Im klassischen Sinne versteht man unter Elektrifizierung der Schiene die Ausrüstung einer Strecke mit einer Oberleitung (oder mit Stromschienen). Bei dieser Streckenelektrifizierung werden die Loks direkt mit elektrischer Antriebsenergie versorgt. Stromschienen kommen in Deutschland aber nur bei den S-Bahnnetzen in Berlin und Hamburg zum Einsatz.
Heutzutage ist eine Elektrifizierung des Eisenbahnbetriebs aber auch mit alternativen Antrieben wie Batterie-Triebzügen oder Brennstoffzellen-Triebzügen auf Wasserstoffbasis möglich. Es ist sinnvoll, beide Ansätze zusammenzudenken und zu kombinieren, um schneller zu vollständiger Elektromobilität auf der Schiene zu kommen.
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Grundsätzlich gilt: Selbst ein Dieselzug nutzt die Energie effizienter als Pkws oder Lkws und hat daher im Vergleich der Verkehrsträger Umweltvorteile. Der Vorsprung der Schiene aber wächst noch einmal deutlich durch die Elektrifizierung. Zum einen belasten Dieselantriebe die Luft mit Schadstoffen wie Stickoxiden. Zum zweiten belasten sie durch die Verbrennung fossiler Energieträger das Klima. Daher kann die Schiene mit Elektroantrieben ihre Pluspunkte noch besser ausspielen. Der Vorteil des elektrisch betriebenen Zuges wächst außerdem kontinuierlich, da durch das Fortschreiten der Energiewende der Strom immer „grüner“ wird. Die elektrisch betriebenen Züge sind also schon jetzt sehr klimafreundlich und werden bald völlig CO2-frei sein.
Die E-Mobilität auf der Schiene erhöht zudem die Leistungsfähigkeit, da mit ihr längere und schwerere Züge gefahren werden können. Dadurch sinkt die Reise- oder Transportzeit und die Strecke ist weniger lang belegt. Dadurch steigt die Kapazität. Elektrisch angetriebene Schienenfahrzeuge sind auch deutlich leiser als solche mit Dieselantrieb. Ökonomisch ist die E-Mobilität ebenfalls sinnvoll. Heute finden Fahrten mit Dieselantrieb statt, weil Teile einer Strecke nicht elektrifiziert sind und ein mehrfacher Lokwechsel nicht rentabel wäre.
Rund 62 Prozent des Bundesschienennetzes sind elektrifiziert. Betrachtet man das gesamte Schienennetz in Deutschland, dann liegt der Elektrifizierungsgrad niedriger, bei 54 Prozent.
Besser sieht es mit der Elektrifizierung aus, wenn man als Maßstab nicht das Streckennetz, sondern die Verkehrsleistung heranzieht. Heute wird bereits 90 % der Verkehrsleistung auf der Schiene elektrisch erbracht. Dies liegt daran, dass es sich bei elektrifizierten Strecken überwiegend um die deutlich stärker befahrenen Hauptstrecken handelt. Anders ausgedrückt: Die Strecken, auf denen die meisten Züge fahren, sind heute schon mit Oberleitungen ausgestattet.
Deutlich schlechter ist der Elektrifizierungsgrad auf den Schienenstrecken, die Deutschland mit seinen Nachbarländern verbinden: Lediglich 28 von 57 Schienen-Grenzübergängen sind mit
einer Oberleitung ausgestattet. Das entspricht mageren 49 Prozent.
Im EU-Vergleich erreicht Deutschland bei der Streckenelektrifizierung nur einen Platz im Mittelfeld. Vorn liegen Luxemburg mit 97 Prozent und die Schweiz mit 100 Prozent. In den vergangenen Jahren ist das Oberleitungsnetz in Deutschland nur langsam gewachsen – im Durchschnitt um 70 km pro Jahr.
Auch bei einem Blick ins Inland wird schnell deutlich, dass es große Unterschiede zwischen den deutschen Bundesländern gibt. Während das Saarland und die Stadtstaaten Bremen und Berlin eine Streckenelektrifizierung von über 80 Prozent aufweisen, knacken viele Bundesländer nicht einmal die 60 Prozent-Marke.
Der Bund hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits das Ziel gesetzt, den Elektrifizierungsgrad des Bundesschienennetzes bis 2025 von derzeit rund 62 Prozent auf 70 Prozent zu steigern. Dazu hat der Bund auch Streckenabschnitte benannt, die er elektrifizieren möchte und die in Summe zu einem Elektrifizierungsgrad von rund 70 Prozent im Bundesschienennetz führen werden.
