Die „Mobilitätsgestalterinnen 2018“ stehen fest. 45 Vorschläge für kreative Frauen, die gerade im deutschsprachigen Raum die Mobilität neu erfinden, haben Unternehmen der Bahnbranche bis zum Einsendeschluss an die Allianz pro Schiene geschickt. Aus den Nominierungen kürte die Jury die Siegerinnen in den Kategorien „Personenverkehr“, „Umweltinnovation“, „Arbeitswelt“ und „Beste Idee“.
Geboren und aufgewachsen in der Mobilitätswüste im gerne so genannten „ländlichen Raum“ hatte Sylvia Lier (51) schon als Schülerin nur einen Gedanken: Frei sein, ein Auto haben und nichts wie weg aus der Lüneburger Heide. Sie studierte BWL in Hannover und startete ihre Karriere beim Reifenhersteller Continental. Irgendwann kam dann der erste Dienstwagen, den die junge Managerin mit stolzgeschwellter Brust fuhr. Inzwischen weiß sie es besser: Mobilität ist viel mehr als ein eigenes Auto. Und so ist es kein Wunder, dass sie bei der Deutschen Bahn gelandet ist und an einem Mobilitätsbudget tüftelt, das jeden Dienstwagenbesitzer neidisch werden lässt.
Position: Vorsitzende der Geschäftsführung
Unternehmen: Deutsche Bahn Connect
Die Idee ist klein und handlich, aber sie hat es in sich. Im Dienstwagen-Eldorado Deutschland könnte das Mobilitätsbudget von Sylvia Lier noch für viel frischen Wind sorgen. Die Geschäftsführerin und Mobilitätsgestalterin von Deutsche Bahn Connect möchte nämlich die private Mobilität aufs nächste Level heben. Ihr Plan: Mitarbeiter bekommen vom Arbeitgeber ein monatliches Mobilitätsbudget ausbezahlt – und zwar zusätzlich zum Gehalt. Damit finanzieren sie ihren individuellen Mobilitätsmix aus U- und S-Bahn, Mietfahrrad, Bahncard und einem Carsharing-Auto. Suche, Buchung und Abrechnung der Wunschverbindung erledigt die zentrale Mobilitätsbudget-App, so dass jeder sein Budget immer im Blick behalten kann. Lier hofft, mit dem Mobilitätsbudget den Nerv der Zeit zu treffen. Mitarbeiter gewinnen – so das Kalkül – eine bedarfsorientierte Flexibilität, die der klassische Dienstwagen so nicht bieten kann.
Unternehmen fördern ihre Mitarbeiter und können sich als moderne Arbeitgeber positionieren. Durch den Mix nachhaltiger Verkehrsmittel fördert das Mobilitätsbudget außerdem den Umweltschutz. Das Mobilitätsbudget wird unter Leitung von Sylvia Lier konzernübergreifend von DB Connect, DB Fernverkehr und DB Systel umgesetzt und von konzerninternen Experten aus den Bereichen Steuer, Nachhaltigkeit und Verkehrspolitik begleitet. 2018 kommt das Mobilitätsbudget zunächst als Pilot auf den deutschen Markt. Denn wie bei allen umwälzenden Neuerungen gibt es auch hier einen Haken: Die Versteuerung ist kompliziert und längst nicht so attraktiv wie die 1%-Besteuerung von Dienstwagen. Damit das Mobilitätsbudget von Unternehmen und Mitarbeitern langfristig angenommen wird, muss ein neues - vor allem einfacheres und günstigeres - Steuermodell her. Deshalb entwickelt das Team um Sylvia Lier nicht nur ein neues Produkt, sondern schmiedet parallel dazu bereits eine Allianz für eine attraktive Steuerlösung.
In Deutschland wird Verkehrspolitik gerne über die Steuererklärung betrieben. Gute Ideen können also den mutigen Schulterschluss mit dem Finanzamt immer gebrauchen. Mit einem Satz: Mit dem Mobilitätsbudget und der dazugehörigen App, die das Budget verwaltet, werden bei DB Connect revolutionär dicke Bretter gebohrt. Denn eigentlich ist eine freie Mobilitätswahl für alle Arbeitnehmer und damit auch eine faire Steuerregelung für Dienst- und Privatfahrten mit dem umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr längst überfällig, findet die Jury.
