers: seine Menschenkenntnis sagt ihm, dass die Frau ihn nicht hinhält. Er lässt sie in Ruhe suchen und nimmt so den Druck aus der Situation. Und zuletzt bringt er das verlorene Portemonnaie auch noch zurück: Mehr Hilfe geht in dieser Situation nicht. Der Einsender ist begeistert, die Jury ist es auch.
Herr Bevers, wenn Sie mit 24 schon „Eisenbahner mit Herz“ sind, was soll bis zur Rente noch kommen? Wollen Sie am Ende Bahnchef werden?
Bahnchef? Nein, das steht nicht auf meiner Agenda. Und bis zur Rente habe ich mein Leben auch noch nicht durchgeplant. Aber der Beruf des Zugbegleiters ist fordernd genug. So schnell wird einem da nicht langweilig.
Was müssen Sie denn so alles bewältigen?
Auf dem Zug mache ich das volle Programm, vom Sicherheitsmann bis zum Seelsorger. Neben all den vielen angenehmen Kontakten gibt es eben auch mal richtigen Stress. Wenn Graffiti-Sprayer während der Fahrt den Zug besprühren oder Fahrgäste ausfallend reagieren, bin ich zur Stelle. Wenn einer meiner Stammgäste gerade in einer Trennung steckt, habe ich immer ein offenes Ohr.
Und was machen Sie in solchen Situationen?
Augenkontakt suchen. Augenkontakt halten. Bis er lächelt.
Sind Schwarzfahrer ein Problem?
Manchmal ja. Glücklicherweise ist es selten, aber ich habe selbst schon Übergriffe erlebt. Ein Schwarzfahrer hat mir zum Beispiel nach der Kontrolle im Bahnhof aufgelauert.
Hatten Sie Angst?
Ich bin kein ängstlicher Typ. Und ich vertraue meinem Gewissen. Meistens lässt sich die Situation wieder beruhigen, wenn man einen kühlen Kopf behält. Heute grüßt mich der Mann, wenn ich ihn in der Bahn treffe.
Die Reisende, die ihr Portemonnaie nicht finden konnte, war keine Schwarzfahrerin. Woher wussten Sie das?
Menschenkenntnis. Die Mimik eines Schwarzfahrers ist anders. Er ist auch auf andere Weise nervös, als die Kundin mit der verlorenen Monatskarte. Die war völlig aufgelöst, weil wichtige Dokumente in ihrer Börse steckten. So etwas sehe ich sofort.
Aber Sie haben noch mehr getan: Sie haben Ihr Smartphone gezückt und die Recherche gestartet. Wie schnell sind Sie mit dem Gerät?
(Zieht sein Smartphone) Sehr schnell.
Ihr Einsender hat einen Satz von Ihnen aufgeschrieben: „Wir sind nicht hier, um Probleme zu schaffen, sondern um sie zu lösen.“
Dafür bin ich angetreten, das ist tatsächlich mein Motto. Probleme haben die Leute von alleine. Dazu brauchen sie uns nicht.
Verbraucherschutzminister Heiko Maas wird die Laudatio auf Sie und Ihre beiden Mitsieger halten. Wenn Sie ihm einen Hinweis für seine Arbeit geben könnten, was würden Sie ihm sagen?
Ich würde sagen: „Herr Minister, Sie sollten in Ihrem Amt mit vollem Herzen dabei sein.“
„Ich bin immer noch begeistert: Juli 2013. Unmittelbar nach Abfahrt der Regio-S-Bahn von Bremen Hauptbahnhof begann die Ticketkontrolle. Eine Dame wollte dem Prüfer die Fahrkarte zeigen und suchte in ihrer Tasche nach dem Portemonnaie. Dieses fand sie aber nicht und war ziemlich aufgeregt. Der Prüfer sagte, sie solle in Ruhe suchen und er käme gleich zurück. Die Dame leerte den gesamten Inhalt der Tasche auf dem gegenüberliegenden Sitz. Das Portemonnaie war nicht auffindbar.
Der Prüfer kehrte zurück und die Dame erklärte ihm, dass ihre Geldbörse inklusive Monatsticket nicht mehr in der Tasche sei. Zudem, dass sie in Eile vorher noch einkaufen war. Und nun kommt es: Zitat Prüfer: „Wir sind ja hier, um Probleme zu lösen und keine zu schaffen“. Das bedeutete, dass er mit Hilfe der Namensnennung des Geschäftes mit einem Mobilgerät die Telefonnummer des Geschäftes herausfand. Er wählte die Nummer und übergab der Dame das Gerät zum Telefonat.
Ergebnis: Das Portemonnaie befand sich noch im Geschäft (sie hatte es dort vergessen). Der Prüfer ließ sich telefonisch erklären, dass sich ein Monatsticket darin befindet. Damit war die Sache erledigt. (…) , der Prüfer erkannte, dass die Kundin keine Schwarzfahrerin ist und die Dame war überglücklich.
Nach meiner Wahrnehmung hat der sehr nette Prüfer (jung, blonde Haare, sehr gepflegtes Erscheinungsbild) deutlich souverän und äußerst kundenorientiert reagiert.“
Peter P. Buschmann (Bremen)
Gerard Versteeg (54) sagt von sich, er sei der beste holländische Lokführer bei metronom. Bevor der Zuhörer angesichts solcher Unbescheidenheit eine Gänsehaut bekommt, fügt Versteeg hinzu: „Weil ich der einzige holländische Lokführer bei metronom bin.“ Humor ist ein Charakterzug des Niederländers, der seit zehn Jahren mit seinem markanten Akzent die deutschen Fahrgäste entzückt. Den „fliegenden Holländer“ nennen sie den Mann, der Verspätungen rausfährt und trotzdem die energiesparende Fahrweise pflegt. Dass der Schichtdienst manchmal hart ist, daraus macht Versteeg kein Geheimnis: „Meine Frau ist verheiratet – ich bin bei der Bahn.“
Die Eisenbahn ein Massenbetrieb? Der Fahrgast ein Sandkorn in einer anonymen Masse? Nicht wenn Gerard Versteeg im Führerhaus sitzt. Ein Lokführer, der für einen gehbehinderten Fahrgast passgenau an der strategisch wichtigen Treppe hält und damit dessen knappe Anschlüsse sichert, der ist nicht nur hilfsbereit, sondern auch ein Könner seines Faches.
Dass der Metronom-Mann neben der energiesparenden auch die fahrgastfreundliche Fahrweise beherrscht, hat der Jury gefallen.
Und ein Lokführer, der für Rollstuhlfahrer aussteigt und nicht erst auf den Fahrgastbetreuer wartet, hat die Jury überzeugt: Das System Eisenbahn wäre unschlagbar, wenn es noch mehr solcher Mitarbeiter gäbe.
Herr Versteeg, wie fühlten Sie sich, als Sie erfahren haben, dass Sie „Eisenbahner mit Herz 2014“ geworden sind?
Ich hatte schon auf Ihren Anruf gewartet. Umso schöner, als er dann endlich kam. Nein, Spaß beiseite: Ich bin wahnsinnig glücklich und stolz. Mein Bruder ist auch Lokführer, allerdings in den Niederlanden. Ihm werde ich es zuerst erzählen. Vielleicht sollten Sie Ihren Wettbewerb mal ins benachbarte Ausland ausweiten. Die Eisenbahner in ganz Europa warten drauf.
Wir arbeiten dran. Wie sehen Sie Ihren Beruf? Sind Sie der typische einsame Wolf im Führerstand?
Lokführer ist mein Lieblingsberuf. Aber einsam wird es bei mir nicht. Mein Dienst hört nicht auf, wenn ich vorne im Führerhäuschen Platz genommen habe. Der Fahrgastbetreuer und ich, wir sind ein Team auf dem Zug. Wenn er mal nicht kann, mache ich eben die Ansagen.
Oder Sie springen raus und heben den Rollstuhl rein, wie Ihr Einsender voller Begeisterung geschrieben hat.
Mir ist es wichtig, dass die Fahrgäste sich als etwas Besonderes fühlen. Dafür laufe ich gerne den Bahnsteig runter.
Aber für einen Gehbinderten passgenau an einer strategisch wichtigen Treppe halten: Ist das nicht auch eine Frage von Können?
Ich bin als Lokführer einfach ein Naturtalent. Ich halte, wo ich halten will. Aber bei diesem Fahrgast war es schwieriger. Ich erinnere mich noch, wie er mich auf dem Bahnsteig ansprach und erklärte, er säße immer in Wagen 3. Ob ich so anhalten könnte, dass er gleich an der Treppe rauskommt. Ich sagte: „Das müssen wir beide erst noch auskaspern.“ Nach der ersten Fahrt fragte ich ihn: „Wie war’s?“ Er meinte: „Noch zehn Meter vorfahren?“ Seitdem halte ich immer an der zweiten Laterne, wenn er in Wagen 3 sitzt.
Und er?
Er bringt mir manchmal einen Kaffee auf den Bahnsteig. Inzwischen duzen wir uns.
Fahrgäste nennen Sie den „Fliegenden Holländer“?
Ich habe den Ruf, Verspätungen besonders schnell rauszufahren. Allerdings bremse ich so sanft, dass die Fahrgäste manchmal gar nicht merken, dass der Zug schon steht. Da rucken den Leuten nicht die Köpfe nach vorn. Das ist auch das Prinzip der energiesparenden Fahrweise: Wer später bremst, ist länger schnell.
"Ich fahre fast täglich um 6.09 Uhr von Uelzen nach Langenhagen, habe eine Gehbehinderung und in Langenhagen wenig Zeit, vom Zug zum Bus zu kommen, um dadurch eine frühere Straßenbahn zu erreichen. Ich sitze immer am Ende von Wagen 3, da das der Wagen ist, der meistens am dichtesten an der Treppe hält. Ab und zu muss ich aber auch noch an ein oder zwei Wagen vorbeilaufen zur Treppe. Dann sehe ich meinen Bus noch wegfahren, muss aber auf den nächsten warten.
Eines Tages lernte ich am Bahnsteig in Uelzen den Lokführer Gerard Versteeg kennen. Ich habe ihm die Geschichte erzählt und gefragt, ob er es hinbekommt, dass die hintere Tür von Wagen 3 nahe dem Treppengang vom Bahnsteig hält. Der Lokführer sagte, er wolle es versuchen, und immer, wenn er den 6.09er Metronom nach Langenhagen fährt, klappt das auch mit der Treppe! Mit seiner Hilfe habe ich dann etwas weniger Fahrzeit, aber auf drei Stunden täglich komme ich trotzdem.
Ich wünsche dem holländischen Lokführer den Titel.“
Andreas Kahlke (Uelzen)
Geschehen im August 2013: „Wir - eine achtköpfige Männertruppe mit einem Schwerbehinderten - sind von Lüneburg nach Gütersloh unterwegs. Aufgrund eines Stellwerkschaden fuhren wir verspätet von Lüneburg bis Uelzen. Dann sind wir umgestiegen in den Zug mit dem supernetten „fliegenden Holländer“ als Zugführer. Der Holländer hat uns während der Zugfahrt sehr nett, kompetent und auf eine lustige Art informiert. Aller Frust der Verspätung war vergessen.
Auch seine Hilfe für unseren Schwerbehinderten war herausragend. Obwohl der Zugführer allein war, ist er zur Hilfestellung beim Aus-und Einsteigen gelaufen! Von diesen Typen brauchen wir mehr. Unser Dank gilt dem netten und hilfsbereiten Holländer, der dazu noch kompetent über alle weiteren Verbindungen informierte. Vielen Dank!“
Thomas Lammering (Gütersloh)
Anja Hoche (36) hat zwar selbst keine Kinder, aber jede Menge Cousins, Cousinen, Patenkinder. Berührungsängste sind ihr also fremd, als sie den aufgelösten Robin im Zug trifft und seine Irrfahrt wieder auf die richtigen Gleise setzt. Wie resolut die blonde Frau mit den strahlend blauen Augen sein kann, zeigt sich, als Robin und seine Eltern beim Interview in Braunschweig auf dem Nachbar-Gleis auftauchen. Die gebürtige Witzenhausenerin pfeift auf zwei Fingern. So laut, dass die Familie sofort Bescheid weiß. Woher diese Fertigkeiten? „Ich bin Führerin einer Rettungshundestaffel.“ Na dann. Robin war tatsächlich immer in besten Händen.
Zugbegleiter, die Kinder aus Zügen werfen, haben schon öfter die ganze Republik in Wallung gebracht. Dass es auch die Gegen-Geschichten gibt, ist weniger bekannt. Was hätte geschehen können, wenn Robin nicht auf Anja Hoche getroffen wäre? Er wäre bis Berlin im falschen Zug sitzengeblieben? Hätte vielleicht noch die Fahrkarte für die unfreiwillige Rundfahrt nachlösen müssen? Wäre als Minderjähriger der Polizei übergeben worden?
Aber Robin hat Glück gehabt: die Zugbegleiterin vom Fernverkehr der Deutschen Bahn hat sich rundum gekümmert. Sonderhalt eines ICE, ein Zug zurück mit Begleitung, eine Nachricht an das Internat, all das hat der Junge auf seiner ersten Fahrt mit der Bahn erlebt. Die Jury ist erfreut: Solch vorbildliche Behandlung macht aus Kindern treue und vertrauensvolle Fahrgäste.
Frau Hoche, Sie bremsen auch für Kinder?
Vor allem für Kinder. Einen ICE-Sonderhalt hätte ich für einen Erwachsenen nicht so ohne weiteres organisiert, nur weil er seinen Ausstieg verpasst hat.
Warum nicht?
Weil andere Fahrgäste dafür ihre Anschlüsse vielleicht nicht erreichen. So etwas ist immer Abwägungssache. Aber diesen kleinen Jungen wollte ich nicht abends so spät allein in Berlin rumlaufen lassen. Von Braunschweig nach Berlin, das ist ja kein Katzensprung.
Als Sie Robin gerade wiedergetroffen haben, was haben Sie da zu ihm gesagt?
Du bist aber groß geworden!
Welche Sonderbehandlung bekommen Ihre Fahrgäste sonst noch?
Eigentlich nehme ich mir vor, jeden Fahrgast gleich zu behandeln. Egal, was er für eine Fahrkarte hat: ob teuer, ob preiswert, ob jung, ob alt, keiner soll bei mir zu kurz kommen. Allerdings, wo Sie gerade fragen: Bei Hundebesitzern im Zug mache ich eine Ausnahme.
Welche?
Ich bin Hundefanatikerin. In meiner Freizeit trainiere ich eine Hunderettungsstaffel. Seit meiner Jugend haben wir immer Hunde gehabt. Wenn ich also im Zug auf einen Hund treffe, der den vorgeschriebenen Maulkorb nicht trägt, dann setze ich mich ganz ruhig dazu und erkläre den Besitzern die Regeln. Aber während ich das tue, streichele ich den Hund. Das machen die meisten meiner Kollegen anders.
Wie sind Sie zur Bahn gekommen?
Ganz einfach: Ich habe im Leben überhaupt nur zwei Bewerbungen geschrieben. Nach der Schule habe ich mich bei VW und bei der Bahn beworben. Die DB war dann schneller.
Welches Erlebnis im Dienst freut Sie am meisten?
Wenn ich mit einem Fahrgast aneinander gerate und auf einmal springen meine Pendler für mich in die Bresche. Das tut richtig gut.
Und der Titel „Eisenbahnerin mit Herz“?
Der tut auch gut. Über Zugbegleiter stehen ja leider immer nur die schlechten Geschichten in der Zeitung. Gerade wenn es um Kinder im Zug geht. Dieser Wettbewerb zeigt, dass das nicht die ganze Wahrheit ist.
„Unser damals 11-jähriger Sohn Robin besucht in Braunschweig das Internat. Nach diversen gemeinsamen Zugfahrten fuhr er am 1. Mai zum ersten Mal allein nach Braunschweig. Doch anstatt einer Mitteilung über eine glückliche Ankunft meldete sich ein aufgeregter und aufgelöster Junge. Robin war der Halt des Zuges in Braunschweig entgangen und ein kurzfristiger Ausstieg nicht mehr möglich. Nach ersten Beruhigungen suchte Robin einen Kundendienstmitarbeiter. Nach kurzer Zeit traf er auf eine Mitarbeiterin, welche dafür sorgte, dass der Zug einen zusätzlichen Halt in Wolfsburg einlegte und Robin mit dem nächsten Zug zurück nach Braunschweig fahren konnte. Die Zugverbindung notierte sie dem Jungen. Zwischenzeitlich hat die Mitarbeiterin fernmündlich den Sachverhalt im Internat mitgeteilt und sich später auch dort nach der Ankunft von Robin erkundigt.
Wir sind der Mitarbeiterin sehr dankbar, haben aber leider nie einen Namen oder eine Telefonnummer erhalten, um uns zu bedanken. Der hier geleistete Service ist einmalig und anerkennenswert. Unser Sohn fährt jedes Wochenende mit dem Zug, seit dem damaligen Erlebnis ist unser Vertrauen in das Unternehmen Deutsche Bahn und seine Mitarbeiter sehr hoch. DANKE.“
Henning Dullnig (Nörten-Hardenberg)
Drei Zugbegleiter und ein TGV-Team gewinnen den Titel „Eisenbahner mit Herz 2013“. Gold geht an DB-Zugchefin Daniela Kumbernuß vom Fernverkehr Hannover. Silber gewinnt der langjährige DB-Zugbegleiter Frank Lehmann vom Fernverkehr Hamburg. Bronze bekommt der Metronom- Zugbegleiter Rainer Grundmann aus dem niedersächsischen Uelzen und der Sonderpreis für meisterhafte Logistik geht an ein deutsch-französisches TGV-Team.
