Berlin, den 5. Dezember 2016. Mit Unverständnis hat die Allianz pro Schiene auf den Verordnungsentwurf von Verkehrsminister Alexander Dobrindt zur unbefristeten Zulassung von Riesen-Lkw reagiert: Der Verordnungstext des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) war den Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet worden, während der Abschlussbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) nur dem Ministerium bekannt ist und offenbar geheim gehalten werden soll. „Mit Befremden haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Abschlussbericht der Begleituntersuchung dem BMVI bereits vorliegt, aber nicht veröffentlicht oder den Verbänden zur Verfügung gestellt wurde. Für eine angemessene Bewertung der Folgen der angestrebten Riesen-Lkw-Zulassung, halten wir dieses Vorgehen nicht für sachgerecht“, heißt es in der heute verschickten Stellungnahme der Allianz pro Schiene. Die Sinnhaftigkeit eines dauerhaften Betriebs von Gigalinern sei nach wie vor mehr als zweifelhaft, kritisierte die Allianz pro Schiene und verwies auf offene Fragen, die der Verordnungsentwurf anspreche. „So sind in der Verordnungsbegründung unter anderem Sicherheitsprobleme durch zu kurze Nothaltebuchen in Tunneln, eine erhöhte Brandlast und die Mitbenutzung benachbarter Fahrstreifen erwähnt. Diese sicherheitsrelevanten Folgen einer Riesen-Lkw-Zulassung sollte der Verordnungsgeber nicht leichtfertig mit dem Verweis auf die im Test noch geringe Anzahl von Fahrzeugen beiseite wischen“, mahnte das Verkehrsbündnis in seiner Stellungnahme.
„Der hemdsärmelige Umgang mit dem Bast-Bericht entlarvt den so genannten Feldversuch als wissenschaftliches Feigenblatt“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Keines der fundamentalen Bedenken gegen die Zulassung habe der Test widerlegen können. „Da nur wenige Fahrzeuge beteiligt waren, kann der Test-Bericht keine seriöse Aussage zu Verlagerungsrisiken von der Schiene auf die Straße oder Gefahren für Autofahrer machen. Wir lehnen den Dauerbetrieb deshalb weiterhin insgesamt ab. Es gibt zahlreiche Studien, die eindeutig gegen eine Zulassung oder weitere Tests sprechen“, sagte Flege und verwies auf die umfassende Stellungnahme der Allianz pro Schiene.
Zum Ende der fünf-jährigen Testphase mit 25 Meter langen Lastwagen auf ausgewählten Straßen erteilte die Allianz pro Schiene dem Konzept „Riesen-Lkw“ eine klare Absage:
Was ist eigentlich ein Riesen-Lkw?
Sie heißen Gigaliner, EuroCombi, Ökoliner oder Lang-Lkw, doch hinter den harmlosen Namen verstecken sich noch längere und schwerere Lastwagen. Deutschland erlaubt 25 Meter lange und bis zu 44 Tonnen schwere Lastwagen in einem sogenannten Feldversuch. Doch überall dort in Europa, wo Riesen-Lkw eingesetzt werden, wiegen sie bereits 60 Tonnen und mehr – etwa in den Niederlanden oder Dänemark. Schweden hat angekündigt, das Lkw-Gewicht von 64 auf 74 Tonnen zu erhöhen – Versuche mit 30 Meter langen und 90 Tonnen schweren Lkw laufen
Wo fahren Gigaliner in Deutschland?
Das Bundesverkehrsministerium hat im Dezember 2011 eine Ausnahmeverordnung erlassen, um Riesen-Lkw zu testen. Die Verordnung sieht vor, dass Gigaliner in den teilnehmenden Bundesländern neben Autobahnen und Bundesstraßen auch auf einer Vielzahl von Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen fahren dürfen. Die Testfahrten sind auf fünf Jahre – bis Ende 2016 – angesetzt.
Was erhoffen sich die Befürworter?
Die Befürworter übergroßer Lkw werben gerne mit Umweltargumenten, in Wirklichkeit versprechen sie sich aber eine Kostenersparnis im Lkw-Transport von bis zu 30 Prozent. Zu den Befürwortern von übergroßen Lkw gehört der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) und weitere Verbände des Straßentransportgewerbes.
Was befürchten die Gegner?
Die Gegner von übergroßen Lkw befürchten, dass durch die Verbilligung des Lkw-Verkehrs durch Gigaliner ein Anreiz für mehr Straßengüterverkehr geschaffen wird. Durch den Kostenvorteil der Gigaliner könnten Güter von umweltfreundlichen Verkehrsträgern zurück auf die Straße verlagert werden. Das Ergebnis wären mehr Lkw-Fahrten und eine größere Umweltbelastung. Zu den Gegnern von übergroßen Lkw zählen die in der Allianz pro Schiene zusammengeschlossenen Automobilclubs, Umweltverbände und Eisenbahnen sowie der Deutsche Städtetag und die Deutsche Polizeigewerkschaft. Auf EU-Ebene haben sich die Gegner zum Bündnis No Mega Trucks zusammengeschlossen.
Wie entscheidet die EU in Sachen Riesen-Lkw?
EU-Parlament und EU-Verkehrsminister haben im vergangenen Jahr einen Vorschlag der EU-Kommission zurückgewiesen, grenzüberschreitende Fahrten von Riesen-Lkw zwischen Nachbarstaaten zu erlauben. Während in einigen Mitgliedsstaaten Versuche mit Riesen-Lkw laufen, zeigt die EU dem Gigaliner nun das Stoppschild und schlägt mit Sicherheitsverbesserungen und aerodynamischen Optimierungen einen grundsätzlich anderen Weg ein.
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