Berlin. Die Chancen für eine europaweite Lkw-Maut sind gestiegen. Das Europaparlament hat gestern (Dienstag) in erster Lesung einen Beschluss zur „EU-Wegekostenrichtlinie“ gefasst, den die Allianz pro Schiene jedoch als „völlig unzureichend“ zurückgewiesen hat.
„Der Beschluss sieht vor, dass die Kosten für den Straßengüterverkehrs durch die Einführung der Lkw-Maut insgesamt nicht steigen dürfen“, sagte Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege. Gleichzeitig will das Europaparlament mit der Wegekostenrichtlinie lobenswerterweise die europaweite Subventionierung des Lkw-Verkehrs durch die Allgemeinheit (so genannte „externe Kosten“) in Höhe von rund 150 Mrd. Euro beenden. „Diese beiden Ziele sind nicht unter einen Hut zu bringen“, kritisierte Flege.
Der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer nannte es „verkehrspolitisch verheerend“, wenn Deutschland nach der Einführung der nationalen Lkw-Maut 2005 von der EU gezwungen würde, die Kfz- oder die Mineralölsteuer für Lkw zu senken. „Herr Stolpe und Herr Eichel werden sich bedanken, wenn die fest eingeplanten Einnahmen aus der Lkw-Maut komplett durch Steuermindereinnahmen aufgezehrt werden“, sagte Flege. Auch die beabsichtigte Lenkungswirkung, Güter von der Straße auf die umweltverträgliche Schiene zu verlagern, ginge durch das belastungsneutrale Modell des EU-Parlaments „völlig verloren“.
Der Beschluss des EU-Parlaments sieht vor, dass die EU-Staaten für Lkw ab 3,5 Tonnen eine kilometerbezogene Maut in Höhe der noch nicht „amortisierten Wegekosten“ einführen können, die nach Umweltkriterien und Überlastungskriterien („Stau“) differenziert werden kann. Die Einnahmen sollen (nicht „müssen“!) für die Verkehrsinfrastruktur verwendet werden. Damit die EU-Wegekostenrichtlinie in Kraft treten kann, muss auf jeden Fall der EU-Verkehrsministerrat am 10. Juni der Richtlinie mit den Änderungen des Europaparlaments ebenfalls zustimmen. Nach Informationen der Allianz pro Schiene ist eine Einigung zwischen EU-Parlament und Ministerrat trotz der bis dahin erfolgten EU-Erweiterung (25 Verkehrsminister) „allen Unkenrufen zum Trotz recht wahrscheinlich“.
Das Schienenbündnis appellierte an den deutschen Verkehrsminister Manfred Stolpe, dem Richtlinienentwurf in der vom EU-Parlament gebilligten Fassung nicht zuzustimmen. Flege: „Wir bekommen sonst bei jeder Kfz-, Mineralöl- oder Ökosteuererhöhung in Deutschland eine Klagewelle der Spediteurs-Lobby, die sich dann auf die EU-Wegekostenrichtlinie beruft, nach der der Straßengüterverkehr nicht zusätzlich belastet werden darf“.
Die Allianz pro Schiene ist ein Bündnis von 17 Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerorganisationen zur Förderung des Schienenverkehrs. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 46 Fördermitgliedern aus der bahnnahen Wirtschaft.