„Der Schienengüterverkehr hat flächendeckenden Zugang zu Verkehrsquellen und –zielen unmittelbar über Gleisanschlüsse“. Dieser Satz aus dem „Leitbild Zukunft Schienengüterverkehr“ des „Masterplan Schienengüterverkehr“ ist leider eine ferne Vision. Denn die Fakten sprechen in Deutschland seit Jahren eine andere Sprache: Während es im Jahr 1997 noch rund 11.000 Anschlüsse ans deutsche Schienennetz gab, waren es 2015 nur noch kümmerliche 3.250 (Quelle: VDV). Die Bundesnetzagentur geht sogar davon aus, dass lediglich 1.600 Gleisanschlüsse tatsächlich von der verladenen Wirtschaft genutzt werden können.
Es ist also kein Wunder, dass der für den Schienengüterverkehr zuständige VDV-Vizepräsident Joachim Behrends bei der republikweit ersten „Gleisanschlusskonferenz“ im Oktober 2018 in Berlin eine „massive Schrumpfung“ bei der Anzahl der Gleisanschlüsse beklagte, die weiterhin um sich greife. Ein Patentrezept, wie dieser Schrumpfungsprozess gestoppt oder gar in sein Gegenteil verkehrt werden könnte, hatten die Konferenzteilnehmer nicht.
Das Grundübel, so Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege während eines Podiums-Gesprächs auf der Konferenz, sei die Tatsache, dass Gleise sich nach der Fertigstellung als einzige Verkehrsinfrastruktur betriebswirtschaftlich rechnen müssen und somit permanent von der Stilllegung bedroht seien. Solange sich an dieser Betrachtungsweise nichts ändere, müsse wenigstens das existierende Gleisanschluss-Förderprogramm „grundlegend reformiert“ werden.
Seit 2004 fördert der Bund sowohl den Neu- und Ausbau von privaten Gleisanschlüssen als auch deren Reaktivierung. Bis Ende 2018 sind über die Förderrichtlinie des Bundes insgesamt 164 Gleisanschlüsse finanziert worden – ein Bruchteil des Schwundes. Ein Dauerärgernis: Die vom Bundestag für die Gleisanschluss-Förderung zur Verfügung gestellten Finanzmittel fließen nicht vollständig ab. Im Jahr 2017 sind von den 14 Millionen Euro, die der Haushaltsgesetzgeber im Etat vorgesehen hatte, lediglich 4,1 Millionen Euro abgerufen worden. Kein Wunder also, dass der Regierungsentwurf des Bundeshaushaltes 2019 für die Gleisanschluss-Förderung statt der jahrelang veranschlagten 14 Mio. Euro nun lediglich 8 Millionen Euro vorsah. Dies hat der Haushaltsausschuss des Bundestages im Oktober 2018 immerhin korrigiert und sich wieder für die 14 Millionen Euro ausgesprochen. An der Misere ändert dies jedoch wenig.
2012 | 14,3 Mio. Euro |
2013 | 9,4 Mio. Euro |
2014 | 2,4 Mio. Euro |
2015 | 3,3 Mio. Euro |
2016 | 5,2 Mio. Euro |
2017 | 4,1 Mio. Euro |
Quelle: Allianz pro Schiene auf Basis von Deutscher Bundestag 2013 bis 2018
Warum die Mittel seit Jahren (zunehmend) weniger abfließen, soll im Nachgang der ersten Gleisanschlusskonferenz gemeinsam zwischen Eisenbahnbranche und verladender Wirtschaft geklärt werden. Die Vorschläge, wie Gleisanschlüsse zusätzlich gestärkt werden können, wollen VDV, Allianz pro Schiene und weitere Verbände in einer „Gleisanschluss-Charta“ zusammenstellen und Anfang 2019 veröffentlichen. Die konzertierte Verbände-Aktion kommt somit gerade noch rechtzeitig für die vom Bundesverkehrsministerium angekündigte Evaluierung der derzeit gültigen Förderrichtlinie im Jahr 2019.
Wie wichtig Gleisanschlüsse für den Erfolg des Schienengüterverkehrs sind, zeigt folgende Einordnung: Obwohl der Kombinierte Verkehr gemessen an der Verkehrsleistung mittlerweile das stärkste Produktionssystem des Schienengüterverkehrs ist, laufen nach wie vor mehr als die Hälfte aller Güterverkehre in Deutschland über einen Gleisanschluss. Lässt man die Transportweite außer Acht und betrachtet lediglich die transportierte Tonnage, werden über Gleisanschlüsse hierzulande rund 75 Prozent des Verkehrsaufkommens abgewickelt.
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