Sie sind für die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf auf über 5.600 Bahnhöfen in Deutschland verantwortlich: Die Bahnhofsmanager der Deutschen Bahn. Ihre Arbeit erledigen sie meist hinter den Kulissen, kümmern sich um Hunderte Mitarbeiter und Tausende Anlagen – vom Vorplatz bis zur Bahnsteigkante. Mit der Auszeichnung „Bahnhof des Jahres“ werden die Bahnhöfe ausgezeichnet, bei denen ein Bahnhofsmanager ein besonders glückliches Händchen bewiesen hat. Wie Ingo Mau, Manager des Bahnhof des Jahres Stralsund und Martin Nowosad, verantwortlich für den Bahnhof des Jahres Steinheim (Westfalen). Im Interview mit der Allianz pro Schiene verraten sie, warum Struktur und Ordnung bei ihrem Job unerlässlich sind und wie sprechende Aufzüge ihre Arbeit erleichtern.
Allianz pro Schiene: Herr Nowosad, ganz Nordrhein-Westfalen freut sich über den ersten Bahnhof des Jahres im Bundesland. Steinheim wurde in den letzten Jahren umfassend modernisiert, die Jury lobt die geniale Struktur und die phantasievoll genutzte Anlage des Bahnhofs. Was gefällt Ihnen an Ihrem Bahnhof besonders gut?
Martin Nowosad: Die Zusammenarbeit mit dem Aufgabenträger des Landes, der Stadt und dem privaten Investor war hervorragend. Ich freue mich vor allem darüber, dass wir den Charakter dieses 20er-Jahre-Gebäudes erhalten konnten. Der Bahnhof ist einfach schön. Außerdem ist mit dem Fahrkartenschalter, Hotel, Kiosk und Restaurant der Service für die Reisenden für eine S-Bahnstation einfach unschlagbar. Auch der Umstieg auf andere Verkehrssysteme ist problemlos möglich: Busstation und Fahrradunterstand sind direkt nebenan, die Taxen parken vor der Tür. Und bis zur Stadtmitte sind es gerade mal 400 Meter Fußweg.
Herr Mau, was macht das besondere Flair des Hauptbahnhofs in Stralsund aus?
Ingo Mau: Der Bahnhof Stralsund ist natürlich ein Schmuckkästchen. Die Architektur, die Aufenthaltsqualität, unser schönes Glasdach, das ist schon optimal. Für die tolle Atmosphäre sind aber vor allem die Mitarbeiter auf dem Bahnhof verantwortlich: Von der DB Sicherheit, über die Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen und im Service, die Kollegen im Reisezentrum und bei mir im Bahnhofsmanagement. Das ist eine große Familie, die zusammen hält.
Ganz platt gefragt: Was ist denn das Geheimnis Ihres Erfolgs? Es gibt ja nicht nur „Bahnhöfe des Jahres“ in Deutschland.
Martin Nowosad: Ganz klar: Struktur. Ich bin für 80 Bahnhöfe verantwortlich, überwiegend in Ostwestfalen-Lippe, das sind sieben Landkreise. Und ich habe noch ein paar Bahnhöfe im Münsterland und in Niedersachsen. Wenn Sie da nicht strukturiert vorgehen, haben Sie ein Problem. Und: Das Wichtige von dem Unwichtigen unterscheiden. Dabei stehen Sicherheit und Kundenzufriedenheit bei uns ganz oben – allem voran die Sicherheit.
Müssen sich alle Bahnhofsmanager um so viele Bahnhöfe kümmern?
Martin Nowosad: In der Regel Ja. Wir teilen Bahnhöfe nach Größe in sieben Kategorien ein. Da spielen viele Kriterien eine Rolle: Wie viele Züge verkehren auf dem Bahnhof? Wie viele Reisende steigen täglich ein und aus? Wie umfangreich ist die Infrastruktur? Der Berliner Hauptbahnhof zum Beispiel ist ein Bahnhof der Kategorie eins, Steinheim (Westfalen) liegt in der Kategorie sechs. Logischerweise kann nicht jeder Bahnhof die gleiche Ausstattung haben. So ist das Management von Bahnhöfen immer unterschiedlich arbeitsintensiv.
Ingo Mau: Stralsund ist ein Dreier. In welche Kategorie ein Bahnhof fällt, kann sich von Jahr zu Jahr verändern. Das liegt zum Beispiel daran, dass sich Zugfrequenzen und damit die Zahl der Reisenden verändern. Wichtig zu unterscheiden ist die betriebliche Infrastruktur und das Bahnhofsgebäude. Die meisten Menschen denken, der Bahnhof ist nur das Gebäude. Dabei sind damit die Anlagen zum Ein- und Aussteigen gemeint und nicht das Empfangsgebäude.
Martin Nowosad: Und dann gibt es noch Haltepunkte. Ein Bahnhof muss immer mindestens eine Weiche haben. Dort müssen Züge beginnen, wenden und enden können. Ein Haltepunkt ist ein Stopp auf einer Bahnstrecke wenn man so will. Haltepunkte verfügen auch über weniger Equipments.
Was meinen Sie mit Equipments?
Was ändert sich durch die Digitalisierung denn für Sie?
Martin Nowosad: Unsere Arbeit wird einfacher, wir werden schneller und qualitativ besser. Das Internet der Dinge hält bei der Deutschen Bahn Einzug. Meine Aufzüge zum Beispiel: Die sagen mir jetzt „Ich bin in Betrieb“, oder: „Ich brauche Wartung“. Das geht jetzt für alle möglichen Anlagen so weiter.
