Wo bitte? Bahnhof Steinheim? Mit Verlaub: Steinheim Westfalen. Hier steht er nämlich, der König der S-Bahnhöfe, der sich mit Charme und Erfindungsgeist ins Herz eines jeden Bahnreisenden eingräbt. Der sich wie ein gastfreundlicher Gutshof ins sanfte Hügelland duckt und dem müden Weserbergland-Wanderer seine Pforten öffnet. Aber Halt, fangen wir am besten ganz von vorne an: Ein Fahrgast, der von Steinheim noch nie gehört hat und der vielleicht aus Zufall am Bahnhof Steinheim (Westfalen) aussteigt, was dürfte ein solcher Fahrgast wohl erwarten? Ganz klar Standard: Einen Bahnsteig, die notorische Unterführung, zwei zugige Warthäuschen. Eine S-Bahnstation also, deren Anblick wir schon vergessen haben, während wir noch auf Anschluss warten. Doch nichts dergleichen geschieht am Bahnhof Steinheim (Westfalen). Hier stoßen wir zu unserem größten Erstaunen auf ein voll ausgestattetes Prachtstück. Ach, könnte das Bahnfahren doch jeden Tag so sein: Wir erwarten nichts und bekommen alles.
Reisende, die von Hannover, Hameln, Bad Pyrmont über die Ländergrenze nach Nordrhein-Westfalen fahren, landen in Steinheim auf dem Bahnhofs-abgewandten Gleis. Eine sanft absteigende Rampe führt in Serpentinen auf eine Unterführung. Auf der anderen Seite holt ein Aufzug die Reisenden für den Aufstieg ab. Bereits dieses Ensemble zeugt davon, dass sich Stadt und Bahn einige kluge Gedanken gemacht haben, wie die Reisenden trotz Steigung und Enge geführt werden wollen. Neugierig betritt der Besucher dann vom Gleis aus den frisch renovierten Banhof Steinheim. Er findet darin alles Nötige und noch mehr auf kleinstem Raum beisammen: Ein Hotel, das bei Tag und Nacht einen Rund um die Uhr-Check-in bietet, einen kleinen Laden, der Reisebedarf verkauft und als Café zugleich das Frühstücksbuffet für die Hotelgäste bereitstellt.
Bei so viel gut durchdachtem Nebeneinander wundert es nicht, dass der Fahrkartenschalter zugleich auch die Fahrdienstleitung beherbergt. Dass darin ein Stelltisch, genauer: ein Spurplandrucktastenstellwerk den Betrieb regelt, wissen natürlich nur die regelmäßigen Besucher dieses kleinen Bahnhofswunders. Zum Anziehungspunkt für alle Kundengruppen taugt das überraschend große griechische Restaurant, das in diesem erstaunlichen Bahnhof untergekommen ist. Dieses Lokal öffnet sich ins Freie hinaus zu einem freundlichen Biergarten, der nicht nur Pendler und Touristen, sondern auch Einheimische anlockt.
Ausflügler, die mit dem Rad die Steinheimer Börde erkunden, finden neben frisch hergerichteten Hotelzimmern einen Fahrradkeller mit Ladestation und Trockenraum für die durchgeschwitzten Trikots. Pendler nutzen den Park&Ride-Platz oder die nahegelegene tüchtige kleine Bushaltestelle, die gut ausgeschildert ist. Vielleicht gehen sie auch vom Bahnhof Steinheim gleich zu Fuß ins Zentrum. So ist das Büro des Bürgermeisters, der zusammen mit vielen Steinheimer Lokalgrößen maßgeblich am neuen Glanz für seinen Bahnhof mitgewirkt hat, zu Fuß und barrierefrei in 400 Metern zu erreichen.
Die geniale Struktur der phantasievoll genutzten Anlage sorgt dafür, dass der Bahnhof Steinheim immer belebt ist: Personal am Gleis, am Fahrkartenschalter, im Restaurant und Café. Immer sind Menschen da, niemals ist die Station verwaist. So ist dieser Bahnhof aus dem Off ein Bekenntnis zur Ankommenskultur. Sein erstaunlich breites Angebot, das alle denkbaren Kundengruppen ins Auge fasst, ist aller Achtung wert. Applaus für den Bahnhof des Jahres 2016.