Daniela Kumbernuß (40) arbeitet für den Fernverkehr der Deutschen Bahn in Hannover. Die ICE-Zugchefin überzeugte durch ihre vorbildliche Krisenkommunikation während eines Polizeieinsatzes im ICE. Als junges Mädchen wollte sie niemals Eisenbahnerin werden. Einen Freund, der bei der Bahn arbeitet, wollte sie erst recht nicht. Beides ist eingetroffen.
Frau Kumbernuß, die Fahrt, die Sie zur Eisenbahnerin mit Herz macht, war eher schrecklich.
Ja, das war wirklich böse. Ich hatte an dem Tag Fieber, und wir waren nur Mädels auf dem Zug. Richtig zierliche kleine Zugbegleiterinnen. Ich war die größte von allen. Als eine Mitarbeiterin aus dem Bord-Bistro zu mir kam, stand ihr die Angst ins Gesicht geschrieben. Ein Betrunkener randalierte im Bistro, weil sie ihm keinen Alkohol ausschenken wollte. Ich schaute mir die Lage an, und es war so bedrohlich, dass ich beschlossen habe, keine Durchsage zu machen. Das hätte den Mann noch mehr gereizt. Wir hielten am Bahnhof von Solingen, und ich rief die Polizei. Die Fahrgäste wussten also nicht, warum der Zug stand. Als dann die Männer vom Einsatzkommando kamen, war sicher alles gut. Von wegen. Erst mussten wir ewig warten. Ich stieg immer wieder aus dem Zug: „Wann kommen die denn endlich.“ Und dann kamen zwei Polizistinnen um die Ecke. Zum Glück zögerten die nicht lange. Sie griffen sich den Kerl und schleppten ihn weg.
Haben denn vorher die männlichen Fahrgäste nicht geholfen?
Nein, sonst haben wir oft Glück und Bundeswehrsoldaten reisen mit. Die packen sofort mit an. Aber diesmal waren lauter Geschäftsreisende im Zug und von denen wollte keiner in ein Handgemenge verwickelt werden. Danach haben Sie eine Durchsage gemacht und den Fahrgästen alles genau erzählt.
Dürfen Sie das?
An dem Tag habe ich sicher einige Regeln aus dem Ansage- Handbuch missachtet. Aber ich wollte den Leuten einfach die Wahrheit sagen. Wenn ich selbst verreise und höre nur die knappen Durchsage, dann verstehe ich manchmal nicht, was eigentlich los ist. Bei solchen Fahrten helfen die Standardansagen oft nicht weiter.
Nun sind Sie dafür auch noch Eisenbahnerin mit Herz geworden.
Da bin ich auch völlig überrascht. Und ich freue mich riesig darüber.
Wollten Sie jemals Zugbegleiterin werden?
Nie. Ich wollte Bibliothekarin werden, aber in der DDR war das nicht so einfach mit den Wünschen. Als ich meine erste Uniform anhatte, habe ich geweint. Sie passte hinten und vorne nicht. Sie war viel zu kurz. Ich bin 1,83 groß.
Und wie sehen Sie Ihre Arbeit heute?
Ich will nie mehr etwas anderes machen. Meine Schwester arbeitet als Zugbegleiterin, mein Lebensgefährte auch, mein Schwager ist ebenfalls bei der Bahn. Da fährt ein ganzer Kumbernuß-Clan durch Deutschland.
Wer viel Bahn fährt der weiß, dass es bei außerplanmäßigen Ereignissen oft mit der Kundeninformation hapert. Wie Daniela Kumbernuß als Zugchefin die schwierige Situation mit einem gewalttätigen Fahrgast gemeistert und die Kunden dann souverän und selbstbewusst über den Vorfall und die Verspätung informiert hat, ist für uns als Jury Gold wert. Fünf Sterne für vorbildliche Krisenkommunikation.
„Ich möchte gern die Zugchefin des ICE von Köln nach Hannover als „Eisenbahnerin mit Herz“ vorschlagen. Auf jener Fahrt wurde eine Zugbegleiterin von einem Betrunkenen belästigt. Diese Situation eskalierte im Hauptbahnhof in Solingen, so dass die Zugchefin die Landespolizei rief und sich unsere Weiterfahrt verzögerte. Ich selbst saß in einem anderen Wagen und habe diesen Vorfall nicht mitbekommen. Trotzdem fand ich es bemerkenswert, wie die Zugchefin diese Situation gehandhabt hat.
Während des Geschehens selbst wusste niemand etwas davon. Erst nachdem die brenzlige Situation vorüber war, erklärte sie uns über Lautsprecher ausführlich, was geschehen war, warum sie vorher nichts gesagt hatte, dass sie für die Sicherheit nicht nur der Fahrgäste sondern auch ihres Personals verantwortlich sei. Dies allein empfand ich bereits als eine sehr offene und ehrliche Art der Kommunikationspolitik. Darüber hinaus kümmerte sie sich liebevoll darum, dass alle Fahrgäste, die ihre Anschlusszüge verpassten, eine Alternative bekamen.
Alles in allem habe ich mich als Fahrgast sehr gut umsorgt und aufgehoben gefühlt.“
Laura Gandyra (Brüssel)
Frank Lehmann (42) arbeitet seit 24 Jahren als Zugbegleiter. Wenn seine Fahrgäste etwas im Zug liegenlassen, ist der Glücksschaffner zur Stelle. Kein Wunder also, dass ihn gleich drei Reisende zu ihrem Eisenbahner mit Herz kürten. Gerade noch rechtzeitig: Frank Lehmann ist am 1. März zum Gruppenleiter befördert worden.
Herr Lehmann, gleich drei Kunden stimmten für Sie als „Eisenbahner mit Herz 2013“ und in der Online-Galerie von 2012 waren Sie auch schon vertreten. Was sagen denn die Kollegen zu so einem Eisenbahn-Primus?
Kollegen, die auch in der Galerie vertreten sind, sprechen mich oft drauf an. „Ich habe dich gesehen!“ Und natürlich kennen sich die Hamburger Kandidaten untereinander. Aber warten Sie mal ab: Ich bin gerade zum Gruppenleiter befördert worden: Seitdem bin ich für etwa 40 Zugbegleiter verantwortlich. Von meinen Leuten werden Sie noch schöne Geschichten zu hören bekommen.
Wir freuen uns drauf. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie lesen, dass Sie ein Bahncard-100-Kunde nach einer katastrophalen Verspätungsfahrt in den höchsten Tönen lobt?
Wenn nach einer schlimmen Schicht mit lauter Hindernissen der Fahrgast aussteigt und trotz allem zufrieden ist, dann ist das für mich wie ein Ritterschlag. Dann weiß ich, ich habe vieles richtig gemacht.
Vergessliche Kunden sind bei Ihnen auch in guten Händen?
Da nehme ich immer den direkten Weg. Der Herr, der zum Bundespresseball wollte und seine Tickets vergessen hatte, oder die beiden Jungs mit ihrem iPod, die lasse ich nicht lange warten. Da greife ich sofort zum Telefon.
Was war Ihr schönstes Erlebnis bei der Bahn?
Meine Frau: Sie war Bahn-Azubi, als ich sie kennenlernte.
Wer es an einem Tag mit Unwetter und Streckensperrung schafft, dass sich Fahrgäste aus dem Verspätungs-ICE kurz vor Mitternacht per Handschlag bedanken und mit einem Lächeln auf den Lippen in die Nacht entschwinden, muss ein außergewöhnlicher Zugchef sein.
Wenn selbst ein BahnCard-100-Inhaber jubiliert, er habe „noch nie, wirklich nie, ein solches Engagement gesehen“, lässt das keine Jury kalt. Weitere Kundeneinsendungen runden das Bild ab. Silber für den Zugchef mit illustrer Fangemeinde.
„Ich möchte Ihnen heute ein Erlebnis schildern, das ich für außergewöhnlich halte und in dieser Form noch nicht erlebt habe. Ich fuhr vor einiger Zeit mit dem ICE von Hamburg nach Hannover. Das heißt, ich versuchte es. Gekommen bin ich bis Hamburg Harburg, wo wir per Lautsprecherdurchsage im Zug informiert wurden, dass wegen Unwetter die Stecke gesperrt sei. (…) Ich als Bahncard 100 Kunde bin wirklich einiges gewöhnt, leider meist im negativen Sinne, umso mehr freue ich mich, diese Zeilen schreiben zu dürfen. Ich habe noch nie, wirklich nie ein solches Engagement wie das von Zugchef Frank Lehmann gesehen. In Hannover selber trafen wir erst mit 4 1/2 Stunden Verspätung ein, und ich bin das erste Mal in meiner langen Zeit als Bahnfahrer trotz Verspätung zufrieden nach Hause gegangen. Dass ich nicht der einzige war, sah ich dann in Hannover, als sich Leute bei Herrn Lehmann bedankten und verabschiedeten, teilweise sogar per Handschlag und mit einem Lächeln auf den Lippen.“
Andreas Schulz (Syke)
„Am 23.11.2012 hat Zugchef Frank Lehmann meiner Frau und mir durch sein kluges Handeln den Abend gerettet! Versehentlich haben wir alle Unterlagen inklusive Einladung für den Bundespresseball Berlin im Zug liegen lassen. Herr Lehmann fand in den Unterlagen meine Firmen-Telefonnummer und schritt zur Tat, indem er dort anrief. Auf diesem Wege konnte der Kontakt hergestellt werden und Herr Lehmann arrangierte die Übergabe am Berliner Hauptbahnhof. Großartig, der Mann! Meine Frau und ich sind begeistert.“
Kay Spanger (Hamburg)
„Am Pfingstsonntag bin ich mit meinen beiden Söhnen im ICE gereist. Kurz vor dem Umsteigen hat mein älterer Sohn seinen iPod auf seinem Sitzplatz verloren. Aufgefallen ist ihm das im ICE nach Berlin. Die Zugbegleitung hat gleich Kontakt mit dem ersten ICE aufgenommen. Dort hat tatsächlich Herr Lehmann den iPod gefunden. Wenige Tage später haben wir Post bekommen: es war der gut verpackte iPod, den Herr Lehmann auf seine Kosten an uns gesendet hat. Meine Familie und ich sind begeistert!“
Birthe Lingemann (Falkensee)
Als Kind wollte Rainer Grundmann (32) Polizist werden, seit vier Jahren sorgt er als Zugbegleiter im Metronom für Recht und Ordnung. Für seine Fahrradrettungsaktion wollte der Mann mit der taubenblauen Uniform noch nicht einmal einen Lohn, schließlich fährt er selber Fahrrad. Und bald kommt auch noch die Lokomotive dazu.
Herr Grundmann, Ihr Einsender hat Sie als den „König aller Zugbegleiter“ beschrieben. Im fahrenden Zug haben Sie ihm das Fahrrad repariert.
Das mit dem „König“ fand ich lustig, aber ein wenig übertrieben. Technisch gesehen war es eine Kleinigkeit. Die Kette war ab. Ich finde, wenn man etwas kann, sollte man es tun. Nach dem Motto: Ran an den Mann und fertig.
Herr Würger ist heute wieder mit einem Fahrrad zur Stelle. Schauen Sie mal, würden Sie mit diesem hochkarätigen Modell auch zu Rande kommen?
Das sehe ich sofort: dieselbe Gangschaltung wie damals. Nein, das wäre überhaupt kein Problem.
Sie haben sich inzwischen zum Lokführer weitergebildet. Was tun Sie, wenn eines Tages in Ihrem Zug ein Baby zur Welt kommt?
Das wäre allerdings keine Kleinigkeit. Aber weil ich bei der Geburt meiner beiden Töchter dabei war, würde ich nicht in Ohnmacht fallen. Ich würde mein Bestes geben, um zu helfen.
Ist Helfen ein Lebensprinzip von Ihnen?
Wenn alle Menschen auf der Welt sich vornehmen würden, drei anderen Menschen bei einem beliebigen Problem zu helfen, dann wäre die Welt schon besser. Und glücklicher.
Die Verbindung zwischen Bahn und Fahrrad ist im Alltag oft verbesserungsbedürftig. Nicht im Metronom: Rainer Grundmanns Tatkraft hat aus einem Bahnmuffel einen Bahnfreund gemacht. Verkantete Kette? Kein Problem. Der Bahnkunde war begeistert („Ich liebe ihn!“), die Jury ist es auch:
Bronze für den radlerfreundlichen Zugbegleiter, der das richtige Signal für die Zukunft setzt.
„Ich fahr nicht so gerne Bahn. Nervt. Neulich musste ich. Im „metronom“ traf ich auf Herrn Grundman. Der ist Zugbegleiter: kleines Namensschild, hässliches Hemd, freundliche Augen. Ich liebe ihn! Darum: Ich wollte nach Hamburg und hatte ein Rad dabei. Beim Einsteigen ging die Kette ab, sie verkantete sich und saß fest, wie der sprichwörtliche Hintern auf dem Eimer. Ich frage den Zugbegleiter, wo in Hamburg ein Fahrradladen ist. Und wissen Sie, was der sagte? „Fahrradladen? Fahrradladen brauchen wir nicht! Ich mach das mal.“
Und jetzt kommt’s!: Grundmann, dieser Zauberer im Zug, holten Plastikhandschuhe aus der Tasche, stellte meine Kiste auf den Kopf, fummelte hier, zog da – die Kette war wieder drauf. Sieh an, der Herr Grundmann. Ein Ass. Ich fragte den König aller Zugbegleiter: „Wie viel?“ Der lachte: „Ist im Preis mit drin.“ So schnell können sich die Dinge ändern. Und so gut ist die Welt. Bald fahr ich wieder Bahn. Ich freu mich drauf.“
Karl-Richard Würger (Redakteur bei der Neuen Presse Hannover, links im Bild)
Nicole Jurk (30) aus Stuttgart gehört zum deutsch-französischen Team aus DB und SNCF. Sie gewinnt zusammen mit Thierry Boivin (34) aus Metz den Sonderpreis für meisterhafte Logistik, weil sie einem Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks auf Konzertreise nach Paris das Abendgastspiel gerettet hatten. Nicole Jurk stammt aus einer Eisenbahnerfamilie, sogar ihre zweijährige Tochter spielt mit einer Lego-Eisenbahn.
Frau Jurk, als Sie in ihrem TGV nach Paris den Anruf bekamen, dass 100 Personen außerplanmäßig zusteigen würden, wussten Sie da schon, dass es ein Sinfonie-Orchester sein würde?
Jurk: Nein. Wir dachten eher an eine Schüler-Gruppe. Boivin: Nicole Jurk kam zu mir und sagte, wir brauchen jetzt
sofort 100 freie Sitzplätze. Wir haben ein wenig disponiert und die erste Klasse mitbelegt. So konnten wir immerhin 94
zusammenkriegen.
Wie ging es dann weiter?
Boivin: Nicole und ich, wir haben die Musiker schon auf dem Bahnsteig empfangen und sie zu ihren Plätzen gebracht. Anfangs waren sie ziemlich ärgerlich. Aber ich war mir sicher: Am Ende der Fahrt würden alle zufrieden sein. Und genauso kam es auch. Jurk: Weil die Reisenden vorher schon vier Stunden in der Kälte gewartet hatten, habe ich bei der SNCF ein extra Lunchpaket für alle geordert. Und die anderen Fahrgäste im Zug waren auch sehr verständnisvoll. Zwei Musiker habe ich in einem Abteil untergebracht, in dem ein Junggesellinnen- Abschied gefeiert wurde. Die jungen Damen waren sehr ausgelassen und versorgten die Musiker mit Muffins. Als ich nochmal nach ihnen schaute, hoben sie gleich den Daumen.
Wie reden Sie im Zug eigentlich miteinander? Beide französisch, beide deutsch oder jeder seins?
Boivin: Wir wechseln oft die Sprache. Jeder versteht den anderen. Alle Zugbegleiter auf den internationalen Routen sprechen beide Sprachen, das ist die Einstellungsvoraussetzung.
Gibt es Unterschiede in den Eisenbahnkulturen?
Boivin: Ja, ganz sicher. Zum Beispiel ist in Deutschland alles groß. Jurk: Thierry meint den deutschen Kaffee. Der Franzose bestellt einen Kaffee, und es kommt ein Minitässchen. Da musste ich mich auch erst dran gewöhnen.
Gibt es die vielbeschworene deutsch-französische Freundschaft bei der Eisenbahn?
Jurk: Ganz sicher. Seit ich die internationalen Verbindungen fahre, verbringe ich auch meinen Urlaub in Frankreich und 2007 habe ich zum ersten Mal auf Französisch geträumt. Boivin: Bei so charmanten Kolleginnen aus Deutschland begrüßen wir uns immer mit einem Kuss. Das sagt doch alles.
Spitzenmusiker wählen die Bahn und nicht das Flugzeug, weil sie ausgeruht am Ziel ankommen wollen. Die Manager des Orchesters pochen zu Recht auf eine Reisekultur, die zu ihrem Beruf passt. Umso mehr ist das TGV-Team (hier im Bild: Thierry Boivin) zu loben: Die Bahn hatte an diesem Tag einen Ruf zu verlieren. Anspruchsvolle Fahrgäste brauchen eine anspruchsvolle Logistik, gerade unter widrigen Umständen. Einen Tusch mit Pauken und Trompeten für die logistische Meisterleistung von Nicole Jurk und Thierry Boivin.
