Berlin, 29.05.2024. Verspätete Züge, kaputte Fahrstühle, verpasste Anschlüsse – es gibt viele Gründe, die manch eine Reise zu einer Herausforderung machen können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahnen wachsen in ihrem Job oftmals über sich hinaus, um Fahrgäste auch in schwierigen Situationen zu unterstützen. Besonders herausragendes Engagement zeichnet die Allianz pro Schiene am Mittwoch bei einer feierlichen Gala in Potsdam aus. Schon zum 14. Mal werden dort Eisenbahner und Eisenbahnerinnen mit Herz geehrt. Die Gala wird ab 18.00 Uhr live übertragen.
Der Geschäftsführer des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses, Dirk Flege, der auch Jury-Mitglied ist, freut sich über zahlreiche tolle Geschichten: „Wir hatten in diesem Jahr mehr als 150 Vorschläge von Fahrgästen aus ganz Deutschland, die nach einem positiven Erlebnis unter anderem Zugbegleiter, Lokführerinnen oder Servicemitarbeitende als Eisenbahner mit Herz vorgeschlagen haben. Das zeigt, wie sehr sich das Personal ins Zeug legt. Gerade an sehr anstrengenden Arbeitstagen haben unsere Gewinnerinnen und Gewinner alles aus sich herausgeholt und haben mit Herz, Köpfchen und Engagement alles für ihre Fahrgäste gegeben. Sie verdienen Lob und Anerkennung.“
Zugchefin Anja Szeglat hatte eine derart unkonventionelle Idee, dass sie als erste Preisträgerin in der Geschichte des Wettbewerbs sowohl in der Kategorie Publikumsliebling als auch in der Kategorie Gold ausgezeichnet wird.
Der Tag hatte für Anja Szeglat denkbar schlecht begonnen. Ihr geliebter Kater war am Morgen gestorben. Auf dem Weg zur Arbeit setzte sie sich mit Dienstuniform noch versehentlich in eine Bierlache. Und nach Dienstbeginn stellte sich heraus, dass es für die Fahrt von München nach Hamburg wegen Krankheit nicht genügend Personal gab. Anja Szeglat stand mitten auf der Fahrt plötzlich als einzige Zugbegleiterin für 13 Waggons da. Als Zugchefin trägt sie die Verantwortung für die Sicherheit der Fahrgäste. Sie denkt über die Dienstvorschriften nach und sieht folgende Optionen: Einfach weiterzufahren scheint ihr unverantwortlich, den Zug in Kassel-Wilhelmshöhe enden zu lassen ebenfalls.
Doch schließlich hat Anja Szeglat eine Idee: Was, wenn sie einfach ihren Zug auf die erlaubte Waggon-Anzahl schrumpfen könnte? Mit einigen freundlichen Durchsagen hält sie die Fahrgäste auf dem Laufenden und erreicht, dass sich die Reisenden ohne zu murren von ihren festen Sitzplätzen verabschieden und sich in der Mitte des Zuges treffen. So kann sie einige nun leere Waggons verschließen, und der Zug kommt mit etwas Verspätung doch noch ans Ziel. Die Fahrgäste sind begeistert und applaudieren, die Zugchefin ist zu Tränen gerührt und erleichtert.
Zugbegleiter Thomas Böhm steht am Ende einer langen Schicht, als ihn in Kufstein (Österreich) ein Vater und dessen Sohn auf dem Bahnsteig ansprechen. Sie haben nach einem Gleiswechsel ihren Zug nach München verpasst. So spät am Abend gibt es jedoch keinen nächsten Zug mehr, und es droht ihnen eine Übernachtung am Bahnhof.
Thomas Böhm überlegt nicht lange. Er bietet dem Vater und seinem minderjährigen Sohn an, sie mit seinem Privat-Auto nach München zu bringen – obwohl das für ihn einen Umweg von sage und schreibe 300 Kilometern bedeutet. Die beiden Fahrgäste sind sprachlos, als der Zugbegleiter sie gegen 3.45 Uhr in der Früh am Münchner Hauptbahnhof absetzt und sie dort gleich den ersten Zug nach Hannover erwischen. Thomas Böhm ist erst gegen 5.30 Uhr zuhause – müde, aber glücklich; und mit dem guten Gefühl, dass er zwei Menschen helfen konnte.
Ein kaputter Fahrstuhl am Bahnhof im südhessischen Bensheim krempelt den Arbeitstag von Gerd Müller gewaltig um. Eine kleine Reisegruppe will nach einem gemeinsamen Ausflug von Bensheim mit dem Zug zurück nach Frankfurt fahren. Doch wegen des kaputten Fahrstuhls muss sich die Gruppe auf dem Nachhauseweg aufteilen: Die Hälfte der Gruppe, die auf Rollstühle angewiesen ist, hat wegen des defekten Aufzugs keine Chance, zu ihrem Zug nach Frankfurt zu kommen. Sie bleibt mit einem Betreuer in Bensheim zurück. Die Gruppe ist ziemlich verzweifelt.
Die andere Hälfte der Gruppe, die mobil ist und es in den Zug nach Frankfurt geschafft hat, bittet Zugbegleiter Gerd Müller um Hilfe. Er setzt alle Hebel in Bewegung und wird so etwas wie eine Telefonzentrale aus dem fahrenden Zug: Er spricht abwechselnd mit der Transportleitung und hält beide Hälften der Gruppe auf dem Laufenden. Schließlich erreicht er, dass der nächste Zug nach Frankfurt in Bensheim auf ein Gleis mit funktionierendem Fahrstuhl umgeleitet wird, damit die Rollstuhlfahrer einsteigen können.
Die Erleichterung bei der gestrandeten Gruppe ist riesig. Nach Feierabend erkundigt sich Gerd Müller nochmal telefonisch beim Betreuer der Reisegruppe, ob auch wirklich alles geklappt hat. Und ja, das hat es tatsächlich. Der Betreuer ist so dankbar, dass er Gerd Müller kurz darauf als Eisenbahner mit Herz vorschlägt.
In der Kategorie Landessiegerinnen und Landessieger werden folgende Mitarbeitende für besondere Leistungen in ihrem Bundesland ausgezeichnet:
Die jeweiligen Geschichten zu den Landessiegerinnen und Landessiegerinnen finden Sie hier oder in unserem Magazin zum Wettbewerb.
Der Wettbewerb Eisenbahner/in mit Herz besteht aus zwei Teilen. Zunächst können über eine für alle offene Online-Abstimmung die Fahrgäste ihre Lieblingsgeschichte auswählen. Der Gewinner oder die Gewinnerin erhält den Preis in der Kategorie Publikumsliebling.
Darüber hinaus kürt eine siebenköpfige Fachjury aus der Bahnbranche die Kandidatinnen und Kandidaten für die Gold-, Silber- und Bronze-Auszeichnung. In diesem Jahr gibt es wegen der zwei aus Jury-Sicht gleichwertigen Silber-Geschichten ausnahmsweise keine Bronze-Auszeichnung.
Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer können übrigens das ganze Jahr über hier ihre Reisegeschichten bei der Allianz pro Schiene einreichen.