Berlin, den 21. Februar 2017. Beim Thema Elektromobilität sieht die Allianz pro Schiene Versäumnisse der Politik bei der weiteren Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes. Neueste Vergleichszahlen der EU zeigen große Unterschiede beim Elektrifizierungsgrad zwischen den Bahnnetzen der europäischen Länder, wie aus einer Auswertung der Allianz pro Schiene hervorgeht. Demnach liegt Deutschland mit einem Elektrifizierungsgrad von 60 Prozent zwar über dem EU-Schnitt von 52 Prozent, platziert sich aber klar hinter europäischen Spitzenreitern wie der Schweiz (100 Prozent Elektrifizierungsgrad), Belgien (85 Prozent), den Niederlanden und Schweden (beide 76 Prozent), Italien (71 Prozent) oder Österreich (70 Prozent).
„Während unsere europäischen Nachbarn ihre Netze für einen umweltschonenden Schienenverkehr hochrüsten, berauschen wir uns in Deutschland daran, unsere Autobahnen mit Oberleitungen auszustatten“, kritisierte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am Dienstag in Berlin. „Klare Ziele und ein finanziell hinterlegtes Elektrifizierungsprogramm für das deutsche Schienennetz gibt es dagegen nicht“, beklagte Flege. Die Allianz pro Schiene forderte die Politik auf, sich bis 2025 für das Bundesschienennetz einen Elektrifizierungsgrad von 70 Prozent zum Ziel zu setzen. „Italienische Verhältnisse bei der Elektromobilität auf der Schiene, das sollten wir uns mindestens leisten“, sagte Flege und warnte davor, dass sich Deutschland mit seiner Förderung der Elektromobilität weiterhin zwischen Abseits und Mittelmäßigkeit bewege. Als Sofortmaßnahme sollte der Bund die im Schienenwegeausbaugesetz vorgesehenen Strecken nun schnell finanzieren.
Auf Anfrage der Allianz pro Schiene sprachen sich auch führende Verkehrspolitiker aller Parteien für größere politische Anstrengungen des Bundes bei der Elektrifizierung seines Schienennetzes aus. Arnold Vaatz (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte: „Strom über die Oberleitung ist die vernünftigste Form von Elektromobilität. Investitionen in die Elektrifizierungslücken unseres Bahnnetzes sind sinnvolle und rentable Anlagen von öffentlichen Mitteln. Sie schützen die Umwelt und geben der Bahn eine sichere Zukunft.“
Der SPD-Politiker Martin Burkert, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, stellte ebenfalls die Vorteile eines Elektrifizierungszieles heraus: „Ein großer Teil des Schienenverkehrs wird schon elektrisch betrieben. Gleichzeitig fehlt aber auf 40 Prozent des Schienennetzes eine elektrische Oberleitung. Hier schlummert großes Potenzial für mehr Investitionen, mehr Arbeitsplätze und mehr Mobilität. Es ist Zeit für eine Elektrifizierungsoffensive in Deutschland.“
Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, kritisierte, dass die Elektromobilitäts-Politik des Bundes bislang viel zu sehr aufs Auto fixiert sei: „Die Bundesregierung hilft der Industrie dabei, unverkäufliche E-Autos unters Volk zu bringen und vernachlässigt die E-Mobilität auf der Schiene. Selbst im polnischen Schienennetz ist der Anteil der Strecken mit Stromversorgung höher als in Deutschland. Es ist höchste Zeit für ein Elektrifizierungsprogramm für Bahnstrecken – als Alternative zu LKW-Kolonnen.“
Matthias Gastel, Bahnpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, verwies auf die deutlich nachhaltigere Politik der anderen europäischen Länder: „Deutschland sollte sich bei der Elektromobilität nicht nur auf das Auto konzentrieren. 40 Prozent unseres Schienennetzes haben heute noch immer keine Oberleitung. Die Schweiz, Österreich und die Niederlande tun hier deutlich mehr für den Klimaschutz. 70 Prozent Elektrifizierung bis 2025 sind ein erstes Etappenziel auf dem Weg zu 100 Prozent E-Mobilität auf der Schiene.“
Auch Andreas Rimkus, stellvertretender verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, betonte, wie wichtig die Schiene bei der Förderung der Elektromobilität sei: „Beim Thema Elektromobilität rückt die Schiene leider manchmal in den Hintergrund. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schiene – als elektrisch angetriebener Verkehrsträger – einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Schadstoffen und Umweltverschmutzung leistet. Deshalb finde ich es sehr wichtig, die Elektrifizierung im Schienenbereich voranzutreiben.“
Der CDU-Politiker Dirk Fischer, Mitglied im Verkehrsausschuss im Bundestag, verwies vor allem auf die Vorteile für den Hamburger Hafen: „Der Schienengüterverkehr ist für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens von entscheidender Bedeutung. Daher muss die Schieneninfrastruktur in ganz Deutschland für den Seehafenhinterlandverkehr, wie im Schienenwegeausbaugesetz vorgesehen, zügig ausgebaut werden. Elektrifizierungslücken müssen möglichst bald geschlossen werden. Elektromobilität auf der Schiene ist ein wichtiger Beitrag für die Energie- und Klimapolitik“.
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Grafik zum EU-Vergleich bei der Bahn-Elektrifizierung hier zum Download