Jede halbe Stunde ein Zug von Stadt zu Stadt. Auch auf dem Land bequemes Umsteigen ohne lange Wartezeiten. Das ist der Deutschlandtakt. Zugfahren wird überall in der Republik so leicht wie heute S-Bahn-Fahren in der Metropole. Diese Vision für ein neues Eisenbahn-Zeitalter soll bis 2030 in Deutschland Realität werden – mit zusätzlichen, verlässlichen und schnellen Verbindungen für Menschen und Güter auf der Schiene. Die ersten Pläne liegen vor. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an.
1. Was ist der Deutschlandtakt?
2. Vorteile des Deutschlandtakts?
3. Der Weg zum Deutschlandtakt
4. Was ist notwendig, um den Deutschlandtakt umzusetzen?
5. Vorbild Schweiz? Was wir von unseren Nachbarn lernen können
Öfter. Schneller. Überall. So das Versprechen des Deutschlandtakts an die Reisenden und Unternehmen, die Güter auf der Schiene transportieren. Im Kern geht es um den gezielten Ausbau des Schienennetzes, damit Nahverkehr, Fernverkehr, Bahn und Bus deutschlandweit besser aufeinander abgestimmt werden können. An wichtigen Knotenbahnhöfen treffen die Züge künftig immer zur gleichen Zeit ein und fahren kurz danach wieder ab. So entstehen optimale Umsteigemöglichkeiten und leicht zu merkende Fahrpläne.
Auch dichtere Takte gehören zum Konzept. Fernverkehrszüge zwischen großen Städten sollen künftig im Halbstundentakt fahren. Das erhöht nicht nur die Flexibilität der Reisenden – durch die garantierten Anschlüsse profitiert das System Bahn auch in der Fläche. Gleichzeitig soll mehr Kapazität für Güterzüge geschaffen werden.
Aber der Deutschlandtakt ist noch mehr. Er bringt eine neue Philosophie in die Schienenpolitik. Statt jede Strecke einzeln zu planen und zu hoffen, dass am Ende alles irgendwie zusammenpasst, steht künftig der ganzheitliche Ansatz im Vordergrund. Welchen Fahrplan brauchen wir in Deutschland? Das ist beim Deutschlandtakt die Leitfrage. Erst, wenn der sogenannte Zielfahrplan für das gesamte Netz steht, beginnt die Infrastrukturplanung. Die Planung orientiert sich an den Bedürfnissen der Reisenden und der Kunden. Schon allein deswegen leitet der Deutschlandtakt ein neues Zeitalter ein.
Der Deutschlandtakt soll damit einen substanziellen Beitrag zu den verkehrspolitischen Zielen des Bundes leisten: Die Verdoppelung der Fahrgastzahlen und Steigerung des Marktanteils im Schienengüterverehr auf mindestens 25 Prozent.
Der Deutschlandtakt ist ein Projekt für das ganze Bundesgebiet. Vor allem drei Aspekte stehen im Zentrum des Deutschlandtakts und sollen die Schiene attraktiver machen.
Bahnreisende aus der Schweiz kennen das Phänomen bereits: Zu jeder vollen und halben Stunde rollen Fernverkehrs- und Regionalzüge in die Knotenpunkte des Landes ein. Innerhalb weniger Minuten gelingen die Anschlüsse und die Reisenden sind wieder auf dem Weg zu ihren Zieldestinationen.
Durch verlässliche Abfahrten immer zur selben Zeit soll das Bahnfahren in Deutschland einfacher und intuitiver werden. Lücken im Fahrplan sollen dabei ebenso ausgemerzt werden, wie das Problem, dass Züge je nach Tageszeit zu unterschiedlichen Uhrzeiten abfahren. Eine Abfahrtszeit. Jede Stunde gleich. So einfach kann es sein.
Der Deutschlandtakt nimmt die gesamte Verbindung in den Blick. Es zählt nicht der schnellste Weg auf einer bestimmten Teilstrecke, sondern die kürzeste Reisezeit auf der Gesamtstrecke.
Das bedeutet, dass Züge auf manchen Abschnitten schneller fahren und Anschlüsse optimiert werden müssen. In einzelnen Fällen kann es aber auch bei den heutigen Fahrzeiten bleiben – wenn damit am Knotenpunkt alle Verbindungen in alle Richtungen problemlos erreicht werden können.
Neben den besseren Anschlussmöglichkeiten soll auch die Dichte des Fahrplans erhöht werden. Je häufiger die Taktung der Züge, desto mehr Flexibilität haben die Reisenden. Am Ende sollen Bahnreisende einfach zum Bahnhof kommen können, und intuitiv zum Ziel gelangen.
Für die Verbindung der deutschen Großstädte ist vorgesehen, dass jede halbe Stunde ein Zug verkehrt. Aber gerade auch die Verbindungen „in die Fläche“ werden durch die abgestimmte Taktung profitieren. Entfällt beim nahtlosen Umstieg das lästige Warten, wird der öffentliche Verkehr in allen Teilen des Landes gestärkt.
