Gigaliner: Sie sind über 25 Meter lang und bis zu 44 Tonnen schwer: Seit 2017 fahren die umstrittenen Riesen-Lkw in Deutschland im Regelbetrieb. Das Bundesverkehrsministerium nennt sie Lang-Lkw, in den Medien bezeichnet man sie auch als Mega oder gar Monster Trucks. Hier erfahren Sie, warum der Gigaliner gefährlich und schlecht für Umwelt und Verkehr ist.
Herkömmliche Lkw mit Anhänger haben eine Länge von bis zu 18,75 Metern und dürfen bis zu 40 Tonnen laden. Werden sie im Kombinierten Verkehr (KV) eingesetzt, erhöht sich das zulässige Maximalgewicht auf 44 Tonnen. Bei gleicher Maximallast ist der Gigaliner bis zu 6,5 Meter länger, insgesamt misst er bis zu 25,25 Meter. Das Bundesverkehrsministerium unterscheidet beim Gigaliner in fünf Typen:
Etwa alle drei Stunden stirbt ein Mensch in Deutschland bei einem Verkehrsunfall. Die Unfallstatistik des Straßenverkehrs zeigt: Sobald ein Lkw in einen Unfall verwickelt ist, verdoppelt sich das Todesrisiko. Heute ist an jedem fünften tödlichen Verkehrsunfall ein Lkw beteiligt. Je schwerer der Lkw ist, desto gravierender sind die Unfallfolgen. In einigen Nachbarländern sind Gigaliner schon über 60 Tonnen schwer. Ein solcher Laster besitzt bei 80 km/h fast die gleiche Bewegungsenergie wie ein 40-Tonner mit Tempo 100 sowie den entsprechend langen Bremsweg. Sicherheitsrisiken beim Betrieb von Gigalinern sind unter anderem:
Gigaliner führen zu mehr Verkehr auf unseren Straßen. Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass die Zulassung der überlangen Laster zu rund 7.000 zusätzlichen Lkw-Fahrten jeden Tag führen würde. Damit steigen auch die Umweltbelastungen.
Die Gigaliner-Befürworter halten dagegen: Angeblich ersetzen zwei Gigaliner drei normale LKW, dadurch soll der Kraftstoffverbrauch sinken. Das ist allerdings zu kurz gedacht, denn die Auswirkungen auf den gesamten Güterverkehrsmarkt werden bei dieser Milchmädchenrechnung außer Acht gelassen: Gigaliner verbilligen den Lkw-Verkehr um bis zu 30 Prozent und verlagern so Transporte von der umweltfreundlichen Schiene zurück auf die Straße.
Die Straßeninfrastruktur in Deutschland ist nur bedingt für den Einsatz von überlangen Lkw geeignet. Kreuzungen, Kreisverkehre, Tunnel und Rastplätze müssten mit gigantischem Aufwand angepasst werden – alles zu Lasten der Steuerzahler.
Eine besondere Belastung ist der Gigaliner für Brücken. Die Fahrzeuge verbilligen den Transport auf der Straße und sorgen für tausende zusätzliche Lkw-Fahrten. Die Folge: Brücken werden schneller marode. Lkw spielen zudem ohnehin schon eine bedeutsame Rolle bei der Straßenbelastung: Ein 40-Tonner mit vier Achsen nutzt die Straße ungefähr so stark ab wie 60.000 Pkw. Ein wachsender Lkw-Anteil in Verbindung mit der Erhöhung zulässiger Achslasten hat somit einen überproportionalen Anstieg von Straßenschäden zur Folge. Die Instandhaltungskosten zahlt wiederum der Steuerzahler.
Auch die heute vorhandenen Lkw-Parkplätze sind für die 25-Meter-Laster zu kurz. Um die Stellflächen Gigaliner-tauglich zu machen, wäre ein Ausbau sämtlicher Rastplätze notwendig.
Die Höhe der Infrastruktur- und Umweltkosten, die Riesen-Lkw verursachen, lässt sich nicht genau beziffern. Klar ist aber, dass es sich um viele Milliarden handelt. All diese Kosten soll die Allgemeinheit tragen, damit die Lkw-Industrie und große Verlader ihren Profit maximieren, nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren.
Kurz vor dem Ende des zwischen 2012 und 2016 durchgeführten Gigaliner-Feldversuchs veröffentlichte das Bundesverkehrsministerium 2016 die Ergebnisse des Abschlussberichts der Bundesanstalt für Straßenwesen. Der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt sprach von einem positiven Ausgang des Feldversuchs und verordnete Anfang 2017 die dauerhafte Zulassung. Für diesen Alleingang wurde Dobrindt scharf kritisiert. Unter anderem das Bundesumweltministerium protestierte, dass die umstrittene Verordnung nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt worden sei. In den Medien war von einem Geschenk für die Auto-Industrie die Rede.
Die Allianz pro Schiene teilt diese Einschätzung. Aufgrund der geringen Anzahl teilnehmender Fahrzeuge bleibt der Abschlussbericht wenig aussagekräftig und lässt viele Fragen offen. Der Bericht listet auf, dass in fünf Jahren lediglich 59 Speditionen mit 161 Gigalinern angemeldet waren. Wie viele davon auch tatsächlich gefahren sind, ist der BASt nicht bekannt.
Über zehn Jahre nach dem Start des ersten Gigaliners in Deutschland ist die Bilanz der Betreiber ernüchternd: Hinsichtlich struktureller Probleme des Straßengüterverkehrs wie den Fahrermangel und der hohen Verkehrsbelastung konnte der Riesen-Lkw keine Abhilfe schaffen.