Die BBL Logistik GmbH hat wegen Sturmschäden an einer Lokomotive gegen die DB Netz geklagt – und gewonnen. Wir haben mit Thomas Gritzka, Geschäftsführer der BBL Logistik ein kurzes Interview geführt.
Herr Gritzka, ist das Schienennetz anfälliger für Sturmschäden geworden?
Auch wenn die Vegetationskontrolle über einen längeren Zeitraum bei der DB Netz AG sicherlich nicht unbedingt im Fokus stand, ist für mich eine gesteigerte Anfälligkeit für Sturmschäden nicht erkennbar. Eine Zunahme von Stürmen aufgrund des Klimawandels dagegen schon. Es besteht somit weiterhin Handlungsbedarf!
Wie oft war Ihr Unternehmen in den vergangenen Jahren von Sturmschäden am Gleis betroffen?
Diejenigen Ereignisse, die tatsächlich zu haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen aufgrund von Verspätungen und Beschädigungen geführt haben, sind zum Glück nur eine Handvoll in den letzten Jahren. Ich gehe aber davon aus, dass im Tagesgeschäft sehr viel häufiger Verspätung aufgrund von Sturmschäden entstehen, deren Folgen dann aber zumindest kaufmännisch keine Auswirkungen haben.
Was bedeutet das ökonomisch für die BBL Logistik GmbH?
Den für uns wichtigsten Fall hat gerade das Oberlandesgericht Celle zu unseren Gunsten entschieden. Ansonsten herrscht bei uns die Besonderheit, dass zwischen dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur und unserem Auftraggeber in vielen Fällen Personalunion besteht, aufgrund dessen etwaige ökonomische Auswirkungen auf dem kurzen Dienstweg geregelt werden können.
Sie haben vor dem Oberlandesgericht Celle gegen die DB Netz geklagt und gewonnen. Was haben die Richter entschieden?
In dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des OLG Celle (Az. 14 U 12/20 vom 10.02.21) geht es darum, ob die DB Netz für Schäden an unserer Lokomotive haftet, die durch einen Baum im Gleis beschädigt worden ist. Die Antwort der Richter lautete „Ja“. Die DB Netz hat eine Verkehrssicherungspflicht, auch für den Bewuchs auf Nachbargrundstücken. Und, das ist neu, der DB Netz AG auferlegt, dass sie zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht für Nachbargrundstücke, die ihr nicht gehören, eine „Begehungs- und Kontrollmöglichkeit mit den Nachbarn aushandeln muss“. Das Verweisen auf die Pflichten des Nachbarn ist somit nicht mehr möglich.
Sind Sie zufrieden mit dem Urteil?
Wir freuen uns, für einige unser Tagesgeschäft betreffende Rechtsfragen nun eine deutliche Antwort des Gerichts erhalten zu haben. Allerdings mussten wir viel Ausdauer mitbringen. Immerhin fand das Ereignis im Jahr 2013 statt.
Was wird sich jetzt durch die Rechtsprechung ändern? Werden künftig weniger Bäume auf die Schienen fallen?
Das Urteil regelt zunächst nur die Zuständigkeiten und die Haftung, inwieweit dies auch für Änderungen in der Praxis sorgen wird, bleibt abzuwarten.
Ich gehe jedoch davon aus, dass die Zunahme der Stürme aufgrund des Klimawandels auch für einen Wandel der Betrachtung bei der DB Netz AG sorgen wird.
Für die DB Netz kommt es im Moment juristisch ziemlich dicke. Im Februar dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die DB Netz den Nutzern des Schienennetzes auch jenseits von Stürmen die Trassen pünktlich, also fahrplankonform zur Verfügung stellen muss. Wenn die Züge eines privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens im Regionalverkehr oder private Güterzüge sich wegen Baustellen oder Schäden im Netz verspäten und dadurch Vertragsstrafen anfallen, die das Eisenbahnverkehrsunternehmen oder die Güterbahn an den eigenen Auftraggeber zahlen muss, so können diese Schäden nun generell an die DB Netz durchgereicht werden. Droht nun eine gigantische Klagewelle?
Meiner Erfahrung nach wird im Bahnsektor weniger geklagt als in vergleichbaren anderen Branchen, nicht zuletzt, weil die Auftraggeberstruktur hier Besonderheiten aufweist.
Unser Unternehmen ist hauptsächlich mit adhoc-Verkehren beschäftigt, hier sind die Verspätungen aufgrund von Baustellen bereits in den jeweiligen Fahrplänen berücksichtigt. Und die Auswirkungen von Stürmen sind – wie gesagt – bei uns zu vernachlässigen. Hier bin ich sicher, dass keine Klagewelle droht. Für diejenigen Bahnen, die im Regelverkehrsbetrieb – egal ob im Personennahverkehr oder im Schienengüterverkehr – unterwegs sind, kann dies allerdings ganz anders aussehen.
Im Straßenverkehr verklagt niemand die Bundesrepublik Deutschland, wenn es zu Staus auf den Autobahnen kommt. Wird die Schiene im Wettbewerb der Verkehrsträger durch die neuen Urteile geschwächt?
Eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen eines Autobahnstaus klingt natürlich interessant… Auch wenn das juristisch schwierig zu begründen sein dürfte, gehe ich davon aus, dass die Schiene im Vergleich zu der Straße nach wie vor das deutlich zuverlässigere Verkehrsmittel ist und bleibt – und dies nicht allein aufgrund der zugrundeliegenden Fahrplantaktung. Die Art und Weise wie Bahnbaustellen im Vergleich zu Straßenbaustellen gehandhabt werden, gerade dass deren Dauer fest geregelt ist, macht beispielsweise die Auswirkungen von Baustellen für uns Eisenbahnverkehrsunternehmen deutlich kalkulierbarer.
Im Übrigen sind Staus auf der Straße deutlich häufiger als auf der Schiene. Ich selbst bin privat hiervon als Autofahrer häufiger betroffen als dienstlich bei unserem Unternehmen. Die Schiene bleibt der nachhaltigste und zuverlässigste Verkehrsträger, den wir haben.
Vielen Dank für das Interview.