Es gibt viele außergewöhnliche Frauen in der Schienenbranche – das beweist nicht zuletzt die Allianz pro Schiene- „Galerie der Frauen, die sie in der Bahnbranche kennen sollten“. Und doch gibt es Eisenbahnerinnen, die durch ihre Leistung ganz besonders herausstechen – Frauen, die ungewohnte Wege gehen und Mobilität neu denken.
Die Siegerinnen des Clara Jaschke Innovationspreises stehen fest: Diese Frauen wurden nominiert und haben die Jury überzeugt. Also sagen wir: Vorhang auf für die stärksten Frauen bei der Eisenbahn!
Bereits zum sechsten Mal vergibt die Allianz pro Schiene den Clara Jaschke Innovationspreis. Die Laudatio auf die Preisträgerin hält Prof. Dr. Corinna Salander (Leitung der Abteilung Eisenbahnen im Bundesverkehrsministerium).
Eine Entwicklung, die den Status quo nachhaltig verändert: In Schleswig-Holstein ersetzen umweltfreundliche Batteriezüge erstmals im Regelbetrieb traditionelle Dieselzüge. Ruth Niehaus, Projektleiterin beim Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH (NAH.SH), war maßgeblich an diesem ehrgeizigen Vorhaben im Norden beteiligt. Für ihren Einsatz zeichnet sie die Allianz pro Schiene mit dem Clara Jaschke Innovationspreis 2023 aus.
Im Oktober dieses Jahres feierte Schleswig-Holstein eine Weltpremiere – der Einsatz eines Akkutriebzuges im Regelbetrieb zwischen Kiel und Oppendorf. Dieser Zugtyp kann seine Batterien während der Fahrt auf Streckenabschnitten mit Oberleitung aufladen, ein Meilenstein auf dem Weg hin zur emissionsfreien Schiene. In einigen Monaten sollen bis zu 55 Züge auf den Akknuetz-Strecken im Einsatz sein.
Ruth Niehaus und ihr Team haben gemeinsam diverse Herausforderungen gemeistert, die mit der Einführung des Akkutriebzuges einhergingen. So musste zum Beispiel die Infrastruktur angepasst werden: Zug und Infrastruktur galt es, neu zusammenzudenken. Aber nicht nur technische Herausforderungen warteten auf die 45-Jährige und ihr Team. Auch die umfassenden Regelwerke mussten natürlich den Bedürfnissen eines Akkutriebzuges genügen.
Die Jury des Clara Jaschke Innovationspreises würdigt Ruth Niehaus daher für ihre Entschlossenheit und ihr Engagement, die Schienenmobilität nachhaltiger zu gestalten. Ihr Beitrag zu einer umweltfreundlicheren Zukunft im Schienenverkehr ist von herausragender Bedeutung und zeigt hoffentlich vielen Nachahmern den Weg für eine effiziente und ökologische Mobilität auf der Schiene.
Für die fünfte Ausgabe des Clara Jaschke Innovationspreises kehrten wir an einen Ursprungsort des Wettbewerbs zurück: Die Preisverleihung findet auf der InnoTrans in Berlin statt. Die Laudatio hält Staatssekretärin Susanne Henckel.
Am Anfang stand die Idee: Bauabfälle – die bislang meist für viel Geld entsorgt werden – sollen weiter verwertet, anstatt weggeworfen werden. Isabelle Armani und Markus Wachutka holen sich daraufhin im Rahmen des DB Intrapreneurship Programms Dr. Katrin Fischer hinzu. Sie leitet das Projekt. Gemeinsam bringt das Team auf einer digitalen Plattform Angebot und Nachfrage zusammen.
Vor allem geht es dabei um große Mengen an Bauabfällen wie Erde, die bei Bahnprojekten für den Tunnelbau ausgehoben werden. Dieser sogenannte Erdaushub wird dann Großkunden in der Bauindustrie angeboten.
Dr. Katrin Fischer und ihr interdisziplinäres Team haben ihr neues Geschäftsmodell namens „Erdpool“ als Corporate Start-up der DB Bahnbau Gruppe entwickelt. Eine digitale Plattform befindet sich in der Entwicklung – bereits seit 2021 wird darüber Erdaushub angeboten und nachgefragt, das Interesse daran ist riesig. Derzeit werden mehr als acht Millionen Tonnen Material vertrieben. Auf Wunsch organisiert „Erdpool“ auch den Transport von der Baustelle bis zum Abnehmer in das Werk.
Für die Jury des Clara Jaschke Innovationspreises war klar: Diese Innovation ist preiswürdig! Nachhaltig, digital und mit viel Power umgesetzt. Wir gratulieren Dr. Katrin Fischer.
Auf dem ITS Weltkongress in Hamburg wurden in diesem Jahr zwei Preisträgerinnen mit dem Clara Jaschke Innovationspreis ausgezeichnet. Die Jury hat aus über 40 Einsendungen ausgewählt. In der vierten Auflage des Wettbewerbs gewannen eine Innovation aus dem Schienengüterverkehr und eine aus dem Personenverkehr.
Gerade in Corona-Zeiten ist es für Fahrgäste besonders wichtig, Enge in Zügen wenn immer möglich zu vermeiden. Dazu leistet Julia Kuhfuß mit ihrer Innovation einen wichtigen Beitrag. Die Messung der Auslastung mit Hilfe von Lichtschranken statt wie heute noch üblich mit Türsensoren stellt einen Fortschritt dar, von dem vor allem die Fahrgäste profitieren. Sie können sich mit Hilfe der Zusatzinformationen darauf einstellen, welcher Zug oder welcher Wagen noch genügend Platz bietet. Auch die Pünktlichkeit steigt, wenn die Fahrgäste mit Hilfe des Systems schneller ein- und aussteigen können. Ein großer Vorteil der Erfindung ist darüber hinaus, dass sie fahrzeugunabhängig und damit branchenweit zum Einsatz kommen kann. Und sie benötigt keinen Eingriff in die klassische Schienen-Infrastruktur, so dass sie schnell und ohne großen Aufwand umgesetzt werden kann.