„Als Orchestermanager für ein Gastspiel des hr-Sinfonieorchesters am 08.12.2012 in Paris geriet ich mit knapp 100 Musikern in die witterungsbedingten Ausfälle des Wochenendes. Für ein gutes Konzert sind ausgeruhte Musiker das A und O und können deshalb auf der Reise keinesfalls stehen. Tatsächlich ließ sich ein TGV ausfindig machen, der noch 94 Sitzplätze frei hatte. Diese wurden umstandslos für uns geblockt.
Noch vom Infoschalter in Karlsruhe konnten wir Kontakt zum besagten TGV aufnehmen, die Zugbegleiterin Frau Jurk war bestens informiert und hat sich ab der ersten Sekunde für uns eingesetzt und nicht gezögert, unsere Mitfahrt zu ermöglichen. Sie hat dabei immer freundlich und hilfsbereit zusammen mit ihrem Kollegen Herrn Boivin vom SNCF jedem Musiker einen Sitzplatz zugewiesen. Zusätzlich hat sie zusammen mit Herrn Boivin jedem Musiker noch ein Lunchpaket für die entstandenen Unannehmlichkeiten bereitgestellt. Frau Jurk hatte ihre Fahrgäste genauestens im Kopf, so dass jeder Musiker ein Paket bekommen hat.
Dies hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Stimmung der Reisegruppe sich positiv gehalten hat und wir trotz der Verspätung von knapp 5 Stunden ein überaus erfolgreiches Konzert in Paris hatten.“
Armin Wunsch (Manager des hr-Sinfonieorchesters)
Die Goldmedaille geht nach Köln, an Zugbegleiter Peter Gitzen von DB Fernverkehr. Für DB-Regio Lokführer Oliver Vitze aus dem baden-württembergischen Crailsheim gibt´s die Silbermedaille. Bronze gewinnt BOB-Zugbegleiterin Alexandra Schertler und den Sonderpreis Zivilcourage bekommt der Zugbegleiter der Südostbayernbahn, Yalcin Özcan.
Speisewagen des ICE von Köln nach Berlin: Eine ältere Dame ist sichtlich aufgeregt, als sie einem jungen Zugbegleiter ihr Malheur schildert. In einem anderen Zug hat sie irrtümlich ihre neue Bahncard in den Mülleimer geworfen und kann nur noch die abgelaufene Karte vorzeigen.
Der Mann handelt streng nach Vorschrift und die Kundin muss den Differenzbetrag bezahlen. Als Zugchef Peter Gitzen später durch den Speisewagen geht, sieht er die Kundin den Tränen nahe. Er erfährt von dem Missgeschick. Sofort ruft er in dem besagten Zug an und verortet die kritische Mülltonne. Tatsächlich: Die Bahncard wird gefunden. Die ältere Dame ist "überglücklich", schreibt Lothar Götz, der die Szene mit angesehen hat.
Ein paar Wochen später im IC nach Essen: Zwei 14-jährige Mädchen steigen in den falschen Zug. Statt nach Essen bei Oldenburg fahren sie nach Essen ins Ruhrgebiet, merken es aber unter ihren Kopfhörern erst Stunden später.
Mit Tränen in den Augen treffen Saskia und Annabell um Mitternacht im fahrenden Zug auf Peter Gitzen. Er nimmt Kontakt mit den Eltern auf. Eigentlich müsste er die beiden der Polizei übergeben, aber nach zahllosen Telefonaten findet sich eine bessere Lösung: Peter Gitzen stellt ein Zelt auf seine Gartenterrasse und organisiert den Kindern am nächsten Morgen eine behütete Rückreise.
Am 21. August 2001 verliert Zugchef Peter Gitzen im Intercity von Hamburg nach Köln sein Herz. Die junge Moskauerin Lena sitzt mit ihrem 6-jährigen Sohn André in seinem Zug. Schon als er die Fahrkarten kontrolliert und die Frau in fließendem Russisch mit kölschem Akzent begrüßt, ist es um die beiden geschehen: Ein paar Monate später sind sie verheiratet.
Es ist also seine Glücks-Strecke, auf der Peter Gitzen Jahre später Saskia und Annabell trifft. Die Mädchen fahren im falschen Zug, der sich im Nachhinein als doch nicht so verkehrt herausstellt: Immerhin lernen sie die ganze Familie Gitzen kennen, übernachten im Zelt und gratulieren der inzwischen geborenen Tochter Anactacia zum siebten Geburtstag. Danach greifen die Mädchen zur Feder und empfehlen der Jury mit großer Überzeugungskraft ihren Kandidaten.
Peter Gitzen ist als Mensch so herzensgut, dass sogar Kollegen lächeln, wenn sie ihn sehen. „Peter wird Eisenbahner mit Herz? Der hat es verdient.“ Auch sein langjähriger Gruppenleiter, Heinz Häckes, lächelt. „Der Peter übertreibt es manchmal mit dem Helfen. Aber man kann ihm ja nicht böse sein.“ Einer wie Peter darf sogar kleine Mädel mit nach Hause nehmen? Die Kollegen winken ab: „Beim Peter sind die in guten Händen.“ Wahrscheinlich weil Peter Gitzen einer ist, der auch eine 78-jährige Dame in Not mitgenommen hätte. Vielleicht hätte er die aber nicht im Zelt untergebracht.
ICE-Zugchef Peter Gitzen über allzu korrektes Verhalten von Kollegen, die beruhigende Wirkung der kölschen Mundart und wie er im Intercity seine spätere Ehefrau kennen lernte
Herr Gitzen, was war die größte Herzgeschichte, die Sie je im Zug erlebt haben?
Das war am 21. August 2001. Da habe ich die Frau kontrolliert, die später meine Ehefrau geworden ist. Sie kam aus Moskau, saß im Intercity Hamburg – Köln und wollte nach Aachen, um eine Cousine zu besuchen. Am Kölner Hauptbahnhof wusste sie nicht weiter, „zum Glück“, sagen wir beide heute. Ich habe sie nach Aachen begleitet und ihr in der nächsten Woche ganz Deutschland gezeigt. Ich habe wirklich alle Register gezogen. Sie wollte sich revanchieren und hat mich nach Moskau eingeladen. Ein paar Monate später waren wir verheiratet.
Das ist mal ein glückliches Ende ganz ohne Tränen. Wie kommt es, dass Ihre Fahrgäste sonst so viel weinen?
Ich arbeite seit 38 Jahren für die Bahn. Über die Jahre kommt da schon einiges an Tränen zusammen. Ich erlebe etwa vier- bis sechsmal im Jahr echte Abenteuer mit meinen Fahrgästen.
Wie war das denn mit der Bahncard der alten Dame. Können Sie sich daran erinnern?
Natürlich. Ich war Zugchef auf dem ICE von Köln nach Berlin. Etwa auf der Höhe von Wolfsburg war ich mit der Fahrkartenkontrolle in der 2. Klasse fertig und ging noch einmal durchs Restaurant. Da sah ich die Dame an einem Tisch sitzen. Mir fiel sofort auf, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war, sie hob die Hand in meine Richtung und wirkte etwas weinerlich. Ich setzte mich zu ihr an den Tisch und fragte, was los sei. Da erzählte sie mir ihr ganzes Missgeschick. Die abgelaufene Bahncard hatte sie vor sich liegen, aber ihre neue hatte sie wohl irrtümlich in den Mülleimer von einem Regionalexpress geworfen. Mein junger Kollege hatte deshalb schon 30 Euro kassiert. „Wäre das möglich, von hier aus in einen anderen Zug zu telefonieren?“, fragte sie. „Na klar ist das möglich“, sagte ich. Aus ihren Fahrkartenunterlagen konnte ich raus lesen, in welchem Zug sie gesessen hatte. Das sagte ich dem Kollegen an Bord auch. Es dauerte nicht lange, da kam der Rückruf. Die Bahncard ist gefunden worden, der Triebfahrzeugführer versprach, sie an der DB Information in Braunschweig für Frau Winter zu hinterlegen.
Was haben Sie dann dem jungen Kollegen gesagt?
Ich ging zu ihm, bat, die Ersatzfahrkarte zu stornieren und brachte der Dame ihr Geld zurück. Natürlich hatte der Kollege korrekt gehandelt. Das habe ich vor der Kundin auch betont.
Es gibt also schon Fälle, in denen Sie mit Ihren Kollegen nicht einverstanden sind?
Vor kurzem war ich in Zivil unterwegs. Ein Fahrgast hatte seinen Rucksack mit allen Papieren, Flugtickets nach Dubai und Ausweisen auf dem Bahnsteig in Düsseldorf vergessen. Der Zug fuhr gerade los und der Reisende erzählte dem Zugchef von seiner Notlage. Wissen Sie, was der sagte? „Ist doch nicht mein Problem.“ So was kann ich überhaupt nicht verstehen.
Was haben Sie dann gemacht? Sie trugen ja keine Uniform.
Uniform nicht, aber mein Diensthandy habe ich immer dabei. Ich habe mich also eingeloggt und am Bahnhof Bescheid gesagt, dass der Rucksack sofort hinter uns hergeschickt werden soll. Das hat dann auch alles wie am Schnürchen geklappt und der Reisende hat seinen Flug noch gekriegt.
Sind die Kollegen böse, wenn Sie einfach so eingreifen?
Glaube ich nicht. Die mich kennen, wissen schon, dass ich nicht anders kann. Ich muss einfach helfen. Ich bin immer im Dienst.
Kürzlich waren Sie im Dienst auch einmal wieder gefordert. Da hatten Sie es mit zwei jungen Mädchen zu tun, die am späten Abend im falschen Zug saßen. Was haben Sie da gemacht?
Das war wirklich ein Abenteuer. Ich fuhr im IC von Hamburg nach Köln, da standen kurz hinter Münster auf einmal zwei 14-Jährige vor meinem Dienstabteil. Sie waren ganz außer sich und fragten: „Fährt der Zug nach Essen?“ Ich sagte: „Natürlich fährt der Zug nach Essen.“ Ich setzte noch einen drauf: „Der Zug fährt sogar noch ein Stückchen weiter: nach Köln.“ Da schauten sie mich groß an. „Aber nach Essen bei Oldenburg?“ „Nee“, sage ich, „Kinder, nach Essen bei Oldenburg? Da kommen wir heute nicht mehr hin.“ Sie waren sofort in Tränen aufgelöst. Ich setzte sie deshalb erst mal ins Dienstabteil, tröstete sie, nahm das Telefon und rief die Eltern an.
Die haben sich bestimmt ziemlich erschreckt.
Das schon, aber nachdem ich mich vorgestellt hatte, die Situation geschildert habe, sind sie sehr schnell wieder runtergekommen. Das lag bestimmt an meiner Stimme.
Oder an Ihrem kölschen Dialekt.
Bestimmt! Jedenfalls wollten die Mädchen, Saskia und Annabell, nicht der Polizei übergeben werden. Das hätte ich nach der Vorschrift an der nächsten Station in Dortmund nämlich machen müssen. Eine andere Möglichkeit? Ich würde sie mit zu mir nach Hause nehmen, im Garten ein Zelt für sie aufbauen und am nächsten Tag eine geordnete Rückreise für sie organisieren. Das schien uns nach mehreren Telefonaten mit allen Eltern am Ende das Beste, und so haben wir das dann auch gemacht.
Saskia und Annabell haben die Reise mit Ihnen so spannend gefunden, dass sie einen perfekt formulierten Aufsatz an die „Eisenbahner mit Herz“-Jury geschrieben haben. Die Mutter hat uns verraten, dass sie nicht mal beim Abfassen helfen durfte. Raten Sie mal, wie lange die Jury danach gebraucht hat, um Sie für den Titel auszuwählen?
Lange?
Zwei Minuten.
Das freut mich so sehr, dass ich Gänsehaut kriege.
Ich saß auf der Fahrt im Speisewagen. Eine sichtlich aufgeregte ältere Dame stieg zu und nahm in einiger Entfernung Platz. Alles verlief normal bis ein jüngerer Schaffner zu Frau Winter kam und die Tickets kontrollierte. Ich bekam aufgrund der sich dann entwickelnden längeren Diskussion mit, dass sie bereits vor der Kontrolle in einem anderen Zug gesessen hatte und dort auch kontrolliert worden war. Nun aber war ihre gültige Bahncard (BC) verschwunden- konkret: sie hatte ihre abgelaufene BC dabei, die soeben erhaltene neue BC, die sie zur Kontrolle in anderem Zug vorgezeigt hatte, jedoch -in der Annahme, es sei die abgelaufene- in den Mülleimer im Abteil geworfen. Der Schaffner zeigte an dieser Situation wenig Interesse und kassierte die Dame für die neue Zugstrecke hinsichtlich der Preisdifferenz erneut zum vollen Tarif ab.
Wenig später kam der Zugchef Peter Gitzen im Speisewagen vorbei und sah die nach Tränen ringende Dame dort sitzen. Sofort fragte er sie, was denn los sei. Sie erzählte ihm die Geschichte. Peter Gitzen - übrigens eine typische Kölner Frohnatur - zögerte keinen Moment, rief im anderen Zug an und ließ nach der BC, die im Mülleimer direkt hinter dem Steuerungsabteil liegen sollte, suchen. Er blieb gegenüber der Dame sitzen und wartete geduldig auf einen Rückruf. Es dauerte nur 5 Minuten: die Karte war gefunden worden (und auch gültig). Herr Gitzen ließ die Karte am Servicepoint, den die Dame auf der Rückfahrt ansteuern würde, deponieren und es war gut. Zehn Minuten später tauchte er mit den vorher vom Kollegen abkassierten Zuschlag wieder auf und gab ihr das Bargeld zurück. Außerdem regelte er noch alles, damit sie auf der Rückfahrt keinen Ärger bekommen würde. Frau Winter strahlte überglücklich.
Es geht also doch mit dem "Menschen" im Zugbetreuer. Anschließend bat ich Herrn Gitzen zu mir und bat ihn um Erlaubnis, ihn vorschlagen zu dürfen. Er stimmte zu und erzählte beiläufig, er habe bereits einen ganzen Leitzordner mit Dankschreiben zu Vorgängen dieser Art. Auf meine Frage, ob er jemals eine dienstliche Belobigung oder irgendetwas dieser Art erfahren habe: klares Nein!!
Ich hoffe, dieser Bericht wird das ändern.
Lothar Götz
Meine Freundin Annabell Ortmann (14) und ich (Saskia Kollmer, 14) wollten eine Freundin in Rheine besuchen. Wir hatten uns für die Ferien ein Schülerferienticket für Niedersachsen geholt und konnten damit nach Rheine fahren. Als wir wieder von Rheine nach Hause wollten und wir in Osnabrück umsteigen mussten, dachten wir uns, da es noch nicht so spät war gehen wir noch in die Stadt.
Nach zwei Stunden wollten wir dann in den nächsten Zug nach Essen (Oldenburg) einsteigen. Also beeilten wir uns, um den Zug zu bekommen. Uns kam es schon komisch vor, dass der Zug eine halbe Stunde Verspätung hatte und meine Mutter rief mich schon an, wo wir bleiben. Als der Zug dann endlich gekommen war und wir einstiegen, mussten wir getrennt sitzen, da der Zug sehr voll war und nirgends zwei Plätze frei waren. Als der Zug losgefahren war, hörten wir beide Musik mit unserem Headset und hörten somit anfangs nicht, was in den Durchsagen kam. Irgendwann kam uns das alles komisch vor, und Annabell machte die Musik aus, um die nächste Durchsage zu hören. Plötzlich drehte sie sich zu mir und sagte mir, dass wir gerade durch Münster gefahren sind. Uns wurde klar dass wir nicht im Zug nach Essen (Oldenburg), sondern im Zug nach Essen (Ruhe) (Zugnummer 2311) waren. Wir überlegten, was wir jetzt machen können und hatten Angst, da wir ja jetzt schwarz fahren. Nach einer Zeit gingen wir dann los, um jemanden zu suchen, der uns helfen konnte. Wir kamen an dem Schaffner (Peter Gitzen) vorbei und erklärten ihm, was passiert ist. Er sah nach, wann der nächste Zug nach Osnabrück fährt und sagte, wir würden heute nicht mehr nach Hause kommen, da es mittlerweile schon sehr spät war. Wir waren total überfordert und wussten nicht, was wir nun machen sollten und weinten. Peter Gitzen beruhigte uns und machte uns einen Vorschlag: Entweder wir würden nun in Dortmund aussteigen und müssten uns dort dann sechs Stunden aufhalten oder wir könnten zur Polizei gehen oder wir würden mit ihm nach Hause fahren, und er würde seinen Sohn anrufen, damit er das Zelt aufbauen kann. Wir wollten mit ihm fahren, und er rief unsere Eltern an, um ihnen zu erklären, was passiert war. Diese waren sehr besorgt, aber stimmten dann zu.
Peter gab uns etwas zu trinken und zu essen und, wir setzten uns dann in einem Raum neben ihn, weil er noch nach Köln fahren musste. Dort stiegen wir dann mit ihm um in den Zug nach Aachen und von dort nach Eschweiler zu ihm nach Hause. Dort angekommen erzählte er uns, dass seine Tochter am nächsten Tag Geburtstag hätte. Sein Sohn hatte das Zelt schon für uns aufgestellt und Peter gab uns Zahnbürsten, damit wir uns noch die Zähne putzen konnten. Dann gingen wir schlafen.
