Berlin, 30.09.2022. Die Allianz pro Schiene beklagt Stillstand bei der Elektrifizierung des Schienennetzes in Deutschland. Der Geschäftsführer des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses, Dirk Flege, sagte in Berlin: „Seit 2019 tut sich praktisch nichts in Deutschland – gerade einmal 61 Prozent des Schienennetzes sind elektrifiziert. Im europaweiten Vergleich ist die fehlende Dynamik hierzulande beschämend.“
Spitzenreiter ist nach wie vor die Schweiz mit einem komplett elektrifizierten Streckennetz. Auch Luxemburg hat deutlich aufgeholt und hat 91 Prozent des Schienennetzes mit Oberleitungen versehen. Die EU-Mitgliedstaaten haben den Anteil der elektrifizierten Strecken in den vergangenen neun Jahren um durchschnittlich vier Prozentpunkte steigern können, während Deutschland lediglich einen Zuwachs von zwei Prozentpunkten vorweisen kann. Ausgewertet hat die Allianz pro Schiene für ihren EU-Vergleich kürzlich veröffentlichte Daten der EU-Kommission.
Die Bundesregierung plant, bis 2030 75 Prozent des Streckennetzes in Deutschland zu elektrifizieren. „Dieses Ziel rückt in immer weitere Ferne“, beklagte Flege. Derzeit umfasst das bundeseigene Streckennetz hierzulande 33.400 Kilometer. Zuletzt wurden gut 65 Kilometer pro Jahr neu mit Oberleitungen ausgestattet. „Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, müssten allerdings 500 Kilometer pro Jahr elektrifiziert werden.“
„Der Bund muss jetzt wirklich zügig das Planungsrecht für die nachträgliche Elektrifizierung bereits gebauter Schienenstrecken vereinfachen“, so Flege. Insbesondere für eine umweltfreundlichere Bilanz des Güterverkehrs ist das wichtig. Flege: „Zwar werden 93 Prozent der aktuellen Verkehrsleistung im Schienengüterverkehr elektrisch erbracht. Wenn aber Lkw-Transporte in großem Stil auf die Schiene verlagert werden sollen, dann müssen auch die bislang nicht elektrifizierten Schienenstrecken eine Oberleitung bekommen. Güterzüge brauchen auf der langen Strecke die Oberleitung, mit alternativen Antrieben kommen sie nicht weit.“
Elektrifizierung bedeutet, eine Schienenstrecke mit einer Oberleitung zu versehen oder Stromschienen zu legen. Die Schiene ist zwar schon jetzt der energieeffizienteste Verkehrsträger. Ihr Vorsprung wächst aber noch einmal deutlich durch die Elektrifizierung. Zum einen belasten Dieselantriebe die Luft mit Schadstoffen wie Stickoxiden. Zum zweiten belasten sie durch die Verbrennung fossiler Energieträger das Klima. Daher kann die Schiene mit Elektroantrieben ihre Pluspunkte noch besser ausspielen. Die E-Mobilität auf der Schiene erhöht zudem die Leistungsfähigkeit, da mit ihr längere und schwerere Züge gefahren werden können – die außerdem noch leiser unterwegs sind.