Der Klimaschutz entwickelt sich zur politischen Großbaustelle – jetzt sind dringend Rezepte gegen die steigenden CO2-Emissionen im Verkehr gefragt. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes prüfte die Allianz pro Schiene, wie sich die Potenziale des Schienenverkehrs für den Klimaschutz besser nutzen lassen. Welche Hebel für eine Verkehrswende hat der Bund in der Hand und wo kann die Eisenbahnbranche mit eigenen Anstrengungen weiterhelfen? Zum Abschluss des Dialog-Projekts „Mehr Klimaschutz mit Schienenverkehr“ diskutierten am 20. März hochrangige Vertreter von Bundesregierung und Verkehrssektor, wie es endlich vorangehen kann. Das Ergebnis des Dialogs: Ohne eine starke Bahn können die Klimaziele 2030 nicht erreicht werden. Gefragt sind die intelligente Verknüpfung der Verkehrsträger, faire Rahmenbedingungen sowie die Ertüchtigung der Infrastruktur.
Wenn es um Klimaschutz geht, dann geht es automatisch auch um den Verkehr. Alle Sektoren in Deutschland konnten seit 1990 ihren CO2-Ausstoß reduzieren – alle außer der Verkehr. Dieser stößt heute sogar noch mehr Emissionen aus als damals. Das sind die Fakten, die Alexander Kirchner direkt zu Beginn der Veranstaltung in den Raum stellt. „Noch nie war es so dringlich, das Klima zu schützen“, so der Allianz pro Schiene-Vorsitzende.
Tatsächlich wird der Klimaschutz für die Bundesregierung eine immer größere Herausforderung, die es schnellstmöglich zu bewältigen gilt, betont die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, in ihrer Rede. „Wir brauchen eine starke Schiene für die Verkehrswende. Diese geht Hand in Hand mit der Energiewende. Und beides – Energie- und Verkehrswende – sind notwendige Voraussetzungen, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen“, so die Staatssekretärin. Das Projekt der Allianz pro Schiene habe das Bundesumweltministerium aus Überzeugung unterstützt, denn dass die Bahn eine zentrale Rolle im Klimaschutz übernimmt, sei unbestritten. Schwarzelühr-Sutter sieht einen entscheidenden Vorteil der Bahnen gegenüber Auto, Lkw und Flugzeug: „Die Schiene hat einen Klimavorsprung unter den Verkehrsträgern, denn schon jetzt werden 90 Prozent der Verkehrsleistung elektrisch erbracht.“ In der Zukunft wünscht sie sich einen vollständig emissionsfreien Schienenverkehr. Um das zu erreichen, brauche es eine höhere Kapazität des Netztes, den gezielten Aus- und Neubau sowie mehr Digitalisierung und Automatisierung auf der Schiene. Der kürzlich beschlossene Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist laut Schwarzelühr-Sutter „ein klares Bekenntnis für einen Schienenpakt von Politik und Wirtschaft“. Beschlossen sind die Einführung des Deutschland-Takts, die Umsetzung des Masterplans Schienengüterverkehr sowie ein konsequenter Infrastrukturausbau.
Die Ziele der Politik seien gut und richtig, jetzt müssten diese aber auch wirklich umgesetzt werden, mahnt die Leiterin des Projekts, Jolanta Skalska. Sie ist froh, dass der Klimadialog, nicht nur viele hitzige Diskussionen, sondern auch handfeste Ergebnisse gebracht hat. Im Laufe wurden drei Schwerpunkte identifiziert: Klimafreundliche Personen-, Güter- und Elektromobilität. Die konkreten Handlungsempfehlungen sind in der Abschlussbroschüre „Mehr Klimaschutz mit Schienenverkehr“ niedergeschrieben. (Die ganze Broschüre können Sie hier herunterladen.)
Nur wenn Branche und Politik zusammenarbeiten, kann wirklich etwas im Verkehr passieren. Und mit der Branche ist keineswegs nur die Schienenbranche gemeint. Gefragt sind Konzepte, die verkehrsträgerübergreifend gedacht und umgesetzt werden. „Der Straßengüterverkehr steht kurz vor dem Kollaps – und der Verkehr wird in den nächsten Jahren noch ansteigen. Nun brauchen wir gemeinsame Lösungen“, so Professor Dr. Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. In dem Dialog-Projekt entstand die Idee, die DB-Netz-Plattform „railway.tools“ gemeinsam weiterzuentwickeln, um es Spediteuren möglichst einfach zu machen, ihre Güter mit Bahn und Lkw zu transportieren. „Straße gegen Schiene war gestern“, meint Engelhardt und weist auf die Vorzüge einer solchen verkehrsträgerübergreifenden Plattform hin. Die Güter sollen idealerweise den Großteil der Strecke per Schiene transportiert werden, die ersten und letzten Meilen übernimmt der Lkw. Auch Stefan Kühn von der DB Netz AG findet den Schulterschluss klasse. In der Vergangenheit sei es viel zu kompliziert gewesen, den Transport verkehrsträgerübergreifend zu gestalten, was zur Folge hatte, dass sich Spediteure eher für den Lkw-Transport auf der Langstecke entschieden. Das gemeinsame Vorhaben soll den Schienengüterverkehr zukünftig attraktiver und sichtbarer machen.
Doch auch beim Schienenpersonenverkehr ist noch viel Luft nach oben. Susanne Henckel, Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg VBB, fragt sich, warum noch nicht längst 100 Prozent der Strecken in Deutschland elektrifiziert seien: „Andere Länder können das doch auch. Gucken Sie doch mal in die Schweiz“. In Deutschland mache das Planungsrecht die Elektrifizierung von Strecken unnötig teuer und langwierig. Von solchen „Widrigkeiten“ wollte sich Dr. Jörg Nikutta, Geschäftsführer von Alstom Transport Deutschland, nicht aufhalten lassen. Stattdessen entwickelte sein Unternehmen kurzerhand einen Brennstoffzellenzug, der auch ohne Oberleitung emissionsfrei unterwegs ist. Ihn beschäftigt in erster Linie der kostenintensive Bau von Wasserstoff-Tankstellen.
Dass die Weichen für die Schiene gutstehen, daran lässt Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, in der zweiten Talk-Runde keine Zweifel: „Wir haben eine sehr gute Ausgangslage. Wir werden alle Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, denn wir müssen die Klimaschutzziele 2030 einhalten.“ Nun sollen so schnell wie möglich das 740-Meter-Netz und die Schienenmauthalbierung umgesetzt werden. Auch unser Geschäftsführer Dirk Flege sieht ein großes Potential im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Doch eine Sache fehlt ihm: Das Einleiten der Verkehrswende sei hiermit nicht gegeben. Um die voranzutreiben, schlägt er eine Studie der Bundesregierung zur Kostenwahrheit im Verkehr vor. Damit könne die EU-Kommission überzeugt werden, dass Klima- und Unfallkosten endlich in die Maut eingerechnet werden dürfen.
Letztlich findet Flege sehr positive Worte zum Abschluss des Dialog-Projekts: „Wir haben eine neue Phase im Verkehr erreicht. Statt sich gegenseitig Steine in den Weg zu legen, haben wir es geschafft, dass Verkehrsträger und Politik gemeinsam an einem Strang ziehen. Die Zeit ist reif und jetzt heißt es: Gemeinsam Handeln und das Klima schützen!“
Weiterführende Informationen:
Die Pressemitteilung des BMU („Schwarzelühr-Sutter: Die Klimaziele im Verkehr erreichen wir nur mit einer starken Bahn“) können Sie hier nachlesen.
Hier finden Sie mehr Infos zum Projekt.