Am nächsten Tag weckte Peter Annabell und mich. Wir stiegen zusammen mit Peter in den Zug nach Köln, wo er uns ein Brötchen und Tee spendierte. Danach brachte Peter uns zum Zug Richtung Osnabrück und erklärte seinen Kollegen, was los war und wir durften First Class fahren. Dort bekamen wir auch noch einen Snickers und etwas zu trinken. Als wir in Osnabrück angekommen sind, wartete dort ein Mann auf uns, der uns in der Zeit, wo wir auf den Zug nach Essen (Oldenburg) gewartet haben, betreut hat. Wir bekamen dort auch noch einen Tee und ein Brot. Der Mann brachte uns dann zu dem Gleis und wir fuhren endlich wieder nach Hause, wo uns unsere Eltern schon erwarteten.
Wir sind sehr froh, dass wir Peter Gitzen getroffen haben, denn ohne seine Hilfe wären wir nicht nach Hause gekommen. Er war um uns sehr bemüht und hat uns mit Essen und Trinken gut versorgt, ohne dass wir einen Cent bezahlen mussten. Außerdem hat er für uns extra eine Betreuungsperson organisiert. Auch wenn seine kleine Tochter am nächsten Tag Geburtstag hatte, hat er sich bereiterklärt, uns mit zu sich nach Hause zu nehmen und sich um uns gesorgt. Er ist ein sehr netter, hilfsbereiter, herzlicher Mensch.
Wir würden uns freuen, wenn er Eisenbahner mit Herz wird!
Saskia Kollmer, Annabell Ortmann
Wer den Passagier als Gast ansieht, dessen Gastfreundschaft endet nicht am Zugabteil.
Uns hat die Herzlichkeit und das private Engagement von Peter Gitzen fasziniert, der gestrandeten Reisenden in der Zeit bis zum Morgenzug aus der Patsche hilft. Ein solcher Zugbegleiter verfährt auch bei Ticket-Problemen nicht nach Schema F. Soviel Gastfreundschaft nach Dienstschluss und Freude an der Recherche sind selten.
Nürnberg Hauptbahnhof: Alexandra Gutsche-Trimis bringt ihre Freundin zum Bahnhof. Beim Winken rutscht ihr der Ehering vom Finger und landet unter dem Zug am Nebengleis.
Ein Anruf beim Ehemann bringt sie nicht weiter. In ihrer Not klopft die Frau bei den Lokführern des wartenden Regionalexpress. Der „netteste Lokführer der Welt“ steigt aus und kriecht für sie unter den Zug. Er wendet alle Steine, bis der Ring gefunden ist. Als die Kundin ihn voller Dankbarkeit fragt, was sie für ihn tun kann, hat er nur einen Wunsch: Ein Stück Seife.
Kurz bevor er die Tat vollbringt, die ihn zum Eisenbahner mit Herz macht, sitzt Oliver Vitze in seiner Lokomotive und isst eine Currywurst. Dieser Umstand passt ins Bild: Die entscheidenden Jahre seines Lebens hat der 41-Jährige nämlich in Berlin und Umgebung verbracht.
Geboren am Bahnhof von Neustrelitz erklettert er schon als kleiner Junge jede Lok, die in seiner Reichweite steht. Seine Vorliebe für die preußische T 18 oder die 78er Baureihe stammt aus frühkindlicher Prägung. Ein Bahnarzt am Berliner Ostbahnhof erklärt ihn im Wendejahr 1989 für tauglich, und Oliver Vitze steigt von nun an dienstlich in den Führerstand. Er arbeitet für den Fernverkehr im Ostbahnhof, dann in Berlin Wuhlheide, wechselt später nach Potsdam in den Rangierdienst. Als er hört, dass die Deutsche Bahn im baden-württembergischen Crailsheim Lokführer sucht, denkt Oliver Vitze, er könne doch auch „in den Westen gehen“. Er bewirbt sich und wird prompt genommen.
Mit dem Ländle hat der Exilberliner inzwischen seinen Frieden gemacht. Schließlich kommt er viel herum: etwa nach Stuttgart oder ins bayerische Nürnberg, wo er zum Fototermin für den „Eisenbahner mit Herz“ auch die attraktive junge Frau wiedertrifft, deren verschwundenen Ehering er in einer dunklen Novembernacht aus dem Schotter geborgen hat. Alexandra Gutsche-Trimis ist von ihrem „nettesten Lokführer“ auch bei Tageslicht sichtlich angetan und verspricht, zur Siegesfeier am 13. April nach Berlin zu reisen. Oliver Vitze wird sich ebenfalls auf den Weg machen - er kommt schließlich nach Hause.
Oliver Vitze über Eheringe als Symbol der Liebe, die Einsamkeit auf der Lok und die Trauer nach einem Personenschaden.
Herr Vitze, an einem dunklen Vorweihnachtsabend haben Sie im Dienst eine Herzensangelegenheit glücklich gelöst. Was ist geschehen?
Ich war mit meinem Azubi auf der Lokomotive, und wir haben eine Currywurst gegessen. Ich war gerade fertig, da klopft es an der Tür. Eine junge Frau steht draußen. Sie war ziemlich aufgelöst und sagte, sie hätte ihren Ehering verloren. Er sei unter den Zug gerollt. Was man denn jetzt tun könnte. Ich sagte: „Wir suchen ihn. Die Option besteht.“ Dann habe ich mir meine Warnweste gegriffen und die Lampe, und dann sind wir auf den Bahnsteig rausgegangen.
Wie lange haben Sie gesucht?
Das war nicht ganz einfach. Sie hatte sich zwar die Stelle gemerkt, wo der Ring ins Gleis gerollt ist, aber wir haben mit ihrem Handy und meiner Lampe unter den Zug geleuchtet und es war nichts zu sehen. Also bin ich unter den Zug gekrochen, habe alles abgeleuchtet. Außer Grünzeug,, Müll, Kronkorken und Bierdeckeln war nichts zu entdecken. Als dann klar war, dass es eine längere Operation werden würde, habe ich mich auf die Schienen gesetzt und Stein für Stein umgedreht. Irgendwann konnte ich ihr zum Glück zurufen: „Ich hab’ ihn.“ Als ich wieder auftauchte, hat sie sich unglaublich gefreut. Obwohl ich aussah wie ein Müllmann.
Haben Sie Ihrer Frau von dem Erlebnis unter dem Zug erzählt?
Ja, noch am selben Abend. Ich kam nach Hause und sagte: „Ich habe heute einer jungen Frau die Ehe gerettet.“ Da hatte ich auch gleich eine Erklärung, warum ich so schmutzig war. Meine Frau hat sich über die Geschichte so gefreut, dass wir ein Glas Sekt getrunken haben.
Wenn Sie so hilfsbereit sind, klopft es sicher öfter mal an Ihrer Lok?
Ja, ich helfe gern. Meistens geht es natürlich nicht um einen Ehering, sondern um Menschen, die auf dem Bahnsteig keinen Ansprechpartner finden. Die kommen dann zu uns nach vorne und klopfen. Wir sind ja immer da. Meistens wollen sie dann nur irgendeinen Anschluss wissen oder brauchen Hilfe beim Tragen eines Kinderwagens.
Haben Sie vor allem nette Erlebnisse oder gibt es auch schwierige Seiten in Ihrem Beruf?
Ja, die gibt es. Vor einem Jahr hatte ich einen „Personenunfall“. Meine Lok hatte 100 Sachen, und da sehe ich vor mir etwas auf dem Gleis. Es war zu spät, um zu bremsen. Diesen Augenblick werde ich nicht vergessen: wie ich merke, dass ich keine Chance habe zu bremsen.
Hat Sie das verfolgt?
Ja, wenn mal schlechtes Wetter ist und das rote Signal immer näher kommt, dann schießt es mir wieder in den Kopf. Aber Alpträume oder Schweißausbrüche erlebe ich nicht mehr. Eine Bahnpsychologin in Stuttgart hat mit mir darüber gesprochen, ich kann jetzt damit umgehen.
Ihren Beruf wollten Sie deshalb nicht aufgeben?
Nein. Es war immer schon klar, dass ich Lokführer werden würde. Etwas anderes hat es für mich nie gegeben.
Wie kann das sein?
Das Haus in Neustrelitz, in dem ich aufgewachsen bin, lag direkt am Bahnhof. Ich konnte kaum laufen, da saß ich schon auf der Dampflok. Damals haben mich die Aufsichtsbeamten noch rausgeholt und wieder nach Hause verfrachtet. Mir war aber klar: Da will ich hin.
Sie sind also ein Eisenbahner mit Herz?
Ganz klar: Es ist einfach schön, auf Schienen zu fahren. Aber mein Herz gehört den Dampf- und Dieselloks. Da sieht und hört man die Kraft.
Am 25.11.2011 habe ich meine Freundin zum Bahnsteig 19 im Nürnberger Hauptbahnhof begleitet. Wir waren gemeinsam bei der Eröffnung des Nürnberger Christkindlesmarktes.
Sie stieg in den RE um 19:40 Uhr und fuhr zurück nach Regenstauf. Ich habe ihr nachgewunken und plötzlich löste sich mein Ehering und hüpfte von meinem Finger über den Bahnsteig und rollte unter den gegenüberstehenden Zug. Diese RE 19928 hatte noch fast 45 Minuten Zeit bis zur Abfahrt nach Stuttgart um 20:35 Uhr. Ich habe mit dem Handy unter den Zug geleuchtet, aber erfolglos. Dann habe ich meinen Mann angerufen und gebeten zu kommen und suchen zu helfen, wenn der Zug abgefahren ist.
Da weit und breit kein Bahnpersonal zu sehen war und ich die Sache besprechen wollte, habe ich beim Lokführer an die Türe geklopft. Ein junger Mann öffnete das Fenster und fragte mich, was los sein. Der 2. Mann in der Lok kam aus der Türe, und ich sollte ihm die Stelle zeigen, wo der Ring auf die Schienen gefallen ist. Er kletterte mit Taschenlampe unter den Zug und suchte. Leider nichts zu finden.
Dann hob er Stein für Stein zur Seite und suchte intensiv. Nach einiger Zeit fand der netteste Lokführer der Welt meinen Ehering zwischen Müll, Dreck und Kronkorken. Ich war so glücklich und konnte mich vor Aufregung gar nicht richtig bedanken. Sein einziger Wunsch war - "ein Stück Seife" zum Händewaschen.
Alexandra Gutsche-Trimis,
Nürnberg, Bayern
Wer im Reisenden den Menschen sieht, der klettert für Fahrgäste auch unter den Zug und sucht den verlorenen Ehering.
Uns hat beeindruckt, wie der Lokführer sich nicht zu schade war, im Schotter und Schmutz nach dem Ring zu suchen. Soviel hilfsbereite Ritterlichkeit ist selten.
Auf der Fahrt von Tegernsee nach München leidet Marianne Meißner plötzlich unter Bauchweh und Übelkeit. Als sie an der Tür steht, um Luft zu schöpfen, wird BOB-Zugbegleiterin Alexandra Schertler aufmerksam.
Sie bringt die Frau in die erste Klasse, sorgt dafür, dass sie sich hinlegen kann. Während der Fahrt sieht sie mehrfach nach der Kranken. Die Kundin ist „sehr begeistert“ und hätte eine solche Fürsorglichkeit bei der Bahn niemals erwartet.
Es muss schon hart auf hart kommen, damit BOB-Zugbegleiterin Alexandra Schertler die Geduld verliert. Als sie auf der Fahrt nach München auf zwei Russen trifft, die ohne Fahrkarte und mit den Füßen auf den Sitzen nach eigenem Bekunden zum „Ficken nach Deutschland“ fahren, sagt sie nur ein Wort: „Raus!“.
Auch andere Fahrgäste tanzen ihr nicht so leicht auf der Nase herum: In ihren Schülerzügen herrscht kein Saustall und überhaupt kann sich die 40-Jährige gut durchsetzen. Dass sie einen Geisteskranken, der sie mit einem Nagel abstechen will, im fahrenden Zug mit Kampfsporttechnik unschädlich macht, glaubt jeder, der den festen Händedruck der gelernten Zahnarzthelferin erlebt hat.
Genauso zupackend ist Alexandra Schertler, wenn ihre Fahrgäste Hilfe brauchen. Zwei Mädels, die zum Skifahren in die Berge wollen, aber ein Ticket haben, das erst ab neun Uhr gilt: Eine Notiz auf der Fahrkarte, und die beiden fahren mit. Ein kleiner Junge, dem ein Euro Fahrgeld fehlt: die Zugbegleiterin zückt ihr eigenes Portemonnaie und begleicht den Rest.
Dass trotz der vielen großen und kleinen Abenteuer die Welt von Alexandra Schertler noch in Ordnung ist, betont sie in schönstem Bayerisch. Mit einem Bergpanorama vor dem Küchenfenster in ihrem Haus in Tegernsee geht der Tag los, auf ihrer Strecke Tegernsee -München kennt sie alle ihre Fahrgäste mit Namen. Und die Kollegen? In der BOB-Familie ist Alexandra Schertler nur „die Alex“ - eine echte Eisenbahnerin mit Herz eben.
BOB-Zugbegleiterin Alexandra Schertler über Kampfsport im fahrenden Zug, einen kleinen Jungen mit zu wenig Fahrgeld und ihren zahnmedizinischen Blick auf die Welt
Sie sind Eisenbahnerin mit Herz geworden, weil Sie einen Blick für Menschen haben. Wie war das mit der Reisenden, der in der BOB schlecht geworden ist?
Ich habe den Zug in Holzkirchen abgefertigt. Da sah ich die Reisende japsend in der Tür stehen. Es war keine große Kunst zu bemerken, dass es ihr schlecht ging. Sie war nämlich eher grün als weiß im Gesicht. Ich fragte sie, ob ich einen Arzt und den Krankenwagen rufen solle, aber das wollte sie nicht. Sie war mit drei Freunden unterwegs und setzte sich wieder zu ihrer Gruppe zurück. Aber ich habe gesehen, dass es nicht ging. Sie brauchte einfach Ruhe. Also habe ich sie in die erste Klasse gebracht, habe ihr die Füße hochgelegt, die Schuhe ausgezogen, die Jacke unter den Kopf gelegt, etwas zu trinken besorgt und immer wieder nach ihr gesehen.
Gleich hinter der ersten Klasse fuhr an diesem Tag ein Junggesellenabschied mit, die grölten und waren laut. Ich bin hingegangen, habe gesagt, „jetzt ist Ruhe, der Dame geht’s nicht gut“, da war es im selben Augenblick mucksmäuschenstill. Als wir in München ankamen, ging es ihr allerdings nicht besser. Sie zitterte und war in keiner guten Verfassung. Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir dann einen Arzt gerufen hätten, aber ihre Freunde versprachen, sie zu begleiten und die Nacht bei ihr zu bleiben.
Die Kundin schreibt von Ihrer „extremen Fürsorglichkeit“, die sie überrascht hätte. Sehen Sie das auch so?
Eigentlich habe ich nur das gemacht, was selbstverständlich war. Was jeder Zugbegleiter oder sogar jeder Fahrgast auch hätte tun müssen. Es gibt einfach diese Situationen, da überlege ich nicht lange. Da handele ich einfach.
Aber irgendeine Handlung reicht nicht, es muss schon die richtige sein.
Wahrscheinlich hilft mir dabei mein früherer Beruf. Ich bin eigentlich gelernte Zahnarzthelferin und in den 23 Jahren in der Praxis hatte ich viele Patienten, die im Stuhl das Bewusstsein verloren haben. Angstpatienten, die saßen da und auf einmal rutschten sie weg.
Sie sehen also den Patienten im Fahrgast?
Das kann man schon so sagen. Dieser Blick bleibt. Aber besonders gut schaue ich bei Zähnen hin. Meine beiden Töchter haben mit 18 und 15 Jahren noch kein einziges Loch in ihrem Gebiss.
Dieser Wettbewerb passt wunderbar für meine Geschichte, welche ich am vergangenen Wochenende erlebt habe. Ich fuhr am Samstag, 28.01. mit der Bob (18.57 Uhr) mit Freunden von Tegernsee Richtung München Hbf. Auf der Fahrt klagte ich plötzlich über Bauchschmerzen und Übelkeit.
Bei einem Zwischenhalt (leider weiß den Bahnhof nicht mehr) ging ich zur Tür um frische Luft zu tanken und dann war auch schon Ihre Mitarbeiterin, Frau Alexandra Schertler bei mir. Sie erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und fragte, ob Sie mir behilflich sein könne. Sie begleitete mich kurz zu meinem Platz, um mich dann in die erste Klasse des Zuges zu bringen, damit ich meine Ruhe habe und meine Füße hochlegen kann. Frau Schertler war sehr, sehr fürsorglich und half mir sogar beim Schuhe ausziehen. Während dem Rest der Fahrt schaute sie noch zweimal nach mir und war sofort zur Stelle, als wir München erreichten. Sie half mir beim Schuhe anziehen und begleitete mich zur Tür. Dort fragte sie meine Freunde, ob mich denn jemand heim begleiten würde, was bejaht wurde. Erst dann war Frau Schertler wirklich beruhigt.
