Über Sinn und Unsinn der deutschen und europäischen Verkehrspolitik sprach auf dem jüngsten Förderertreffen der Allianz pro Schiene Michael Cramer (GRÜNE), Mitglied des Europäischen Parlamentes und Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN). Sein Urteil: „Der Wettbewerb der Verkehrsträger ist völlig verzerrt.“
Bei einer grenzüberschreitenden Fahrt mit dem Zug müssen Fahrgäste in Deutschland 19 Prozent Mehrwertsteuer auf das Ticket zahlen. Auslandsflüge hingegen sind von der Mehrwertsteuer befreit. „Warum?“, fragt Michael Cramer in die Runde. Vor rund 100 geladenen Gästen der Allianz pro Schiene sprach der EU-Verkehrspolitiker über Sinn und Unsinn der aktuellen Verkehrspolitik.
Warum sinkt die LKW-Maut, aber die Trassenpreise nicht? Seit 2010 ist die Straßenabgabe in Deutschland um knapp 16 Prozent gesunken. Die Schienenmaut jedoch befindet sich auf einem Höchststand: Der Anstieg um selben Zeitraum beträgt 13 Prozent. Warum wird der Schienenverkehr von der Politik vielfach benachteiligt? Michael Cramer schüttelt den Kopf, nicht das erste Mal an diesem Abend. Die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind unfair, so das Fazit nach vielen weiteren Beispielen. „Sauerei“, heißt es in einem ruhigen Moment aus dem Publikum.
Das Thema Verkehrswende haben nur wenige Politiker auf der Agenda. Zu sehr seien wir noch in Mobilitätsszenarien von Autolobby und Straßenbauern gefangen, erklärt Cramer. Und wieder folgt eine Frage: Warum wird im neuen Bundesverkehrswegeplan immer noch viel Geld für Umgehungsstraßen & Co. ausgegeben, anstatt das Schienennetz prioritär auszubauen? Denn das politische Bekenntnis von Paris, zu dem Deutschland jüngst mit dem Klimaschutzplan 2050 ein konkretes CO2-Einsparungsziel für den Verkehrssektor festgelegt hat, erfordere eigentlich eine ganz andere Weichenstellung. Nur indem wesentlich mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werde, seien diese Klimaschutzziele überhaupt erreichbar.
Immer wieder blickt Cramer zu unseren Schweizer Nachbarn, die ihren Verkehr fest im Griff haben. Auch bei uns gehe es bei der Stärkung des Schienenverkehrs voran, allerdings im Schneckentempo. Und das werde sich ohne einen fairen Wettbewerb auch so schnell nicht ändern. Hier sei die Politik in Deutschland in der Pflicht, die Schweiz biete ein gutes Vorbild. Was muss außerdem noch getan werden? Neben vielen Fragen bietet der EU-Abgeordnete auch einige Antworten: Gezielte Investitionen in die Schiene und den ÖPNV und die systematische und bedarfsgerechte Planung von Verkehren vor dem Hintergrund des Klimawandels. Anfangen solle man vor seiner eigenen Haustür: „Sinnvolle, oft auch kleinere Bauprojekte sollten gegenüber Prestigeprojekten stets Vorrang haben. Denn wer zuhause mit den Bahnen fährt, der entscheidet sich auch für längere Strecken für die Schiene.“ Am Ende gab es großen Applaus für so viel gesunden Menschenverstand.