Die dynamische und intelligente Steuerung der Auslastung gehört zu den besonderen Chancen durch eine Digitalisierung. Julia Kuhfuß sorgt mit ihrem Erfinderinnengeist dafür, dass die Schiene dieses Potential nutzt. Bereits während ihres Studiums beschäftigte sie sich mit digitalen Lösungen in Smart Cities. Bei der S-Bahn Hamburg setzt sie ihr Know-how, ihre Leidenschaft für IT und ihr Ideenreichtum zum Wohle der Kunden und des Bahnbetriebs insgesamt ein. Mit ihrer Innovation gewinnt der Personenverkehr auf der Schiene noch einmal an Leistungsfähigkeit und Attraktivität.
Frau Kuhfuß, herzlichen Glückwunsch zum Clara-Jaschke-Preis. Können Sie ihre Innovation ganz kurz beschreiben?
Julia Kuhfuß: Ziel der Innovation ist es, durch eine dynamische und intelligente Auslastungssteuerung mehr Fahrgäste besser an ihr Ziel zu bringen – und das auf der bestehenden Infrastruktur. Wir haben mit unserem Entwicklungspartner ein fahrzeugunabhängiges System entwickelt, welches uns in Echtzeit die Auslastung der Wagen liefert.
Fahrzeugmessung mittels Licht – das ist Ihre Innovation. Wie genau funktioniert das?
Julia Kuhfuß: Eigentlich ganz einfach – wir bauen eine Lichtschranke am Gleis auf. Das Ganze folgt dem Prinzip, dass bei steigender Fahrgastanzahl immer weniger Licht durch die Fenster kommt. Unsere Lichtschranke misst also einfach wie viele Lichtpunkte von der einen zur anderen Seite ankommen, während der Zug daran vorbeifährt.
Wie ermitteln Sie aus Lichtsignalen das Volumen im Inneren der Wagen?
Julia Kuhfuß: Aus unseren Lichtpunkten entsteht ein Histogramm, welches wir in einen Besetzungswert umwandeln können. Um die Genauigkeit des Systems auch im Vergleich mit anderen Verfahren zu ermitteln, wurden immer wieder manuelle Personenzählungen durchgeführt und die Werte miteinander abgeglichen. Dabei haben wir schon zu Beginn des Projektes sehr gute Ergebnisse erzielt.
Also eine Innovation, von der direkt die Verbraucher profitieren. Was genau verbessert sich für die Fahrgäste?
Julia Kuhfuß: Ziel ist es, unseren Fahrgästen diese wichtige Zusatzinformation zukommen zu lassen. In Zeiten von Corona hat dieses Datum – wann ist es wo besonders voll – erneut an Bedeutung gewonnen. Wir stellen uns vor, die Echtzeitauslastung unserer Züge zum Beispiel am Bahnsteig anzuzeigen, darüber hinaus aber auch in den digitalen Kundeninformationssystemen einzubinden. Damit können sich Kunden bereits vor der Fahrt für einen Zug bzw. vor Ort für einen Wagen entscheiden, der zu den persönlichen Bedürfnissen passt.
Ist das auch etwas, was Sie persönlich antreibt?
Julia Kuhfuß: Ja, ich bin natürlich schon lange vor meiner Tätigkeit Kundin bei der
S-Bahn und habe mir immer Informationen zur Auslastung der Züge gewünscht. Umso schöner ist es nun auch für mich persönlich, ein Innovationsprojekt wie dieses von der ersten Idee über erste Prototypen bis hin zum heutigen Produkt zu begleiten. Vor allem würde mich aber freuen, wenn sich unsere Fahrgäste von einem solchen Angebot begeistern lassen würden.
Was motiviert Sie als Innovations- und Projektmanagerin, zukunftsträchtige Themen umzusetzen?
Julia Kuhfuß: Das Thema Mobilität beschäftigt mich schon immer. Während meines Masterstudiums habe ich mich bereits mit digitalen Lösungen im Bereich Smart Cities beschäftigt. Als Hamburgerin möchte ich meine Stadt mitgestalten und relevante Neuerungen vorantreiben. Dabei treiben mich vor allem innovative und clevere Lösungen an, in denen ich meine IT-Affinität und meinen Ideenreichtum gewinnbringend für unsere Kunden und den Bahnbetrieb einbringen kann. Bei der S-Bahn Hamburg kann ich genau dies tun und aus Ideen Innovationen machen.
Mehr Güter auf die Schiene – zu dieser zentralen Aufgabe für den Klimaschutz leistet die Wascosa AG mit der Erfindung des so genannten E-Car für Kühltransporte einen wichtigen Beitrag. Die Innovation erlaubt es, Waren in Güterwagen mit Strom statt mit Dieselaggregaten zu kühlen. Dieser bedeutende Fortschritt hilft, Verkehre von der Straße auf die Gleise zu verlagern und den CO2-Ausstoß des Warentransports zu reduzieren.
Mit dem Clara Jaschke Innovationspreis 2021 würdigt die Jury der Allianz pro Schiene diese Pionier-Arbeit. Die Idee kam dem Wascosa-Eigentümer Philipp Müller schon Mitte der 2000er Jahre. Bis zur Realisierung war es ein weiter Weg. Nötig dafür war eine echte Teamarbeit, aber auch und ganz besonders das Engagement der Preisträgerin Irmhild Saabel, Leiterin Business Development und Mitglied der Geschäftsleitung der Wascosa AG. Mit ihrem strategischen Weitblick, ihrer Überzeugungskraft und ihrem unermüdlichen Einsatz für eine Vision sorgte sie dafür, dass ein großartiges Konzept in die Praxis umgesetzt werden kann.
Durch die Innovation leitet Wascosa den Strom von den Loks der Güterzüge zu den Wagen, um damit Kühlbehälter zu versorgen. Dieses Verfahren ermöglicht auf der Schiene den Umstieg von Diesel auf Strom bei der Kühlung insbesondere auf langen Strecken. Damit wird der Transport von Kühlware auf der Schiene leiser, umweltfreundlicher und gewinnt an Attraktivität für viele Kunden, die bisher noch auf den Lkw setzen. So schafft die Innovation die technische Voraussetzung, um mehr Waren mit dem Zug statt mit dem Lkw zu transportieren und die Klimalast des Verkehrs spürbar zu senken.
Frau Saabel, Kühlware wird heutzutage ganz überwiegend mit Lkw transportiert. Warum spielt die Schiene derzeit in diesem Segment noch eine so kleine Rolle?
