Die Geschichte des Eisenbahners mit Herz, kurz EimiH, beginnt mit einem Laptop. Einen Tag vor Heiligabend bleibt das wertvolle Gerät im Jahr 2010 im Regionalexpress Osnabrück-Bremerhaven liegen. Dort findet es Jonni Käsehage, Zugbegleiter aus dem norddeutschen Bramstedt. Sofort macht sich der damals 53-Jährige an die Arbeit, um mit Hilfe kleiner Indizien wie ein Detektiv die Besitzerin ausfindig zu machen. An Heiligabend führt die Fahndung zum Erfolg: Jonni Käsehage erreicht die Mutter der jungen Frau und kann ihr die Rückgabe des schmerzlich vermissten Gerätes ankündigen. Als die Tochter davon erfährt, spricht sie voller Erleichterung von ihrem „schönsten Weihnachtsgeschenk“. Einige Monate später ist Jonni Käsehage der erste Bundessieger beim Eisenbahner mit Herz. Bei der Premierenfeier am 12. April 2011 in Diekmanns Austernbar im Berliner Hauptbahnhof erhält der langjährige DB-Regio-Mann die goldene Anstecknadel.
„Ich bin stolz, dass ich diesen Titel tragen darf“, sagte Käsehage wie später viele Gewinner nach ihm. „Wir unten, wir an der Front, die wir der Prellbock sind für die ganzen Leute und die jeden Tag ein dickes Fell haben müssen, für die ist die Ehrung sehr schön.“
Besser als der Vollbluteisenbahner Käsehage kann niemand die EimiH-Philosophie beschreiben. Hier stehen nicht die Vorstände oder andere „wichtige“ Führungskräfte im Mittelpunkt und im Rampenlicht. Es geht um die ganz normalen Beschäftigten, die jeden Tag aufs Neue im Kundenkontakt ihre Leistung bringen. In den zehn Jahren seit dem Start hat sich der Eisenbahner mit Herz als die Institution etabliert, die wie keine zweite in Deutschland die Beschäftigten der Schienenbranche und ihre herausragenden Leistungen und damit das Positive des Sektors herausstellt.
Die Idee entstand in einer Zeit, in der das beherzte Engagement vieler Beschäftigter wieder einmal unterzugehen drohte. Für Schlagzeilen sorgten Geschichten über Zugbegleiter, die Kinder aus dem Zug warfen. Bundesweite Empörung zog eine Kundenbetreuerin auf sich, die einen 16-Jährigen in einer eiskalten Januarnacht wegen 1,80 Euro fünf Kilometer zu Fuß nach Hause gehen ließ.
Als Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, im Gespräch mit dem Schweizer Bahnchef Andreas Meyer von dem vielen Kundenlob in den Geschäftsstellen der SBB erfuhr, dachte er sich: Solch schönen Geschichten passieren jeden Tag auch zwischen Freiburg und Hamburg, Dresden und Aachen. Und so rief die Allianz pro Schiene gemeinsam mit Eisenbahnverkehrsunternehmen und vielen Unterstützern den Wettbewerb ins Leben, der seitdem jedes Jahr tolle Eisenbahner präsentiert.
Ein Triebfahrzeugführer räumt während eines Unwetters die Strecke eigenhändig von Ästen frei. Eine Zugbegleiterin weist einen rassistischen Kunden in die Schranken und stellt sich schützend vor eine verängstigte syrische Familie. Eine Zugchefin ermöglicht einer jungen Frau mit einem Sonderhalt die Teilnahme am Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer des Unglücks in Eschede. Die Kundin hat 1998 den Zugunfall von Eschede überlebt, dabei jedoch als kleines Mädchen ihre Mutter verloren. Den Sonderhalt 20 Jahre später für sie in Eschede empfindet sie als „große Geste von enormer Menschlichkeit“.
Zu einer festen Einrichtung entwickelt haben sich die Galas, auf der sich die Sieger und Siegerinnen feiern lassen. Als „Familienfest“ beschreiben die Teilnehmer die Veranstaltungen, die zu einem Branchentreffen geworden sind. Wenn DB-Chef Rüdiger Grube mit einer Mitarbeiterin tanzt, klettert der Vorsitzende des Wettbewerbers auf seinen Stuhl, um die Konkurrenten zu bejubeln. Der EVG-Vorsitzende plaudert entspannt mit dem GDL-Chef, weil an diesem Tag der gemeinsame Einsatz für die Eisenbahner mehr zählt als die Konkurrenz der Organisationen.
Immer wieder stoßen auch Promis dazu, wie die Fernsehköchin Sarah Wiener oder der SPD Politiker Heiko Maas, heute Außen- und damals Verbraucherminister. Zum wortgewaltigsten Verteidiger der Zugbranche wird TV-Entertainer Harald Schmidt 2012. In seiner Laudatio auf die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen mit Herz ergreift er Partei: „Die Deutschen sind zu dämlich zum Bahnfahren. Liebe Zugbegleiter, wen auch immer Sie aus dem Zug schmeißen, ich stehe auf Ihrer Seite.“
Die Stars aber sind die Zugführer oder Schaffner – egal ob sie wie Peter Gitzen oder Alexander Pojonie unvergessliche Auftritte als Sänger hinlegen oder einfach nur ihre Geschichte erzählen. „Unsere Eisenbahner und Eisenbahnerinnen mit Herz stehen stellvertretend für die unzähligen Kollegen und Kolleginnen, die jeden Tag herausragende Arbeit vollbringen“, sagt Dirk Flege von der Allianz pro Schiene. „Auch in den nächsten zehn Jahren wollen wir dafür sorgen, dass diese Alltagshelden der Schiene mit dem EimiH ihre verdiente Anerkennung finden.“