Selbstfahrende Metros in Europa: Eine Milliarde Fahrgäste jedes Jahr

EU-Umfrage: Autonomes Fahren bei U-Bahnen boomt / Systemvorteile durch Digitalisierung

Autonomes Fahren auf der Schiene wurde in Nürnberg zuerst umgesetzt: Die Linie U3 fährt ohne Fahrer
Die Nürnberger U-Bahn gehört in Deutschland zu den Pionieren des autonomen Fahrens. 15 Städte in Europa betreiben bereits vollautomatische Linien mit großem Erfolg. Weitere sind in Planung.

Berlin, den 30. November 2016. Beim autonomen Fahren herrscht eine klare Arbeitsteilung: Die Autoindustrie redet davon, die Bahnen machen es. Im Jahr 2015 beförderten selbstfahrende Metros im europäischen Stadtverkehr rund eine Milliarde Fahrgäste, wie eine EU-weite Umfrage der Allianz pro Schiene ergab. In 15 Städten nutzen die Reisenden völlig autonome U-Bahnen mit ständig wachsenden Fahrgastzahlen: In Frankreich setzen bereits fünf Städte auf fahrerlose Systeme: Paris, Rennes, Toulouse, Lyon und das nordfranzösische Lille, wo vor mehr als 30 Jahren die erste selbstfahrende U-Bahn der Welt in Betrieb ging. Auch Italien hat sich zu einem europäischen Zentrum für autonomes Fahren auf der Schiene entwickelt: Rom, Mailand, Turin und Brescia betreiben fahrerlose Linien mit großem Erfolg. Auch in London, Barcelona, Budapest, Kopenhagen und im Schweizer Lausanne befördern selbstfahrende Metros täglich Hunderttausende von Fahrgästen. In Deutschland gehört Nürnberg zu den Pionieren des autonomen Fahrens auf der Schiene. Hamburg will mit automatisierten Untergrundbahnen folgen. In Wien, Athen, Istanbul und Stockholm sind ebenfalls fahrerlose Linien in Planung.

Interaktive Karte: In diesen europäischen Städten fahren die U-Bahnen autonom

Fahren Sie mit dem Mauszeiger über einen Stadtnamen, wird Ihnen ein Steckbrief des jeweiligen Metrosystems angezeigt. Surfen Sie mit mobilen Endgeräten, klicken Sie bitte auf den Namen. (Karte Stand Juni 2022)

Selbstfahrende Metros melden Fahrgastrekorde

In einer EU-Umfrage hat die Allianz pro Schiene die städtischen Betreiber der selbstfahrenden  Metros nach den Systemvorteilen gefragt. Danach ermöglicht der automatisierte Betrieb eine kürzere Taktung und damit Zuwächse bei der Kapazität, eine höhere Energieeffizienz, eine bessere Verfügbarkeit der Fahrzeuge, gute Pünktlichkeitswerte und ein hohes Sicherheitsniveau. Akzeptanzprobleme seitens der Fahrgäste traten bei keinem der Betreiber auf.

Im Video: Das autonome U-Bahn-System in Nürnberg (07:41 min.)

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Drei Jahrzehnte Vorsprung auf der Schiene

„Die Bahn hat beim Thema „autonomes Fahren“ 33 Jahre Vorsprung vor der Automobilindustrie“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin. „Es ist schon erstaunlich, dass Visionen vom fahrerlosen Pkw die globale Phantasie derart beflügeln. Eigentlich ist das „autonome Fahren“ und die Digitalisierung aller Abläufe beim öffentlichen Verkehr am besten aufgehoben“, sagte Flege.