Irmhild Saabel: Anders als Wagen eines Personenzugs sind Güterwagen nicht mit Strom ausgestattet. Für die Kühlung brauchen Sie also Dieselaggregate. Die müssen aber gerade auf längeren Strecken häufig nachgefüllt werden, was die Effizienz mindert und auch wenig umweltfreundlich ist. Zudem gibt es Probleme mit dem Lärmschutz durch die Dieselaggregate. Die Umrüstung der Güterwagen zu einer Ausstattung mit Strom hat die Branche lange gescheut, da die Kosten dafür sehr hoch sind.
Damit aber will sich die Wascosa AG nicht abfinden. Mit welcher Innovation wollen Sie das Problem angehen?
Irmhild Saabel: Mit unserer Innovation rüsten wir die Güterwagen ähnlich wie die Personenwagen mit einer Zugsammelschiene aus. Das ist eine 1000-Volt-Leitung, die gekuppelt wird mit einer Standardkupplung zwischen den einzelnen Wagen. Den Strom erhält sie von der Lok. Auf den Wagen wird der Strom in 400 Volt Standard-Industriestrom umgewandelt, den die Kühlbehälter benötigen.
Wie ist Wascosa auf dieses Konzept gekommen? Wer hat die Idee entwickelt?
Irmhild Saabel: Die Idee kam unserem Eigentümer Philipp Müller schon Mitte der 2000er Jahre. Bereits 2006 hat Wascosa dafür das erste Patent in der Schweiz angemeldet. In den vergangenen fünf Jahren haben wir das Konzept mehr und mehr in die Realität umgesetzt. Das Ganze ist das Ergebnis einer echten Teamarbeit, an der viele in unserem Unternehmen mitwirken. Wir kooperieren zudem mit externen Fachleuten – beispielsweise mit Siemens Mobility und mit der TU Berlin, die uns da tatkräftig unterstützen. Auch das Schweizer Verkehrsministerium fördert das Projekt, weil die Schweizer Bundesregierung ein großes Interesse an der Verlagerung auf die Schiene und auch an der Lärmminderung hat.
Wie weit sind Sie von der Genehmigung noch entfernt?
Irmhild Saabel: Wir müssen bei der Zulassung neue Wege gehen, da man bisher bei der Zulassung von Güterwagen gar nicht davon ausgegangen ist, dass diese mit Strom ausgestattet sein können. Zudem betrifft die Innovation die elektromagnetische Verträglichkeit. Damit ist unter Umständen die Sicherheit der Infrastruktur berührt. Die Regeln dafür sind in den einzelnen Mitgliedsländern der EU sehr unterschiedlich.
Gibt es die Chance auf eine europaweite Zulassung?
Irmhild Saabel: Ja. Seit der Etablierung der Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA) als zentrale Zulassungsbehörde in Europa für den Bahnverkehr laufen die Zulassungsprozesse für den Schienengüterverkehr zentral über das ERA. 2020 haben wir uns deshalb entschieden, die landesbezogenen Zulassungen zu stoppen. Im Jahr 2021 haben wir den Antrag für eine europaweite Zulassung bei der ERA gestellt. Hier stehen wir seit Monaten im regen Austausch mit der ERA.
Wo fahren heute die Güterwagen mit der elektrischen Kühlung?
Irmhild Saabel: Im Rahmen des mit dem Schweizerischen Bundesamt für Verkehr abgestimmten Projektplanes laufen aktuell diverse Testverkehre. In Skandinavien, Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir dafür bereits die landesbezogene Zulassung erhalten. In Ländern wie z.B. Italien oder bald auch in Belgien können wir mittels Spezialbewilligungen Testverkehre durchführen.
Wie groß schätzen Sie das Potenzial für diese Erfindung ein?
Irmhild Saabel: Das Potenzial ist sehr groß. Wir gehen davon aus, dass mehrere tausend Wagen in Europa damit ausgestattet werden können. Viele Verkehre in diesem Segment gehen heute über die Straße. Doch dort ist die Kapazitätsgrenze längst erreicht oder überschritten. Für die Transporte über große Strecken etwa auf der Nord-Süd-Verbindung von den Seehäfen wie Rotterdam nach Italien oder auch auf den großen Ost-West-Strecken interessieren sich sehr viele Unternehmen für einen Kühltransport auf der Schiene.
Kann der Güterwagen mit Stromversorgung auch die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung erleichtern?
Irmhild Saabel: Das könnte im zweiten Schritt so sein. Wenn man einmal die Güterwagen mit Strom versorgt hat, erschließen sich dadurch auch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten.
Zum dritten Mal kürt die Allianz pro Schiene herausragende Frauen, die mit ihren Visionen und ihrem Erfindungsgeist Mobilität neu denken und mitgestalten. Auch im Corona-Jahr hat die Jury viele hochkarätige Einsendungen erreicht.
Sie freue sich, „Teil der digitalen Transformation in der Bahnindustrie zu sein“. Das sagt Sara Valipour, Ingenieurin beim globalen Mobilitätsanbieter Bombardier Transportion in Hennigsdorf bei Berlin, über sich. Aus Sicht der Jury des von der Allianz pro Schiene vergebenen „Clara Jaschke Innovationspreises“ drückt sich die 38-jährige Teamleiterin hier sehr bescheiden aus. Denn tatsächlich wird die Datenspezialistin den Anforderungen des Clara Jaschke Wettbewerbs, Mobilität neu zu denken, in besonderer Art und Weise gerecht. „Mit den Instrumenten der Data Science treibt Valipour den digitalen Wandel in der Schienenbranche voran“, stellt die Jury des Wettbewerbs fest. „Mit ihrem Erfinderinnengeist und ihrer Kreativität gestaltet Sara Valipour aktiv die Mobilität von morgen.“
Durch die Arbeiten der Preisträgerin gelingt es Bombardier, die Zuverlässigkeit von Zügen zu verbessern. Dafür werden europaweit Fehlermeldungen erfasst. Und die Erkenntnisse daraus fließen bereits in die Entwicklungsphase eines Zuges ein, um die Fehleranfälligkeit weiter zu minimieren. Vieles merken die Passagiere nur indirekt, weil das meiste im Hintergrund abläuft und etwa für eine zuverlässigere Zugsteuerung insgesamt sorgt. Aber die so genannte „Design for Reliabilty“-Methode Valipours lässt sich auch für sehr kundennahe Anwendungen nutzen. Gut möglich, dass von der Weiterentwicklung der Preisträgerin 2020 profitiert, wer sich bei der nächsten Zugfahrt über die reibungslose funktionierende Leselampe oder Steckdose zum Aufladen des Laptops freut.