Ich möchte sagen, dass ich ein so dermaßen freundliches und fürsorgliches Verhalten von Bahnangestellten niemals erwartet hätte und wirklich sehr begeistert bin, dass Ihre Mitarbeiter sich so toll um Fahrgäste kümmern. Das Verhalten von Frau Schertler war einfach nur super positiv.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen weiteren Kollegen an dem Bahnsteig, wo ich frische Luft tankte, erwähnen. Leider ist mir der Name nicht bekannt. Er fragte, ebenfalls sehr besorgt, ob ich einen Arzt benötige, oder ob die Fahrt fortgesetzt werden kann. Vielleicht erinnert sich ja Frau Schertler noch?! Ich bitte Sie freundlich, meine Nachricht an Frau Schertler weiterzugeben.
Marianne Meißner,
München, Bayern
Wer im Kunden den Menschen sieht, leidet mit. Uns hat imponiert, wie die BOB-Zugbegleiterin sich geradezu mütterlich um die gesundheitlich angeschlagene Passagierin gekümmert hat. Soviel Einfühlungsvermögen gepaart mit medizinischem Sachverstand ist selten.
Die Südostbayernbahn (SOB) leiht ihren Zugbegleiter Yalcin Özcan an das Schwesterunternehmen in Hessen aus. Dort gerät der damals 23-Jährige an einen gewaltbereiten Schwarzfahrer.
Der betrunkene Mann bedroht die Fahrgäste, aber Özcan stellt sich ihm in den Weg. Die Reisenden verlassen den Waggon und bringen sich beim Lokführer in Sicherheit. Voller Wut zieht der Randalierer eine Waffe, doch es gelingt Özcan, ihn in einem Abteil einzusperren. In Ehringen (bei Kassel) nimmt die Polizei den Mann fest. Einsender Alfred Honisch ist überzeugt: Yalcin Özcan ist ein "Eisenbahner mit Herz". Der Mann muss es wissen: er unterrichtet schließlich Bahn-Azubis.
Yalcin Özcan hat das Zeug zum Vorzeigemitarbeiter mit Migrationshintergrund: Die Uniform von DB Regio kleidet ihn vorzüglich, sein Deutsch ist so fließend wie sein Türkisch. Er ist so gut integriert, dass ihn Landsleute schon mal fragen: „Wenn du auf dem Zug auf einen Türken ohne Fahrkarte triffst, drückst du dann ein Auge zu?“
Da schüttelt der 25-jährige SOB-Zugbegleiter den Kopf: „Ohne Fahrkarte geht bei mir nichts.“ Dieselbe Festigkeit brachte ihn im Sommer 2010 in eine sehr gefährliche Situation, als ein Schwarzfahrer im hessischen Kassel eine Waffe zog. Der junge Mann konnte seine Fahrgäste in Sicherheit bringen und den Bewaffneten in ein Abteil einsperren. Trotzdem will er dafür nicht „Held“ oder „Retter“ genannt werden. „Ich bin immer noch derselbe Yalcin.“
Fahrgäste, die demnächst auf der Strecke von München ins oberbayerische Mühldorf am Inn fahren, sollten aber genauer hinsehen, bevor sie den „Eisenbahner mit Herz“ begrüßen. Auf derselben Strecke fährt nämlich auch Özcans Zwillingsbruder, die Beinahe-Schießerei fast zeitgleich mitbekommen hat.
„Bei der SOB sind ganze Familien beschäftigt“, erzählt Yalcin Özcan, da passen die türkischstämmigen Zwillingsbrüder gut ins Konzept. Erstaunlicherweise war es der Vater, der mit elf Jahren nach Deutschland kam und 31 Jahre lang für BMW gearbeitet hat, der seine Söhne für die Bahn begeistert hat. Von Autos will der gelernte Kfz-Mechaniker Özcan seitdem nichts mehr wissen. „Den ganzen Tag in der Fabrik stehen? Nein, lieber auf dem Zug arbeiten. An Bord gibt’s das volle Leben.“
SOB-Zugbegleiter Yalcin Özcan über Todesangst, Heldentum und den Unterschied zwischen hessischen und bayerischen Schwarzfahrern
Nach allem, was Ihnen passiert ist, mögen Sie Ihren Job noch?
Ja. Ich liebe meinen Beruf. Trotzdem gibt es Tage, da bin ich abends froh, wenn ich ohne Zwischenfall nach Hause komme. Zugbegleiter ist manchmal schon ein gefährlicher Beruf. Das liegt daran, dass sich an Bord die ganze Gesellschaft widerspiegelt. Bei uns fahren Ärzte und Polizisten mit, aber Drogendealer und Verrückte können eben auch einsteigen. Der entscheidende Moment ist die Fahrkartenkontrolle. Wenn wir jemanden kontrollieren, wissen wir nie, was dahintersteckt.
So war es auch, als Sie in Kassel für die Kurhessenbahn unterwegs waren?
Genau. Von einer Sekunde auf die andere hatte ich eine Waffe vor meiner Nase.
Können Sie das mal genauer schildern?
Das war im Juni 2010. Ich war gerade erst in den Zug eingestiegen und dieser Mann war die erste Person, die ich kontrollieren wollte. Als er mich sah, stand er auf. Da dachte ich schon: „Hier ist was faul. Ein normaler Fahrgast steht nicht einfach so auf.“ In der Hand hielt er eine Bierflasche. Ich bin aber trotzdem hingegangen und habe nach seinem Fahrschein gefragt. Er hatte keinen. Die Fahrt hätte 8,80 Euro gekostet, aber ich musste ihn nun aufschreiben. „Ich geb’ dir zehn Euro, der Rest ist für dich“, sagte er, aber ich erklärte ihm, dass das so einfach nicht ginge. Er solle mir seinen Ausweis geben, dann würde ich seine Daten notieren. Da fing er an, laut herumzuschreien, „Scheiß Bahn“ und was ich wohl tun würde, wenn er mich jetzt angreifen würde. Im Waggon waren auch einige ältere Damen und Kinder, die bereits voller Angst zu uns rüber schauten. Er gab mir dann trotzdem seinen Ausweis, und ich dachte gerade, „das haben wir ja jetzt abgehakt“, da zog er unter seinem T-Shirt eine Waffe hervor. Er fuchtelte damit Richtung Fahrgäste und schrie: „Ich schieß’ euch alle ab. Ich bring’ euch alle um.“
Was haben Sie da getan?
Ehrlich gesagt: ich wusste nicht, was ich tun sollte. Weglaufen? Dableiben? Mit ihm reden? Er war offensichtlich betrunken und jedes Wort von mir reizte ihn mehr. Ich sah auch, dass die erste Dame schon anfing zu weinen. Als ich das gesehen habe, dachte ich: „Entweder hop oder top“. Ich rief in den Waggon: „Alle nach vorne zum Lokführer laufen. Bitte sofort den Wagen verlassen.“ Die Fahrgäste standen auf und verließen den Wagen. Dann war ich ganz allein mit ihm.
Wollten Sie nicht auch weglaufen?
Doch. Nachdem alles um uns leer war, versuchte ich ebenfalls, den Wagen zu verlassen. Aber als er das sah, stellte er seine Waffe scharf. „Jetzt bringe ich dich um“, sagte er, und ich wusste, es nützt nichts. Mit ihm zu diskutieren, hat keinen Sinn, weil er betrunken ist und nicht weiß, was er tut. Also habe ich kein Wort gesagt und gewartet, was passiert.
Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?
Mir ist mein ganzes Leben vor den Augen vorbeigezogen. Was macht meine Mutter? Meine Freundin. Was wird mein Bruder denken? Der arbeitete nämlich gerade als Zugbegleiter auf demselben Zug in der Gegenrichtung. Was würde er sagen, wenn er mich nie wieder sähe? Innerlich war mir klar: „Es ist Feierabend.“ Der Mann hörte inzwischen nicht auf zu schreien, zu drohen und zu schimpfen. Trotzdem behielt ich ihn genau im Auge. Als er für einen Augenblick die Waffe von mir wegnahm und sie sich vor den Bauch hielt, dachte ich: „Ich muss was riskieren. Entweder klappt es oder nicht.“ Ich schubste ihn mit voller Wucht in eine Ecke. Dann lief ich zum Lokführer, holte einen Vierkantschlüssel, lief zurück und schloss die Tür des hinteren Waggons zu. Als er merkte, dass er eingesperrt war, trat er gegen Mülltonnen und versuchte die Scheiben zu zerschlagen. Durch das Fenster nahm er wieder mich und die Fahrgäste ins Visier. Ich rief: „Alle aus seinem Blickfeld“ und wieder gehorchten die Reisenden und brachten sich in Sicherheit.
Aber Sie hatten es doch geschafft?
Ja, es war vorbei. An der nächsten Haltestelle stiegen Polizisten zu, die teils mit Motorrädern angefahren gekommen waren. Sie forderten den Mann über Lautsprecher auf, die Waffe wegzuwerfen, er hätte keine Chance. Zu den Reisenden habe ich gesagt: Keiner steigt einfach aus, bevor die Polizei kommt. Erst als die Lage völlig unter Kontrolle war, haben wir gemeinsam den Zug verlassen. Ich war sehr erleichtert und dachte immer wieder: „Was war das denn jetzt?“
Was haben Sie als erstes getan?
Ich habe mich auf den Bahnsteig gesetzt und meine Mutter angerufen. „Wie geht’s dir denn?“, habe ich gefragt und sie meinte: „Was ist denn los, ist was passiert?“ „Ach, nichts“, habe ich gesagt. Mein Bruder wusste aber schon Bescheid. Die Polizei hatte ihn unterrichtet, und er war im Streifenwagen auf dem Weg zu mir. Die Reisenden kamen auf mich zu und haben mich voller Dankbarkeit umarmt. „Sie haben unser Leben gerettet.“ Das alles kam mir alles sehr unwirklich vor.
Warum waren Sie und Ihr Bruder überhaupt in Hessen im Einsatz?
Die Kurhessenbahn ist eine Schwester der Südostbayernbahn. Und weil man auf der Strecke bei Kassel ein großes Problem mit Schwarzfahrern hatte, aber zu wenig Personal an Bord, sind wir für drei Monate dorthin gewechselt. Fast wäre auch alles glatt gegangen, obwohl ich unsere Schwarzfahrer aus Bayern vermisst habe. Die sind, trotz Oktoberfest und Randale, im Ganzen viel ruhiger und gesitteter als die in Kassel. An unserem vorletzten Tag in Hessen ist dann dieser Zwischenfall passiert. Die Abschiedsparty fiel natürlich flach. Ich kam ins Krankenhaus, war einige Zeit krankgeschrieben. Und die Chefs der SOB haben mich erst wieder eingesetzt, als ich fit war. Zuerst sollte ich nur mit Begleitung auf den Zug gehen.
Hat Sie die Erinnerung verfolgt?
Mein Bruder hat sich gewundert: Weil ich mich ständig umgeschaut habe, ob hinter mir einer mit der Waffe steht. Das ist schon was hängen geblieben. Als ich kürzlich im Lumpi (Anm. der Red.: So heißt der letzte Zug von München nach Mühldorf) wieder an eine Schwarzfahrerin geraten bin, die sich auf dem Klo eingesperrt hatte, da hatte ich so eine Rückblende: Die Tür war zu, ich klopfte und dachte: „Was passiert wohl gerade hinter dieser Tür.“
Gelten Sie bei Ihren Kollegen als Held?
Nein, eher machen die sich Sorgen um mich und fragen: „Geht’s dir auch gut?“ Auch für mich selbst bin ich immer noch derselbe Yalcin wie vorher. Wahrscheinlich hätte jeder so gehandelt. Deshalb war ich auch sehr überrascht, als mich die Münchner Berufsschulklasse für den „Eisenbahner mit Herz“ nominiert hat.
Und jetzt haben Sie sogar einen Titel gewonnen.
Das freut mich sehr. Weil es mir großen Spaß macht, Zugbegleiter zu sein. Schauen Sie mal, wer in der Fabrik oder im Büro arbeitet, der kriegt vom ganzen Tag nichts mit. Auf dem Zug haben Sie alles: Schnee, Regen, Sonne, Sommer, Stadt, Land, nette Fahrgäste, schlimme Fahrgäste, das volle Leben.
Wer ein Herz für Fahrgäste hat, der schützt sie auch bei Gefahr. Uns hat beeindruckt, wie der Zugbegleiter der Kurhessenbahn den bewaffneten Aggressor isoliert und die Reisenden in Sicherheit gebracht hat. Soviel Mut ist selten.
Strahlende Gesichter bei der Preisverleihung im prächtigen Marmorsaal des Berliner Palais am Festungsgraben: Bahnbranche und Presse feierten am Freitag, den 13. April 2012 die "glorreichen Vier" des Wettbewerbs Eisenbahner mit Herz 2012.
Zwei Zugbegleiter und ein Lokführer holten sich den Titel „Eisenbahner mit Herz“ im Jahr 2011. Die Goldmedaille für einen herausragenden Dienst am Kunden erhielt der langjährige DB-Regio Zugbegleiter Jonni Käsehage (53) für seine beherzte Detektivarbeit. Die Silbermedaille ging an den Lokführer Nico Hilsberg aus München. Ebenfalls Silber gewann die Interconnex-Zugbegleiterin Claudia Möller (30) aus Rostock.
Einen Tag vor Weihnachten bleibt im Regionalexpress Osnabrück-Bremerhaven ein Laptop im Zug liegen: Der Zugchef Jonni Käsehage findet das Gerät und recherchiert mit Hilfe eines beiliegenden Tickets die Besitzerin.
Die Kundin ist über den Verlust ihres Firmen-Laptops in Tränen aufgelöst. Doch dann kommt der erlösende Anruf: Es ist „das schönste Weihnachtsgeschenk“, sagt die junge Frau. Die alte Fahrkarte nimmt sie seitdem als Glücksbringer mit auf jede Reise.
Schon bei seiner Geburt war Jonni Käsehage überpünktlich. Im siebten Monat stolperte seine Mutter im norddeutschen Bramstedt über einen Hühnerdraht und brachte kurz darauf einen gesunden Jungen zur Welt.
Auch 53 Jahre später ist der Mann mit dem friesischen Vornamen Jonni gern zur rechten Zeit am rechten Ort. Wenn sich die Fahrgäste im RE Osnabrück – Bremerhaven mal wieder über Verspätungen ärgern, dann ärgert sich der Zugbegleiter mit ihnen. Viele der Fahrgäste kennt er sowieso mit Namen. Sie fahren seit Jahren seine Strecke und sitzen immer auf demselben Platz. „Wir sind zusammen alt geworden“, sagt Käsehage, der seit April 1974 bei der Deutschen Bahn arbeitet und 1987 vom Stellwerksdienst in den Zugbegleitdienst wechselte.
Zunächst wollte er im Fernverkehr anheuern, doch dann sah er die Dienstpläne. „Jede Nacht woanders, das ist nichts für einen aus‘m Dorf.“ Für die kleinen und großen Missgeschicke auf Reisen hat Käsehange noch immer eine Lösung gefunden. „Ich kenne keine Probleme, ich bin verheiratet“, sagt er gern: Ob es ein allein reisendes Baby mit voller Windel ist oder eine Frau, deren Hose auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch platzt, Käsehage packt an und schafft das Kümmernis aus der Welt.
So auch Heilig Abend, als er solange recherchierte, bis er die völlig verzweifelte Besitzerin eines im Zug liegengebliebenen Laptops ausfindig gemacht hatte. Für ihr „schönstes Weihnachtsgeschenk“ bedankte sich die junge Frau auf ihre Weise: „Jonni Käsehage ist mein Eisenbahner mit Herz.“ Genauso sah es dann auch die Jury der Allianz pro Schiene.
Jonni Käsehage über Traumberufe, Dramen im Zug und Fahrgäste, die ihren Schaffner verteidigen.
Herr Käsehage, ganz Deutschland hat im Dezember über das Winterchaos bei der Bahn geklagt. Was ist derweil im Regionalexpress Osnabrück - Bremerhaven geschehen?
Es war ein Tag vor Heilig Abend. Ich hatte Spätdienst und bin mit dem Zug von Osnabrück nach Bremerhaven-Lehe gefahren. Da ist Endstation. Wie immer ging ich noch einmal durch den leeren Zug, um zu sehen, ob es grobe Verunreinigungen oder Beschädigungen gab. Plötzlich fand ich einen kleinen Koffer. Ich schaute rein und sah, dass er einen Laptop enthielt. Weil ich Dienstschluss hatte und den Koffer auf der Dienststelle nicht lassen konnte, nahm ich ihn mit nach Hause. Sicherheitshalber rief ich bei der 3-S-Zentrale in Bremen an und bat den Kollegen, meinen Fund ins Dienstbuch einzutragen. Unterschlagung von Fundsachen, der Eindruck soll schließlich auch nicht aufkommen. Ich sagte: „Ich nehme das Ding jetzt mit nach Hause und bringe es zum Service Point in Bremen, wenn ich am 2. Weihnachtstag wieder Dienst habe.“ Dieselbe Nachricht habe ich auch noch mal bei meiner Leitstelle hinterlassen, schließlich war das ein sehr wertvolles Gerät. Ich stellte den Koffer dann bei mir zu Hause in den Flur.
Aber da haben Sie ihn nicht einfach stehen lassen?
