„Bahnfahren ist eine Bereicherung“

Elias Bohun, Gründer der Reiseagentur "Traivelling", im Interview mit der Allianz pro Schiene.

Mit dem Zug nach Vietnam? Mit der Reiseagentur von Elias Bohun ist das kein Problem.

Zusammen mit seinem Vater Matthias hat der 19-jährige Wiener Elias Bohun die Agentur für Zugfernreisen „Traivelling“ (= Train & Travelling) gegründet. Im Interview mit der Allianz pro Schiene verrät Elias, aus welcher Motivation heraus die Idee für die Agentur entstand und warum gerade die Zusammenarbeit mit seinem Vater so gut funktioniert.

Interview von Jonas Ölke

 

Du hast zusammen mit Deinem Vater die Reiseagentur Traivelling gegründet. Was macht euch besonders?

Wir verkaufen Fernreisen mit dem Zug, zum Beispiel nach Vietnam, Singapur aber auch innerhalb Europas. Interessenten schicken einfach eine Anfrage über unsere Website und erhalten dann von uns ein Angebot mit einer möglichen Route und dem entsprechenden Preis. Von Wien nach Hanoi sind das zum Beispiel rund 650 Euro oneway pro Person.

Wie kann man sich so eine Reise vorstellen?

In der Regel fährt man nachts und besichtigt tagsüber die Städte auf dem Weg. Von Wien nach Vietnam beträgt die reine Fahrzeit beispielsweise sieben bis acht Tage. Wir empfehlen aber, die Reise durch Aufenthalte zu bereichern und zu verlängern. So wird die Bahnfahrt zu einer wirklich coolen, interkulturellen Erfahrung. Bei der Ankunft in Vietnam hat man dann keinen großen Kulturschock, sondern schon die halbe Welt gesehen. Das gibt ein ganz anderes Verständnis für Distanz. Man fühlt das viel mehr, man lernt mehr Leute kennen. Und irgendwie ist es auch eine meditative Angelegenheit.

Du sprichst ja aus Erfahrung. Selber hast Du auch schon eine solche Bahnreise unternommen. Was war Deine Motivation?

Nach der Matura wollte ich reisen. Ich hatte mir ein halbes Jahr Zeit genommen und schon einen Flug nach Sri Lanka gebucht. Angesichts des Klimawandels fand ich es gleichzeitig aber auch extrem unvertretbar, nur zum Spaß so weit zu fliegen. Ich habe die Flüge also storniert und geschaut, wie weit man mit dem Zug kommen kann. Das war dann im Endeffekt Vietnam. Die Reise zu planen war dann wirklich, wirklich aufwendig. Das hat für zweieinhalb Monate täglich drei bis vier Stunden in Anspruch genommen.

 

Welche Hindernisse gab es denn bei der Buchung der Reise?

Alles muss aufeinander abgestimmt sein. Visa müssen beantragt werden. Oft lassen sich Tickets nicht einfach online buchen, sondern müssen in Papierform hinterlegt und abgeholt werden. Und Agenturen in den Reiseländern sind alles andere als vertrauenswürdig. Letztendlich hat sich der Aufwand aber gelohnt.

 

Nach der ganzen Vorarbeit – wie hast Du die Reise dann erlebt?

Auf der Hin- und Rückreise habe ich mehr Leute kennengelernt als in den vier Monaten, die ich dann in Südostasien verbracht habe. Dort ist man in einer „tourist bubble“, aus der man ganz schwer rauskommt. Nur im Zug begegnet man den Menschen auf Augenhöhe. Zurückgefahren sind wir übrigens auf einer anderen Route über die Mandschurei und Sibirien. Wenn möglich, empfehle ich unterschiedliche Hin- und Rückreisen auch allen Interessierten. So sieht man nicht alles doppelt, sondern doppelt so viel.

 

Zusammen mit seinem Vater gründete Elias Bohun die klimafreundliche Agentur „Traivelling“.

Die Klimafrage wird oft als Generationenkonflikt dargestellt. Aufgeklärte Millennials gegen ignorante Boomer. Gegründet hast Du Traivelling zusammen mit Deinem Vater. Musstest Du bei ihm und anderen „Erwachsenen“ in Deinem Umfeld viel Überzeugungsarbeit für Deine Idee leisten?

