Das Thema „Elektromobilität“ ist in aller Munde, die gesellschaftliche Debatte dreht sich dabei jedoch vorwiegend um das Auto. Dabei ist die Schiene im Bereich der E-Mobilität der Straße um einiges voraus. Im Eisenbahnverkehr wird heute schon 90 Prozent der Verkehrsleistung elektrisch erbracht. U- und Straßenbahnen sind bereits zu 100 % elektrisch unterwegs.
Kein Verkehrsträger ist der Vision „100 Prozent Elektromobilität“ also so nah wie die Schiene. Die gute Nachricht: Neben der Oberleitung stehen im Schienenverkehr inzwischen auch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zur Verfügung. Diese sorgen auch da für E-Mobilität auf der Schiene, wo die klassische Streckenelektrifizierung noch auf sich warten lässt. Ob nun Wasserstoff oder Batterie – es gibt verschiedene Möglichkeiten, Züge auf Strecken ohne Oberleitung emissionsfrei anzutreiben.
Im Jahr 2022 gehen im Nahverkehr die ersten Züge mit innovativen, emissionsfreien Antriebsformen in Deutschland in den Regelbetrieb. Dieser Überblick soll aufzeigen, welche innovativen, alternative Antriebe die Schiene zu bieten hat und welche Entwicklungen in naher Zukunft zu erwarten sind.
Die Elektromobilität auf der Schiene wird heutzutage fast ausschließlich von klassischen Elektro-Lokomotiven und -Triebwagen erbracht, die über eine Oberleitung oder Stromschienen betrieben werden. Eine Diesellok stößt im Güterverkehr im Schnitt pro Tonnenkilometer 1,7 Mal mehr CO2 aus als eine E-Lok. Im Schienenpersonennahverkehr liegt der Faktor bei etwa 1,2 pro Personenkilometer.
Die Allianz pro Schiene setzt sich daher für die schnellere Elektrifizierung des Schienennetzes, also die Ausrüstung von Strecken mit Oberleitungen, ein. Meilensteine sind ein Elektrifizierungsgrad von 70 Prozent in Deutschland im Jahr 2025 gegenüber aktuell rund 62 Prozent und ein Elektrifizierungsgrad von mindestens 75 Prozent im Jahr 2030.
Für die Strecken, die nicht elektrifiziert werden, sind Fahrzeuge mit alternativen Antrieben eine gute Investition in die Zukunft. Im Personennahverkehr (SPNV) sind dies Wasserstoff- und Batterie-Triebzüge. Ziel der Branche ist es, ab Ende 2024 bei Betriebsaufnahmen im Personenverkehr auf neue Diesel-Triebzüge zu verzichten. Im Güterverkehr können Last-Mile-, Hybrid- sowie Dual-Mode-Lokomotiven eingesetzt werden.
Im Wasserstoff-Triebzug (alternativ Brennstoffzellenzug) erzeugt eine Brennstoffzelle Strom aus Wasserstoff. Die Energie wird in Batterien gespeichert. Angetrieben wird der Zug von Elektromotoren. Das Fahrzeug kann so vollkommen unabhängig von einer Oberleitung elektrisch fahren, benötigt aber eine Wasserstoff-Tankinfrastruktur. Im Betrieb stoßen diese Züge nichts weiter als Wasserdampf und Kondenswasser aus. Ein voller Tank reicht für eine Strecke von bis zu fast 1.200 Kilometern.
2018 gingen die ersten Fahrzeuge mit Fahrgäste in den Probebetrieb. Im August 2022 startete dann bei den Eisenbahnen und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser (evb) in Niedersachsen der regelmäßige Fahrgastbetrieb mit Fahrzeugen des Herstellers Alstom. Nach und nach wird die evb ihre Dieselflotte ausmustern und durch Wasserstoffzüge ersetzen. Auch in Hessen wird umgesattelt: Im Dezember 2022 werden dort vier Regionalzuglinien regulär auf Brennstoffzellen-Antrieb umgestellt. Insgesamt wird der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) im Taunus 27 Wasserstoff-Züge von Alstom einsetzen.
