Leipzig und Halberstadt sind die Sieger 2011

Kundensicht zählt: Allianz pro Schiene kürt Bahnhöfe des Jahres

 
Ein Gigant aus hellem Sandstein: Die Fassade des Leipziger Hauptbahnhofs misst stolze 298 Meter. Damit ist Leipzig der größte Kopfbahnhof Europas.

Berlin. Rund 2000 Einsender aus ganz Deutschland haben ihre Lieblingsbahnhöfe nominiert, die Jury hat ihre Testreisen unternommen und das Urteil ist gefallen: Leipzig und Halberstadt gewinnen den Titel „Bahnhof des Jahres 2011“. Zum achten Mal in Folge zeichnet die Allianz pro Schiene die kundenfreundlichsten Bahnhöfe Deutschlands aus. In der Kategorie „Großstadtbahnhof“ gewann der Leipziger Hauptbahnhof, der die Jury als erster Kopfbahnhof in der Wettbewerbs-Geschichte mit „unglaublich viel Platz für die Reisenden“ überzeugte. In der Kategorie „Kleinstadtbahnhof“ gewann Halberstadt, das seit dem gelungenen Umbau im Jahr 2010 – so das Urteil der Jury – „aus der Kellerliga auf das Siegertreppchen“ geklettert sei. „Abseits von der politischen Aufregung um Stuttgart wandelt sich in Deutschland gerade der Anspruch der Reisenden an ihren Bahnhof“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. „Bahnhöfe, die statt leerer Wartezeiten ein eigenes Erlebniszentrum schaffen, das Reisende und Besucher ganzheitlich anspricht, stehen in der Gunst der Menschen ganz weit oben.“

Leipzig Hauptbahnhof: Kopfbahnhof der ersten Klasse

Als „Kathedrale des Fortschritts“ kam der Leipziger Hauptbahnhof schon bei seiner Eröffnung 1915 daher. Dass er diesen Anspruch auch nach dem Umbau seit 1999 mustergültig erfüllt, begeisterte die 5-köpfige Jury aus Vertretern des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dem Deutschen Bahnkunden-Verband (DBV), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem Autoclub Europa (ACE) und der Allianz pro Schiene. So verschaffte der Gigant aus hellem Sandstein den Bahnhofstestern schon beim Eintritt in seine hohe Halle „eine spirituelle Erfahrung“. „Eine solche Großzügigkeit an einem hektischen Ort wie einem Bahnhof verblüfft und beruhigt zugleich. Solche Gefühle vermitteln sonst nur Kirchen“, sagte Karl-Peter Naumann von Pro Bahn und lobte die „hohe Aufenthaltsqualität“ in dem Gebäude. Für Reisende „übersichtlich und barrierefrei, bietet der Bahnhof mit seinen verglasten Ladenzeilen ein Einkaufsniveau der Spitzenklasse“, schwärmte Naumann. Monika Ganseforth vom VCD hob hervor, dass sich Reisende und Shoppende in Leipzig niemals in die Quere kämen, obwohl der Bahnhof auch im Einkaufsbereich „immer präsent“ sei. Im alten preußischen Wartesaal entdeckte Ganseforth die „schönste Bahnhofsbuchhandlung Deutschlands“. Dass eine „sehr aktive Bahnhofsmission auch Reisenden in Notlagen immer offen steht, vollendet das Gesamtbild dieses großartigen Bahnhofs“, sagte Ganseforth.

Bahnhof Halberstadt: Aus der Keller-Klasse in die Bundesliga

Dass Halberstadt schwere Zeiten hinter sich hat, wusste die Jury. Und war beim Vorort-Test umso angenehmer überrascht: „Dieser Gründerzeitprachtbau hat den Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg überstanden, und verschlief die DDR-Ära unter einer Wellblechhülle“, sagte Dieter Harms vom ACE. „Seit der Wiedereröffnung im Jahr 2010 strahlt der Bahnhof von Halberstadt wie ein wachgeküsstes Dornröschen“, urteilte Harms sehr beschwingt. Die Schönheit aus dem Vorharz habe den Bahnhofs-Test mit Bravour bestanden: „Mächtige Backsteine außen, schöne Rundungen innen, so bietet der Bahnhof dem Reisenden alles, was er unterwegs braucht: Schließfächer, saubere Bahnsteige, reichlich Sitzgelegenheiten, außerdem Information in Hülle und Fülle“, sagte Christian Schultz vom DBV und freute sich auch an den gelungenen verkehrstechnischen Details: überdachte Fahrradstellplätze, beleuchtete Kfz-Stellplätze, automatisch öffnende Seitentüren. „Es sind solche liebevoll gestalteten Details, die aus einem guten Bahnhof einen Bahnhof des Jahres machen“, sagte Schultz.

