1. Wie steht es um die Erreichbarkeit von Bus und Bahn in Deutschland?
2. Woher stammen die Daten für unser Erreichbarkeitsranking?
3. Was ist mit „ausreichender Erreichbarkeit“ gemeint?
4. Wie aktuell sind die Statistiken?
5. Wie kann die Erreichbarkeit in den Ländern verbessert werden?
Im Bundesländervergleich von allen Flächenstaaten bietet Hessen die kürzesten Wege zu Bahnen und Bussen. Demnach wohnen 96,1 Prozent der Hessen höchstens 600 Meter Luftlinie von der nächsten Haltestelle oder maximal 1.200 Meter vom nächsten Bahnhof mit jeweils mindestens 20 Fahrtmöglichkeiten am Tag entfernt. Im Saarland erfüllt der Öffentliche Verkehr immerhin für 95,7 Prozent der Einwohner diese Kriterien für eine gute Erreichbarkeit. Ebenfalls deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 89,7 Prozent liegen Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von 95,4 Prozent und Baden-Württemberg mit 94,8 Prozent.
Beim Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern ist der Weg zum häufig fahrenden Öffentlichen Verkehr nur für 74,6 Prozent der Einwohner so kurz wie beschrieben. Schlecht schneiden auch Bayern (79,0 Prozent), Niedersachsen (83,1 Prozent) und Brandenburg (83,5 Prozent) ab.
Unter allen Städten und Landkreisen weist Schweinfurt in Deutschland das dichteste Netz an Haltestellen im öffentlichen Verkehr auf. Für die Einwohner der bayerischen Stadt sind die Wege zu Bus und Bahn sogar kürzer als für Berliner, Hamburger oder auch Münchner. Allerdings schneidet Bayern insgesamt schlecht ab. In dem Erreichbarkeits-Ranking liegen die fünf Landkreise mit dem schlechtesten Ergebnis alle in Bayern. Das Schlusslicht bildet bundesweit der Landkreis Freyung-Grafenau. Dort wohnt nur jeder siebte Einwohner höchstens 600 Meter Luftlinie von der nächsten Haltestelle oder höchstens 1200 Meter vom nächsten Bahnhof mit jeweils mindestens 20 Fahrtmöglichkeiten am Tag entfernt.
Bundesweit stehen Frankfurt am Main, Mainz und Bamberg gut da. Den Topwert unter den Landkreisen erreicht der Main-Taunus-Kreis. Dort ist die Anbindung für 99,48 Prozent der Einwohner nach den BBSR-Kriterien ausreichend oder besser. Ein solches Resultat erreichen gewöhnlich nur größere Städte.
Für das Erreichbarkeits-Ranking von Bus und Bahn in Deutschland verwendet die Allianz pro Schiene Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Die Grundlage der Auswertungen des BBSR bilden die Ergebnisse einer Fahrplanabfrage durch die HaCon Ingenieurgesellschaft mbH für alle Tage einer Referenzwoche (11. bis 17. Juni 2018) und eine daraus erstellte Abfahrtstatistik. Dabei wird die Anzahl der Abfahrten an jeder Haltestelle differenziert nach zehn Produktklassen erhoben. Im BBSR werden für zusammengefasste Gruppen von Produktklassen (Bahn = Hochgeschwindigkeitszüge, IC/EC-Verkehre, Interregio-Verkehre, Nahverkehre der Bahn und S-Bahn-Verkehre; Tram = Straßenbahn und U-Bahn; Bus = Busverkehre) die Ergebnisse in Form von Abfahrten und Haltestellen erstellt.
Der Datensatz enthält rund 275.000 Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs (ÖV), knapp 220.000 davon in Deutschland. Dabei werden an einem Werktag (11. Juni 2018) rund 36 Millionen Abfahrten, davon 31,9 Millionen in Deutschland gezählt.