Autonome Züge: Energieverbrauch sinkt um 30 Prozent

Viele Vorteile autonomer Metros im Stadtverkehr sind klar zu beziffern. „Im Vergleich zu einer konventionellen U-Bahn können selbstfahrende Metros durch kürzere Abstände zwischen den Bahnen 20 Prozent mehr Fahrgäste auf einem Streckenabschnitt transportieren, und der Energieverbrauch sinkt durch computergesteuertes Fahren um 30 Prozent“, sagte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. Auch verbessere sich die bei Metros üblicherweise hohe Pünktlichkeitsquote noch einmal. „Das sind Vorteile, die sich beim Neubau von U-Bahnlinien betriebswirtschaftlich rechnen, weshalb die Nachfrage weltweit rapide ansteigt“, sagte Flege. Die Umrüstung existierender U-Bahnstrecken auf die vollautomatisierte Technik lohne sich dagegen häufig nicht: „Die meisten der aktuell fahrenden autonomen Metros sind von Anfang an fahrerlos konzipiert worden. Weltweit setzen vor allem Betreiber neuer Linien auf die Vollautomatisierung“, erläuterte Flege mit Verweis auf eine globale Studie des Eisenbahnverbandes UITP zum autonomen Fahren auf der Schiene.

„Lokführer werden wir noch sehr lange brauchen“

Auf das reguläre Eisenbahnnetz lasse sich die Technik der vollautomatisierten U-Bahnen jedoch nicht ohne weiteres übertragen. „Sobald Güterzüge, schnelle und langsame Personenzüge auf einem Gleis verkehren, wird es schwieriger“, sagte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. Zwar gebe es in Australien bereits selbstfahrende Güterzüge, aber „insbesondere im Personenverkehr werden wir noch sehr lange Lokführer brauchen“, sagte Flege. „An Lokführern herrscht aktuell großer Mangel, der Personalbedarf der Bahnen steigt.“

Digitale Testfelder für die Schiene gefordert

Dennoch habe der digitale Wandel und die zunehmende Automatisierung auch den Eisenbahnverkehr „längst erreicht“. „Für den regulären Eisenbahnbereich – etwa im Rangierbetrieb – müssen jetzt systematisch alle Stellhebel erforscht werden, um Digitalisierung und Automatisierung bei der Eisenbahn voranzutreiben“, sagte Flege und nahm dafür auch die Politik in die Pflicht. „Während es in Deutschland für die Straße bereits digitale Testfelder gibt, die Fördermillionen verschlingen, herrscht bei der Eisenbahn Ebbe.“ Als „Vorzeigebranche der autonomen digitalen Mobilität braucht auch die Eisenbahn vom Bund geförderte digitale Testfelder und eine klare Digitalisierungsstrategie für autonomes Fahren auf der Schiene“.

Alstom: Sicherheit hat höchste Priorität

Dieser Forderung schloss sich auch der Bahntechnikhersteller Alstom an, der – zusammen mit Siemens und Ansaldo Breda (heute Hitachi) – Fahrzeuge und Signaltechnik für autonome Metros in Europa entwickelt hat. Alstom verfügt über ein umfassendes Know-how im Bereich von automatisierten Zugsystemen. Zahlreiche Fahrzeuge sind bereits weltweit im Einsatz oder werden zurzeit weiterentwickelt. Im Fokus stehen Konzepte, die den Metros die direkte Verantwortung übertragen, die vom Kontrollzentrum erhaltenen Fahrbefehle auszuführen. Alstom möchte nun dieses globale technische Wissen nutzen und in neuen – bestehenden oder aufkommenden – Transportbereichen anwenden. „Die Sicherheit im Bahnverkehr hat in diesem Zusammenhang höchste Priorität“, sagte Christoph Gralla, Leiter Vertrieb Signaltechnik für Alstom in Deutschland & Österreich. „Gemeinsam mit unseren Kunden erarbeiten wir bereits Möglichkeiten, um die Herausforderung im Zusammenhang mit jedem betrachteten Anwendungsbereich vollständig zu verstehen. Auch der Regionalverkehr ist Teil dieser Forschungen und sollte seinerseits von den ersten Ergebnissen profitieren. In der jetzigen Phase geht es vor allem um Fahrerassistenz und noch nicht um eine Vollautomatisierung des Betriebs“, sagte Gralla. 

 

 

Weitere Informationen:

Hintergrund: So autonom fahren die Bahnen schon heute

Film: In Nürnberg sitzt der Fahrgast in der ersten Reihe

Globale UITP-Studie: Autonome Systems boomen weltweit