Berlin. Das von der EU für das Jahr 2010 angekündigte Weißbuch Verkehr verfehlt nach Auffassung der Allianz pro Schiene den längst überfälligen Politikwechsel hin zu umweltfreundlichen, energieeffizienten und sicheren Verkehrsträgern. Das zentrale politische Handlungsfeld Umwelt und Verkehr sei weder mit klaren Zielen noch mit den nötigen Instrumenten hinterlegt worden, kritisierte das Schienenbündnis im laufenden Konsultationsprozess. Dem Papier, das immerhin die EU-Verkehrspolitik bis zum Jahr 2020 festschreiben soll, mangele es an jeglicher Vision für die nächsten 10 Jahre, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Ein verkehrsträgerübergreifender Ansatz und ein ernsthaftes Eingeständnis, dass es mit dem Verkehr so nicht weitergehen kann, sind in dem aktuellen Entwurf ebenfalls nicht zu entdecken, sagte Flege. Stattdessen: Kästchendenken und ein Kuschen vor der Straßenlobby.
Das Schienenbündnis verwies darauf, dass Europa mit einem Marktanteil von knapp 17 Prozent beim Schienengüterverkehr im internationalen Vergleich bereits weit zurückliege. In den USA und Australien boomt der Güterverkehr und kommt auf Marktanteile von 40 Prozent. In Japan klettert die Schiene im Personenverkehr auf 30 Prozent Marktanteil zu Lasten des Autoverkehrs. Diese Entwicklung ist von der EU nicht erkannt, geschweige denn mit Schlussfolgerungen versehen worden, sagte Flege. Dabei lägen die Nachteile für die Umwelt und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf der Hand, wenn Europa den Anschluss bei der Verkehrsverlagerung verpasse.
Bei der Analyse der neuesten Mobilitätstrends sei die EU nicht auf der Höhe der Zeit. Dass Bahn, Bus und Fahrrad bei den Kunden auf dem Vormarsch sind, hat sich in Brüssel noch nicht herumgesprochen. Scharf widersprach Flege auch der Behauptung der EU-Kommission, dass eine Verstädterung zu mehr Nachfrage beim Autoverkehr führe. Das Gegenteil ist der Fall: Wegen des gut ausgebauten öffentlichen Verkehrs sind Großstädte Hochburgen der Autofreien: In Berlin sind 50 Prozent der Haushalte autofrei, im Landesdurchschnitt sind es nur 23 Prozent. Als bewusste Verdrehung der Realität bezeichnete Flege auch die EU-Aussage, dass die Bevölkerung den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs häufig ablehne. Im Gegensatz zum Straßen- und Flughafenausbau gibt es für Ausbauvorhaben im öffentlichen Verkehr sogar einen überwältigenden Rückhalt bei der Bevölkerung, sagte Flege und verwies auf jüngste Umfragen der Bundesregierung mit einer Zustimmungsquote von 89 Prozent. Die Allianz pro Schiene forderte die EU in einer schriftlichen Stellungnahme auf, Fakten und Bürgerwillen im künftigen Weißbuch Verkehr korrekt zu berücksichtigen.
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Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit- Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 93 Unternehmen der Bahnbranche.