Eigene Erhebungen führt die Allianz pro Schiene für diese Rankings nicht durch. Sie bringt die Ergebnisse aber aufbereitet für ganz Deutschland, für Bundesländer, Landkreise und Städte in eine Reihenfolge und erstellt so Rankings. Dazu veröffentlicht sie Grafiken, die die Ergebnisse veranschaulichen.
Das BBSR ermittelt, ausgehend von den Haltestellen für welchen Anteil der Einwohner die Erreichbarkeit zumindest „ausreichend“ ist. Diese Erreichbarkeit sieht das Institut als gegeben an, wenn die Menschen höchstens 600 Meter Luftlinie von der nächsten Bus-Haltestelle oder 1.200 m Luftlinie vom nächsten Bahnhof mit mindestens 20 Fahrtmöglichkeiten am Tag entfernt wohnen. Dabei orientiert sich das BBSR an den Empfehlungen für Planung und Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen für Haltestelleneinzugsbereiche im ÖPNV.
20 Fahrtmöglichkeiten?
Bei den 20 Fahrtmöglichkeiten am Tag werden Fahrten in beide Richtungen mitgezählt. Ausreichend ist nach der BBSR-Definition also auch eine Anbindung, die innerhalb der genannten Umkreise zehn Fahrten in die Stadt und zurück am Tag bietet.
Stichtag für diese Auswertung war der 11. Juni 2018, einem Werktag außerhalb der Schulferien. Vom BBSR angegebene Prozentzahlen für eine „ausreichende Erreichbarkeit“ bedeuten nicht, dass am Wochenende die Erreichbarkeit auch „ausreichend“ ist. Sie kann dann schlechter als „ausreichend“ sein.
Die von dem Bundesinstitut bei der Berechnung des Indikators festgesetzten Kriterien übernimmt die Allianz pro Schiene für ihr Ranking. Eine aus BBSR-Sicht „ausreichende Erreichbarkeit“ ist aus Sicht der Allianz pro Schiene allerdings keinesfalls mit „guter Erreichbarkeit“ gleichzusetzen. Für die Allianz pro Schiene heißt „ausreichende Erreichbarkeit“ gemessen an den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen „unterste Schmerzgrenze“.
Die Daten für das aktuelle Allianz pro Schiene-Ranking der einzelnen Bundesländer, Landkreise und Städte stammen aus dem Jahr 2018 und sind somit aktueller als die vom BBSR selbst veröffentlichen Zahlen. Das BBSR hat für seine im Herbst 2018 erschienene Publikation „Verkehrsbild Deutschland“ Daten aus 2016 genutzt.
Die Allianz pro Schiene begrüßt die Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) durch den Bund. Damit wurden die Rahmenbedingungen für Reaktivierungsprojekte im Personenverkehr erheblich verbessert. Dies gilt für die Höhe der bereitgestellten Mittel und für die Förderbedingungen. Bundesländer, Landkreise und Kommunen sollten jetzt von den Fördermöglichkeiten Gebrauch machen und stillgelegt Bahnstrecken wieder reaktivieren. Seit der Bahnreform konnten zahlreiche Strecken in ganz Deutschland wieder in Betrieb genommen werden, wie unsere Karte veranschaulicht. Die vielen aussichtsreichen Reaktivierungskandidaten zeigen, dass das Potenzial für mehr Schienenverkehr in der Fläche riesig ist.
Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung die Fahrgastzahlen auf der Schiene verdoppeln und den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent erhöhen. Dies wird nur funktionieren mit einem konsequenten Ausbau der Infrastruktur. Deshalb sollte der Bund auch Fördermöglichkeiten für die Reaktivierung von Güterverkehrsstrecken schaffen. Die Wiedernutzung stillgelegter Eisenbahnstrecken ist unverzichtbarer Teil einer Wachstumsstrategie, die Schluss macht mit dem jahrzehntelangen Schrumpfen des Schienennetzes.