Dann wird der Besuch vor Ort in Zukunft überflüssig?
Ingo Mau: Nein, ganz sicher nicht. Jeder Bahnhof wird regelmäßig kontrolliert, das mache ich auch gerne selbst. Eigentlich fährt man bei jedem seiner Auswärtstermine noch mal kurz an einem seiner Bahnhöfe vorbei und prüft, ob alles in Ordnung ist. Das fängt schon beim Umfeld an: Sind die Wege, die zum Bahnhof führen in Ordnung? Wichtig sind dann die Abläufe am Bahnhof: Funktionieren die Anzeigen? Ist die Lautsprecherdurchsage gut zu verstehen? Ist die Beleuchtung in Ordnung? Eigentlich achtet man auf alles, auch wenn man nur auf einer Stippvisite ist.
Martin Nowosad: Bei manchen Begehungen kann man mich schon mal vom anderen Ende des Bahnsteigs aus hören. Gerade beim Thema Sauberkeit, da kann ich mich tierisch aufregen. Unerledigte Dinge nerven mich auch, aber damit muss man als Bahnhofsmanager leben können und priorisieren. Mit unseren Mitteln muss man auch Gelegenheiten nutzen, zum Beispiel wenn es ein neues Förder- bzw. Modernisierungsprogramm vom Bund oder dem Land gibt. Dann denke ich an meine Bahnhöfe und es findet sich immer ein Kandidat, der in Frage kommt.
Das war auch in Steinheim so.
Martin Nowosad: Ja genau. Steinheim hätten wir so nicht zum jetzigen Zeitpunkt modernisiert, wenn es nicht einen Streckenbezug gegeben hätte, also für die S5 zwischen Hannover und Altenbeken. Damit da alle Zugsysteme fahren können, müssen die Bahnsteige entlang der Strecke auf 76cm angehoben werden. Es haben nur wenige gefehlt um die gesamte Linie zu ertüchtigen, also haben wir gesagt: „Das machen wir jetzt.“ Mit den Fördermitteln aus den Modernisierungsprogrammen des Bundes und der Länder und Eigenmitteln der DB für die Bahnhöfe bauen wir zum Beispiel neue Fahrgastinformationsanlagen, sanieren Personenunterführungen und Übergänge und Erhöhen den Takt der Reinigungen.
Wie entscheiden Sie denn, wann ein Bahnhof reif für eine Schönheitskur ist?
Martin Nowosad: Wir haben eine Systematik entwickelt, mit der die Anlagen unserer Bahnhöfe nach Alter und Zustand bewertet werden, das Anlagenmanagement Personenbahnhöfe. Sie müssen sich das so vorstellen: Nehmen wir an, ein Bahnhofsmanager hat 22 veraltete Bahnhöfe. Dann gibt es auch 22 wütende Bürgermeister und jeder möchte, dass sein Bahnhof zuerst modernisiert wird. Wir brauchen konkrete Parameter, um unsere Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Dazu nutzen wir neben anderen Daten die AMP-Werte und bringen die Bahnhöfe in eine Reihenfolge nach Notwendigkeit einer Modernisierung. Natürlich müssen wir uns auch mit dem Aufgabenträger abstimmen, dann sprechen wir mit den Kommunen. Ich muss einem Bürgermeister auch mal sagen: „Ihr müsst noch warten“. Das finden die natürlich nicht toll, aber anders geht es nicht. Ich muss deutlich machen, dass es Bahnhöfe gibt, die nach den genannten Kriterien zuerst modernisiert werden müssen. Der Dialog mit den Politikern vor Ort ist enorm wichtig für uns. Ein Bahnhofsmanager muss immer auch ein guter Kommunikator sein.
Ingo Mau: Gerade die Zusammenarbeit mit Kommunen und den anderen Geschäftsfeldern der Bahn macht auch Spaß. Man bekommt ja nicht nur Beschwerden. Da freut man sich als Bahnhofsmanager natürlich besonders. Auch wenn sich Kunden bei uns bedanken: „Danke, dass ihr mir mein Portemonnaie wieder gebracht habt.“ Oder: „Mensch, ihr habt mein Kind gefunden!“ Wir können viele Dinge frei entscheiden und haben die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Da freuen wir uns, wenn wir die Bestätigung bekommen, dass wir einen guten Job machen.
Martin Nowosad: Diesen Spaßfaktor bei der Bahn dürfen wir nicht verlieren. Wenn ich in strahlende Kundenaugen schaue, das ist was Tolles. Aber auch wenn ein Projekt erfolgreich abgeschlossen ist oder ein neues spannendes Projekt begonnen wird, Spatenstiche und Inbetriebnahmen, das macht mir unheimlich viel Spaß. Denn der Druck beim Thema Kundenzufriedenheit bei uns ist groß. Bei 46 Bahnhofsmanagements in Deutschland macht jemand auch sicherlich mal einen Fehler. Das ist ganz natürlich, aber die Aufregung ist immer groß. Bei jedem Verkehrssystem läuft es mal nicht rund, auch beim Flugzeug. Ich reise sehr selten mit dem Auto, aber wenn ich mal wieder auf der Autobahn im Stau stehe, frage ich mich immer: „Wo ist der Schalter, an dem ich wegen der Verspätung jetzt mein Geld zurück bekomme?“
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Christopher Harms