Berlin, 04.11.2024. Inspirierende Radwege, intelligente Energieversorgung und attraktive Bahnhöfe. Im ganzen Land gibt es nachahmenswerte Beispiele für gelebte Verkehrswende. Die Allianz pro Schiene zeichnet am Montag vier vorbildliche Projekte mit dem Deutschen Verkehrswendepreis aus: Das Gleichstromunterwerk GUW+ und die Leuchtturmtrasse Wunstorf (beides Niedersachsen), die Kompetenzstelle Bahnhof beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg sowie die On-Demand-Plattform Baden-Württemberg. Der Sonderpreis Baukultur geht an die Initiative „Kleine grüne Bahnhöfe“ der Deutschen Bahn.
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene und Jury-Mitglied Dirk Flege gratuliert den ausgezeichneten Initiativen und Projekten: „Alle unsere Preisträger zeigen, wie vielfältig ein gelungener Beitrag zur Verkehrswende sein kann, ob durch technische Innovation, effizientere Bauweise oder attraktivere Zugänge zur Schiene und zum gesamten ÖPNV. Sie stehen für einen kreativen Umgang mit den Herausforderungen der Verkehrswende. Und sie zeigen, dass nachhaltige Mobilität Spaß machen kann und nicht etwa Verzicht bedeutet. Die Verkehrswende lebt vom großartigen Engagement von Privatpersonen, Kommunen und Unternehmen. Dieses Engagement wollen wir mit dem Deutschen Verkehrswendepreis würdigen. Und wir wollen diese Vorzeige-Projekte bekannter machen und andere zum Nachahmen anregen.“
In Hannover werden E-Busse und Straßenbahnen gemeinsam mit Energie versorgt. Möglich macht das ein besonders intelligentes Umspannwerk: ein sogenanntes Gleichstromunterwerk, kurz: GUW+. Die Bremsenergie von Straßenbahnen wird zurückgespeist und dafür genutzt, E-Busse aufzuladen. Müssen die Batterien der E-Busse irgendwann ersetzt werden, etwa weil ihre Reichweite nicht mehr für den täglichen Fahrbetrieb genügt, werden diese nicht einfach entsorgt. Sie werden im Gleichstromunterwerk weiter genutzt, um Bremsenergie zu speichern, Lastspitzen auszugleichen oder um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten, wenn das Netz mal ausfällt. Die Jury des Deutschen Verkehrswendepreises lobt den zukunftsorientierten und nachhaltigen Ansatz, mit Energie hauszuhalten.
Menschen steigen dann gerne auf ihr Fahrrad als Zubringer zur Schiene um, wenn es vernünftige Radwege gibt. Und so entwickelte die Kommune in Wunstorf nahe Hannover für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie die der umliegenden Gemeinden einen Anreiz, um künftig mit dem Rad statt mit dem Auto zum dortigen S- und Regionalbahnhof zu kommen.
Die Idee für die Leuchtturmtrasse Wunstorf war geboren: einen komfortablen Radweg, der Steinhude und Luthe mit Wunstorf verbindet. Auf der Radvorrangroute können Pendlerinnen und Pendler künftig mit 20-25 km/h zum Bahnhof Wunstorf rauschen. Die Radverbindung wurde extra so angelegt, dass sie etwa 80 Prozent der Bevölkerung praktisch direkt vor ihrer Haustür abholt und dazu einlädt, sich aufs Rad zu schwingen. Die Radtrasse befindet sich gerade noch im Bau. Zu ihr gehören auch Abstellplätze, Lademöglichkeiten für E-Bikes, Schließfächer sowie Reparatur-Stationen. Die Jury sieht in der Leuchtturmtrasse Wunstorf ein nachahmenswertes Beispiel, wie man das Verlagerungspotenzial im ländlichen Raum erschließen kann.