Nein, dazu war ich zu neugierig. Am nächsten Morgen, es war Heilig Abend, hatte ich Zeit. Schließlich hatte ich keinen Dienst. Ich machte den Koffer auf und fand darin in einer Seitentasche versteckt ein altes Online Ticket. Es war auf den Namen Sarah Lips ausgestellt. „Den Namen kennst du doch“, dachte ich mir. Ein alter Zugführerkollege aus dem Fernverkehr heißt Lips und wohnt in Bremerhaven. „Ruf’ den doch mal an.“ Gesagt getan, er war gleich dran. „Die Dame kenne ich“, sagte er. „Das ist eine Verwandte von mir. Ich gebe dir sofort die Telefonnummer.“ Kurze Zeit später hatte ich die Mutter am Apparat.
„Hier ist die Deutsche Bahn, Zugführer Käsehage. Vermissen Sie vielleicht etwas aus dem Zug?“, fragte ich sie. „Ja“, sagte sie. „Wir haben einen ganz schlechten Tag gehabt. Meine Tochter vermisst ihr Arbeitslaptop. Da sind alle wichtigen Daten drauf, alle Zugangsdaten zur Firma. Sie hat auf der Arbeit auch schon richtig Ärger bekommen.“
„Ich kann Ihnen mitteilen, dass ich das Gerät gefunden habe. Es liegt jetzt hier vor mir. Sie können es bei mir direkt abholen. Oder sie bekommen es am zweiten Weihnachtstag in Bremen.“ So geschah es dann auch. Zwei Tage später hatte die Kundin ihr Laptop wieder.
Sie haben ihr aber auch noch einen kleinen Brief dazu geschrieben.
Das mache ich immer so. Ich will, dass die Leute dann auch einen Ansprechpartner haben. Ich habe einfach die ganze Geschichte aus meiner Sicht aufgeschrieben und ihr den Zettel in den Koffer getan.
Wenn Sie die negativen Schlagzeilen über die Bahn in der Zeitung lesen - Eischaos im Winter, Hitzekollaps im Sommer - was denken Sie dann?
Ich finde das schon ein wenig ärgerlich. Schließlich zahlen die Leute viel Geld für ihre Fahrkarte. Und auch für uns Zugführer ist es netter, wenn alles reibungslos läuft. Umso mehr freut es mich, dass meine ganz persönliche Wintergeschichte eine andere ist.
Wir riefen den Bundesgrenzschutz an und organisierten die Übergabe. „Habt ihr weibliches Personal vor Ort?“ Nein, hatten sie nicht. „Habt ihr Pampers? Das Baby quillt nämlich gerade über.“ Da war das Gelächter groß. Die Eltern hatten sich in der Zwischenzeit auch schon bei der Polizei gemeldet und kamen mit den nächsten Zug hinterher.
Passieren solche außergewöhnlichen Szenen oft?
Nein, nicht jeden Tag. Aber auch bei den kleinen Dramen ist Fingerspitzengefühl wichtig. Wir hatten einmal eine Kundin im Zug, die fuhr zu einem Bewerbungsgespräch. Ihre Hose war im Schritt geplatzt. Was tun? Sie war ganz aufgelöst. Ein Kollege rief schnell seine Frau an, die kam mit Nadel und Faden zum nächsten Bahnhof und die Kundin konnte dann ganz in Ruhe auf dem Klo ihre Hose wieder zusammenflicken. Als Zugbegleiter muss man schon im Vorfeld erkennen, was der Mensch von einem will. Wenn man dann noch aus der Seele raus, aus dem Bauch und mit Herz arbeitet, dann kommt man ganz prima klar.
Wie erleben Sie das Image Ihres Berufes?
Das ist eine seltsame Sache: Solange es reibungslos läuft, ist alles wunderbar. Aber wenn es mal zwei drei Minuten Verspätung gibt, dann wandelt sich das. Im Nu bist du der Prellbock für die gesamte Bahn. „Schon wieder“, heißt es dann. Trotzdem kommt es auch vor, dass mich andere Fahrgäste gegen solche Angriffe verteidigen.
Wie geht das?
Sie müssen sehen, dass wir hier im Nahverkehr fahren. Wir bringen morgens die Menschen zur Arbeit und abends bringen wir sie zurück. Viele erzählen uns, was sie den Tag über erlebt haben, wir bleiben stehen und klönen ein bisschen. Wenn wir dann Ärger im Zug haben, kommt es durchaus vor, dass unsere Stammfahrgäste aufstehen und sagen: „Lassen Sie diesen armen Schaffner zufrieden, der kann gar nichts dafür.“
Sie sagen gerade „Schaffner“. Wie nennen Sie Ihren Beruf?
Wir sind „Kundenbetreuer im Nahverkehr“, früher waren wir Schaffner. Ältere Herrschaften kennen noch den Kontrolleur. Ich habe diese Stufen alle mit durchgemacht.
Wollten Sie schon als kleiner Junge Zugbegleiter werden?
Nein. Mit sechs Jahren wollte ich noch Schornsteinfeger werden. Aber dann war mir das zu dreckig. Mit der Deutschen Bahn bin ich doch sehr gut gefahren.
Sie sind der erste Eisenbahner mit Herz. Wie gefällt Ihnen das?
Prima. Es hätte eigentlich keinen anderen treffen können.
Es war der 23.12.2010, mein Urlaub stand kurz bevor, und ich wollte zu Hause noch einige Sachen vorbereiten. Also beschloss ich meinen Firmen-Laptop mit nach Hause zu nehmen.
Ich stieg am Hauptbahnhof in Bremen in den Regional Express, der um 18:56 Uhr nach Bremerhaven-Lehe fährt. Wie es nun mal zur Weihnachtszeit ist, sind die Züge sehr voll, da alle zu ihren Familien reisen wollen. Natürlich mit viel Gepäck. Bevor ich mich zu einer Familie in einen vierer Platz setzte, haderte ich lange mit mir, ob ich meinen Laptop nun oben in die Ablage packen sollte oder nicht. Ich tat es, setzte mich und dachte die ganze Zeit: „Denk an den Laptop, denk an den Laptop“. Danach vertiefte ich mich in mein Buch.
Als der Regional Express in Bremerhaven ankam, schnappte ich mir nur meine Handtasche und meine Jacke, stieg aus und in die Nordseebahn ein. Dort traf ich dann eine Kollegin, die über Weihnachten zu ihrer Familie nach Cuxhaven wollte. Als ich dann in Wremen ausstieg und mein Auto aufschloss, dachte ich mir: „Komisch, irgendwas hast du noch mitgehabt. Was hatte ich bloß noch mit?“ Plötzlich schoss es mir durch den Kopf – mein Lap-Top!
Ich rief sofort meine Mutter an und sagte ihr, dass sie schon mal schnell das Internet an machen sollte, um eine Telefonnummer vom Bremerhavener Hauptbahnhof heraus zu bekommen und fuhr schnell nach Hause. Leider musste ich nach hektischer Nummernsuche und telefonieren feststellen, dass man die Bahnhöfe gar nicht direkt erreichen kann und der Kunden-Service in Bremerhaven zu der Zeit auch nicht mehr besetzt war.
Da ich weiß, dass der Zug, bevor dieser zurück nach Bremen fährt, erst mal in die Abstellung kommt, wollte ich mit der nächsten Nordseebahn zurück nach Bremerhaven fahren, um dort den Zug abzufangen. Aber der Zug nach Bremerhaven war schon weg. Zwischendurch habe ich am Telefon noch eine Verlustmeldung aufgegeben.
Ab diesem Zeitpunkt war mir klar: Den siehst du nie wieder! Als nächstes versuchte ich unter Tränen jemanden aus der Firma zu erreichen, um den Laptop sperren zu lassen. Mein Arbeitskollege versuchte, mich zu beruhigen und sagte, dass der Laptop bestimmt wieder auftaucht und abgegeben wird. Ich war völlig aufgelöst, denn für mich war klar: Der ist weg!
Nächsten Tag auf der Arbeit versuchte ich aus lauter Verzweiflung andauernd herauszufinden, ob sich bezüglich der Verlustmeldung schon etwas getan hatte – leider nicht. Ich war immer noch aufgelöst und hatte ein schlechtes Gewissen. Da es Heilig Abend war, haben wir vormittags in der Firma gefrühstückt. Es klingelte das Telefon und meine Kollegin gab mir den Hörer. Meine Mutter war dran und sagte, dass sie mir unbedingt jetzt schon erzählen müsste, was ich zu Weihnachten bekäme. Ich würde mich sehr freuen.
Ich stimmte zu und sie erzählte mir, dass gerade ein Zugführer (Herr Käsehage) bei uns zu Hause angerufen hat und meinen Laptop gefunden und mit nach Hause genommen hat. Dieser würde am zweiten Weihnachtstag wieder anfangen zu arbeiten und den in Bremen am Bahnhof für mich hinterlegen.
Mir fiel so ein großer Stein vom Herzen. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich war so erleichtert und sagte zu meiner Mutter, dass dies wirklich das beste Weihnachtsgeschenk sei und mir Herr Käsehage das Weihnachtsfest gerettet hat. Dann fragte ich mich, wie Herr Käsehage an meinen Namen und meine Telefonnummer gekommen ist. Meine Mutter erzählte mir, dass Herr Käsehage meinen Namen von einem alten Online-Ticket aus meiner Tasche hatte.
Er erzählte meiner Mutter, dass ihm der Nachnahme bekannt vorkam. Er konnte sich an einen ehemaligen Kollegen erinnern, der auch Lips heißt – mein Onkel. Über diesen hat Herr Käsehage dann meine Telefonnummer herausgefunden. Ich war total baff. Mein Laptop war in sicheren Händen und Herr Käsehage hatte sich so unglaublich viel Mühe gegeben herauszufinden, wem er gehört. Solch eine Mühe hätte sich nicht jeder gemacht. Das war auf keinen Fall selbstverständlich.
Für mich war auf jeden Fall klar, dass ich mich irgendwie bedanken wollte. Ich fand über eine Internet-Seite die Adresse von Herrn Käsehage und machte mich am 27.12.2010 auf den Weg nach Bremen, um meinen Laptop abzuholen und um auf dem Rückweg bei Herrn Käsehage vorbei zu fahren, um ihm eine Schachtel Pralinen zu bringen.
Leider war ich ganz umsonst aufgeregt, da Herr Käsehage nicht zu Hause war. Aber ich nahm mir vor, ihn nochmal anzurufen. Als ich gerade wieder zu Hause angekommen war, klingelte das Telefon. Herr Käsehage wollte sich für die Schachtel Pralinen bedanken. Kurze Zeit später schaute ich in meine Laptop-Tasche und fand einen Brief. Ich war sehr überrascht. Herr Käsehage hatte mir einen sehr netten Brief beigepackt. Dieser startete mit: „Wenn Sie diesen Brief in den Händen halten, ist eine lange Reise zu Ende“.
Sarah Lips, 22, Wremen (Niedersachsen)
Eigeninitiative ist im reglementierten Eisenbahnbetrieb oft nur begrenzt möglich. Doch das Regelwerk bremst nicht alle aus: Wer aus einem innerem Antrieb handelt, geht schon damit über die Dienstroutine hinaus.
Jonni Käsehage hat dieses innere Feuer für seinen Beruf. Es ist ihm nicht egal, was mit verlorenen Wertgegenständen „seiner“ Kunden passiert. Der 53-Jährige kümmert sich – auch jenseits der Dienstzeit im Regionalexpress.
Mit seiner in der Freizeit erledigten Recherche hat Jonni Käsehage einer Kundin auf schnellstmöglichem Wege ihren im Zug vergessenen Laptop zurückgebracht. Für die Allianz pro Schiene-Jury ist Jonni Käsehage ein engagierter Herzblut-Eisenbahner, der Kunden glücklich macht – unser „Eisenbahner mit Herz 2011“.
24.12.2010, Interconnex Berlin – Rostock: Auf der Fahrt am Heiligabend geht alles schief, was schief gehen kann.
Die Zugbegleiterin Claudia Möller rettet den Abend, obwohl die Fahrgäste im Zug mit Frust und Enttäuschung zu kämpfen haben. Als der Zug mit mehr als sechs Stunden Verspätung ins Ziel kommt, hat sie selbst ihr Weihnachtsfest verpasst.
„Also wenn Frau Möller nicht Eisenbahnerin mit Herz wird, dann weiß ich auch nicht“, hatte die Bahnkundin an die Allianz pro Schiene geschrieben. Die Gründe überzeugten die Jury: Erst auf einer Katastrophenfahrt zeigt ein guter Zugbegleiter, was wirklich in ihm steckt.
In Claudia Möller steckt jedenfalls eine Menge: Einen proppenvollen Zug mit über sechs Stunden Verspätung heil durch den Heiligen Abend zu bringen, das schafft nicht jeder. Aber auch an normalen Diensttagen führt die 30-jährige ihren Interconnex auf der Stammstrecke Leipzig – Warnemünde mit großer Gelassenheit und Umsicht.
Größere Missgeschicke oder Abenteuer sind der jungen Frau in ihren rund 10 Dienstjahren noch nicht begegnet, aber sie würde sich auch einer Geburt unterwegs gewachsen fühlen. „Zur Not wählen wir die 110.“ Nach einer Ausbildung bei der Deutschen Bahn kam Claudia Möller zur Ostseelandverkehr, die sie liebevoll „Ola“ nennt. Ihre Arbeit für den Bahn-Konkurrenten Veolia mag die geborene Rostockerin sehr: „Wir fahren immer im Team, mit mindestens zwei Zugbegleitern.“ Dass die Kunden Personal in den Zügen zu schätzen wissen, weiß Claudia Möller natürlich. Schließlich ist sie eine Eisenbahnerin mit Herz.
Claudia Möller über eine weihnachtliche Katastrophenfahrt, verständnisvolle Fahrgäste und eine Persönlichkeit, die zählt.
Frau Möller, Sie sind Eisenbahnerin mit Herz geworden, weil Sie auf einer Katastrophenfahrt im Winter Ihr ganzes Können gezeigt haben. Was geschah an Heilig Abend im Interconnex Berlin Rostock?
Es war supervoll. Die Fahrgäste stapelten sich bis unters Dach. Wir hatten alles vertreten: Babys, Kinder, alte Leute, junge Leute, Hunde. Vor Neustrelitz ging es los. Der Zug stand und konnte ich nicht weiterfahren, weil der Bahnhof voll vor. Ich dachte: eineinhalb Stunden Verspätung, das geht ja noch. Aber nach Neustrelitz standen wir wieder, diesmal im Wald. Und es ging gar nichts mehr. Da dachte ich: Mist, hoffentlich bleiben die Leute ruhig und springen nicht ab. Aber die waren erstaunlich gut drauf. Wahrscheinlich, weil Weihnachten war.
Wo klemmte es bei dieser Fahrt?
Der Fahrdraht war vereist und wir mussten auf eine Diesellok warten, die uns da rauszog. Das hat schon mal zweieinhalb drei Stunden gedauert. Inzwischen habe ich versucht, die Fahrgäste bei Laune zu halten. In so einer Situation kann ja sonst was passieren. Wenn die Leute raus wollen, wollen die raus. Dann steigen die auf offener Strecke aus und du kriegst sie nicht mehr gehalten. Damit das nicht passiert, haben wir häufig Ansagen gemacht. Sofort wenn neue Nachrichten kamen, haben wir per Lautsprecher darüber informiert.
Was haben Sie sonst noch getan?
Nichts Besonderes in meinen Augen: Wir haben gratis Kaffee verteilt und den Leuten gesagt, dass sie es immerhin warm und trocken haben. Weil draußen nichts mehr ging, hatten wir auch Zeit für viele nette Gespräche. Es war wirklich erstaunlich, aber am Ende brachten uns die Fahrgäste sogar noch Geschenke und Obst. Schließlich kamen wir mit sechs einhalb Stunden Verspätung in Rostock an. Die Leute haben also ihr Weihnachtsfest verpasst.
Und Ihr eigenes Weihnachtsfest?
Das war auch kürzer als sonst. Ich kam spät nachts nach Hause, habe noch schnell Abendbrot gegessen und bin dann ins Bett gefallen. Es war schon anstrengend.
Sie können also den Ärger der Menschen über das Winterchaos verstehen?
Ja, natürlich kann ich es verstehen. Ich komme auch gern pünktlich nach Hause. Andererseits ist es auch nicht richtig, allen Ärger bei der Bahn abzulassen, nur weil so viel Schnee fällt. Autos, Flugzeuge oder Straßenbahnen hatten schließlich dieselben Probleme. Das ist eben höhere Gewalt. Ich wüsste aus dem Stand jetzt nicht, was man da besser machen könnte. Und der nächste Winter kommt bestimmt.
Kurz vor Neustrelitz ging es zum ersten Mal nicht weiter wegen vereister Oberleitungen. Etwa 2 Stunden stand der Zug im Wald, die Snacks waren schnell ausverkauft. Die Freude war groß, als es dann endlich weiter ging: Man würde sich zwar verspäten, zu Heilig Abend wären aber alle pünktlich zur Bescherung zu Hause. Diese Freude würde jäh zerstört, als der Zug nach nur 20 Minuten Fahrt erneut stehen blieb: Nun war die Lok kaputt und es musste eine neue aus Rostock hergeschafft werden. Wartezeit unbekannt. Man stand erneut im Wald, kein Mobiltelefonnetz, die Angehörigen, die an diversen Bahnhöfen standen, um Reisende abzuholen, konnte nicht verständigt werden. Frust und Enttäuschung schlugen um sich. Viele Fahrgäste wurden langsam ungehalten. In dieser Situation war es die Fahrgastbetreuerin Frau Möller, die bei ihren Sprints durch die Gänge - trotz des Stresses, der ihr deutlich anzusehen war - immer ein Lächeln und ein freundliches Wort für die Reisenden übrig hatte, und auch auf Anfeindungen hin nie ausfällig wurde. Dass Frau Möller an diesem katastrophalen Abend - man kam schließlich 6,5 Stunden zu spät ins Ziel - so freundlich und verständnisvoll blieb, obwohl sie selbst das Weihnachtsfest zu Hause verpasste, macht sie zu meiner „Eisenbahnerin mit Herz“.
