Berlin. Der Widerstand gegen Riesen-Lkw-Testfahrten unter der Regie des Bundesverkehrsministeriums wächst: Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), der ACE Auto Club Europa und die Allianz pro Schiene warnten am Dienstag in Berlin davor, diese neue Dimension im Straßenverkehr auf die Autofahrer loszulassen. Die Verkehrssicherheit muss Vorrang vor dem Profitstreben einzelner Spediteure haben, sagte der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Polizei und Autofahrer seien durch längere Lastwagen überfordert, ein Ansteigen der Unfallzahlen sei vorprogrammiert. Auch Wolfgang Rose, Vorsitzender des ACE, kritisierte die für Anfang 2011 geplanten Testfahrten durch bereitwillige Bundesländer. Schon jetzt ist an jedem fünften tödlichen Unfall ein Lkw beteiligt. Autofahrer haben Angst vor Monstertrucks auf unseren Autobahnen. Nach Ansicht der Allianz pro Schiene führt der Riesen-Lkw lediglich zu noch mehr Lkw-Verkehr auf den Straßen. Dass längere Lastwagen die Autobahnen entlasten, ist eine verkehrspolitische Mär, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Alle seriösen Studien belegen das Gegenteil.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) befürchtet durch den Einsatz von Gigalinern eine neue Dimension im Straßenverkehr, die andere Verkehrsteilnehmer überfordert. DPolG Bundesvorsitzender Rainer Wendt: Das entscheidende Problem ist, dass jeder Verkehrsteilnehmer beim Verhalten gegenüber Gigalinern sich selbst überlassen ist. Es gibt keine besondere Kennzeichnung, Absicherung oder polizeiliche Begleitung. Kontrollen durch die Polizei sind nur sehr begrenzt möglich. Geeignete Kontrollorte fehlten, ebenso technische Kontrollmöglichkeiten für die Abmessungen oder zugelassene Waagen für das Gewicht. Weil die personelle Lage bei der Polizei ohnehin schon angespannt ist, können wir die notwendige permanente Überwachung der Riesen-Lkw und der für die Tests vereinbarten Routen nicht gewährleisten, sagte Wendt. Als weiteres Problem sieht die DPolG die besondere Fahrerqualifikation, die zur Lenkung solcher Ausnahmefahrzeuge erforderlich ist. Wendt: Diese Qualifikation ist unzureichend geklärt. Es ist zu befürchten, dass Speditionen aufgrund ökonomischen Drucks die Ausbildung ihrer Fahrer vernachlässigen auf Kosten der Sicherheit.
Der ACE wies darauf hin, dass der Straßenverkehr durch Riesen-Lkw noch gefährlicher werde. Um das zu sehen, brauche ich keinen Testversuch. Es reicht der gesunde Menschenverstand, sagte ACE-Chef Rose. Jedes Überholen eines überlangen Lastwagens koste zusätzliche Sekunden, die über Leben und Tod entscheiden können. Dass die Befürworter der Riesen-Lkw damit argumentieren, dass die 25 Meter langen Lastwagen nur auf Autobahnen fahren dürften, ließ Rose nicht gelten. Bereits unter Laborbedingungen müssten Gigaliner lange Strecken zurücklegen, um auf die Autobahn zu gelangen. Wenn Riesen-Lkw erst einmal zugelassen sind, sind sowieso alle Schwüre vergessen.
Die Allianz pro Schiene kritisierte den verkehrspolitischen Widersinn der Testversuche. Statt den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, um die Straßen für Autofahrer sicherer zu machen, strebt das Verkehrsministerium das glatte Gegenteil an, sagte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. Mit dem Riesen-Lkw werde Verkehr von der Schiene und dem Binnenschiff auf die Straße verlagert. Durch geminderte Transportkosten würden Unternehmen ermutigt, ihre Lagerhaltung auf die Straße zu verlegen. Mit beiden Effekten wird zusätzlicher Straßengüterverkehr erzeugt und beide Effekte sind von der Lkw-Lobby auch genauso gewollt, sagte Flege. Was auf der Strecke bleibt, ist die Verkehrssicherheit.
Die Konferenz der Länderverkehrsminister hatte im Oktober 2010 den Plänen der Bundesregierung, noch 2011 mit einem bundesweiten Test zu beginnen, eine Absage erteilt. Seitdem treibt der Bund den Test in einer abgespeckten Variante voran. Bereits im Frühling 2011 könnten Monstertrucks durch Hessen, Sachsen, Thüringen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg rollen. Das Bundesverkehrsministerium teilte in einem Brief an die Allianz pro Schiene mit, dass der Test fünf Jahre dauern werde.