Wer ist der Hausherr im glanzvoll sanierten Bürgerbahnhof der Taunusgemeinde Eppstein? Ganz klar, der Bürgermeister. Nachdem das wohlhabende Städtchen mit seiner 700-jährigen Geschichte bereits eine Burg besitzt, die sozusagen in Sichtachse zum Bahnhof über das Wohl und Wehe der Bürgerschaft wacht, lag es nicht ganz fern, dass Eppstein auch die Renaissance seines früher verwahrlosten Bahnhofs in die eigenen Hände nehmen würde. Und mit Erfolg. Auf der Rundreise durch Deutschland stießen die Verkehrsexperten im hessischen Eppstein auf den Bahnhof des Jahres 2018.
Das historische Bahnhofsgebäude von Eppstein fügt sich nach der liebevollen Sanierung vorbildlich ins Stadtbild: Aus grauem Sandstein gefertigt und bis auf die Grundfesten erneuert ist der Bahnhof Eppstein heute eine zentrale Anlaufstelle für Bürger, Ausflügler und Pendler gleichermaßen geworden. Moderne Einsprengsel, wie die Glasterrasse des Restaurants oder der Glasanbau an der Rückseite geraten nirgendwo in Konflikt mit dem Sinn für gelebten Denkmalschutz. Die Eppsteiner Bürgerschaft hat sich hier eine Perle inmitten der Metropolregion Frankfurt geschaffen.
Sogar der Ortsunkundige merkt schnell, dass dieser Bahnhof anders tickt als zahllose andere im Umkreis. Ein Mosaik mit den Namen privater Spender von der Bürgerstiftung auf dem Bahnhofsvorplatz zeigt den selbstbewussten Bürgersinn der Eppsteiner. Und auch das Innenleben dieses Bahnhofs ist mit neuen Aufgaben gefüllt. Während der Reisende im Bahnhof natürlich wie überall seine Fahrkarte kaufen kann, ist das geräumige Büro hinter dem Fahrkartenschalter ganz zum Bürgeramt mutiert: Vom Personalausweis bis zur Ummeldung kann der Eppsteiner hier alle seine Behördengänge tätigen, bevor er die S-Bahn nach Frankfurt besteigt.
Auch das Restaurant ist nicht einfach nur eine Bahnhofskaschemme für die allerdringendsten Bedürfnisse. Die Betreiber der „Wunderbar“ haben sich zum Ziel gesetzt, auch die Einwohner aus dem fünf Minuten entfernten Zentrum von Eppstein zu Stammgästen zu machen. Sie bieten auf einer variablen Fläche tagsüber eine Spielfläche für kleine Kinder. Derselbe Platz wandelt sich abends zur Bühne für Kultur- und Politikveranstaltungen. Damit bekommt der Bahnhof eine ganz neue Zentralität. Dass es hier mal ausgestorbene oder ungenutzte Ecken geben könnte, ist mit diesem Konzept ausgeschlossen. Am Rande sei bemerkt, dass sogar unerkannt reisende Jurymitglieder hier zuvorkommend bedient und beraten werden. Hochwertige Lunchpakete und die nachprüfbar besten belegten Brötchen der ganzen Rhein-Main-Region gibt es in Eppsteins Wunderbar nicht nur für Stammgäste.
Seinen gelungenen Neustart hat der Eppsteiner Bahnhof allerdings einem Tunnelneubau zu verdanken, der dem ganzen Bahnhofsareal seit April 2013 viel Platz zum Atmen verschafft hat. Mit einer neuen Trassenführung hatte der historische Bahnhof plötzlich einen Vorplatz, eine große Fläche auf der Tunnelseite und Stellflächen zum Bergmassiv hin. Stadt und Deutsche Bahn haben diesen Glücksfall im Laufe der Umbaujahre klug genutzt, um den neuen Bussteig direkt an den Bahnsteig zu bauen. Autos, E-Fahrräder oder normale Fahrräder lassen sich komfortabel parken. Die Beschilderung für Wanderer in die nahen Taunus-Berge ist vorbildlich und für Bürgerfeste gibt es hier immer genug Platz – zumal eine neue breite Fußgängerbrücke nun die letzten Hürden zwischen Stadt und Bahnhof überwinden hilft. Nach so einem Aufritt der Stadt ist es folgerichtig, dass die Deutsche Bahn ihre Unterführung samt Aufzug ebenso gediegen mit grauem Taunusschiefer ausgestattet hat.
Möglicherweise hat der Bürgermeister als Bahnhofsvorsteher wider Willen so manche Nacht wach gelegen und musste über die eigene Kühnheit in diesem fremden Segment staunen. Doch das Ergebnis dieses verkehrspolitischen Abenteuers kann sich sehen lassen. Beifall für einen Rathaus-reifen Bahnhof des Jahres 2018.
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