Wie ein gängiger Elektrotriebzug bezieht der Akku- oder Batterie-Triebzug auf elektrifizierten Streckenabschnitten den Fahrstrom aus der Oberleitung. Zusätzlich sind Batterien an Bord, die auf den Strecken mit Oberleitung aufgeladen werden. Auf Abschnitten ohne externe Stromversorgung bezieht der Zug seine Antriebsenergie dann aus den Batterien. Der große Vorteil: Batterie-Triebzüge können die vorhandene Oberleitungsinfrastruktur zum Fahren und „Nachtanken“ nutzen. Je nach Streckenverhältnissen haben die Züge eine Reichweite um die 100 km, bei einer Testfahrt hat der Batterie-Triebzug von Stadler sogar schon 224 km ohne Nachladung erreicht. Mit der Nachrüstung sogenannter Elektrifizierungsinseln, die das Nachladen während der Fahrt ermöglichen, können auch längere Abschnitte für Batterie-Triebzüge befahrbar gemacht werden. Zwischen Januar und Mai 2022 ließ sich ein Batterie-Triebzug von Alstom auf der baden-württembergischen Gäubahn testweise im Fahrgastbetrieb erleben, zwischen Februar und Mai auch in Mittelfranken. Der reguläre Einsatz von Akku-Triebzügen wird im Dezember 2022 starten. Dann werden die ersten Fahrzeuge sukzessive auf vier Regionalzuglinien in Schleswig-Holstein eingesetzt.
Hybrid-Lokomotiven verfügen neben einem Elektromotor über einen Stromgenerator und eine Batterie als Energiespeicher. Bei Teillast fährt die Lok Batteriestrom. Nur wenn mehr Leistung benötigt wird, hilft ein Dieselmotor mit. Der Motor dient auch als Stromgenerator zum Nachladen der Batterie. Anders als bei herkömmlichen Dieselloks läuft der Motor auch bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten immer im optimalen Drehzahlbereich und lädt die Batterie. Dadurch können bis zu 50 Prozent Treibstoff gespart werden, der Schadstoffausstoß sinkt sogar um bis zu 70 Prozent. Hybridloks eignen sich besonders für den Rangierbetrieb mit häufigem Anfahren und Anhalten. 50 bis 75 Prozent der Einsatzzeit kann im Batteriebetrieb gefahren werden.
Last-Mile-Lokomotiven verfügen über zwei Antriebe. Sie verbinden einen vollwertigen Elektroantrieb mit einem Diesel-Hilfsmotor. Wie bei einer herkömmlichen Elektro-Lokomotive erfolgt die Stromversorgung durch die Oberleitung. Auf Streckenabschnitten ohne Oberleitung schaltet die Last-Mile-Lokomotive auf den Hilfsantrieb um. So können Last-Mile-Lokomotiven die E-Infrastruktur optimal nutzen. Wo eine Oberleitung vorhanden ist, fahren sie mit Strom. Nur auf kurzen Abschnitten ohne Stromversorgung – häufig die ersten und letzten Kilometer – wird auf den Verbrennungsmotor umgeschaltet. Last-Mile-Lokomotiven vermeiden so lange Fahrten mit Diesel unter der vorhandenen Oberleitung. Heute ist es oft so, dass kleine Elektrifizierungslücken im Streckenverlauf dazu führen, dass die gesamte Strecke mit Diesel befahren wird. Die Last-Mile-Lok ist vom Prinzip her ähnlich aufgebaut wie die Dual-Mode-Lokomotive (siehe unten). Die Dual-Mode-Lok kann jedoch deutlich längere Strecken ohne Oberleitung überbrücken.
Dual-Mode-Lokomotiven vereinen zwei vollwertige Loks in einem Fahrzeug. Zum einen ist das Fahrzeug eine echte E-Lok, die mit Strom aus der Oberleitung fährt. Zum anderen hat die Dual-Mode-Lokomotive auch einen emissionsarmen Dieselmotor an Bord. Dieser Stromgenerator erzeugt auf Strecken ohne Oberleitung Strom für den Antrieb und ermöglicht es Elektrifizierungslücken im Streckennetz zu überbrücken. Mit solchen Fahrzeugen werden also Fahrten mit Diesel unter der Oberleitung vermieden. So kann die E-Infrastruktur maximal genutzt werden. Bei Dual-Mode-Lokomotiven steht auch abseits der Oberleitung eine hohe Leistung zur Verfügung, der Zug kann also mit voller Geschwindigkeit weiterfahren und belegt keine zusätzliche Kapazität im Schienennetz.
Um die Einführung alternativer Antriebe auf der Schiene zu unterstützen, fördert der Bund seit 2021 die Investitionsmehrkosten für entsprechende Fahrzeuge und Lade- oder Tankinfrastrukturen. Sowohl bei der Höhe der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel als auch bei der Förderquote sehen wir allerdings noch Verbesserungsbedarf. So kann der Staat bei der Beschaffung neuer Schienenfahrzeuge die Zusatzkosten der alternativen Antriebe zu 40 Prozent bis 60 Prozent fördern. Bei den alternativen Antrieben von Bussen reichen die Förderquoten dagegen bis zu 80 Prozent. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, die alternativen Antriebe auf der Schiene schlechter zu stellen als die auf der Straße.
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