Berlin, 22. Mai 2019. Schweinfurt weist unter allen Städten und Landkreisen in Deutschland das dichteste Netz an Haltestellen im öffentlichen Verkehr auf. Für die Einwohner der bayerischen Stadt sind die Wege zu Bus und Bahn sogar kürzer als für Berliner, Hamburger oder auch Münchner. Dies zeigt das deutschlandweite Ranking der Allianz pro Schiene zur Erreichbarkeit des öffentlichen Verkehrs, das auf offiziellen Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) basiert. „Mit diesem Angebot an Haltestellen und Bahnhöfen ragt Schweinfurt heraus“, sagte am Mittwoch in Berlin Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.
Allerdings schneidet Bayern insgesamt schlecht ab. Der Freistaat nimmt im bundesweiten Vergleich der Flächenländer den vorletzten Platz ein und lässt nur Mecklenburg-Vorpommern hinter sich. „Gerade im Freistaat Bayern sind die Menschen in vielen Regionen auf erschreckende Weise abgehängt vom öffentlichen Verkehr. Von der Vorbildfunktion, die Bayern gerne für sich in Anspruch nimmt, ist hier nichts zu sehen.“
In dem Erreichbarkeits-Ranking liegen die fünf Landkreise mit dem schlechtesten Ergebnis alle in Bayern. Das Schlusslicht bildet bundesweit der Landkreis Freyung-Grafenau. Dort wohnt nur jeder siebte Einwohner höchstens 600 Meter Luftlinie von der nächsten Haltestelle oder höchstens 1200 Meter vom nächsten Bahnhof mit jeweils mindestens 20 Fahrtmöglichkeiten am Tag entfernt. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, gilt die Erreichbarkeit nach den Standards des BBSR als zumindest ausreichend. Bundesweit stehen Frankfurt am Main, Mainz und Bamberg gut da. Den Topwert unter den Landkreisen erreicht der Main-Taunus-Kreis. Dort ist die Anbindung für 99,48 Prozent der Einwohner nach den BBSR-Kriterien ausreichend oder besser. Ein solches Resultat erreichen gewöhnlich nur größere Städte.
„Auch dünn besiedelte Regionen dürfen nicht vom öffentlichen Verkehr abgekoppelt werden“, betonte Dirk Flege vom Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene. „Eine geringe Bevölkerungsdichte dürfen die Menschen den Verantwortlichen nicht als Ausrede für ein schlechtes Angebot an Haltestellen und Bahnhöfen durchgehen lassen.“ So befinden sich unter den 15 Landkreisen mit der schlechtesten Erreichbarkeit von Bus und Bahn in Deutschland lediglich zwei, die auch zu den 15 Landkreisen mit der geringsten Bevölkerungsdichte gehören. Dies sind der Landkreis Lüchow-Dannenberg und der Eifel-Kreis Bitburg-Prüm. Beim Schienennahverkehr sind laut Flege insbesondere die Landesregierungen und beim Busverkehr die Landkreise gefordert.
Die Allianz pro Schiene sieht aber auch den Bund in der Pflicht, die Länder und Kreise stärker zu unterstützen. Das Verkehrsbündnis bekräftigte seine Forderung an den Bund, mit einem eigenen Programm die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken zu unterstützen. „Für fast alle Regionen mit besonders schlechter Anbindung liegen konkrete Vorschläge vor, wie sich das Angebot am öffentlichen Verkehr durch eine Reaktivierung vorhandener, aber stillgelegter Schieneninfrastruktur schnell und vergleichsweise kostengünstig wieder verbessern lässt“, so Flege. „Die Menschen wollen die Schiene auch in der Fläche – dem muss die Politik Rechnung tragen.“
Eine gute Anbindung an Bus und Bahn ist laut Flege eine wichtige Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität. „Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ muss sich mit diesen Erreichbarkeitsstatistiken beschäftigen und sie in ihren Vorschlägen berücksichtigen. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind nur möglich, wenn man die Menschen auch auf dem Land nicht vom öffentlichen Verkehr abkoppelt.“ Die Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ soll bis Anfang Juli Vorschläge erarbeiten.
Mehr Infos unter: