Berlin, 29.11.2023. In Schleswig-Holstein wurde im Oktober der Auftakt einer Weltpremiere gefeiert: mit dem Einsatz eines neuartigen Akkuzugs im Personennahverkehr zwischen Kiel und Oppendorf. Dem Zug, der seine Batterien während der Fahrt auf Streckenabschnitten mit Oberleitung aufladen kann, folgt schon bald eine ganze Flotte baugleicher Fahrzeuge. Der Start in das neue Zeitalter der Akkuzüge ist in diesem Ausmaß einzigartig. Ruth Niehaus war als Projektleiterin Wegbereiterin dieses Meilensteins in Schleswig-Holstein. Dafür erhält sie von der Allianz pro Schiene den Clara Jaschke Innovationspreis. Mit ihm werden Frauen aus der Bahnbranche ausgezeichnet, die die Schiene mit ihren Ideen und ihrem Engagement voranbringen.
Die Schiene umweltfreundlicher machen, auch wenn an vielen Stellen Oberleitungen fehlen. Vor dieser Herausforderung stand Ruth Niehaus, als sie 2019 zur Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH (NAH.SH) kam. Es ging darum, die gängigen Dieselfahrzeuge durch Batteriezüge zu ersetzen. Die Akkus brauchen in dem Flächenland richtig Durchhaltevermögen: So musste nicht nur der Elektrotriebzug vom Hersteller so weiterentwickelt werden, dass er auch mit einem Akku fahren kann. Es musste auch überlegt werden, wo er nachgeladen werden kann. Hier galt es für die Projektleiterin, Züge und Streckeninfrastruktur zusammenzudenken, Hürden zu beseitigen, alle Fäden in der Hand zu behalten und einen kühlen Kopf zu bewahren.
„Es gab viele Herausforderungen in diesem Projekt: Nicht nur die Pandemie, die uns in den wichtigen Phasen ausgebremst hat“, sagt Preisträgerin Ruth Niehaus. Auch die DB-Regelwerke mussten den Bedürfnissen eines Akkutriebzuges genügen und einen sicheren Betrieb möglich machen. „Dass wir jetzt so weit sind, dass unser Akkuzug mehrmals täglich zwischen Kiel und Lüneburg zuverlässig Menschen an ihr Ziel bringt und wir voraussichtlich schon in wenigen Monaten eine Flotte von 55 Zügen auf allen Akkunetz-Strecken im Einsatz haben werden, macht mich total stolz.“
Dirk Flege, Jurymitglied und Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, gratulierte der Preisträgerin: „Was Ruth Niehaus und ihr Team mit dem Auftakt zu dieser Weltpremiere geleistet haben, ist von unschätzbarem Wert für die gesamte Branche und strahlt weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Ruth Niehaus zeigt, dass es möglich ist, binnen weniger Jahre den Nahverkehr auf noch nicht elektrifizierten Schienenstrecken komplett unabhängig vom Dieselantrieb zu machen. Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann kann das einen großen Unterschied machen auf dem Weg zur Verkehrswende.“
Preisträgerin Ruth Niehaus ist 45 Jahre alt. Sie ist studierte Elektrotechnik- und Wirtschaftsingenieurin. Seit 2019 ist sie bei NAH.SH in Schleswig-Holstein Projektleiterin für die Umstellung des Linienbetriebs auf Akkuzüge.
Frühere Clara-Jaschke-Preisträgerinnen entwickelten beispielsweise Systeme, mit denen die Auslastung von Zügen effizient gemessen und den Fahrgästen angezeigt werden kann. Außerdem fanden sie innovative Lösungen, um sensible Güter beim Transport zu kühlen und entwickelten Systeme, um Züge effektiver reparieren zu können.
Der Clara Jaschke Innovationspreis erinnert an eine Pionierin und Vorkämpferin für Frauen bei der Bahn. Clara Jaschke wurde 1848 in Schlesien geboren. Als eine der ersten Eisenbahnerinnen in Deutschland setzte sie sich für Frauenrechte ein. Zusammen mit ihren wenigen Kolleginnen erreichte sie mit einer erfolgreichen Petition im Preußischen Abgeordnetenhaus im Jahr 1898, dass auch Frauen in der Schienenbranche eine reguläre Anstellung als Beamtin erlangen konnten. Ihr Durchsetzungsvermögen ebnete den Weg für Frauen bei der Eisenbahn.
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