Frau Möller hat die Reisenden regelmäßig mit ihrem feinsten breiten Norddeutsch über Lautsprecherdurchsagen erfreut. Egal, ob es wirklich „Neuigkeiten“ gab oder nicht, sie hat regelmäßig von sich hören lassen und immer wieder um Entschuldigung gebeten. Zum Beispiel als die neue Lok angeschlossen wurde „Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt kommt gleich die neue Lok, bitte nicht erschrecken, wenn es gleich rummst“ …“…Achtung, es rummst jetzt!“. Das Gelächter im Abteil ob Frau Möllers unkonventionellen Durchsagen war jeweils groß und trug zur Auflockerung der angespannten Situation bei.
Zu Beginn der Reise, kurz nach dem ersten Stopp, hatte ich in dem überfüllten Zug einen Klappsitzplatz vor den Toiletten, die Schlange davor war durchgehend endlos. Frau Möller reihte sich ein und schnackte gut gelaunt mit den Gästen. Sie habe die ganze Zeit gehofft, dass heute nichts passieren würde, und dann so was! Dabei wolle sie doch auch dringend nach Hause, Weihnachten feiern! Mit ihrer sympathischen Art konnte ihr einfach niemand böse sein. Bei einer anderen Kollegin habe ich - dies nur zum Vergleich, ohne anklagen zu wollen, schließlich war es nur zu verständlich, dass die Nerven bei allen blank lagen – miterlebt, wie diese den Gästen vorwarf „warum sie denn überhaupt den Connex gewählt hätten, wenn sie doch alles vorher wüssten“ – diese hatten sich über die schlechte Organisation und Vorbereitung beschwert. Dergleichen habe ich von Frau Möller nie vernommen, sie hat bei allen Fragen viel Verständnis gezeigt und immer versucht, auch die technischen Aspekte der Ausfälle verständlich zu erklären.
Insgesamt habe ich Frau Möller als natürlich sympathische Hanseatin in Erinnerung, der ihre Arbeit als Zugbegleiterin ganz offensichtlich große Freude bereitet und die so schnell nichts aus der Facon bringt bei dieser doch etwas unwirtlichen und sehr (auch körperlich!) anstrengenden Tätigkeit. Konfliktmanagement- und Deeskalationskompetenzen, Motivations-, Team- und Kritikfähigkeit und großes rhetorisches Potenzial – dazu eine attraktive Erscheinung, ein großes Herz und viel Humor - wenn Frau Möller nicht Eisenbahnerin mit Herz wird, dann weiß ich auch nicht.
Anja Ludwig, 27, Berlin
Stressig ist das Zugbegleiterleben manchmal – insbesondere bei Verspätungen und in überfüllten Zügen. Nicht selten lassen die Fahrgäste ihren Frust dann am Begleitpersonal ab, obwohl die in der Regel nichts dafür können.
In solchen Situationen helfen Lehrbücher nur bedingt weiter. „Persönlichkeit zählt“, wie es Claudia Möller knapp und treffend formuliert. Die 30-Jährige hat es geschafft, während der chaotischen Reise am Heiligen Abend Kunden zu besänftigen und Dutzende Passagiere zum Lachen zu bringen.
Für die Allianz pro Schiene-Jury ist Claudia Möller eine Charakter-Eisenbahnerin mit Humor, die dank ihrer Persönlichkeit für den Kundenkontakt wie geschaffen ist. Dafür gibt es den zweiten Platz beim „Eisenbahner mir Herz 2011".
27. Oktober 2010, etwa 01.30 Uhr, München Hauptbahnhof, Gleis 18: Eine junge Tierärztin steigt nach der Nachtschicht in einen abgestellten Zug am Münchner Hauptbahnhof, um die Zeit zur Abfahrt des ersten ICE zu überbrücken.
Der Zug fährt unvermittelt los. Mit Hilfe des Lokführers Nico Hilsberg kommt sie nach einer Odyssee vom Güterbahnhof Pasing zum Hauptbahnhof München zurück und erwischt ihren ICE ins heimatliche Augsburg.
Herr Hilsberg, Sie sind „Eisenbahner mit Herz“ geworden, weil Sie sich in einer Nacht im Oktober 2010 tapfer für einen blinden Passagier eingesetzt haben. Erinnern Sie sich daran?
Natürlich. Ich war mit dem Zug von München Hauptbahnhof unterwegs zu einer Unterflurdrehbank und hatte dabei eine Frau an Bord. Wie soll ich das beschreiben? Sie war halt in dem Zug und hat mich gefragt, wie sie wieder nach Hause kommt. Und weil das wirklich relativ weit in der Pampa von Pasing war, habe ich ihr geholfen. Zuerst habe ich es gar nicht klar gesehen. Ich hielt mit dem Zug draußen auf freier Strecke, alles war dunkel und auf einmal klopfte es hinter mir. „Hast du dich da jetzt geirrt?“, dachte ich. Aber da klopfte es wieder. Ich habe dann richtig hingeschaut und den Umriss von der Frau gesehen. Bei Licht war es dann klar: Ein blinder Passagier. Sie sagte, sie hätte nur mal schnell auf die Toilette gemusst, als der Zug losfuhr. Da draußen fährt nachts wirklich gar nichts mehr, also dachte ich nach, was wir jetzt machen könnten.
Ich rief den Stellwerker an und der sagte, es würde sich gleich ein Kollege vom Nahverkehr melden, der wieder in den Hauptbahnhof zurückführe. Ich bat ihn, dafür zu sorgen, dass der auf jeden Fall wartet. Wir sind dann zu Fuß über die Gleise gelaufen. Das war ganz weit weg, ein Bereich vom Bahnhof, in dem ich noch nie gewesen bin. Wir kamen schließlich zu einer Bude, wo der Wagenmeister drin saß. Der erklärte mir, wo der Zug steht. Wir fanden den Zug und ich habe die Frau dem Kollegen übergeben, der sie wieder zurück nach München Hauptbahnhof gebracht hat.
Hatten Sie das Gefühl, heldenhaft gehandelt zu haben?
Pflichtbewusst, würde ich sagen. Heldenhaft ist vielleicht etwas anderes.
War das Ihr erster blinder Passagier?
Nein, so was kommt schon mal vor. Aber so weit wie diese Frau ist noch keiner mitgefahren. Die meisten fahren bis Laim, und da ist dann die S-Bahnstation. Viele reagieren auch panisch, ziehen die Notbremse. Das hat meine blinde Passagierin ja alles nicht gemacht. Aus Rücksicht hat sie auch nicht während der Fahrt geklopft. Da wäre ich wahrscheinlich vor Schreck vorne durch die Scheibe gegangen. Damit rechnet ja keiner.
Die Kundin schreibt, sie hatte Angst, dass Sie ihr den Kopf abreißen.
Kopf abreißen? Nein, so ein Typ bin ich nicht. Und sie ist zum Glück auch sehr besonnen geblieben. Ich habe ihr gesagt, das könne schließlich jedem Mal passieren.
Was ist das schönste Erlebnis, das Sie jemals als Lokführer hatten?
Arlbergumleiter mit 234.
Wie bitte? Das müssen Sie erklären.
Das ist eine Baureihe der Ex-Deutschen Reichsbahn, die beim Umbau des Arlbergtunnels eingesetzt worden ist. Durch die Umleitungen kamen einige Eurocitys und Nachtzüge über Lindau. Mit der B 234 ging die Fahrt dann von Kempten über Lindau nach München. Das war ein Novum für bayerische Gleise, dass eine russische Maschine drauf fährt, und da ich schon immer Fan der "Ludmilla" Familie (BR230-BR234) war, hab ich einen Kollegen beschwatzt, mich fahren zu lassen.
Was halten Sie vom Mythos des einsamen Lokführers, der stundenlang schweigend in die Nacht starrt?
Wir Lokführer im Ortsdienst sind nicht ganz so einsam. Nach einer Drehfahrt sind wir nach einer Stunde wieder unter Menschen. Aber generell stimmt es schon, dass bei Lokführern der Einzelkämpfertyp gefragt ist.
Wenn Sie auf einer Party sind und gefragt werden, was Sie arbeiten, was sagen Sie dann?
„Lokverführer.“ (lacht) Der offizielle Begriff heißt „Triebfahrzeugführer“. Unter Eisenbahnern „Lokführer“. Für die Presse „Zugführer“. Unter Kollegen beim Ablösen sagen wir bloß „Führer“. Das klingt dann so: „Führer, kann’s losgehen?“
Der Lokführer Kollege im Münchner Hauptbahnhof kann es kaum glauben: „Was? Du bist Eisenbahner mit Herz? Du?“ Nico Hilsberg macht nicht viele Worte. Er lächelt hintersinnig und nickt bescheiden.
Dabei ist es wirklich ein Wunder: Der 36-jährige ist Bereitstellungslokführer. In fünf Schichten pro Woche - meistens nachts - fährt Hilsberg riesige leere dunkle ICE in die Waschanlage oder ins Werk zur Radsatzprüfung. „Den Zug aufarbeiten“, nennt er das. Mit Bahnkunden kommt er dabei selten in Berührung. In einer Nacht im Oktober 2010 war es allerdings anders. Eine junge Frau fuhr als blinder Passagier mit Nico Hilsberg vom Hauptbahnhof bis nach München Pasing. Aus dieser „Pampa“ aus Gleisen und Weichen befreite Hilsberg die Kundin, die sich über ihr Missgeschick so geschämt hatte, dass sie fast im Boden versinken wollte. „Das kann doch jedem Mal passieren“, sagt Hilsberg und gibt trotzdem zu, dass er am liebsten allein in seinem Führerhäuschen sitzt.
Nach einem Start als Prüfdienst bei der Münchner S-Bahn kam Hilsberg 2002 zum Fernverkehr der deutschen Bahn. Für den geborenen Dresdner ist das ein Aufstieg. Sein nächstes Karriereziel: Das Stellwerk. Dahin kommt dann garantiert kein Kunde mehr. „Blinde Passagiere gibt es da definitiv nicht“, sagt Hilsberg und man muss sehr scharf hinhören, um ein Bedauern zu erahnen. „Der Lokführer, das ist nun mal mehr der Einzelkämpfertyp“, sagt Hilsberg. Dass einer es damit dennoch zum Eisenbahner mit Herz bringt, findet Hilsberg „cool“.
„Und du willst jetzt wirklich zwei Stunden am Hauptbahnhof rumsitzen?“, fragte mich meine Arbeitskollegin zweifelnd. Ich zuckte die Achseln. „Ich hab ja mein Notebook dabei – ob ich hier oder dort warte, spielt auch keine Rolle.“
Ich gab nur ungern zu, wenn mich das Pendeln doch einmal nervte. Immerhin hatte ich mir diesen Wahnsinn selbst aufgebürdet – wohnen in Augsburg, arbeiten in Oberhaching; zweimal täglich anderthalb (wenn es optimal lief und man zum Anschluss rannte) bis zweieinhalb Stunden (abends, wenn die Regionalzüge nur noch stündlich fahren und man den Anschluss gerade verpasste) in der Bahn sitzen. Aber was tat man nicht alles, wenn der Freund nun mal in Augsburg lebte – und man keinen anderen Arbeitsplatz wollte.
Mit gemischten Gefühlen verließ ich die Klinik und machte mich auf den Weg durch die Dunkelheit. Etwa fünfzehn Minuten dauert der Fußweg zur S-Bahn – zum Glück fuhr sie um null Uhr dreißig überhaupt noch. Nur der Augsburg-München-Verkehr lag um diese Zeit nun einmal still, erst um 03:17 Uhr sollte der nächste Zug – immerhin ein ICE - fahren.
Ich tröstete mich damit, dass es eine Ausnahme war, so spät aus der Arbeit zu kommen. Auf dem Weg pflückte ich noch die übliche Tüte voll Gras für meine Kaninchen, die vermutlich schon sehnsüchtig wartend an meiner Balkontür stehen würden, wenn ich endlich heim kam. Manche Dinge müssen eben sein – egal, wie spät es ist.
Die S-Bahnfahrt zum Münchener Hauptbahnhof verlief schnell und ereignislos. Seufzend machte ich mich auf den Weg zu den Fernzügen und hoffte inständig, dass mein Zug schon bereitstand; immerhin war es Oktober und ich hatte keine Lust, mich zwei Stunden lang auf einem unbeheizten Bahnsteig aufzuhalten.
Zu meiner Freude entdeckte ich meinen ICE bereits von weitem. Die Euphorie schwand jedoch, als ich diverse Personen auf den Metallsitzen des Bahnsteiges entdeckte, die offensichtlich warteten. Meine ungute Vorahnung bestätigt sich: Die Türen waren noch verschlossen.
Ich zuckte die Achseln und blickte mich um. Wenn die Abfahrtszeit eines bereitstehenden Zuges noch in weiter Ferne lag, setzte ich mich manchmal einfach hinein, bis mein eigener einfuhr bzw. die Türen entriegelte. Der Zug auf dem gegenüberliegenden Gleis sah vielversprechend beleuchtet aus. Ich warf einen Blick auf die elektronische Anzeigetafel und stellte fest, dass keine Abfahrtszeit dort stand; also würde sich das vermutlich noch lange hinziehen.
Kurzerhand lief ich zur nächsten Tür, die sich zu meiner Freude tatsächlich öffnen ließ, stieg ein und setzte mich – schließlich durfte ich das ja sonst nie – auf einen Ledersitz in der Ersten Klasse. Wenige Minuten später war ich bereits eifrig dabei, auf meinem Laptop einen neuen Artikel für meine Homepage zu tippen.
Die Stille wurde durch schrille Pfeiftöne durchbrochen – das Warnsignal an den Türen, kurz bevor sie sich automatisch schlossen. Einen Augenblick lang saß ich da wie versteinert; dann sprang ich auf und lief zu der Tür, durch die ich eingestiegen war. Tatsächlich: Sie ließ sich nicht mehr öffnen! Mit einer Mischung aus Irritation und Unbehagen blickte ich hinaus auf den Bahnsteig und fragte mich, wann man den Zug wohl wieder öffnen würde – als etwas geschah, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte: Das Licht ging aus! Ach du lieber Gott, dachte ich. Man hatte den Zug geschlossen und den Strom abgedreht – das konnte nur heißen, dass er jetzt eine halbe Ewigkeit hier herumstehen würde; jedenfalls mit Sicherheit länger als zwei Stunden. Ob ich mich einfach auf eine Sitzreihe legen und schlafen sollte? Würde ich Hilfe rufen, bekäme ich sicher gehörigen Ärger, überlegte ich. Vielleicht konnte ich ja den Lokführer noch erwischen. Kurzerhand machte ich mich auf den Weg durch den stockfinsteren Zug in Richtung Führerhäuschen ganz am anderen Ende.
Und dann passierte es: Der Zug fuhr los. Ich erstarrte, versuchte zu begreifen, was gerade geschah. Wieso um alles in der Welt fuhr dieser vermeintlich leere, unbeleuchtete Zug los? Und vor allem: Wo zur Hölle fuhr er hin? Mechanisch blickte ich aus dem Fenster, sah den Hauptbahnhof an mir vorbeiziehen und blickte dann ins kohlrabenschwarze Nichts. Mein Gott, dachte ich, wieso bin ich nur eingestiegen? Was hab ich mir damit eingebrockt?
In einem plötzlichen Entschluss löste ich mich aus meiner Trance und stolperte los in Richtung Zugspitze. Ich musste den Fahrer auf mich aufmerksam machen! Wenn er jetzt anhielt, käme ich mit der S-Bahn noch schnell zurück. Als ich den letzten Waggon erreicht hatte und durch die Scheibe die Umrisse des Zugführers entdeckte, zögerte ich jedoch. Sollte ich das wirklich tun – jetzt anklopfen? Der Mann bekäme vermutlich einen Herzinfarkt, wenn plötzlich jemand hinter ihm auftaucht, überlegte ich – hier in diesem verdammten Zug, wo keine Menschenseele außer ihm mehr sein sollte! Ich starrte einige Sekunden auf den Hinterkopf der ahnungslosen Person im Führerhäuschen, dann schlich ich mich zurück – mindestens fünf Waggons in der lächerlichen Befürchtung, man könnte mich in der nächsten Kurve in irgendeinem Rückspiegel entdecken. Immer wieder warf ich nervöse Blicke aus dem Fenster – doch ich konnte nicht im Geringsten ausmachen, wohin der Zug fuhr. Verdammter Mist, dachte ich – mit jeder Sekunde entfernte ich mich weiter von dort, wo um 03:17 mein ICE abfahren würde; und mir fiel beim besten Willen nichts ein, was ich dagegen tun könnte! Was hatte ich für Optionen – den Zugführer zu Tode erschrecken? Hilfe rufen?
Das wäre eigentlich keine schlechte Idee, dachte ich; den Bahncomfort-Service anrufen, ihnen meine Lage schildern – und sie telefonischen Kontakt mit dem Zugführer aufnehmen lassen. Schonender könnte man ihm die Sache nicht beibringen. Das Problem war nur, dass ich um halb zwei Uhr nachts keinen Menschen beim Bahncomfort oder sonst wo erreichen würde; außer bei der Polizei oder Feuerwehr vielleicht... aber das kam mir nun doch albern vor.
