Bahnflächen für die Zukunft sichern: Gegen die Aufweichung der Schutzregelungen für Bahninfrastruktur

Am 15.10. dieses Jahres hat die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Freistellungsvoraussetzungen des § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes eingebracht. Mit diesem Entwurf sollen erst vor wenigen Monaten erfolgte Änderungen des § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, die die Freistellung von Bahnbetriebszwecken betreffen, rückgängig gemacht werden.

Mit der kürzlich erfolgten Änderung der Freistellungsregelung, die auf eine einhellige Empfehlung der Beschleunigungskommission Schiene zurückgeht, sollten an Zweckentfremdungen von Bahngrundstücken strengere Maßstäbe als bisher angelegt werden. Damit sollte verhindert werden, dass – wie in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war – Planungen für Kapazitätserweiterungen von Eisenbahnstrecken und -anlagen sowie zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken durch Überbauung behindert werden und bei einer erneuten Nutzung eine erneutes Planrechtsverfahren erforderlich wird. Insofern handelt es sich bei der aktuellen Fassung des § 23 AEG um eine Vorschrift der Planungsvereinfachung für Eisenbahnanlagen, die im Kontext Ihrer Politik der Schaffung von mehr Kapazität auf deutschen Schienenwegen zu sehen ist. Dabei ist zu würdigen, dass Schienenprojekte für ihre Wirtschaftlichkeit häufig darauf angewiesen sind, ehemalige Bahnflächen zu nutzen, konkurrierende Nutzungszwecke wie z.B. Immobilien aber in aller Regel nicht, da mehr Alternativen bestehen.

Ziele der aktuellen Freistellungsregelung: Schutz vor Zweckentfremdung von Bahnflächen

Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Faktion sieht vor, dass die zuständigen Behörden auf Antrag beispielsweise der Eigentümer, der Kommunen oder des Straßenbaus Bahnflächen von Verkehrszwecken freistellen – also entwidmen – müssen, wenn aktuell kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist. Bisher schreibt § 23 AEG vor, dass die zuständige Behörde zwischen einem überragenden öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Fläche für den Eisenbahnverkehr und dem Interesse an einer Zweckentfremdung abwägen muss. Diese Abwägung würde nach dem Gesetzentwurf entfallen und die Entscheidung über die Freistellung nur noch von der Glaubhaftmachung eines fehlenden Verkehrsbedürfnisses abhängig sein. Es bleibt dabei unklar, wie zu prüfen ist, ob kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur nicht zu erwarten sei. In der Vergangenheit kam es in dieser Frage immer wieder zu Fehlbewertungen. Zudem hat sich in den letzten Jahren immer wieder herausgestellt, dass Flächen, für die in der Vergangenheit keine Verkehrsfunktion mehr absehbar war, später dennoch für Bahnprojekte erforderlich wurden. Gerade jetzt – in einer Zeit zahlreicher beginnender Planungen für Kapazitätserweiterungen auf der Schiene – sollte die Möglichkeit für die Planer, auf Bahnflächen ohne aktuelle Nutzung zuzugreifen, nicht verbaut werden, selbst wenn die zukünftige Nutzung noch nicht konkret zu belegen ist.

Ferner soll nach dem Gesetzentwurf jegliche Bekundung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Bahnbetriebszweckes entfallen. Selbst wenn der Gesetzentwurf eine abwägende Ermessensentscheidung vorsehen würde, würde damit das Interesse an der Erhaltung der Widmung für Bahnzwecke absehbar das Nachsehen haben.

Wir lehnen daher den Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion ab und bitten Sie, sich für den Erhalt der des Vorranges der Widmung für Bahnzwecke einzusetzen.

Wohnungsbau als Argument?

Die Gegenargumentation, die jetzige Regelung verhindere, Bahnflächen im öffentlichen Interesse für den Wohnungsbau zu nutzen, erscheint uns als vorgeschoben, da der Schwerpunkt der Immobilienprojekte, mit denen Eisenbahnflächen überbaut wurden, sowohl in der Vergangenheit als auch bei laufenden Projekten bei Büro-, Hotel- und Gewerbeflächen lag und die angebotenen Wohnungen vielfach nur von den Kommunen erzwungenes Beiwerk waren. Falls tatsächlich ein überragendes öffentliches Interesse am (sozialen) Wohnungsbau oder anderen konkurrierenden Nutzungen auf den Bahngrundstücken bestehen würde, wäre auch im Rahmen der derzeitigen Gesetzesfassung eine Freistellung möglich. Allerdings müsste sich dann das Interesse an der konkurrierenden Nutzung in einer fairen Abwägung durchsetzen. Es darf von den Befürwortern der konkurrierenden Nutzung erwartet werden, dass sie sich dieser Interessenabwägung stellen.

Wir erwarten daher, dass sichergestellt wird, dass Freistellungsentscheidungen nur im genannten Rahmen unter Abwägung der berücksichtigungsfähigen Interessen erfolgen. Dabei muss nicht nur die absehbare zukünftige Nutzung einbezogen werden, sondern auch das Interesse an der Freihaltung von Trassen und Flächen für zum Beispiel Abstellanlagen in der Nähe von Verkehrsknotenpunkten und Ausweich- und Überholgleise in Bezug auf zukünftige, derzeit noch nicht spezifizierbare Verkehrsbedürfnisse. Ferner muss in § 23 AEG weiter ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Bahnbetriebszweck eines Grundstücks deutlich festgeschrieben bleiben. Dabei können ggf., um die Ausübung des Ermessens zu erleichtern, Fälle benannt werden, in denen eine Entwidmung unschädlich wäre, z.B. im Falle von „Inselflächen“, wo die zu entwidmenden Flächen objektiv betrachtet keinerlei Verbindung mehr zum Bahnnetz haben, oder bei bereits vor langer Zeit begonnenen Neunutzungen.

 

Dieser Text wurde am 1. November 2024 an Bundesverkehrsminister Wissing versendet.