Die 1753 gegründete Warsteiner Brauerei zählt zu den größten Privatbrauereien Deutschlands. Ihr Premium Pilsener, das Warsteiner, wird in über 60 Ländern auf der Erde angeboten. Aber wie kommt es eigentlich zum Kunden? Immer häufiger auf der Schiene, verrät uns Eisenbahnbetriebsleiter Wolfgang Rüsing.
Die Wiedervereinigung Deutschlands stellte die Logistik der Warsteiner Brauerei vor eine Herausforderung. Die Absätze stiegen schlagartig an und die Bierproduktion wurde hochgefahren. Das Familienunternehmen liegt in einem Waldpark im Sauerland. Die immer länger werdenden Lkw-Kolonnen, den Lärm und die Abgase wollte man der Heimat nicht länger zumuten. 1997 fiel die Entscheidung: Das Warsteiner muss auf die Schiene, blickt Eisenbahnbetriebsleiter Rüsing zurück.
Die Ausgangsbedingungen für eine Verlagerung waren anfangs jedoch ungünstig. Der klassische Vertrieb der Brauereiprodukte läuft über den Getränkefachhandel. Die Standorte sind zu klein, weit zerstreut und haben keinen Gleisanschluss, sodass sie direkt mit der Bahn beliefert werden können.
Die Warsteiner Brauerei setzt jedoch seit jeher auf Nachhaltigkeit: Ökologische und soziale Verantwortung sind für das Familienunternehmen ebenso wichtig wie Wirtschaftlichkeit. Nach intensiven Vorplanungen begann man mit dem Bau eines eigenen Gleisanschlusses, um das Bier fortan im Kombinierten Verkehr zu transportieren.
1997 wurde ein Transportvertrag mit der Westfälischen Landes-Eisenbahn (WLE) geschlossen und mit dem Bau des fünf Kilometer langen Gleisanschlusses begonnen. Bis zur Inbetriebnahme im Jahr 2005 wurden insgesamt sechs Brücken gebaut, 7,2 Kilometer zusätzliche Gleise von Warstein zum Brauereigelände verlegt und 560.000 Kubikmeter Erde bewegt. In Zusammenarbeit mit den Behörden wurde ein großer Teil der Eingriffe in die Umwelt durch Aufforstungen und Neupflanzungen kompensiert. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 30 Millionen Euro. Sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Stadt Warstein unterstützen das Großprojekt mit Fördermitteln. Der Gleisanschluss war eine Investition in die Zukunft, darüber waren sich alle Beteiligten einig.
Seitdem transportiert die Warsteiner Brauerei das Bier mit der Bahn. Das Unternehmen entwickelte einen Spezial-Container, der das seitliche Ent- und Beladen ermöglicht und im Terminal vierfach übereinander gestapelt werden kann. Aber auch andere Transportgefäße werden von Warsteiner genutzt: geschlossene 20-, 40- und 45-Fuß Container, Tankcontainer sowie Sattelauflieger.
Die erste regelmäßige Verbindung wurde nach München eingerichtet. Der Zug wird direkt in der Brauerei beladen und fährt 635 Kilometer mit der WLE bis zum Terminal München-Riem. Den Nachlauf zu den verschiedenen Empfängern im Großraum München übernimmt die Landauer Transportgesellschaft Doll KG per Lkw.
Auf dem Rückweg von München nach Warstein wird das Leergut mit dem Zug transportiert. Außerdem an Bord: Bier der König Ludwig Brauerei aus Fürstenfeldbruck sowie verschiedener bayerischer Brauereien. Der Vorlauf wird auch hier mit dem Lkw durchgeführt.
Auch im trendbewussten Italien lässt man sich seit Inbetriebnahme des Gleisanschlusses das Warsteiner auf der Schiene anliefern. Ein Teil der Ware geht von München-Riem weiter auf der Schiene zum Terminal Verona Quadrante und dann per Lkw in das ansässige Warsteiner Lager. Da etwa die Hälfte der Ladung nach Italien Einwegflaschen sind, werden die Leer-Container mit verschiedenen Materialien (Nudeln, Schuhe, Modeartikel, Konserven) rückbefrachtet.
Seit 2009 wird auch die deutsche Hauptstadt mit dem Güterzug angefahren und im März 2016 wurde eine Verbindung in den Hamburger Hafen eingerichtet. Jede Woche fahren ab Warstein zwei Züge zum Eurokombi Terminal. Von dort geht es dann weiter mit dem Containerschiff in die USA. Um die Auslastung des Hamburger Zuges zu verbessern, wird auch hier Ware von Dritten transportiert: Holz, Elektrokleingeräte oder Möbel.
2016 wurden bei Warsteiner insgesamt 130.000 Tonnen Getränke mit dem Güterzug transportiert. Damit verschwanden 5.200 Lkw von den Straßen und Autobahnen. Aber nicht nur die Umweltbilanz ist hervorragend, auch wirtschaftlich lohnt sich der Kombinierte Verkehr, gibt Eisenbahnbetriebsleiter Rüsing preis. Die nächste Verbindung ist bereits in der Planung. Die Warsteiner Kunden würdigen das nachhaltige Engagement der Brauerei.
Nach bisher elf Jahren zieht Wolfgang Rüsing eine positive Bilanz. Der eigene Gleisanschluss war für Warsteiner eine richtige und kluge Entscheidung. Aber auch wenn für die Zukunft eine Ausweitung der Transporte auf der Schiene bereits geplant ist, wünscht sich der Eisenbahnbetriebsleiter, dass noch einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden: „Gerade beim Handling der Trassen brauchen wir ein einfaches und transparentes System.“
Produkt | Bier (Fässer, Kartons, Kästen), Rückfracht z.B. Konserven, Stahl, Modeartikel, Holz, Möbel, etc. |
Verlagerte Tonnage | 130.000 Tonnen pro Jahr, entspricht 5.200 Lkw |
Unternehmen | Warsteiner Brauerei |
Motivation für Verlagerung | Umweltgedanken und Reduzierung des Treibhausgasausstoßes, Reduzierung der Durchgangsverkehre in Warsteins Innenstadt, niedrige Kosten auf langen Strecken |
Verlagerungszeitpunkt | Start imApril 2005, seitdem kontinuierliche Erweiterung der Verlagerung |
Strecke | Warstein – München, Berlin, Hamburg (Übersee) |
Streckenlänge |
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Transportunternehmen | Westfälische Landes-Eisenbahn GmbH (WLE) als Traktionär, verschiedene Spediteure |
Dieses Logistik-Portrait ist Teil des Projekts „Klima Dialog: Mehr Klimaschutz mit Schienenverkehr“