Noch fahren sie nicht, sorgen aber schon seit Monaten für hitzige Debatten, die Gigaliner. Jetzt gibt es neue Bedenken. Die Ampelsignale und Schrankenschaltungen der Bahnübergänge in Deutschland sind für die Riesen-Lkw nicht ausgelegt. Die Räumzeiten werden bislang nach der regulären Lkw-Maximallänge von 18,75 Meter berechnet. Wenn Gigaliner sich demnächst in einzelnen Bundesländern breit machen sollten, kann es zu schweren Unfällen kommen, warnt Michael Ziesak, stellvertretender Allianz pro Schiene-Vorsitzender.
Auch würden Autofahrer die Ungetüme vor dem Überholvorgang kaum erkennen können. Ziesak, der auch Bundesvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland ist, sagte am Mittwoch in Berlin: Das Bundesverkehrsministerium schreibt in der seit 1. Januar 2012 gültigen Ausnahmeverordnung vor, dass der Warnhinweis Lang-Lkw lediglich 13 cm hoch sein muss. Beim Überholen auf Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen ist dies aus der Distanz schwer lesbar. Viele Autofahrer werden erst mitten im Überholvorgang merken, dass sie einen 6,50 Meter längeren Laster überholen und dann kann es zu spät sein.
Unvorhersehbar sei letztlich auch, ob die Gigaliner ausschließlich auf den für den Test des Bundesverkehrsministeriums freigegebenen Straßen fahren werden. Einzelne Testfahrten in den vergangenen Jahren auf Bundesländerebene hätten gezeigt, dass sich die Fahrer nicht immer an die vorgeschriebenen Routen hielten.
Was Sie sonst noch über die 25,25 Meter langen Fahrzeuge wissen müssen, erfahren Sie hier:
Fünf Fragen und Antworten zum Gigaliner
1. Ab wann fahren die Gigaliner wirklich?
Laut Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sollen die ersten Gigaliner im Frühjahr 2012 fahren. Während einer Tagung im Oktober 2011 sagte Ramsauer: Wir wollen mit den ersten Relationen im nächsten Jahr starten, wenn der Schnee weg ist, irgendwann nach Ostern. Die Verordnung des Bundesverkehrsministers, die den Einsatz von Gigalinern regelt, ist seit dem 01.01.2012 in Kraft.
2. Wo genau fahren Gigaliner?
Folgende Bundesländer erlauben Fahrten mit den übergroßen Lkw: Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Thüringen, Sachsen und Bayern.
Die Länder Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sprechen sich in ihren Koalitionsverträgen gegen die Teilnahme am Versuch aus. Die Verordnung der Bundesregierung genehmigt trotzdem Fahrten durch diese Bundesländer. Insgesamt führen 133 km Gigaliner-Strecken durch Baden-Württemberg und 144 km durch Sachsen-Anhalt. Baden-Württemberg strebt inzwischen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Zwangsverpflichtung durch den Bund an.
Die Verordnung der Bundesregierung sieht vor, dass Gigaliner neben Autobahnen und Bundesstraßen auch auf einer Vielzahl von Landes- , Kreis- und Gemeindestraßen fahren dürfen. Die vollständige Liste aller Straßen befindet sich im Anhang der Verordnung.
3. Was erhoffen sich die Befürworter?
Die Befürworter übergroßer Lkw versprechen sich eine Kraftstoffersparnis im Lkw-Transport von bis zu 30 Prozent und die Einsparung von Lkw-Fahrten. Dadurch sollen der CO2-Ausstoß und Staus verringert werden. Zu den Befürwortern von übergroßen Lkw gehört der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) und weitere Verbände des Straßentransportgewerbes.
4. Was befürchten die Gegner?
Die Gegner von übergroßen Lkw befürchten, dass durch die Verbilligung des Lkw-Verkehrs durch Gigaliner ein Anreiz für mehr Straßengüterverkehr geschaffen wird. Durch den Kostenvorteil der Gigaliner könnten Güter von umweltfreundlichen Verkehrsträgern zurück auf die Straße verlagert werden. Das Ergebnis wären mehr Lkw-Fahrten und eine größere Umweltbelastung. Zu den Gegnern von übergroßen Lkw zählen die in der Allianz pro Schiene zusammengeschlossenen Automobilclubs, Umweltverbände und Eisenbahnen sowie der Deutsche Städtetag und die Deutsche Polizeigewerkschaft.
5. Kann der Gigaliner-Test noch gestoppt werden?
Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen haben beschlossen, gegen die Gigaliner-Verordnung der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Sie werfen der Bundesregierung vor, im Alleingang ohne Beteiligung von Bundesrat und Bundestag gehandelt zu haben. Ein Gutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Ulrich Battis kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Verordnung der Bundesregierung verfassungswidrig ist. Eine derartige Klage hat keine aufschiebende Wirkung, könnte den Versuch nach dessen Beginn aber noch ausbremsen.