Bei ihrer Tätigkeit kann sich Sara Valipour auf Master-Abschlüsse in „Process Engineering and Energy Technology“ sowie „Mechanical Engineering / Automotive Engineering“ von der Hochschule Bremerhaven und der Iran University of Science and Technology stützen. Im Laufe ihrer Karriere war sie in verschiedenen Unternehmen und Funktionen in der Bahnbranche tätig, beispielsweise als Depotleitern für Bremssysteme bei der Eisenbahngesellschaft der Islamischen Republik Iran oder als Projektingenieurin für Signal- und Steuerungssysteme in Wuppertal. Seit Anfang 2019 ist Sara Valipour Teamleiterin für den Bereich Zuverlässigkeit bei Bombardier Transportation.
Bereits zum zweiten Mal kürt die Allianz pro Schiene herausragende Frauen, die mit ihren Visionen und ihrem Erfindungsgeist Mobilität neu denken und mitgestalten. Die Mobilitätsgestalterinnen 2019 konnten sich in einem hochkarätigen Bewerberinnenumfeld durchsetzen. Bei einer Sieger-Gala in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wurde Ihnen der Preis von Michael Güntner, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur überreicht.
Dank ihrer Arbeit bekommt Bremervörde eine Weltneuheit: Eine stationäre Tankstelle soll bald Züge mit Wasserstoff beliefern
„Zwei zukunftsweisende Technologien finden hier zusammen – der Schienenpersonennahverkehr und die Energieversorgung durch Wasserstoff.“ So beschreibt Saskia Schulz selbst ihre Innovation. „Dadurch können wir emissionsfreien Schienenverkehr auf Strecken anbieten, auf denen eine Elektrifizierung aus wirtschaftlichen oder genehmigungstechnischen Gründen nicht möglich ist.“ Dafür bekommt die 28-Jährige in diesem Jahr im von der Allianz pro Schiene veranstalteten Wettbewerb den „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin“-Preis.
Konkret geht es um eine stationäre Tankanlage, die Züge mit Wasserstoff befüllt. Mit dieser Innovation will einer der größten Bahn- und Bahnsystemhersteller, Alstom, Ende übernächsten Jahres die zweite Weltpremiere in dem kleinen niedersächsischen Städtchen Bremervörde feiern – gemeinsam mit seinen Partnern Eisenbahn- und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser, der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und dem Gashersteller Linde im Dezember 2021.
Seit 2018 bereits verkehren die Vorserienfahrzeuge „Coradia iLint“ der Firma Alstom als erste Wasserstoffzüge auf dem Globus im Regionalverkehr zwischen Bremervörde, Cuxhaven und Bremerhaven. Noch füllen sie ihre Reservoirs an einer mobilen Tankstelle mit begrenzter Kapazität auf. Deutlich schneller und effizienter soll es mit der weltweit ersten stationären Wasserstoff-Tankstelle gehen, die Saskia Schulz mit ihrem Team konzeptioniert hat. Diese fest installierte Anlage liefert gasförmigen statt flüssigem Wasserstoff. Damit kann nun die ganze Flotte den Betrieb aufnehmen und die Wasserstofftechnologie gewinnt noch einmal an Attraktivität.
Die Jury der Allianz pro Schiene würdigte die Arbeit von Saskia Schulz daher als einen „herausragenden Fortschritt auf dem Weg zu einer neuen Ära im Schienenverkehr“. Carmen Maria Parrino, ehrenamtliche Sprecherin des Netzwerks „Mobilität braucht Frauen“ der Allianz pro Schiene und Vorsitzende der Geschäftsführung von Abellio Rail Mitteldeutschland betont: „Mit dieser Innovation bringt Saskia Schulz die klimafreundlichen Alternativen zum Diesel auf der Schiene noch einmal ein großes Stück voran.“
All dies hat eine 28-Jährige geschafft, die nach einem Dualen Studium bei der Deutschen Bahn ihren Master an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin ablegte. Mit besonderer Spannung schaut sie auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2021. Der bringt im Nordwesten der Republik viel mehr als neue Abfahrtzeiten. Dann sollen weitere Züge mit dem klimafreundlichen Antrieb an den Start gehen. Dies heißt zugleich, dass dann auch die weltweite erste Wasserstoff-Tankstelle für Züge ihren Betrieb aufnehmen muss. Bisher läuft alles nach Plan – einschließlich des Planfeststellungsverfahrens, das im März 2019 erfolgreich abgeschlossen wurde. Und so kann Bremervörde schon bald erneut Vorreiter werden für eine zukunftsweisende Technologie, die dem Umwelt- und Klimaschutz dient und die weltweit einsetzbar ist.
Immer mehr Pakete – immer mehr Straßenverkehr in den Innenstädten? Silke Höhl von der Frankfurt University of Applied Sciences hat bessere Konzepte.
Die Paketmengen in Deutschland wachsen und wachsen. Im Weihnachtsgeschäft stellen die Kurierdienste bis zu 19 Millionen Sendungen pro Tag zu, schätzt der Bundesverband Paket und Expresslogistik. Meist sind die Zusteller per motorisiertem Einzeltransporter unterwegs, verstopfen die ohnehin dichten Innenstädte und nerven die Anwohner in den Wohngebieten. „Paketdienste und Kommunen müssen sich der Herausforderung stellen, den wachsenden Verkehr auf eine nachhaltigere und effizientere Weise abzuwickeln“, sagt Silke Höhl, Doktorandin an der Frankfurter University of Applied Sciences. Genau daran forscht die Bau- und Wirtschaftsingenieurin und Gewinnerin im Wettbewerb „Beste Idee 2019“ beim Innovationspreis Mobilitätsgestalterin der Allianz pro Schiene.
