Berlin. Die in der Allianz pro Schiene vertretenen Verbände und Unternehmen ziehen eine „durchwachsene Zwischenbilanz“ der Bahnreform. Der Bund sei in den 10 Jahren seit Beginn der Reform „nicht ein Jota von seinem alten Kurs der einseitigen Förderung konkurrierender Verkehrsträger abgewichen“, kritisierte der Vorsitzende der Verkehrsgewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel.
Hommel sagte auf einer Veranstaltung der Allianz pro Schiene am Dienstag in Berlin, die Bahnreform sei „noch längst nicht abgeschlossen“. Insofern könne sie weder als gescheitert noch als erfolgreich bezeichnet werden. Das Hauptziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, sei jedenfalls verfehlt worden.
Der Aufsichtsratsvorsitzende von Bombardier Transportation, Peter Witt, warf dem Bund vor, die Investitionsmittel für die Schiene seien „zum Spielball der Politik verkommen“. Die Bahnindustrie werde in 2004 von der „herben Investitionsmittelkürzung für die Schienenwege zwar nur indirekt, aber dennoch schwer getroffen“. „Jeder zehnte Arbeitsplatz ist in Gefahr“, warnte Witt, der auch stellvertretender Vorsitzender der Allianz pro Schiene ist.
Positiv habe sich die Privatisierung der Deutschen Bahn und der beginnende Wettbewerb auf der Schiene für die Kunden im Nahverkehr ausgewirkt, so der Fahrgastverband Pro Bahn. „Hauptverbesserungen sind modernere Züge, freundlicheres Personal und eine spürbare Angebotsausweitung“, sagte der Verbandsvorsitzende Karl-Peter Naumann. Diese, mit den so genannten Regionalisierungsmitteln unterstützte Qualitätsoffensive habe zu 30 Prozent mehr Fahrgästen im Nahverkehr geführt.
Bislang zu wenig Ausschreibungen im Personennahverkehr und den fast völlig fehlenden Wettbewerb im Personenfernverkehr beanstandete Karl-Heinz Rochlitz von Connex Verkehr: „Auf langen Strecken existiert weiterhin das Monopol der DB AG“. Schuld seien „hohe Markteintrittshürden“, falsche Rahmenbedingungen und die geringe Ausschreibungsbereitschaft zahlreicher Länder. „Hier gibt es nach wie vor einen immensen Handlungsbedarf für die Politik“, sagte Rochlitz.
Positivbeispiele eines funktionierenden Wettbewerbs sieht Rochlitz vor allem in Schleswig-Holstein, in Hessen und im westfälischen Teil Nordrhein-Westfalens. Ziel von mehr Wettbewerb auf der Schiene sei es, für das System Schiene durch Innovationen mehr Kunden zu gewinnen, wie das z.B. mit dem InterConnex von Gera nach Rostock gelungen sei.
Die Deutsche Bahn bewertet die Bahnreform überwiegend als „Erfolgsstory“. Der Konzern sei durch einen „enormen Kraftakt“ erheblich rentabler geworden, habe sich zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen gewandelt, die verkehrlichen Ziele erreicht und den Steuerzahlern Milliardenbelastungen erspart, sagte der Leiter Verkehrspolitik, Markus Pennekamp.
Pennekamp hob die europaweit vorbildlichen Wettbewerbsbedingungen auf dem deutschen Schienennetz hervor. In diesem Zusammenhang richtete der DB-Vertreter an die Politik den Appell, den Prozess der europäischen Marktöffnung stärker voranzutreiben. Pennekamp: „Die wachsenden europäischen Märkte warten nicht auf die Schiene. Wer mehr Verkehr auf die Schiene will, muss auch mit Hochdruck die Voraussetzungen hierfür schaffen: fairen Marktzutritt ermöglichen und unternehmerische Prinzipien bei den Bahnen etablieren. Bei beiden Punkten ist Deutschland EU-weit Spitze“.
Die Allianz pro Schiene ist das einzige breite Bündnis für die Schiene in Deutschland. Dem im Sommer 2000 gegründeten Verband gehören 16 Non-Profit-Verbände aus den Bereichen Arbeit, Umwelt und Verbraucherschutz an sowie mittlerweile 39 Unternehmen aus der Bahnbranche. Zu den Non-Profit-Mitgliedern zählen die drei Gewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL, der Fahrgastverband Pro Bahn, der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie die Umweltverbände BUND und NABU. Zu den Fördermitgliedern gehören neben der Deutschen Bahn AG etliche private Wettbewerbsbahnen sowie die drei Weltmarktführer im Fahrzeugbau, Bombardier, Siemens und Alstom.