Anders als Autos oder Lkws auf der Straße, fahren Züge nicht auf Sicht, sondern benötigen eine ausdrückliche Erlaubnis, um einen bestimmten Streckenabschnitt befahren zu dürfen. Im Eisenbahnverkehr haben sich daher schon sehr früh Signal- und Sicherungssysteme entwickelt. Problem dabei ist, dass sich diese Systeme in Europa von Land zu Land unterscheiden. Für einen grenzüberschreitenden Schienenverkehr ohne Lokwechsel an der Grenze ist dies ein großes Hindernis und ein Kostentreiber.
Ziel der Einführung des European Train Control System (ETCS) ist es, die unterschiedlichen Zugsicherungssysteme in Europa abzulösen und durch einen einheitlichen europäischen Standard zu ersetzen. Heute müssen Triebfahrzeuge mit mehreren nationalen Sicherungssystemen ausgerüstet sein, um grenzüberschreitend fahren zu können. Eine flächendeckende Einführung von ETCS sorgt daher für finanzielle und zeitliche Vorteile bei grenzüberschreitenden Schienenverkehren. Darüber hinaus kann eine Ausrüstung mit ETCS auch die Streckenkapazitäten steigern. Demgegenüber stehen hohe Anfangsinvestitionen.
ETCS gehört zusammen mit GSM-R (Global System for Mobile Communications – Rail) zum European Rail Traffic Management System (ERTMS). Das ETCS ist ein System, mit dem die Zugfahrten auf dem Streckennetz kontrolliert und beeinflusst werden können. ETCS überwacht zum Beispiel, ob ein Zug einen Gleisabschnitt befahren darf sowie die Geschwindigkeit. Ähnlich wie bei den schon heute in Deutschland üblichen Sicherungssystemen wird der Zug automatisch gestoppt, wenn die Strecke nicht freigegeben ist.
Technisch handelt es sich bei ETCS um ein rechnergestütztes System, das je nach Funktionsstufe (Level) in unterschiedlicher Weise das Zusammenspiel von Zugfahrt und Fahrererlaubnis kontrolliert.
ETCS Level 1 baut auf den klassischen Signalen entlang der Strecke auf, die der Triebfahrzeugführer beobachtet. Eine Datenübertragung findet nur punktuell von den Signalen an der Strecke zum Fahrzeug statt. Bei Missachtung der Signale wird der Zug gestoppt. Level 1 entspricht damit im Prinzip den bereits vorhandenen Systemen in Deutschland.
Bei ETCS Level 2 kann auf die konventionellen Signalanlagen entlang der Strecke verzichtet werden. Die Streckensignale existieren nur noch virtuell, und die entsprechenden Informationen werden dem Triebfahrzeugführer im Voraus direkt im Führerstand angezeigt. Dabei findet die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Strecke mittels GSM-R statt. Die Datenübertragung verläuft kontinuierlich und in beide Richtungen. Level 2 ist in Deutschland bislang nur auf Schnellfahrstrecken im Einsatz, also auf Strecken, die mit einer Geschwindigkeit von mehr als 160 km/h befahren werden. Dieses Level ist in der ETCS-Streckenausrüstungsstrategie der DB Netz AG künftig flächendeckend vorgesehen.
ETCS Level 3 ist derzeit noch in der Entwicklung und soll weitere Optimierungen zur Verfügung stellen. Vom Funktionsprinzip ähnelt es Level 2, die Ortung des Zuges erfolgt in diesem Level jedoch ausschließlich auf dem Fahrzeug selbst. Das System erkennt die Abstände der Züge zueinander. Durch die Abstandsmessung zum Vorderzug entsteht ein sogenannter „Moving Block“; die Züge können so in kürzeren Abständen hintereinander fahren. Dadurch kann die Kapazität der Strecke erhöht werden.