2000 Einsendungen: Bahnkunden würden Stuttgart wählen

Zur Siegerkür „Bahnhof des Jahres 2011“ waren erstmals auch Bahnkunden aufgefordert, ihre Lieblingsbahnhöfe zu nominieren. Unter den Top-Bahnhöfen der rund 2000 Einsender platzierte sich Stuttgart gleich doppelt: Der Stuttgarter Hauptbahnhof kam mit 760 Stimmen auf Platz eins, während Stuttgart 21 mit 27 Stimmen auf Platz 11 im Einsender-Ranking landete. Auch Leipzig (Platz 2/ 141 Stimmen) und Halberstadt (Platz 27 / 7 Stimmen) hatten glühende Fans unter den Bahnkunden. „Tief beeindruckt haben uns Schilderungen aus der Kindheit, die Identifikation mit dem Bahnhof als ein Stück Heimat sowie die häufig mit dem Bahnhof verbundene Vorfreude auf eine geliebte Person, die am Bahnsteig wartet. Das geht ans Herz. Auch beim Stuttgarter Kopfbahnhof haben wir eine Reihe von authentischen Liebeserklärungen bekommen, die uns teilweise gerührt haben. Dennoch kann der Stuttgarter Kopfbahnhof in seiner jetzigen Verfassung in Sachen Kundenfreundlichkeit mit dem Leipziger Kopfbahnhof nicht mithalten“, sagte Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Flege.

Zwei Sieger aus dem Osten, NRW hat den Anschluss verpasst

Mit Leipzig hat zum ersten Mal seit dem Start des Wettbewerbs ein sächsischer Bahnhof den Titel „Bahnhof des Jahres“ gewonnen. Auch Sachsen-Anhalt ist mit Halberstadt zum ersten Mal dabei. Während Baden-Württemberg schon mit drei Sieger-Bahnhöfen – Mannheim, Karlsruhe und Baden-Baden – an der Spitze der Bundesländer steht, gehen etwa Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder das Saarland auch in diesem Jahr wieder leer aus. „Bahnhofsfinanzierung ist eine Querschnittsaufgabe zwischen Stadt, Land und Deutscher Bahn. Natürlich stehen die Bundesländer besonders in der Pflicht“, sagte Flege und betonte, dass die Jury auch in diesem Jahr wieder eigene große Testausflüge nach NRW unternommen habe. „Leider hat das bevölkerungsreichste Bundesland beim Thema Bahnhöfe den Anschluss an die anderen Regionen in Deutschland verloren.“

Die Checkliste ist immer dabei

Mit dem Wettbewerb „Bahnhof des Jahres“ prämiert die Allianz pro Schiene seit 2004 jährlich den besten deutschen Großstadt- und Kleinstadtbahnhof. Ausgezeichnet wird nur, wer nach einer festen Kriterienliste am besten auf die Bedürfnisse der Bürger eingeht: Objektive Erfordernisse wie Kundeninformation, Sauberkeit, Integration in die Stadt und Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln sind dabei ebenso entscheidend wie ein eher subjektiver Wohlfühlfaktor. Dass schmutzige Toiletten das Aus bedeuten, versteht sich. Weitere K.O.-Kriterien: Ein Bahnhof, der kein Personal vor Ort hat, der Sicherheitsmängel aufweist oder nicht barrierefrei gestaltet ist, kann nicht gewinnen. Die Siegerbahnhöfe der vorigen Jahre waren 2010 Darmstadt und Baden-Baden, 2009: Erfurt und Uelzen, 2008: Karlsruhe und Schwerin, 2007: Berlin Hauptbahnhof und Landsberg am Lech, 2006: Hamburg Dammtor und Oberstdorf, 2005: Mannheim und Weimar und 2004: Hannover und Lübben.