Nichts ist trauriger als der Anblick eines verwaisten und heruntergekommenen Bahnhofsgebäudes. Schließlich sollen die Bahnhöfe Reisende willkommen heißen, ihnen Unterschlupf bieten und sie bestenfalls auch mit Essen und Getränken versorgen. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hat das Problem schon 2018 erkannt und unterstützt vom brandenburgischen Infrastrukturministerium eine eigene Kompetenzstelle Bahnhof geschaffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen privaten und kommunalen Eigentümern von Bahnhöfen dabei, die Gebäude zu sanieren und sie mit Leben zu füllen. Ziel ist es, gemeinsam neue Nutzungskonzepte zu schaffen, die Bahnhöfe beleben und dadurch die Lebensqualität ihrer Umgebung deutlich steigern. Durch die Vermittlung von Kontakten zu Eigentümern, Planungsbüros und Fördermöglichkeiten werden hier Hürden abgebaut und Menschen vor Ort dazu ermutigt, sich für ihren Bahnhof einzusetzen. Bad Belzig, Beelitz, Ludwigsfelde und Velten sind nur einige der zahlreichen Beispiele, bei denen die Wiederbelebung gelungen ist. Die Jury des Deutschen Verkehrswendepreises sieht in der Kompetenzstelle Bahnhof beim VBB ein Vorbild für alle Bundesländer.
Angebote zu bündeln, ist meistens eine gute Idee – besonders wenn es sich um die Koexistenz vieler verschiedener Apps handelt, die sich alle einem Ziel verschrieben haben: dem sogenannten On-Demand-Verkehr. In Baden-Württemberg können Menschen inzwischen in mehreren Regionen mit nur einer App Linienverkehrsbusse, ÖPNV-Taxis oder Rufbusse nutzen. Was so selbstverständlich und einfach klingt, machte eine Menge Koordinierungsarbeit erforderlich: Es mussten gemeinsame Schnittstellen zwischen den verschiedenen Anbietern geschaffen werden für Buchung, Kontakt und Support. Die zentrale App macht es für die ÖPNV-Nutzer leichter und für die Anbieter durch die standardisierte Lösung kostengünstiger – für die Verkehrswende gerade im ländlichen Raum ein Gewinn. Auch hier sieht die Jury großes Nachahmungspotenzial, wenn Kommunen und Verkehrsverbünde gemeinsam daran arbeiten, ihre Mobilitätsangebote gezielt auf den Weg zu bringen.
Kleinen Bahnstationen im ländlichen Raum fehlt es häufig an einem (einladenden) Bahnhofsgebäude. Dabei macht es den ÖPNV so viel attraktiver, wenn Reisende einen Warteraum haben und sich mit Kaffee oder Snacks versorgen können. Die Deutsche Bahn hat daher ein Konzept entwickelt, wie man ohne horrenden Planungsaufwand und ohne ausufernde Baukosten solche kleinen grünen Bahnhöfe bauen kann. Die Empfangsgebäude werden in vorgefertigten Modulen errichtet und können individuell an den jeweiligen Standort angepasst werden. Gebaut werden sie zum Beispiel aus regionalem Holz, wie im bayerischen Zorneding. Für den umweltfreundlichen Betrieb der kleinen Gebäude kommen Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen zum Einsatz, sodass CO2-Emissionen deutlich reduziert werden können. In den nächsten Jahrzehnten sollen weitere kleine grüne Bahnhöfe entstehen. Die Jury sieht darin einen innovativen und nachhaltigen Ansatz, den Zugang zum ÖPNV attraktiver zu machen und mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Unter dutzenden Einsendungen hatten es 17 Projekte in die engere Auswahl für den Deutschen Verkehrswendepreis geschafft. Dabei konkurrierten elf Projekte um den Hauptpreis, sechs um den Sonderpreis Baukultur. Neben den Preisträgern waren folgende Projekte für den Deutschen Verkehrswendepreis nominiert:
Für den Sonderpreis Baukultur waren neben der Preisträgerin nominiert:
Ausführlichere Informationen zu den Nominierten in beiden Kategorien finden Sie hier.
Erstmals wurde der Deutsche Verkehrswendepreis 2022 von der Allianz pro Schiene verliehen. Eine unabhängige Jury mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis wählte auch dieses Mal aus dutzenden eingereichten Projekten die Sieger aus.
Der Deutsche Verkehrswendepreis wird vom Umweltbundesamt und vom Bundesumweltministerium, der Sonderpreis Baukultur von der Initiative Mobilitätskultur gefördert.
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