Höhls Ansatz: Um die boomenden Paketlieferungen umweltfreundlicher zu gestalten, muss man keine neue Verkehrsinfrastruktur schaffen. Besser ist, die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen. In den Städten gibt es ein mehr oder weniger gut ausgebautes Netz des Öffentlichen Personennahverkehrs. Daher können U- und Straßenbahnen den Transport in die Innenstädte übernehmen. Von dort geht es für die letzten Kilometer auf dem Weg zur Haustür mit einem Lastenrad weiter.
Klingt bestechend einfach und wird auch schon an einigen Orten ausprobiert. Doch die umweltfreundliche Alternative zum massenweisen Straßentransport funktioniert nur, wenn eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist. Und damit beschäftigt sich die 32-jährige Trägerin des Innovationspreises „Beste Idee 2019“. Die Paketdienstleister, die einen harten Konkurrenzkampf miteinander führen, müssen ihre Pakete bereits im Depot in standardisierte Boxen laden. Diese Mini-Container haben im Modell von Silke Höhl die Maße, um auf Lasträder zu passen. Vom Depot werden sie zunächst zu einer Station am Stadtrand gebracht. Dort lädt die Tram oder die U-Bahn die Ware auf. Wenn der Berufsverkehr nachlässt – also ab 9.00 Uhr morgens –, ist die beste Zeit für den Pakettransport gekommen. Bei dem helfen die standardisierten Container, den personellen Aufwand und damit die Kosten in Grenzen zu halten. Allerdings gehören zu den vielen Herausforderungen auf dem Weg von der Idee zur Praxisanwendung neben technischen und organisatorischen auch rechtliche Probleme.
Selbstverständlich ist eine Tram heute für den Personenverkehr und nicht für den Gütertransport zugelassen. Aber wer eine andere Mobilität wolle, dürfe sich von so etwas nicht abschrecken lassen, findet Silke Höhl. Sie bereitet gerade eine Simulation vor, um die Idee in den Praxistext zu schicken. Für die Jury des Innovationspreises der Allianz pro Schiene birgt das Konzept großes Potential. „Der Pakettransport mit U- und S-Bahn und Lastenrad kann in vielen Städten in Deutschland und darüber hinaus helfen, die Umweltbelastung in den Metropolen zu reduzieren. Mit ihrer Innovation legt Silke Höhl zudem ein Modell vor, mit dem Kommunen durch die Reduzierung des Straßenverkehrs im innerstädtischen Raum urbane Lebensqualität zurückgewinnen können.“
Die "Mobilitätsgestalterinnen 2018" stehen fest. 45 Vorschläge für kreative Frauen, die gerade im deutschsprachigen Raum die Mobilität neu erfinden, haben Unternehmen der Bahnbranche bis zum Einsendeschluss an die Allianz pro Schiene geschickt. Aus den Nominierungen kürte die Jury die Siegerinnen in den Kategorien „Personenverkehr“, "Umweltinnovation", "Arbeitswelt" und "Beste Idee".
Geboren und aufgewachsen in der Mobilitätswüste im gerne so genannten „ländlichen Raum“ hatte Sylvia Lier (51) schon als Schülerin nur einen Gedanken: Frei sein, ein Auto haben und nichts wie weg aus der Lüneburger Heide. Sie studierte BWL in Hannover und startete ihre Karriere beim Reifenhersteller Continental. Irgendwann kam dann der erste Dienstwagen, den die junge Managerin mit stolzgeschwellter Brust fuhr. Inzwischen weiß sie es besser: Mobilität ist viel mehr als ein eigenes Auto. Und so ist es kein Wunder, dass sie bei der Deutschen Bahn gelandet ist und an einem Mobilitätsbudget tüftelt, das jeden Dienstwagenbesitzer neidisch werden lässt.
Position: Vorsitzende der Geschäftsführung
Unternehmen: Deutsche Bahn Connect
Die Idee ist klein und handlich, aber sie hat es in sich. Im Dienstwagen-Eldorado Deutschland könnte das Mobilitätsbudget von Sylvia Lier noch für viel frischen Wind sorgen. Die Geschäftsführerin und Mobilitätsgestalterin von Deutsche Bahn Connect möchte nämlich die private Mobilität aufs nächste Level heben. Ihr Plan: Mitarbeiter bekommen vom Arbeitgeber ein monatliches Mobilitätsbudget ausbezahlt – und zwar zusätzlich zum Gehalt. Damit finanzieren sie ihren individuellen Mobilitätsmix aus U- und S-Bahn, Mietfahrrad, Bahncard und einem Carsharing-Auto. Suche, Buchung und Abrechnung der Wunschverbindung erledigt die zentrale Mobilitätsbudget-App, so dass jeder sein Budget immer im Blick behalten kann. Lier hofft, mit dem Mobilitätsbudget den Nerv der Zeit zu treffen. Mitarbeiter gewinnen – so das Kalkül – eine bedarfsorientierte Flexibilität, die der klassische Dienstwagen so nicht bieten kann.
Unternehmen fördern ihre Mitarbeiter und können sich als moderne Arbeitgeber positionieren. Durch den Mix nachhaltiger Verkehrsmittel fördert das Mobilitätsbudget außerdem den Umweltschutz. Das Mobilitätsbudget wird unter Leitung von Sylvia Lier konzernübergreifend von DB Connect, DB Fernverkehr und DB Systel umgesetzt und von konzerninternen Experten aus den Bereichen Steuer, Nachhaltigkeit und Verkehrspolitik begleitet. 2018 kommt das Mobilitätsbudget zunächst als Pilot auf den deutschen Markt. Denn wie bei allen umwälzenden Neuerungen gibt es auch hier einen Haken: Die Versteuerung ist kompliziert und längst nicht so attraktiv wie die 1%-Besteuerung von Dienstwagen. Damit das Mobilitätsbudget von Unternehmen und Mitarbeitern langfristig angenommen wird, muss ein neues - vor allem einfacheres und günstigeres - Steuermodell her. Deshalb entwickelt das Team um Sylvia Lier nicht nur ein neues Produkt, sondern schmiedet parallel dazu bereits eine Allianz für eine attraktive Steuerlösung.
In Deutschland wird Verkehrspolitik gerne über die Steuererklärung betrieben. Gute Ideen können also den mutigen Schulterschluss mit dem Finanzamt immer gebrauchen. Mit einem Satz: Mit dem Mobilitätsbudget und der dazugehörigen App, die das Budget verwaltet, werden bei DB Connect revolutionär dicke Bretter gebohrt. Denn eigentlich ist eine freie Mobilitätswahl für alle Arbeitnehmer und damit auch eine faire Steuerregelung für Dienst- und Privatfahrten mit dem umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr längst überfällig, findet die Jury.