Der Zug verlangsamte sich, und ich blickte gespannt aus dem Fenster. Dort war ein Bahnhof – aber ich konnte nirgends eine Ausschilderung entdecken, keinerlei Anhaltspunkt darüber, wo wir waren. Der Bahnhof zog vorbei, und der Zug beschleunigte wieder. Gütiger Gott, was konnte ich nur tun? Die Notbremse ziehen? Musste man nicht eine hübsche Summe Strafe zahlen, wenn man unbegründet eine Notbremse zog? Nun, dachte ich, ich hatte schon einen Grund – andererseits hatte ich mich selbst in diese Notlage gebracht, weil ich unerlaubterweise in den verdammten Zug gestiegen war… ob das zählte...? Außerdem: Wie würde der Zugführer reagieren? Ich an seiner Stelle würde es nicht wagen, den Zug zu durchsuchen, dachte ich. Ich würde mir vor Angst in die Hose machen! Was tat man denn als Zugführer in so einem Fall? Die Polizei rufen? Heiliger Himmel, dann würde der Ärger nur noch größer.
Oder was, wenn der Zugführer so sauer war, dass er mich einfach rausschmiss? Dann wäre ich nicht mal an einem Bahnhof. Nein – besser, ich wartete ab, bis der Zug seine Endstation erreicht hatte. Er wird ja nicht mitten in der Nacht einfach so quer durch Deutschland fahren, redete ich mir ein. Sicher hielt er bald an.
Die Zeit verstrich wie in Zeitlupe. Vor dem Fenster konnte ich immer wieder Bahnsteige, hin und wieder ein Gebäude, hauptsächlich aber Dutzende von Gleisen und verstreute Waggons erkennen. Ich kam mir vor wie in einem Freiluftmuseum für Züge! Dann bremsten wir ein zweites Mal ab. Hoffnungsvoll blickte ich nach draußen. Wie es aussah, waren wir auf einem riesigen Bahnhof eingefahren – aber wie um alles in der Welt hieß er? Wo waren wir?
Der Motor erlosch, und ich atmete auf. Wir blieben also hier – gleich würde ich mehr erfahren. Dann wurde mir mit einem Mal klar, dass es sinnlos war, an der Tür zu warten – denn natürlich würde sie sich nicht öffnen! Ich musste zum Fahrer, zurück zum Fahrer – ehe er ausstieg, den Zug verschloss und ich endgültig gefangen war! Ich stolperte los und stand kurz darauf ein zweites Mal vor der dicken Glasscheibe, die Waggon und Führerhäuschen trennte. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung war der Fahrer noch dort. Zögerlich hob ich eine Hand. Ich hatte keine Wahl – ich musste klopfen. Wenn er sich jetzt erschreckte, baute er immerhin keinen Unfall.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und trommelte gegen die Tür. Der Mann wandte den Kopf, doch es war zu dunkel, um sein Gesicht auszumachen. Er starrte in meine Richtung, doch ich hatte nicht das Gefühl, ihn übermäßig erschreckt zu haben. Ich setzte mein unschuldigstes Lächeln auf und winkte zaghaft. Der Zugführer reckte den Kopf vor, offenbar bemüht, mich in der Finsternis zu erkennen; schließlich erhob er sich langsam und drückte wohl auf irgendeinen Lichtschalter, denn im selben Moment wurde es hell. Ein relativ kleiner, runder Mann stand vor mir, und auf seinem freundlichen Gesicht spiegelte sich die blanke Verwirrung. Er öffnete die Glastür. „Hallo, Ent- Entschuldigung!“, stammelte ich hastig, ehe er fragen konnte. „Ich – ich wollte hier in München schnell auf die Toilette gehen. Ich wusste nicht, dass der Zug losfährt!“
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ich fürchtete noch immer, er würde mir vielleicht nicht helfen, wenn er wusste, wie sehr ich diese Situation selbst provoziert hatte… aus reiner Bequemlichkeit und Naivität. „Oh, das ist schlecht“, erwiderte der Zugführer langsam. „Wir sind hier im Güterbahnhof Pasing.“ „Pasing!“ Ich strahlte begeistert – da fuhren doch ständig S-Bahnen, Regionalzüge, und sogar die meisten ICEs in Richtung Augsburg hielten dort. Allerdings sagte mir das Gesicht des Zugführers, dass es an der Sache einen Haken gab...
„Nein, nein, nicht der Fernbahnhof Pasing. Das hier ist der Güterbahnhof – da sind Sie ganz weit weg vom Schuss. Wo müssen Sie denn hin?“ „Nach Augsburg“, antwortete ich. „Ich wollte den ICE um 03:17 in München nehmen…“
„Das sieht schlecht aus.“ Er dachte einen Moment lang nach. „Ich meine – ich könnte Sie mit zur S-Bahn nehmen, aber die fahren erst morgen früh wieder… 03:17 in München – keine Chance!“ „Hm.“ Ich starrte bestürzt zu Boden. Am nächsten Tag musste ich um spätestens viertel nach elf wieder raus – davor hätte ich gern noch einige Stunden geschlafen! „Na ja, warten Sie mal. Ich frag kurz beim Kollegen nach, was wir da machen könnten.“ Er wandte sich um, ließ sich wieder in seinem Fahrersitz nieder und zog sein Handy aus der Tasche… oder war es ein Funkgerät? Ich bin mir nicht mehr sicher.
„Grüß dich, ich bin’s!“, hörte ich ihn sprechen. „Du, hör mal – ich bin gerade hier im Güterbahnhof eingefahren und hab einen blinden Passagier an Bord.“ Ich musste unwillkürlich grinsen – was sich die Person am anderen Ende bei diesen Worten wohl denken mochte? „Sie muss nach Augsburg. Ihr Zug in München fährt um 03:17 – ja, vom Hauptbahnhof. Weißt du, ob heut noch irgendwas reinfährt?“ Ich spitzte gespannt die Ohren, konnte jedoch nichts von dem verstehen, was der Gesprächspartner erwiderte. „Ja… jaaa… okay… Gleis 23? Wo ist das denn? Aha… aha… gut… okay! Alles klar – dann machen wir uns auf den Weg. Danke dir!“ Mein Herz machte einen Hüpfer – das klang doch gut! Er legte auf und wandte sich zu mir um: „So, wir haben jetzt einen kleinen Fußmarsch vor uns. Der Kollege wartet auf Gleis 23, er wird Sie dann mit zum Hauptbahnhof nehmen.“ „Super!“ Ich konnte mein Glück kaum fassen. „Wann fährt er denn ab?“, fragte ich. „Sobald wir da sind.“ Er öffnete die Tür nach draußen und schaltete das Licht aus, ehe er mit einem großen Schritt ausstieg. „Wartet er extra auf mich?“ Ich folgte ihm mit einem kleinen Sprung auf den Bahnsteig, schwer beeindruckt: So hilfsbereite Menschen lernte ich nicht oft kennen. „Nun ja – er hat eigentlich gerade Pause und würde sich erst in zwei Stunden auf den Weg in die Stadt machen. Aber da es ihm egal ist, ob er hier oder in München wartet, fährt er früher ab, damit Sie Ihren ICE noch erwischen.“
Er verschloss den Zug, und wir folgten gemeinsam dem Bahnsteig. Ich fand, dass es hier tatsächlich aussah wie „weit weg vom Schuss“ – einsam, verwildert und ein wenig chaotisch: Zwischen munter wuchernden Wiesen und hochgewachsenen Sträuchern führten kreuz und quer Gleise hindurch; hier und dort lag ein verloren wirkender Bahnsteig, überall waren unterschiedlichste Arten von Zügen, Lokomotiven und Waggons „geparkt“. Wir bewegten uns über Stock und Stein, stolperten durch Erdlöcher, über Schienen und Wurzeln. Ich wiederholte pausenlos, wie dankbar ich war, doch der Zugführer winkte ab: „Ich hab ja eh nix zu tun, und ’n bisschen Bewegung schadet mir nicht.“ Leider war er ansonsten nicht sehr redselig, und ich kam mir irgendwie unhöflich vor, während ich ihm schweigend folgte; doch ich wusste auch nicht wirklich, was ich sagen sollte. Schließlich erreichten wir ein kleines beleuchtetes Gebäude, das mich an die DB-Infohäuschen erinnerte, wie sie auf vielen Bahnsteigen errichtet sind. Eine kleine Metalltreppe führte hinauf; der Zugführer stieg empor und trat dann durch die Tür. Unsicher blieb ich auf der Schwelle stehen und wartete, während er sich von einem drinnen sitzenden Kollegen noch einmal den Weg erklären ließ. Kurz darauf kehrte er mit zufriedener Miene zurück. „So, weiter geht’s!“
Nach insgesamt etwa zwanzig Minuten deutete er schließlich geradeaus auf einen niedlichen kurzen Regionalzug, aus dessen Führerhäuschenfenster bereits der Kopf eines Mannes lugte. „Da ist er.“ Mit diesem Zug sollte ich also zurückfahren? Mal etwas Neues, dachte ich belustigt. „Na, da seid ihr ja!“ Der Zugführer, ein dunkelhaariger, bärtiger Mann mittleren Alters, grinste uns gutgelaunt entgegen. „Habt ihr mich also gefunden. Dann mal rein mit dir!“ Er zwinkerte mir freundlich zu.
Ich kramte in meiner Tasche, entschlossen, meinem ersten „Retter“ zum Abschied ein Trinkgeld zu geben; doch er lehnte vehement ab. „Nein, wirklich - kein Problem! Jeder Gang macht schlank!“ Er lachte. „Kommen Sie gut nach Hause – diesmal im richtigen Zug!“ Der zweite Zugführer stand mittlerweile an der geöffneten Tür und streckte mir eine Hand entgegen. Da sich der Einstieg ein ganzes Stück über dem Boden befand, ergriff ich sie dankbar. „Aber jetzt musste mir mal sagen: Wie kommt man denn auf so ’ne Idee?“, fragte er mich grinsend. „Ich musste auf die Toilette“, erwiderte ich entschlossen. „War’s denn so dringend?“ Er trat glucksend wieder ins Führerhäuschen, während ich mir zögerlich einen der Sitze hinunterklappte, die sich gleich gegenüber der Tür befanden.
„Setzen Sie sich doch hierher. Dann hab ich jemanden zum Plaudern!“ Kurzerhand winkte er mich nach vorne und schob mir einen Stuhl entgegen. Ich ließ mich darauf nieder, sehr angetan von der Idee, einmal selbst im Führerhäuschen zu sitzen – wann konnte man als gewöhnlicher Passagier schon einmal vorne rausgucken, während man Bahn fuhr?
Der Zugführer schien meine Gedanken zu lesen. „Ist doch viel cooler, mal an der Spitze zu hocken, oder? Das haste bestimmt noch nicht erlebt!“ Er setzte den Zug mit einem Ruckeln in Bewegung und startete. Langsam verschwanden die geradeaus führenden Schienen unter dem Leib unseres Zuges, während er sich in gemächlichem Tempo vorwärts bewegte.
„Noch mal vielen Dank auch an Sie“, sagte ich. „Ich dachte echt, die Nacht kann ich durchmachen!“ „Ach was, immer gerne!“ Der Zugführer lachte sein fröhliches Lachen. „Auf die Weise erlebt man mal was! Sonst sitzt man ja eh nur rum und liest Zeitung.“ Was erleben, das kann er laut sagen, dachte ich. Nach und nach all passierten wir die beleuchteten Bahnhöfe und Gebäude, die ich mir auf der unfreiwilligen Hinfahrt eingeprägt hatte in dem verzweifelten Versuch, einen Hinweis darauf zu erlangen, wo wir uns befanden… „Und du warst in München feiern?“, riss der Zugführer mich auf meinen Gedanken. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, arbeiten – in einer Tierklinik“, fügte ich erklärend hinzu, als die bei Menschen, denen ich diese Antwort gab, übliche Irritation auf sein Gesicht trat. „Wir haben noch einen Kaiserschnitt bei einer Katze durchgeführt.“ „Echt? Wie viele sind’s denn geworden?“ „Acht. Aber es haben nur vier überlebt; die Besitzer haben ewig gewartet, ehe sie zu uns gekommen sind. Wir haben dann über eine Stunde lang zu sechs Leuten versucht, die Babys ins Leben zu rubbeln“, erzählte ich. Ich freute mich immer, wenn sich jemand für den Beruf interessierte, der mir selbst so viel Freude bereitete. „Aber eines kam schon ohne Herzschlag zur Welt, und die anderen waren einfach zu schwach.“
„Oh, na ja. Immerhin. Sag mal, wieso hast du eigentlich nicht gleich beim Kollegen angeklopft, als der Zug losgefahren ist?“ „Ich wollte ihn nicht zu Tode erschrecken“, erwiderte ich seufzend. „Ja, das könnte wirklich passieren“, stimmte er mir nachdenklich zu. „Trotzdem – wie lang wolltest du denn warten? Der hätte ja genauso gut nach Köln fahren können!“ Darauf wusste ich nicht wirklich etwas zu erwidern. „Passiert so was öfter mal? Ich meine – dass plötzlich Leute in einem Leerzug sitzen?“, fragte ich stattdessen neugierig. „Oh, ab und zu schon. Ich hab’s auch schon mal erlebt. Da hatten sich zwei im Zug schlafen gelegt und als sie aufwachten, fuhren sie gerade mitten durch die Pampa. Die Herrschaften haben richtig Panik bekommen und dann die Notbremse betätigt. Da war mir auch nicht wohl bei, kann ich dir sagen: 60 km lang fahren in dem Glauben, man sitzt allein im Zug – und plötzlich zieht einer die Notbremse!“ Ich lachte. Plötzlich fiel mir auf, welch ein unverschämtes Glück ich gehabt hatte, dass mein Zug nur aus einem einzigen Zugteil bestanden hatte – andererseits hätte ich gar nicht bis zum Fahrer durchdringen können! Zum Glück ist mir dieser Horrorgedanke nicht vorhin gekommen, schoss es mir durch den Kopf.
Vor uns kam die riesige, prächtig beleuchtete Bahnhofshalle des Münchener Hauptbahnhofs in Sicht. Es war ein eindrucksvoller Anblick, wenn man so unmittelbar darauf zu fuhr; ich konnte mich gar nicht satt sehen! Beeindruckt beobachtete ich, wie unser Zug sich problemlos auf einer der ununterbrochen über Kreuz laufenden, sich überschneidenden, verzweigenden oder zusammenlaufenden Schienen einfädelte. Langsam glitten wir an unserem Bahnsteig vorbei, bis der Zug schließlich in seiner vollen Länge danebenstand und anhielt. „Da wären wir. Das da hinten ist der ICE über Ausgburg!“
Glücklich verabschiedete ich mich von dem zweiten unwahrscheinlich hilfsbereiten Zugfahrer, den ich heute kennen gelernt hatte – und der ebenfalls aufs Trinkgeld verzichtete – und machte mich auf den Weg zu meinem ICE. Dabei stellte ich begeistert fest, dass er mittlerweile beleuchtet war und Passagiere darin saßen – ich hatte den Abend tatsächlich ohne Frieren überstanden; dank zweier Zugfahrer, die mir ohne zu zögern aus der Patsche geholfen hatten. Ein wirklich netter Zug.
Melina Klein, 22, Augsburg (Bayern)
Eine blinde Passagierin mitten in der Nacht – Lokführer Nico Hilsberg macht nicht viel Aufhebens um die Sache.
Eine blinde Passagierin mitten in der Nacht – Lokführer Nico Hilsberg macht nicht viel Aufhebens um die Sache. Er greift auf dem Güterbahnhof zum Handy, die Kommunikation beschränkt sich weitgehend auf „Ja… okay… Gleis 23? Aha… … gut!
Der 36-Jährige, der normalerweise alleine auf seiner Lok sitzt, ist kein Freund großer Worte, aber Retter in der Nacht. Er hilft der jungen Frau, pünktlich wieder am Hauptbahnhof in München zu sein. Für die Allianz pro Schiene-Jury ist Nico Hilsberg der Inbegriff des hilfsbereiten Lokführers in Ausnahmesituationen. Er hat in einem Extremfall richtig reagiert. Nicht, weil er es in einer „Service-Schulung“ so gelernt hat oder es in irgendeinem Dienstplan stand, sondern, weil er es als selbstverständlich, in seinen Worten „pflichtmäßig“, empfunden hat.
Soviel innere Eigenverpflichtung zur „pflichtmäßigen“ Vorbildlichkeit belohnt die Jury mit dem zweiten Platz beim „Eisenbahner mit Herz 2011“. Mögen viele Fahrgäste, wenn sie selber einen Fehler gemacht haben, auf solche Helfer stoßen. Sie werden es dann eher entschuldigen, wenn es bei der Bahn mal nicht ganz so rund läuft.
Dort wartete die Goldene Anstecknadel „Eisenbahner mit Herz“ auf ihn. Nico Hilsberg kam aus München, um die silberne Nadel entgegen zu nehmen. Die Rostockerin Claudia Möller (ebenfalls Silber) war auch pünktlich zur Stelle: Um 11 Uhr ging es am 12. April los mit der Siegerehrung in der Austernbar im Berliner Hauptbahnhof.
Drei, die ihre Fahrgäste nicht im Regen stehen lassen