Bahnhöfe in ländlichen Räumen sind auch als Begegnungsorte von hoher Bedeutung. Durch standortbezogen passende soziokulturelle Angebote[1] können sie gerade für Gruppen, deren Bewegungsradius vor allem im Ort liegt (zum Beispiel Jugendliche oder Ältere), einen zentralen Anlauf- und Treffpunkt darstellen, der gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Solche sozialen Ankerpunkte sollten als generationsübergreifende Zentren gedacht werde, die am Bahnhof angesiedelt sind. Jedes einzelne Angebotsformat hat die Kraft, eine stark identitätsstiftende Wirkung zu entfalten, die Bahnhöfe als soziale Zentren nachhaltig stärkt. Umgekehrt profitieren die Nutzerinnen und Nutzer dieser Angebote von der guten Erreichbarkeit.
Aber: die Nutzungsfrequenz sozialer Angebote wird unmittelbar durch die Faktoren Sauberkeit, Sicherheit und die Verfügbarkeit von Ansprechpersonen beeinflusst und ist – in sehr viel größerem Umfang als Mobilitäts- und Versorgungsangebote – abhängig von der engen Zusammenarbeit von Eigentümerinnen und Eigentümern, der kommunalen Verwaltung, Bahnhofsbetreibern, Verkehrsgesellschaften sowie Expertinnen und Experten und nicht zuletzt ehrenamtlich Engagierten.
Zu dem Aufgabenspektrum dieser Kooperationen zählen unter anderem die folgenden Maßnahmen:
Die Bahnhöfe in Stollberg und Rottenbach zeigen, wie wichtig soziale Anker für eine Gemeinschaft sind:
Der Bahnhof Stollberg (Sachsen) ist Begegnungsort und Zuhause für die schönen Künste zugleich: Hier wird geklöppelt und geschnitzt, getöpfert und 3D gedruckt. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde unter Verantwortung der Stadtverwaltung Stollberg saniert. Verkehrlich verknüpft der Bahnhof die City-Bahn mit dem Busverkehr in günstiger Lage zum Stadtzentrum, mit direkter Verbindung zur Bundesstraße und in unmittelbarer Nähe zum Gymnasium. In enger Abstimmung mit den jetzt ansässigen Vereinen und der Bürgerinnen und Bürger wurde ein Nutzungskonzept entwickelt, durch das sich der Bahnhof zu einem beliebten Begegnungsort der Stadt entwickelt hat. Dafür sorgen neben den Kunstvereinen auch das Café Reise-Point und das Büro für Kompetenzentwicklung. Das war jedoch nicht immer so: das heute florierende Bahnhofsgebäude stand jahrelang leer und war schließlich sogar dem Verfall preisgegeben – der Abriss stand kurz bevor.
Ein weiterer Bahnhof, der sich vorbildlich durch das ehrenamtliche Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger entwickelt hat, ist der Bahnhof Rottenbach in Thüringen.
Die Rottenbacher Bürgerschaft entschied sich, mit zuverlässigen Partnern die Sanierung ihres Bahnhofs anzugehen und es selbst zu machen. Dank ihres Engagements wurde die Sanierung des Bahnhofs zu einem der ersten Projekte der Internationalen Bauausstellung Thüringen. Heute präsentiert sich allen Bahnreisenden und den Menschen vor Ort ein Bahnhof, der viel mehr ist als ein Umsteigepunkt zur Oberweißbacher Berg- und Schwarztalbahn. Mit dem ‚BahnHofladen‘ samt Bistro im frisch renovierten, historischen Bahnhofsgebäude hat Rottenbach endlich wieder eine Nahversorgung und zugleich einen Anlaufpunkt für Einheimische und Touristen. Bahnhof und Ort sind wieder zu einer Einheit geworden, die Leben in das Dorf bringt. Der Bahnhof Rottenbach ist wichtig für den Schienenverkehr der Region und dient zugleich als Bürgertreffpunkt. Auch ein Bürgerbüro der Gemeinde hat mittlerweile seinen Platz im sanierten Bahnhof gefunden.
[1] Zu einem solchen Angebotsspektrum können zum Beispiel Bibliotheken, Theater, Ausstellungen, soziale Wohnprojekte, multifunktionale Gemeinderäume, aber auch Betreuungsangebote oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen zählen.