Berlin. Eine Studie der Allianz pro Schiene hat ergeben, dass sich das Wachstum des Schienenverkehrs in Deutschland bis 2020 dramatisch beschleunigen wird. Schon heute wächst die Schiene schneller als die Straße, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Seit der Bahnreform haben wir einen Zuwachs bei den Personenkilometern von 25 Prozent. Steigende Ölpreise werden die Nachfrage nach Bahnverkehr zusätzlich kräftig ankurbeln. Unsere Rechenszenarien für den Personenverkehr auf der Schiene bewegen sich im Rahmen von plus 56 bis plus 100 Prozent bis 2020, sagte Flege und betonte, dass sich diese Zuwächse bereits ergäben, wenn man lediglich die aktuellen Trends beim Verkehrsverhalten der Deutschen und bei den Ölpreisen fortschreibe.
Der Bundesverkehrswegeplan, der zur Zeit aktualisiert wird, kalkuliert aber nach Vorgabe des Bundesverkehrsministeriums mit einem Ölpreis von maximal 42 US-Dollar pro Barrel für das Jahr 2020. Und das, obwohl der Ölpreis heute schon bei knapp 70 US-Dollar liegt. Das ist unseriös, sagte Flege. Öl wird nie wieder so billig sein. Von dem amtlichen Rechenfehler profitiere vor allem der Straßenverkehr: Die Nachfrage beim erdölabhängigen Straßenverkehr werde künstlich groß und die Nachfrage beim weitgehend elektrisch betriebenen Schienenverkehr künstlich klein gerechnet, bemängelte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. Bei realistischen Ölpreisprämissen wird die Debatte über den nötigen Infrastrukturausbau für die einzelnen Verkehrsträger ganz anders geführt, als bei einer Planung, die von Ölpreisen ausgeht, die wir schon lange nicht mehr haben. Die Allianz pro Schiene fordert daher das Verkehrsministerium auf, künftig mit realistischen Szenarien zu rechnen und die Prämissen offen zu legen. Der Studie zufolge wird der Benzinpreis im Jahr 2020 bei etwa 3,40 Euro liegen. Schon 2024 dürfte der Liter Sprit die Schallgrenze von 5 Euro erreichen. Solche Steigerungen stehen den Autofahren bevor, sagte Flege und kritisierte, dass die offiziellen amtlichen Stellen weiterhin mit geschönten Ölpreisen hantierten.
Angesichts der vorhersehbaren Nachfrageverschiebungen zugunsten der Schiene sei es höchste Zeit, den Schwerpunkt für öffentliche Infrastruktur-Investitionen richtig zu setzen. Sonst stehen wir bald vor der Frage, wie Verkehrsunternehmen und Infrastruktur solche Fahrgastzuwächse bewältigen können, sagte Flege und forderte außerdem eine neue Netzphilosophie: Statt teurer Einzelprojekte helfe vor allem ein Ansatz, der das Netz als Ganzes betrachte und durchlässiger mache. Die Nachfrage nach Schienenverkehr wird explodieren, nur die Bahnen und die Politik sind darauf noch nicht vorbereitet.
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Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit- Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 93 Unternehmen der Bahnbranche.