Die Deutsche Bahn-Managerin Sylvia Lier gewinnt damit den Titel Mobilitätsgestalterin 2018 in der Kategorie „Beste Idee“.
Frau Lier, wie kommen Sie morgens zur Arbeit?
Ich stehe sehr früh auf, steige im Kölner Norden in den Regionalzug, und dann geht’s weiter zum Kölner Hauptbahnhof. Dort steige ich in den ICE und fahre nach Frankfurt am Main. Wenn ich ins Büro komme, habe ich schon zwei Stunden Büroarbeit erledigt.
Und zurück nochmal zwei Stunden? Dann sind Sie täglich vier Stunden unterwegs. Ist das nicht hart?
Es ist kein Spaziergang, aber es funktioniert. Vor allem, weil bei mir die unproduktive Zeit entfällt, die andere Pendler am Steuer sitzen. Ich kann im Zug richtig gut arbeiten.
Finden die Kollegen Ihre lange Anreise nicht bizarr?
Ich habe es wegen meiner zwei Kinder gemacht: Die fühlen sich wohl in Köln und deshalb bleiben wir dort. Für meine Mitarbeiter war es gewöhnungsbedürftig, aber es geht.
Sie sind also im wahrsten Sinne des Wortes eine Mobilitätsgestalterin. Hat die Jury die richtige ausgezeichnet?
Im Grunde ja. Ich glaube an meine Idee. Klingt das jetzt eingebildet?
Nein, gar nicht. Die Jury mag selbstbewusste Frauen. Wie sind Sie auf das Mobilitätsbudget gekommen?
Ich erlebe es häufig, dass Mitarbeiter sagen: Eigentlich brauche ich gar keinen Dienstwagen, aber weil ich den steuerlich günstig auch privat fahren kann, nehme ich ihn halt. Das ist natürlich keine freie Entscheidung. Also arbeite ich an einer App für die Mobilität der Zukunft, mit der Menschen ihr individuelles Mix zusammenstellen, buchen und überblicken können. Und wir überlegen uns, wie ein solches Mobilitätsbudget steuerlich fair zu behandeln wäre.
Ist das eine Vision?
Ja, ich habe irgendwann verstanden: Es geht um Mobilität. Nicht um den Besitz eines Fahrzeugs. Und unser Ziel ist es, den Menschen diese neue Sichtweise zu ermöglichen.
Eigentlich wollte Simone Bauer (39) als junges Mädchen einmal Musikerin werden: Sie spielte Klavier, Cello und Querflöte und war in mehreren Orchestern aktiv. Doch die Tochter und Nichte zweier eingefleischter Eisenbahner hat es dann doch in die Eisenbahnbranche verschlagen. Beim Bahninfrastrukturunternehmen Spitzke ist Bauer seit zwei Jahren im Zentraleinkauf für den Bereich Elektrotechnik tätig. Und weil sie hier im Zusammenspiel mit vielen Kollegen an pfiffigen Lösungen für die Instandhaltung tüfteln kann, vermisst sie das Orchester nur noch ganz selten.
Position: Zentraleinkauf Bereich Elektrotechnik / Schweißaufsichtsperson
Unternehmen: Spitzke
Schon das Wort „Schweißrauch“ lässt nichts Gutes vermuten. Zum Glück hat es bei der Wartung von Gleisbaumaschinen eine tatkräftige Frau auf den Plan gerufen: Simone Bauer ist eine Mobilitätsgestalterin, die sowohl mit technischer als auch kaufmännischer Expertise den Arbeitsschutz bei der Schienenfahrzeugbau Großbeeren GmbH (SFG) und der gesamten Unternehmensgruppe Spitzke vorantreibt. Das besondere Augenmerk der 39-Jährigen liegt auf der Frage, wie der gesundheitsgefährdende, aber unvermeidliche Schweißrauch in der Werkhalle besser abgesaugt werden kann.
Ähnlich wie ein Trichter wird dieses System aus Stahlblech mit Schwerlastmagneten an den Maschinen befestigt. Auf einer Fläche von 110 x 50 Zentimetern ermöglicht es großflächig eine gezielte Schweißrauchabsaugung, ohne den luftempfindlichen Schweißprozess zu beeinflussen. Am System angebrachte Schweißer-UV-Lamellen verhindern die Einwirkung optischer Strahlungen.
Simone Bauer arbeitet seit zwei Jahren bei der Unternehmensgruppe SPITZKE und betreut im Zentraleinkauf den Bereich Elektrotechnik. Die Maschinenbauingenieurin und Mutter von zwei Kindern ist zudem Schweißaufsichtsperson der SPITZKE-Tochter Schienenfahrzeugbau Großbeeren GmbH (SFG).
Frau Bauer, so ein klassischer Tüftler, der in der Garage aus rostigen Resten neue Geräte zusammenbastelt, erkennen Sie sich darin wieder?
Ja, das trifft es genau: So entstehen neue Anlagen, die vielleicht ein bisschen komisch aussehen, aber sie funktionieren. Deshalb bin ich wohl tatsächlich eine klassische Erfinderin.
Arbeiten Sie bei Spitzke auch so intuitiv?
In der Instandhaltung müssen Sie als Ingenieur da sein, wo gearbeitet wird. Da sehe ich, dass jemand im Wagenkasten drinsitzt und schweißt und ruckzuck sind alle Kollegen im Umkreis eingenebelt. Und dann sind wir dran, dafür eine leistungsfähige Konstruktion zu bauen, ohne dabei den Schweißprozess zu stören.
Sind Sie zu Hause auch so anpackend?
Auf jeden Fall. Wenn wir den Grill aufstellen, dann baue ich dafür eine feuerfeste Verkleidung. Unser Grill ist danach sogar schicker.
Und Ihr Mann? Lässt der das zu?
Mein Mann ist bei uns für alles zuständig, was mit Kabeln und Strom zu tun hat. Aber wenn ich will, dass beim neuen Ikea-Schrank die Zierleisten vorne angeschraubt werden, dann muss ich selber Hand anlegen.