Mehr Personenzüge, dichtere Taktung. Wo aber bleibt der Güterverkehr, werden sich Viele fragen. Um es klar zu sagen: Der Schienengüterverkehr ist ein fundamentaler Baustein und Bestandteil des Deutschlandtaktes. Das passt zum Ziel der Allianz pro Schiene, auch den Güterverkehr auf der Schiene im Vergleich zur Straße zu stärken. Wir haben daher Wert daraufgelegt, dass die Schienengüterverkehrs-Unternehmen schon frühzeitig in den Prozess des Deutschlandtaktes miteinbezogen wurden.
Vor allem zwei Aspekte sind für einen wachsenden Güterverkehr auf der Schiene von Bedeutung:
Durch den Deutschlandtakt werden die Slots auf den Schienen stärker systematisiert. Weniger Stückwerk, mehr Planung. Von dieser Systematisierung profitiert auch der Güterverkehr. Insgesamt kann durch den Plan auch die Auslastung der Schiene erhöht werden. Und das kommt nicht nur der Eisenbahn zugute – sondern der Umwelt und dem Klimaschutz.
Für Güterbahnen, Spediteure und Transportunternehmen ist Flexibilität ein hohes Gut. Daher wurden im Deutschlandtakt von vornherein zusätzliche Kapazitäten und Trassenkorridore mitgedacht („Katalogtrassen“). Als Allianz pro Schiene wollen wir in Zukunft noch mehr Güter auf der Schiene sehen. Um dieses Wachstum bewerkstelligen zu können, muss aber konsequent in den Infrastrukturausbau investiert werden.
Schon jetzt fahren die Bahnen in vielen Teilen Deutschlands einem Takt folgend. Was noch fehlt, ist eine deutschlandweite Integration der einzelnen Takte, die Nah- und Fernverkehr gleichermaßen umfasst. Die Besonderheit des Deutschlandtakts ist also die gesamthafte Perspektive. Erstmals wird im Detail ein künftiger Idealzustand (der Zielfahrplan) geplant, so dass klar erkennbar wird, wo genau das Schienennetz ausgebaut werden muss. Dabei steht die gesamte Reisekette im Mittelpunkt – und nicht mehr nur einzelne Teilstrecken.
Der Zielfahrplan Deutschlandtakt ist ein fertig ausgearbeiteter Fahrplan für ganz Deutschland. Er ist das Ergebnis jahrelanger Vorbereitungen und markiert die Vision, auf die wir jetzt hinarbeiten müssen. Die Planung und Konzeption haben Gutachter im Auftrag des Bundes erarbeitet, der sich wiederum eng mit Ländern, Bahnunternehmen und Verbänden im „Zukunftsbündnis Schiene“ abgestimmt hat.
Für den Zielfahrplan wurden nicht nur Verkehrsprognosen herangezogen, sondern auch alle beteiligten Akteure in der Schienenbranche konsultiert. Diese konnten angeben, welche Fahrpläne sie im Jahr 2030 fahren können – und wollen.
Herausgekommen ist ein minutengenauer Fahrplan für alle Zugverbindungen und Bahnhöfe in Deutschland. Aus diesem gemeinsam definierten Ziel kann der Infrastrukturausbau der Schiene jetzt passgenau und effizient vorangetrieben werden. Die Devise muss dabei lauten: Erst der Fahrplan, dann der Infrastrukturausbau. Steht der Fahrplan auf der Schiene fest, lassen sich auch Regionalbuslinien mit dem Bahnverkehr abstimmen. So wächst der öffentliche Verkehr zu einem System zusammen und niemand muss mehr lange warten.
Der Zielfahrplan des Deutschlandtakts markiert das gemeinsame Ziel der Politik und der Schienenbranche. Dieses Ziel ist allerdings mit der aktuell vorhandenen Infrastruktur nicht zu erreichen. Als nächster Schritt müssen daher auf Grundlage des Zielfahrplans konkrete Umsetzungsetappen zum Ausbau des Schienennetzes festgelegt werden.
Dafür muss allerdings nicht das komplette Schienennetz auf den Kopf gestellt werden. Vielmehr geht es jetzt darum, die einzelnen Aus- und Neubaumaßnahmen zu sinnvollen Bündeln zusammenzufassen. Die Projekte müssen sich daran messen lassen, ob sie zu einer Verbesserung des Gesamtangebots führen. Das kann darin resultieren, dass dann mehr Bahnsteige in einzelnen Knotenpunkten genauso wichtig sind, wie der Ausbau einer ganzen Strecke.
Die Schiene ist das umweltfreundliche Rückgrat der Mobilität. In den letzten Jahren konnten die Bahnen jedes Jahr neue Fahrgastrekorde erzielen. Dieser Effekt wird sich mit der Einführung des Deutschlandtaktes wahrscheinlich noch verstärken (so zumindest die Erfahrungen in der Schweiz). Die Kapazitäten des Schienennetzes sind in bestimmten Regionen aber schon heute an der Belastungsgrenze. Daher ist es von herausragender Bedeutung, dass die Bundesregierung in den nächsten Jahren den Ausbau des Schienennetzes deutlich rascher vorantreibt.
Aus dem Zielfahrplan Deutschland ergeben sich konkrete Arbeitsaufträge an die Politik. Die Allianz pro Schiene setzt sich dafür ein, dass sich die Politik Etappenziele bei der Umsetzung des Deutschlandtaktes gibt. So kann die Einführung des Deutschlandtakts effektiv und für alle Beteiligten nachvollziehbar gesteuert werden.
Schon jetzt ist ersichtlich, dass die Summen, die der Bund für den Aus- und Neubau von Schienen-Infrastruktur zur Verfügung stellt, spürbar angehoben werden müssen. Ansonsten wird es nicht möglich sein, die einzelnen Etappen des Deutschlandtaktes bis zum Jahr 2030 zu realisieren.
Auch kleinere Baumaßnahmen werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. So können zum Beispiel Ausweichgleise, zusätzliche Weichen und mehr Oberleitungen dafür sorgen, dass das System Schiene krisenfester wird. Dadurch gewinnt der Güterverkehr an Flexibilität und der Personenverkehr kann pünktlicher werden.
Die Umsetzung des Deutschlandtakts ist eine Aufgabe, die nicht innerhalb einer Legislaturperiode zu bewerkstelligen ist. Schon im Koalitionsvertrag von Union und SPD war ein Bekenntnis zum Deutschlandtakt enthalten. Jetzt geht es darum, die Absichten auch durch konkrete Finanzzusagen im Bundeshaushalt zu untermauern. Der Bund ist vor allem beim Ausbau der Infrastruktur in der Pflicht. Die Länder müssen den Regional- und Nahverkehr stärken.
Die Diskussion in Deutschland über die Einführung eines integralen Taktfahrplans ist maßgeblich durch das Schweizer Vorbild inspiriert. Unsere Nachbarn sind uns in diesem Feld schon vier Jahrzehnte voraus. Was können wir also von den Eidgenossen lernen? Vor allem Durchhaltevermögen und die Erkenntnis, dass sich politischer Wille auch in den finanziellen Rahmenbedingungen niederschlagen muss.
Ganze 20 Jahre dauerte es, bis die größten Knotenpunkte des Landes (Zürich, Bern und Basel) ihre volle Leistungskraft erreichten. Dieses Durchhaltevermögen zahlt sich jedoch aus: Heute hat die Schweiz die höchste Fahrplandichte weltweit und die Bevölkerung nutzt das Angebot in einem nie gekannten Ausmaß.
Der Ausbau des Angebots kam jedoch nicht von ungefähr. Seit Jahren führt die Schweiz unsere Tabelle der Pro-Kopf Investitionen in den Schienenverkehr an. Nur wenn die Politik vollmundigen Worten auch Taten folgen lässt, kann die umweltverträgliche Mobilität auf der Schiene ihr volles Potential entwickeln. Dass das funktioniert, zeigt das System in der Schweiz. Dort ist jedes noch so abgelegene Dorf in den Alpen mit wenig Aufwand und ohne großen Zeitverlust mit dem öffentlichen Personenverkehr zu erreichen.
1982: In der Schweiz wird die erste Stufe eines landesweiten integralen Taktfahrplans eingeführt. Das Land ist Vorbild für den Deutschlandtakt. Heute fahren die Schweizer doppelt so häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie die Deutschen.
1987: Die Schweiz beschließt das Projekt »Bahn 2000«. Das Netz soll für ein optimiertes Taktangebot ausgebaut werden.
ab Mitte der 1990er Jahre: Viele Bundesländer und Verkehrsverbünde in Deutschland setzen schrittweise regionale Taktfahrpläne um. Häufig hakt es noch an den Übergängen zwischen den unterschiedlichen Taktsystemen.
2004: Die Schweiz hat das integrale Taktangebot im Fernverkehr auf einen Halbstundentakt verdichtet.
2008: Hans Leister, stellvertretender Förderkreissprecher der Allianz pro Schiene, gründet gemeinsam mit weiteren Akteuren, unter anderem aus den Verbänden Pro Bahn, BAG-SPNV und VCD die »Initiative Deutschland-Takt«. Unser Referent für Verkehrspolitik, Dr. Andreas Geißler, arbeitet seit vielen Jahren hinter den Kulissen gemeinsam mit den Initiatoren an der Weiterentwicklung des Konzeptes mit.
2015: Eine Studie des Bundesverkehrsministeriums kommt zu dem Schluss: Ein Deutschland-Takt ist möglich und sinnvoll. Er wird die Umsteigemöglichkeiten verbessern und die Reisezeit insgesamt verkürzen.
2017: Die Arbeiten am Zielfahrplan 2030 beginnen.
2018: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer startet das Zukunftsbündnis Schiene. Mit dem Thema Deutschlandtakt beschäftigt sich die Arbeitsgruppe 1 des Zukunftsbündnisses.