Für den Erhalt des Schienennetzes des Bundes gibt es seit 2009 das Instrument der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV). Dieser zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) abgeschlossene Vertrag regelt, wie das Schienennetz instandgehalten und erneuert wird. Um über die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) zu beraten, fand gestern eine öffentliche Anhörung des Verkehrsausschuss im Bundestag statt.
Berlin. 17. Oktober 2019. Für Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege war es „LuFV-Routine“. Bei allen drei LuFV-Entwürfen stand er den Ausschussmitgliedern als Sachverständiger Rede und Antwort – so auch gestern. Neben ihm waren Vertreter und Vertreterinnen der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, dem VDV, der DB Netz AG, dem Eisenbahn-Bundesamt, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und dem Bundesrechnungshof als Sachverständige geladen.
Mit der ersten Vereinbarung zwischen Bund und Eisenbahninfrastrukturunternehmen wurde 2009 ein Systemwechsel vollzogen. Statt aufwendiger Finanzierung von Einzelmaßnahmen gibt es seitdem eine zielorientierte Steuerung auf Basis von Qualitätskennziffern und Indikatoren. Der Bund stellt dazu jährlich einen zweckgebundenen, festen Betrag zur Durchführung von Ersatzinvestitionen zur Verfügung. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen garantieren dafür im Gegenzug, die Schienenwege in einer definierten Qualität bereitzustellen.
Über die Laufzeit der LuFV I (von 2009 bis 2014) und der LuFV II (von 2015 bis 2019) hat sich die Zufriedenheit der Eisenbahnunternehmen mit dem Zustand des Schienennetzes leicht verbessert – allerdings nach wie vor nur auf mittlerem Niveau. „Der jahrzehntelange Investitionsstau ist das Problem – nicht das Instrument der LuFV“, so Dirk Flege im gläsernen Ausschuss-Rund. Die Allianz pro Schiene begrüßt daher, dass das Prinzip der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für den Erhalt des Schienennetzes fortgeschrieben und weiterentwickelt werden soll.
Mit der vorgesehenen Laufzeitverlängerung der LuFV III auf zehn Jahre verbessert sich auch die Planungssicherheit aller beteiligten Akteure. Voraussetzung ist allerdings ein klares und belastbares Bekenntnis des Bundes, die Mittel tatsächlich haushaltsrechtlich abgesichert zur Verfügung zu stellen.
Der Entwurf zur LuFV III sieht vor, den Beitrag des Bundes deutlich aufzustocken. Insgesamt soll der Betrag in den ersten fünf Jahren der Laufzeit gut 4,6 Mrd. EUR pro Jahr erreichen. Demgegenüber stehen zum Ende der aktuellen LuFV II 3,5 Mrd. EUR.
In der zweiten Hälfte der Laufzeit soll der Infrastrukturbeitrag dann auf im Durchschnitt 5,6 Mrd. EUR pro Jahr steigen. Diese Steigerung ist auch dringend notwendig. Schon allein vor dem Hintergrund der Baupreissteigerungen setzt sich die Allianz pro Schiene dafür ein, den Beitrag des Bundes bereits in den Jahren 2020 bis 2024 stufenweise anzuheben. Nur so wird eine kontinuierliche Ausstattung für den Erhalt des Schienennetzes über die gesamte Laufzeit gewährleistet.
Neben den Mitteln des Bundes sieht der Vertrag vor, dass 31 Mrd. EUR als Finanzierungsbeitrag aus dem Bahnsektor kommen. Diese Mittel setzen sich aus geplanten Dividendenzahlungen der DB AG und Eigenmitteln der DB-Infrastrukturgesellschaften zusammen – in der Konsequenz also aus den Trassenpreiszahlungen der Netznutzer.
Gegenüber der LuFV II steigt somit der Renditedruck auf das Schienennetz und auch der Beitrag des gesamten Sektors zur Bestandsnetzfinanzierung signifikant. Der Koalitionsvertrag spricht dagegen eine andere Sprache: der Bund wolle die Deutsche Bahn nach volkswirtschaftlichen Zielen steuern. „Hier haben wir es mit einem Zielkonflikt, auch mit der gerade erst eingeführten Trassenpreishalbierung für die Güterbahnen, zu tun“, so Dirk Flege.
Obwohl das Instrument LuFV ein echter Fortschritt ist, gibt es einige Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge. „Wir halten eine stärkere Einbindung des Bahnsektors und der Verbände in den Entwicklungsprozess für wichtig“, so Dirk Flege. Der Entwurf der LuFV III wurde bisher nur zwischen Bundesregierung und der Bahn ausgehandelt. Der Bundestag und die Fachöffentlichkeit können jetzt nur noch ein weitgehend fertiges Ergebnis bewerten.
Auf Nachfrage der Parlamentarier nannte Dirk Flege auch konkrete Verbesserungsvorschläge. Neben den geplanten neue Qualitätskennzahlen, sollte in den kommenden zwei Jahren eine Kennzahl zur Netzkapazität eingeführt werden. Vor dem Hintergrund der politischen Ziele für mehr Verkehr auf der Schiene, sei gerade die Kapazität ein wesentlicher Aspekt der Infrastrukturqualität, so Flege.
Immer wieder gibt es Kritik an möglichen Fehlanreizen durch die LuFV. Diese speist sich aus der Aufteilung der Mittel in Ersatzinvestitionen (vom Bund getragen) und Instandhaltungen (von den Infrastrukturunternehmen getragen). Hier schlägt die Allianz pro Schiene einen Realitäts-Check vor: Mit Sachverstand aus der Praxis solle der Bund vertieft prüfen, ob es durch die Abgrenzung von Ersatzinvestitionen und Instandhaltungen tatsächlich Fehlanreize gibt und wenn, ja, diese schnellstmöglich in der LuFV III korrigieren.
Mangelnde Information der Bundesregierung
Zentraler Punkt in der Diskussion über die kommende LuFV ist die Frage, ob die vorgesehenen Bundesmittel tatsächlich ausreichen werden, um die Verbesserung des Netzzustandes zu erreichen. Gerade hier lässt aber die Informationspolitik der Bundesregierung zu wünschen übrig. Das Gutachten, in dem der Bund den Finanzbedarf und den Nachholbedarf im Schienennetz ermitteln ließ, ist bis heute nicht (bzw. nur in einer gekürzten Version) veröffentlicht. Auch deshalb bestehen erhebliche Zweifel, ob mit der vorgesehenen Mittelhöhe insbesondere die erheblichen Baupreissteigerungen aufgefangen werden können.