Berlin, 29.12.2021. Im Europäischen Jahr der Schiene 2021 ist die Zugbranche in der EU ein Stück weit zusammengewachsen ohne das Trennende wirklich zu überwinden. Dieses gemischte Fazit zieht das gemeinnützige Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene zum Europäischen Jahr der Schiene. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, sagte am Mittwoch in Berlin: „Das Europäische Jahr geht mit Fortschritten bei Schnellverbindungen, Nachtzügen und Investitionen in die Netze zu Ende. Doch noch bilden die nationalen Grenzen in der EU auf den Gleisen große Hindernisse. Das Zugfahren über Grenzen hinweg müsste und könnte deutlich einfacher sein – und zwar sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr“, betonte Flege. „Ein Europäisches Jahr der Schiene reicht nicht, um den Flickenteppich zu beseitigen. Wenn die Zukunft der klimafreundlichen Schiene gehören soll, muss die EU ein Jahrzehnt der Schiene ausrufen.“
Als positiv im Europäischen Jahr der Schiene bewertet die Allianz pro Schiene die große Aufmerksamkeit und breite Unterstützung in Öffentlichkeit und Politik für den europäischen Bahnverkehr. Im Güterverkehr spielen grenzüberschreitende Verbindungen eine immer größere Rolle. Im Personenverkehr verstärkten führende nationale Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die Deutsche Bahn, die französische SNCF, die österreichische ÖBB und die Schweizer Bundesbahnen die Zusammenarbeit. Auch private Unternehmen wie Transdev erweiterten ihr grenzüberschreitendes Angebot. Erste konkrete Ergebnisse für umweltbewusste Reisende zeigen sich in neuen Nachtzugverbindungen etwa von Berlin nach Stockholm, ab Dezember von Zürich über Köln nach Amsterdam und von Wien über München nach Karlsruhe und Paris. In Vorbereitung sind Nachtzüge beispielsweise von Berlin nach Paris, die im Dezember 2023 starten sollen. Die EU-Kommission stellte kürzlich einen ambitionierten Aktionsplan vor, mit dem sie den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene bis 2030 verdoppeln und bis 2050 verdreifachen will. Auch sollen in diesem Jahrzehnt Reisen bis 500 Kilometer komplett CO2-neutral werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um auf diesen Strecken das Flugzeug durch Züge zu ersetzen.
Zu den Fortschritten zählt darüber hinaus, dass große EU-Länder wie Deutschland der Schiene künftig Priorität bei den Verkehrsinvestitionen einräumen wollen. Die politische Unterstützung für zentrale Zukunftsprojekte wie die Digitale Automatische Kupplung (DAK) im Güterverkehr nimmt zu. Die DAK ist das Schlüsselprojekt, um den Schienengüterverkehr zu digitalisieren und seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Nach wie vor steht aber die finanzielle Unterstützung der EU und der Mitgliedsstaaten für die aufwändige Umstellung aus.
Andere Beispiele verdeutlichen, wie groß der Handlungsbedarf weiterhin ist. Beim Buchen internationaler Zugtickets stoßen Verbraucher und Verbraucherinnen noch immer schnell an Grenzen. Nötig ist ein niedrigschwelliges Angebot, das den Kauf von durchgehenden Bahntickets in der ganzen EU ermöglicht. Das Buchen von Zugtickets für Fahrten in Europa muss so einfach werden wie das Buchen von Flugtickets. Immerhin haben führende europäische Bahnunternehmen erklärt, in Zukunft den Service beim Kauf grenzüberschreitender Fahrschiene verbessern zu wollen.
Die Allianz pro Schiene hat zu Beginn des Europäischen Jahres der Schiene drei konkrete Forderungen für eine Renaissance des europäischen Bahnverkehrs präsentiert, die nach wie vor gültig sind:
Zum Ausbau des grenzüberschreitenden Schienennetzes ist ein Förderprogramm der EU für die Elektrifizierung der Grenzübergänge und eine politische Initiative der Bundesregierung nötig, um gemeinsam mit den Nachbarstaaten bis 2030 alle Grenzübergänge auf der Schiene mit einer elektrischen Oberleitung auszustatten. Für mehr Fairness im Mobilitätsmarkt sollten EU und Bund gemeinsam die Benachteiligung der Zugkunden gegenüber Flugreisenden bei der Mehrwertsteuer für internationale Tickets beenden. Beim dritten Punkt geht es um mehr Gerechtigkeit bei der Infrastrukturfinanzierung. Für den Straßenverkehr gibt es anders als für den Schienenverkehr in der EU keine Pflicht, die Nutzer mit einer Maut für die Infrastrukturnutzung heranzuziehen. Die Allianz pro Schiene spricht sich dafür aus, in der EU eine Mautpflicht auch für Lkw und Fernbusse einzuführen.
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