Was wie eine Zukunftsvision klingt, ist in der Pilbara-Region in Australien bereits Realität: Durch den roten Wüstensand rollt kein gewöhnlicher Güterzug – mit an Bord sind über 30.000 Tonnen Eisenerz, aber kein Lokführer.
Bereits seit 2018 fahren die Güterzüge des Bergbauunternehmens Rio Tinto mit einer autonomen Technologie – ein Meilenstein in der Geschichte des vollautomatisierten Fahrens im Güterverkehr und nebenbei ein gehöriger Vorsprung im Vergleich zum Straßenverkehr. Die Strecke führt über 344 Kilometer – das entspricht in etwa der Zugstrecke zwischen Hamburg und Dortmund – direkt von der Mine in Tom Price zum Hafen Cape Lambert an der australischen Westküste.
Bei der ersten Fahrt ohne Lokführer im Juli 2018 wurde die Reise des Zuges und das Betriebssystem AutoHaul noch von mehreren Experten in der Betriebszentrale von Rio Tinto in Perth überwacht. In den folgenden Monaten wurde auch diese Maßnahme schrittweise abgebaut und seit Juni 2019 ist AutoHaul gänzlich eigenständig betriebsfähig („became fully operational“).
Die Pilbara-Region beherbergt das größte Eisenerz-Vorkommen Australiens. Der größte Teil davon gelangt in den Export, dabei sind die Hauptabnehmer China, Japan und Südkorea. Der Weg von der Mine zum Hafen ist also zwingend notwendig – und wird hier gänzlich auf der Schiene zurückgelegt: Eine Erfolgsgeschichte des autonomen Güterzugverkehrs, die sich fast sechs Jahre später mehr als bewährt hat.
56 Stunden dauert ein Zyklus vom Hafen zur Mine und zurück, eine Lokführer-Schicht hingegen nur zwölf Stunden. Konkret bedeutete das Fahrerwechsel inmitten der Wüste sowie lange Autofahrten für die Lokführer auf schlecht ausgebauten und gefährlichen Routen. Ob nach Hause oder zur nächsten Schicht im Güterzug – die Wege schienen endlos.
Rio Tinto gibt an, dank des vollautomatisierten Güterverkehrs jährlich über 1,5 Millionen Pkw-Kilometer einzusparen, die zuvor für die Arbeits- und Transportwege zu den Schichtwechseln der Lokführer anfielen. Seit dem Umstieg auf autonome Technologie rollen die Züge in ihrem Hafen-Mine-Kreislauf ohne Unterbrechungen.
Das ist auch für die Umweltbilanz von Vorteil: Zwar sind auf der Strecke derzeit vier Dieselloks im Einsatz, jedoch müssen die bis zu 3,5 Kilometer langen Züge (und mit bis zu 330 Wagen bestückt) nicht mehr extra für die Lokführerwechsel abbremsen. Daraus – und aus dem Pkw-Verzicht – ergeben sich signifikante CO2-Ersparnisse.
Auch was die Lokomotiven angeht, wird „im Outback“ vorausgedacht.
Anfang 2022 gab Rio Tinto bekannt, dass es vier batterieelektrische Lokomotiven vom Typ FLXDrive der amerikanischen Firma Wabtec gekauft hat. Diese wurden bereits im Oktober 2023 im Konstruktions- und Entwicklungszentrum von Wabtec in Pennsylvania eingeweiht. Anschließend wurden sie auf dem über 17.000 Kilometer langen Seeweg in die Pilbara-Region verschifft. Dort finden seit Anfang 2024 erste Tests mit den Loks statt und auch die autonome Fahrsoftware „AutoHaul“ wird integriert, so Rio Tinto in einer Pressemitteilung.
Das Ziel: Dieselloks gänzlich durch Elektroloks zu ersetzen.
Während Experten in Deutschland autonom fahrende Pkws nicht vor dem Jahr 2040 auf der Straße erwarten – und nach wie vor kein Lkw auf öffentlichen Straßen vollautomatisiert unterwegs ist –, fährt dieses Schienenbeispiel in „Down Under“ bereits seit sechs Jahren schnurstracks Richtung Zukunft.