Sie stammen aus einer Eisenbahnerfamilie?
Durch und durch: Mein Vater war zeitlebens Bahner, mein Onkel hat als Gleisbauer gearbeitet und mein Mann ist bei DB Netz für das Zugsicherungssystem ETCS zuständig.
Sie hatten also eigentlich keine Chance, der Eisenbahn zu entkommen.
Heute bin ich froh, dass ich nicht Musikerin geworden bin. Das ist eine brotlose Kunst. Die Bahnbranche bietet dagegen gerade uns Frauen eine riesige Palette spannender und komplexer Berufe. Und mit unserem weiblichen Blick auf die Dinge kommen wir auch nochmal auf andere Ideen als unsere männlichen Kollegen.
Ihre Kinder sind nicht zufällig…
Doch. Meine zwei Töchter wissen alles übers Zugfahren. Die kleine Achtjährige hat sich gerade zum Geburtstag einen Elektronikbaukasten gewünscht.
Jane Grabowski (51) ist mit Lokomotiven seit frühester Jugend vertraut. Obwohl sie als Mädchen nie den Wunsch verspürte, einen technischen Beruf zu lernen, hatte doch ihr Bruder die notorische Modelleisenbahn. „Das war genau so eine Modelleisenbahn, wie sie heute auch meine männlichen Kollegen haben.“ Jane Grabowski allerdings hat sich mit den kleinen Modellen nicht begnügt. Sie baut für Siemens Mobility die ganz großen Loks.
Ihr ganzes Berufsleben lang hat Grabowski für Siemens gearbeitet, und von Anfang an war sie an der Entwicklung neuer Lokomotiven beteiligt. Wie das so gekommen ist, weiß sie nicht. „Dafür hatte ich keinen Generalplan. Es hat sich einfach so entwickelt“, erzählt die ausgebildete Fahrzeugelektrikerin, studierte Verkehrstechnikerin und diplomierte Ingenieurin. Dass sie während der Ausbildung und später im Studium immer fast ganz allein unter Männern war, hat Grabowski nie behindert. Im Gegenteil: Jetzt war es ihr Chef Uwe Joos im Vertrieb von Siemens, der seine begabte Mitarbeiterin für den „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin“ nominiert hat. Ein Volltreffer, meint die Jury.
Position: System Architect - Engineering
Unternehmen: Siemens Mobility
Jane Grabowski trägt bei Siemens den schönen Titel „System Architektin“. Die Ingenieurin hat eine Innovation ersonnen, die dem Käufer einer Vectron über die Lebensdauer der Lokomotive hinweg einfach mal so fast eine Million Euro einspart. Aber erzählen wir der Reihe nach:
Der Energieverbrauch eines elektrischen Bahnfahrzeuges besteht nicht nur aus der Energie, die für die Traktion anfällt, sondern auch aus Energie, die während des Stillstands verbraucht wird. Dieser Abstellmodus-Verbrauch dient der eigentlichen Transportaufgabe überhaupt nicht und sollte daher so gering wie möglich gehalten werden.
Gerechnet über den gesamten Lebenszyklus einer Lokomotive, der etwa 30 Jahre beträgt, liegt hier großes ökologisches und finanzielles Sparpotenzial, das mittlerweile auch bei Ausschreibungen in den Fokus rückt. Jane Grabowski hatte also ein klares Ziel vor Augen: Sie musste neue Komponenten für den Stillstand-Modus entwickeln und das Betriebskonzept der Lok daran anpassen.
Klassischerweise setzt er die Komponenten im Abstellmodus identisch zum Fahrbetrieb ein. Das heißt: Haupttransformator, Ein- und Ausgangssteller sowie der Zwischenkreis werden genutzt, um die Fahrdrahtspannung auf Bordnetzspannung abzusenken.
Da diese Komponenten für den Fahrbetrieb ausgelegt sind, fallen im Abstellmodus hohe Verluste an. Natürlich vermindert das die Effizienz der Lok empfindlich.
Um eine solche Energieverschwendung zu vermeiden, ergänzte Jane Grabowski den Haupttransformator um eine Wicklung, damit er für den Stand-By-Betrieb passt. Ab sofort ist die Fahrdrahtspannung von 25 kV direkt auf die für Nebenbetriebe notwendige Spannung von 390 V transformierbar. Das Bordnetz kann nun direkt durch die Fahrdrahtleitung gespeist werden.
Diese Neuentwicklung ermöglicht eine Energieeinsparung von bis zu 85 Prozent im Vergleich zur klassischen Speisung des Bordnetzes im Stillstand. Über die gesamte Lebenszeit einer Lokomotive entspricht dies einer Einsparung von rund 800.000 Euro.
Dass der Abstellmodus bei allen Elektrogeräten ein heimlicher und besonders ärgerlicher Energiefresser ist, weiß jeder umweltbewusste Bürger. Für den Heimgebrauch reicht es allerdings oft schon, den Kippschalter an der Steckdose zu betätigen. Umso verdienstvoller der Aufschlag, den Jane Grabowski hier im großen Stil für echte Energiefresser hinlegt. Die Jury sagt es in Reimen: Bye bye, Standby und verleiht der Siemens-Mitarbeiterin Jane Grabowski den Innovationspreis Mobilitätsgestalterin 2018 in der Kategorie „Umweltinnovation“.
Frau Grabowski: Was ist so toll an einer Lokomotive?
Jane Grabowski: Also, wenn Sie selbst eine gebaut haben, dann sieht so ein Fahrzeug nochmal ganz anders aus. Ich jedenfalls bin immer ganz stolz auf meine Produkte. Eine Lok ist etwas, das sich bewegt, was man anfassen kann, Sie können damit fahren. Das ist ein tolles Gefühl.
Postieren Sie sich auch an Bahnübergängen, um Loks zu fotografieren?
So was käme mir nicht im Traum in den Sinn. Aber wenn ich auf Spaziergängen meine erste Lok vorbeifahren sehe, dann freue ich mich.
Welche ist das?
Die BR 152 für die Deutsche Bahn. Die erste vergisst man nie.
Sie bauen seit fast dreißig Jahren Loks. Wie viele Serien gehen auf Ihr Konto?
