Herr Bausch, nachdem Allianz pro Schiene und SCI Verkehr auf einer Pressekonferenz ihren Pro-Kopf-Vergleich der Schieneninvestitionen in ausgewählten europäischen Volkswirtschaften veröffentlichten, hat sich Ihr Ministerium hier bei uns in der Geschäftsstelle der Schienenallianz gemeldet. Worum geht es Ihnen?
Bausch: Wir wollten Sie darauf hinweisen, dass in Ihrem Vergleich der `Musterschüler` Europas fehlt. Die Schweiz investiert zwar pro Einwohner 365 Euro in die Schiene und nimmt damit in dem Vergleich der Allianz pro Schiene Platz eins ein. Luxemburg aber taucht in dem Vergleich nicht auf. Dabei kommen wir auf einen Wert von 600 Euro pro Einwohner. Wir sind derzeit in der Europäischen Union absoluter Spitzenreiter und bleiben es auch, wenn man die Schweiz mitberücksichtigt. In der EU ist Österreich auf Platz zwei mit 218 Euro.
Was steckt hinter dem hohen Wert in Luxemburg?
Bausch: Wir haben uns vor fünf Jahren entschieden, ein gewaltiges Investitionsprogramm aufzulegen. Das erforderte viel politischen Mut, weil wir die Prioritäten ganz anders gesetzt haben. Wir haben dieselben Probleme wie überall in Europa. Die urbanen Räume sind total überlastet mit Autos. Wir müssen den Klimaschutz verbessern. Wir wollen aber nicht mit Verboten und Geboten arbeiten. Luxemburg hat sich entschieden, vor allem zu investieren und ein anderes Verkehrskonzept mit der Priorität für die Schiene zu entwickeln.
Was war der Hauptgrund für die Neuausrichtung der Verkehrspolitik?
Bausch: Man muss sehen, dass die Bevölkerung und die Pendlerströme bei uns wegen der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung sehr stark wachsen. Diese Situation bekommen wir nur durch ein multimodales Verkehrskonzept in den Griff. Neben den enormen Investitionen sind jetzt weitere Projekte in der Umsetzung: eine Verdopplung der aktuellen P+R Parkplätze – vornehmlich an den Grenzen, damit die 200 000 Pendler, die täglich nach Luxemburg kommen, komfortabel umsteigen können. Hinzu kommen Fahrgastinformation in Echtzeit, eine komplette Umstellung der nationalen Busflotte auf Elektro bis 2030, Ausbau der elektrischen Ladestationen für PKW landesweit auf 1 600 Einheiten bis 2021, ein zusammenhängendes Radroutennetz, eine komplette Neugestaltung des nationalen Busliniennetzes. Das sind alles Zutaten des multimodalen Kuchens.
Investiert Luxemburg denn mehr in die Schiene als in die Straße?
Bausch: Ja. Wir haben das Verhältnis umgedreht. Vor meiner Zeit gingen zwei Drittel der Investitionsmittel in die Straße und ein Drittel in die Schiene. Heute ist es genau umgekehrt. Von 2008 bis 2017 haben wir 2,1 Milliarden Euro in die Schiene investiert. Wir liegen jetzt in der Periode 2018 bis 2027 bei vier Milliarden. Nicht eingerechnet ist eine überregionale Straßenbahn, die wir bauen. Mit diesem Projekt sind wir bei 4,5 Milliarden Euro.
Kritiker werden auf die vielen Pendler in Luxemburg hinweisen. Schon allein dies treibt ja die Werte pro Einwohner hoch.
Bausch: Das ist richtig, aber selbst, wenn ich diese 200 000 Personen mit einrechne, kommt Luxemburg noch auf einen höheren Wert als die Schweiz.
Von März 2020 an sollen öffentliche Verkehrsmittel kostenlos sein. Wird dies die Nutzerzahlen nach oben treiben?
Bausch: Das Gratis-Angebot im öffentlichen Verkehr ist für mich das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Der Kuchen sind die Investitionen. Das Gratis-Angebot ist als soziale Maßnahme gedacht. Und sie verbessert das Image und sie vereinfacht die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Aber ich mache mir keine Illusionen, dass dies die Nutzerzahlen massiv erhöht. Dafür muss ich die Kapazitäten und die Qualität verbessern.
Im europaweiten Vergleich der Allianz pro Schiene landet Deutschland mit seinen Schieneninvestitionen auf einem hinteren Platz. Hat Sie das überrascht?
Bausch: Das hat mich nicht überrascht. Deutschland hat in den vergangenen Jahren generell in die Infrastruktur, aber ganz besonders im Schienenbereich viel zu wenig investiert. Die Deutsche Bahn kümmert sich vor allem um die ICE-Verbindungen, also um die kommerziell lukrativen Strecken zwischen den großen Städten. Aber der Verkehr in den Regionen wurde vernachlässigt. Es fehlt grundsätzlich ein Konzept, wie man den Schienenverkehr als Alternative zum Flieger oder zum Auto ausbauen kann.
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