Überzeugungsarbeit ist eher bei meiner Generation notwendig. Die Älteren können sich oft noch daran erinnern, dass ein Ticket bis nach Peking am Bahnhofsschalter erhältlich war oder dass es eine Direktverbindung Wien-Athen gab. Wenn ich hingegen jüngeren Menschen erzähle, dass man innerhalb von einem Tag mit dem Zug nach Portugal kommt, sind die total beeindruckt. Diese Möglichkeiten kommen meiner Generation gar nicht mehr in den Kopf. Mein Papa erinnert also seine Altersgenossen daran, was mal normal war und ich zeige meinen, was heute möglich ist.

 

Wie ist das mit Euren Kunden? Kaffeefahrt oder eher Backpacker? 

Bei unseren Kunden ist wirklich alles dabei. Jung und Alt, beruflich und privat. Kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben wir einem Paar mit einem einjährigen und einem dreijährigen Kind eine Reise nach Kasachstan gebucht. Die Familie hatte dann für die ganze Strecke ein eigenes Abteil. Das gefällt auch älteren Menschen, für die Zeit nicht so ein wichtiger Faktor ist und die am liebsten möglichst viele Halte machen. Innerhalb Europas sind es vor allem Geschäftsreisende, die möglichst schnell und komfortabel reisen und dabei noch arbeiten wollen.

 

Was waren denn bisher die beliebtesten Reiseziele?

Von Wien aus sind insbesondere Lissabon, Porto und Andalusien beliebte Ziele. Aber auch Großbritannien. Im Winter ging es viel in den hohen Norden, also nach Narvik, auf die Lofoten, nach Finnland und Russland. Für den Sommer hatten wir viele Reisen nach Vietnam gebucht, die wir aber auf Grund der Corona-Pandemie wieder stornieren mussten. 

 

Elias Bohun unterwegs.
Elias Bohun auf Reisen: Hier vor der Transsibirischen Eisenbahn.

Was lernt man über das Zugfahren, wenn man außerhalb Europas reist?

Prinzipiell ist die Mentalität eine andere. In Russland, Kasachstan und vor allem in China ist der Zug das Massentransportmittel schlechthin. Man ist stolz auf die Staatsbahnen. Russland und China sind die pünktlichsten Bahnländer der Welt. Und die Züge sind urmodern. Das war schon eine Überraschung für uns. In der Ukraine wurden Züge aus den Siebzigerjahren top renoviert. Das Leder und Holz in den Abteilen gibt Orientexpress-Flair. Und in chinesischen Nachtzügen schläft man wie im siebten Himmel auf einem Wolkenbett. Da denkt niemand daran, längere Strecken im Auto zu fahren. Das Fliegen kommt zwar langsam auch in Asien auf, ist aber trotzdem noch deutlich weniger verbreitet. In China kann man schließlich in zehn Stunden mit dem Zug durch das gesamte Land fahren.

 

Klingt ganz gut. Warum klappt das in Europa nicht?

Um so etwas in Europa zu ermöglichen, müsste man die nationalen Barrieren fallen lassen. Wir bräuchten ein enges Fern- und vor allem Nachtzugnetz. Das geht nicht mit all den Wechseln an den Grenzen, die Züge stehen zu oft. Wer beispielsweise mit dem Zug von Oslo nach Palermo reist, muss in Kopenhagen, Hamburg, München und Rom das Fahrzeug wechseln. In Russland würde der Zug einfach durchfahren. Dort ist es normal, eineinhalb Tage im Zug unterwegs zu sein. Und mit einem Kaffeeautomaten und WLAN in jedem Waggon könnte es das auch in Europa sein.

 

Siehst Du einen Trend hin zum „slow travel“ – also zum langsamen, nachhaltigen und bewussten Reisen?

Ich glaube, mit den immer heißer werdenden Sommern werden mehr Menschen hinterfragen, ob sie mit dem Flugzeug ins Nachbarland fliegen sollen. Auf der Kurz- und Mittelstrecke gibt es ja bereits heute Alternativen. Auf der Langstrecke sehe ich eine Chance durch die Entschleunigung, die wir durch die Corona-Krise erfahren haben. Vor allem aber hat Zugfahren eine Zukunft, weil es keinen Verzicht darstellt, sondern eine Bereicherung. 

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Die Inhalte dieser Seite sind Teil des Projektes „Jung und umweltfreundlich mobil“. Gefördert durch: