„Die EU muss die Beitrittsländer dabei unterstützen, die verkehrspolitischen Fehler zu vermeiden, die wir in Westeuropa gemacht haben: Vernachlässigung der Schiene, Bevorzugung der Straße.“ Mit diesen Worten kommentierte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, die „alarmierende Fehlentwicklung im Verkehrsbereich“ anlässlich der heutigen Unterzeichnung der Beitrittsverträge in Athen.
Eine aktuelle Studie der Europäischen Umweltagentur belegt, dass sich die Beitrittsländer in rasantem Tempo von dem EU-Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung entfernen. Flege: „Auch der deutsche Bundesverkehrswegeplan versagt vor dieser Herausforderung – obwohl Deutschland mit der längsten Ostgrenze besonders empfindlich betroffen ist.“
Die Europäische Umweltagentur analysiert in ihrem jüngsten Bericht „Den Weg für die EU-Erweiterung ebnen: Indikatoren zur Integration von Verkehr und Umwelt“, dass der wachsende Straßenverkehr in den Beitrittsländern zu einem rasanten Anstieg von Energieverbrauch, CO2-Emissionen und Flächenverbrauch führt. Darüber hinaus sterben in den osteuropäischen Ländern rund 21.000 Menschen jährlich bei Autounfällen, so dass die Todesrate in Bezug auf die Anzahl der PKWs drei mal höher ist als in der EU.
Der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer warnte: „Die Beitrittsländer verspielen die Vorteile, die sie jetzt noch mit ihren traditionell gut ausgebauten Bahnen besitzen.“ Mit 43% im Jahr 1999 lag der Anteil der Schiene im Güter- und Personenverkehr deutlich über den 15% in der EU. Doch die Verkehrsentwicklung in den mittel- und osteuropäischen Ländern sei nach Einschätzung der Allianz pro Schiene alarmierend: Der Bahnverkehr hat in den 90er Jahren einen Einbruch von durchschnittlich 50% erlitten. Die Länge der Schienenwege wurde seit 1990 um 5% verkürzt.
Flege: „Und es kommt noch schlimmer: Polen plant nach jüngsten Berichten weitere drastische Einschnitte in das Streckennetz. 1059 Verbindungen sollen stillgelegt werden.“ Als Grund dafür gab die polnische Bahn PKP rückläufige staatliche Zuschüsse an. „Natürlich haben die Beitrittsländer wenig Spielraum für Investitionen. Doch die Schäden durch den wachsenden LKW-Verkehr kommen uns alle viel teurer zu stehen“, warnte der Geschäftsführer des Schienenbündnisses.
Die EU habe mittlerweile erkannt, dass die einseitige Bevorzugung der Straße zu Verkehrsinfarkt und kostspieligen Schäden für Mensch und Umwelt führt. Sie arbeite nun „mühsam daran, die Fehlentwicklung zurückzudrehen“.
Flege: „Der Hinweis auf das steigende Verkehrsaufkommen durch die EU-Osterweiterung gehört längst zum Standardrepertoire der Verkehrspolitiker. Es handelt sich aber offensichtlich nur um Sonntagsreden, ohne Konsequenz.“ So gebe es weder im TEN-Programm der EU noch im deutschen Bundesverkehrswegeplan ein Schienenprojekt für eine Hochgeschwindigkeitsverbindung in das Nachbarland Tschechien.
„Verkehrsminister Stolpe rühmte erst am 14. April, als er den tschechischen Verkehrsminister traf, drei grenzüberschreitende Autobahnprojekte. Bahnprojekte erwähnte er noch nicht einmal. Damit spricht er den verkehrspolitischen Zielen der Regierung Hohn.“ kritisierte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.
Die Allianz pro Schiene forderte darüber hinaus eine bessere Koordination der nationalen Verkehrsplanungen in der EU.
Die Allianz pro Schiene ist ein Zusammenschluss von 16 Non-Profit-Organisationen und 31 Wirtschaftsunternehmen, darunter Bombardier, Siemens, Deutsche Bahn, Connex.