Die Allianz pro Schiene hat dies unterstützt, zugleich aber für ein weitergehendes Ziel plädiert. Gemeinsam mit den anderen Bahnverbänden haben wir ein Ziel von 75 Prozent für das Jahr 2030 vorgeschlagen, das sich nun die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag zu eigen gemacht hat. Wichtig ist jetzt eine zügige Umsetzung der zusätzlichen Streckenelektrifizierung.
Hier können Sie die Elektrifizierungskarte downloaden.
Wir haben solche Strecken vorgeschlagen, bei denen eine Streckenelektrifizierung sehr sinnvoll ist. Kriterien dafür sind insbesondere:
Dabei haben wir besonders (aber nicht ausschließlich) solche Strecken berücksichtigt, die bereits diskutiert oder verfolgt werden. Teils sind sie im Zielfahrplan Deutschlandtakt vorgesehen, teils
werden sie von Aufgabenträgern oder von Bundesländern unterstützt. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Es ist viel Zeit vertrödelt worden. Wenn es beim Ausbautempo der vergangenen Jahre bliebe, würde das Ziel 2030 klar verfehlt. Da Bauprojekte im Schienenbereich bis zur Fertigstellung lange brauchen, ist es entscheidend, frühzeitig mit der Umsetzung zu beginnen und eine langfristige Umsetzungsstrategie zu verfolgen.
Alternative Antriebe kommen bislang nur für kleinere bis mittlere Fahrzeuge in Frage, hauptsächlich Triebwagen im Schienenpersonennahverkehr. Für größere und schwerere Züge, insbesondere im Schienengüterverkehr, aber auch im Personenverkehr, braucht man weiter die Streckenelektrifizierung. Auch wenn man Strecken flexibel für Umleitungen im Störungsfall
nutzen will, geht das nur mit Oberleitungen. Alternative Antriebe sind eine Ergänzung, können aber allein nicht für den flächendeckenden Einsatz von Strom im Schienennetz sorgen.
Bei Strecken im Bundesschienennetz entscheidet der Bund als Eigentümer. Hält er eine Elektrifizierung für sinnvoll, wird die Strecke in eines seiner Finanzierungsprogramme aufgenommen (Bedarfsplan Schiene, Investitionsgesetz Kohleregionen, Programm
Elektrische Güterbahn).
In bestimmten Fällen entscheiden aber auch die Bundesländer mit. Bei Projekten im Nahverkehr können die Bundesländer Streckenelektrifizierungen zur Förderung nach dem „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“ (GVFG) beim Bund anmelden. Der Bund übernimmt
dabei bis zu 90 Prozent der Kosten. Für diese Förderung kommen sowohl Strecken im Bundesschienennetz in Frage als auch Strecken, die nicht dem Bund gehören.
Seit Dezember 2018 ist die für den Güterverkehr wichtige Achse Mitteldeutschland – Schlesien (Polen, Breslau/Wrocław) durchgehend elektrisch befahrbar. Zu diesem Datum ist die Elektrifizierung des rund 55 km langen Abschnitts Knappenrode – Horka – Grenze D/PL in Betrieb gegangen.
Seit Dezember 2020 ist die Verbindung München – Zürich durchgehend elektrisch befahrbar. Damit ging die Elektrifizierung des gut 150 km langen Abschnitts Geltendorf (bei München) – Lindau in Betrieb. Zum Dezember 2021 folgte der rund 125 km lange Abschnitt Ulm – Lindau. Seitdem sind über Lindau – Bregenz sowohl Vorarlberg als auch die Ostschweiz elektrisch aus Richtung Ulm/Stuttgart erreichbar.
Die Elektrifizierung einer Strecke ist immer dann sinnvoll, wenn sie intensiv befahren wird oder wenn dadurch ein Lückenschluss zwischen bereits elektrifizierten Netzteilen erreicht wird. Dies kann sowohl bei kleineren als auch bei größeren Streckenabschnitten der Fall sein.
Eine wesentliche Hürde sind die erheblichen Kosten. Langfristig lohnen sich diese Investitionen aber, da der Schienenverkehr durch die Elektrifizierung leistungsfähiger und wettbewerbsfähiger
wird. Damit kann mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden, was verkehrs- und klimapolitisch dringend erforderlich ist. Hinzu kommen weitere Vorteile für Umwelt und Klima, wenn der Dieselantrieb ersetzt wird.
Alle Projekte im Elektrifizierungsprogramm des Bundes haben bereits bei einer solchen Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen positiv abgeschnitten. Dennoch vergehen nach einer positiven Bewertung oft viele Jahre, bis dann tatsächlich die Finanzierung für ein Elektrifizierungsprojekt bereitgestellt wird.