Etwa sechs. Einen Prototypen für Korea haben wir entwickelt. Für Queensland in Australien hat ein Kohlebahnbetreiber ein neues Modell bestellt. Dafür hatten wir richtig gute Ideen, die der Kunde gar nicht verlangt hatte.
Und die Lok, für die Sie jetzt ausgezeichnet werden, fährt in Finnland.
Die Finnen haben extrem lange Strecken im Güterverkehr. Die Loks stehen da häufig rum und verbrauchen im Stand unnötig viel Energie. Also habe ich mir etwas für den Haupttransformator einfallen lassen, damit er für den Stand-By-Betrieb passt.
Wäre das auch eine Idee für den deutschen Markt?
Das Problem haben alle Güterbahnen, die lange Strecken bedienen. Also, ja, durchaus.
Sind Sie auch persönlich sparsam mit Energie?
Da achte ich sehr darauf. Wenn wir zu Hause ein Zimmer verlassen, schalten wir das Licht aus. Mit Energie sorgsam umzugehen, das ist für mich ein Selbstzweck.
Wussten Sie, dass Ihr Chef Sie für den Innovationspreis Mobilitätsgestalterin nominieren wollte?
Um Erlaubnis hat er mich nicht gefragt. Er hat das einfach mal so gemacht.
Zu dem multinationalen Zughersteller Bombardier passt Nicole Michel (51) bestens: Im Schlepptau des Vaters, der für Mercedes in Asien arbeitete, verbrachte sie ihre Kindheit in Singapur und kam erst mit elf Jahren nach Deutschland zurück. Dass seine Tochter nach ihrem Industriedesign-Studium in Pforzheim und Chicago auf einmal Züge umgestalten wollte, fand auch der Automanager gut. Schließlich hatte Nicole Michel an der Uni schon erlebt, dass Frauen in der Autobranche in der Regel im Bereich Farben („Colour an Trim“) landen. Das war der jungen Designerin zu wenig. Und bei der Bahn gibt es in Sachen Gestaltung schließlich auch eine Menge zu tun. Zum Beispiel die Fahrradmitnahme. Aber hier sind wir schon mittendrin.
Position: Teamleiterin Industrial Design - Interior
Unternehmen: Bombardier Transportation
Dass Fahrradreisenden beim Ein- und Aussteigen aus dem Zug regelmäßig der Schweiß auf der Stirn steht, könnte bald passé sein: Die Bombardier Innendesignerin Nicole Michel hat nämlich mit ihrem Team ein Transportelement entwickelt, mit dem Fahrräder während der Reise nicht
Der Fahrradhalter von Nicole Michel und ihrem Team ist eine Innovation, die einer multimodal gedachten Eisenbahn den Rücken stärkt. Natürlich ging es mit dem Rad im Zug auch schon früher immer irgendwie. Und ein Kerl aus dem Kraftstudio stemmt ein schweres Fahrrad samt Gepäck ohne Mühe in die übliche Halterung. Aber wozu die Muskelprotzerei? Wozu der Stress? Schon gar, wo Damenfahrräder ohne die hohe Stange nicht wirklich stabil einzuhängen sind? Besser mit Köpfchen einparken! Und eine Innovation, die eine Vernetzung von zwei umweltfreundlichen Verkehrsträgern leichter macht, die hat für die Jury Vorfahrt. Damit geht der Titel „Mobilitätsgestalterin 2018“ in der Kategorie „Innovation Personenverkehr“ an die Bombardier-Designerin Nicole Michel.
Frau Michel, Sie sind „Mobilitätsgestalterin 2018“. Wie fühlt sich das an?
Großartig. Als ich es erfuhr, dachte ich: Das ist ja ein Ding. Allerdings erkläre ich es mir so: Ein Fahrradhalter für den Zug, das ist etwas, was jeder gebrauchen kann. Es lässt sich anfassen und ist gut verständlich.
Also waren Sie nicht überrascht?
Doch. Denn schließlich denke ich seit 25 Jahren, dass die Fahrradhalter in Zügen besser werden müssten, und es hat sich nichts getan. Der Fahrradtransport bei der Bahn ist … ja… stiefmütterlich. Spartanisch. Und immer wird das Vorderrad in Mitleidenschaft gezogen. Das ist bei unserem ÖBB-Zug jetzt endlich anders.
Fahren Sie selber gerne Fahrrad?
Ja, zur Arbeit radele ich durch den Park von Sanssouci und am Bahnhof hebe ich dann mein Rad in den Zug. Bei meinen 15 Kollegen im Team ist es nicht anders: Wir sind fast alle passionierte Fahrradfahrer, und ich denke, da kommt in der Mobilität gerade mächtig etwas in Bewegung. Die jüngeren Leute wollen Verkehrsmittel benutzen und nicht mehr besitzen.
Und schon sehen auch die Züge anders aus?
Richtig. Als ich bei Bombardier angefangen habe, hießen wir noch „AEG Schienenfahrzeuge“. Ich war fertig studierte „Industriedesignerin“, schaute mir die Züge an und dachte: Klasse, da wartet jede Menge Arbeit auf dich.
Ein Auto zu gestalten, wäre das nichts für Sie gewesen?
Doch, mein Vater war Leiter der Mercedes-Niederlassung in China, deshalb lag mir das nicht fern. Allerdings merkte ich beim Studium, dass die Autoindustrie beim Design nicht gerade frauenfreundlich ist. Männer machen die schnittigen Modelle und Frauen dürfen die Farben aussuchen. Oft gestalten die Autodesigner jahrelang nur ein winziges Detail, zum Beispiel den Außenspiegel. Das war mir nicht genug.
Dann wollten Sie schon als kleines Mädchen die Mobilität revolutionieren?
Gar nicht. Zuerst wollte ich Hausfrau werden, wie meine Mama. Später interessierten mich zwei Dinge: Mathematik und Kunst. Und nun musste ich beides zusammenbringen. Also? Industriedesign, das ist mein Ding. Und ich habe meine Wahl keine Sekunde lang bereut.
Was ist für Sie gutes Design?
Das erklärt sich allein durch die Formensprache und ist verständlich ohne Betriebsanleitung. Aber damit die Leute etwas gerne benutzen, muss es auch noch charmant sein. Es ist dieses gewisse Etwas, eine Cleverness, ein Twist, der unsere Herzen höher schlagen lässt.