Die Deutsche Bahn-Managerin Sylvia Lier gewinnt damit den Titel Mobilitätsgestalterin 2018 in der Kategorie „Beste Idee“.
Frau Lier, wie kommen Sie morgens zur Arbeit?
Ich stehe sehr früh auf, steige im Kölner Norden in den Regionalzug, und dann geht’s weiter zum Kölner Hauptbahnhof. Dort steige ich in den ICE und fahre nach Frankfurt am Main. Wenn ich ins Büro komme, habe ich schon zwei Stunden Büroarbeit erledigt.
Und zurück nochmal zwei Stunden? Dann sind Sie täglich vier Stunden unterwegs. Ist das nicht hart?
Es ist kein Spaziergang, aber es funktioniert. Vor allem, weil bei mir die unproduktive Zeit entfällt, die andere Pendler am Steuer sitzen. Ich kann im Zug richtig gut arbeiten.
Finden die Kollegen Ihre lange Anreise nicht bizarr?
Ich habe es wegen meiner zwei Kinder gemacht: Die fühlen sich wohl in Köln und deshalb bleiben wir dort. Für meine Mitarbeiter war es gewöhnungsbedürftig, aber es geht.
Sie sind also im wahrsten Sinne des Wortes eine Mobilitätsgestalterin. Hat die Jury die richtige ausgezeichnet?
Im Grunde ja. Ich glaube an meine Idee. Klingt das jetzt eingebildet?
Nein, gar nicht. Die Jury mag selbstbewusste Frauen. Wie sind Sie auf das Mobilitätsbudget gekommen?
Ich erlebe es häufig, dass Mitarbeiter sagen: Eigentlich brauche ich gar keinen Dienstwagen, aber weil ich den steuerlich günstig auch privat fahren kann, nehme ich ihn halt. Das ist natürlich keine freie Entscheidung. Also arbeite ich an einer App für die Mobilität der Zukunft, mit der Menschen ihr individuelles Mix zusammenstellen, buchen und überblicken können. Und wir überlegen uns, wie ein solches Mobilitätsbudget steuerlich fair zu behandeln wäre.
Ist das eine Vision?
Ja, ich habe irgendwann verstanden: Es geht um Mobilität. Nicht um den Besitz eines Fahrzeugs. Und unser Ziel ist es, den Menschen diese neue Sichtweise zu ermöglichen.
Eigentlich wollte Simone Bauer (39) als junges Mädchen einmal Musikerin werden: Sie spielte Klavier, Cello und Querflöte und war in mehreren Orchestern aktiv. Doch die Tochter und Nichte zweier eingefleischter Eisenbahner hat es dann doch in die Eisenbahnbranche verschlagen. Beim Bahninfrastrukturunternehmen Spitzke ist Bauer seit zwei Jahren im Zentraleinkauf für den Bereich Elektrotechnik tätig. Und weil sie hier im Zusammenspiel mit vielen Kollegen an pfiffigen Lösungen für die Instandhaltung tüfteln kann, vermisst sie das Orchester nur noch ganz selten.
Position: Zentraleinkauf Bereich Elektrotechnik / Schweißaufsichtsperson
Unternehmen: Spitzke
Schon das Wort „Schweißrauch“ lässt nichts Gutes vermuten. Zum Glück hat es bei der Wartung von Gleisbaumaschinen eine tatkräftige Frau auf den Plan gerufen: Simone Bauer ist eine Mobilitätsgestalterin, die sowohl mit technischer als auch kaufmännischer Expertise den Arbeitsschutz bei der Schienenfahrzeugbau Großbeeren GmbH (SFG) und der gesamten Unternehmensgruppe Spitzke vorantreibt. Das besondere Augenmerk der 39-Jährigen liegt auf der Frage, wie der gesundheitsgefährdende, aber unvermeidliche Schweißrauch in der Werkhalle besser abgesaugt werden kann.
Ähnlich wie ein Trichter wird dieses System aus Stahlblech mit Schwerlastmagneten an den Maschinen befestigt. Auf einer Fläche von 110 x 50 Zentimetern ermöglicht es großflächig eine gezielte Schweißrauchabsaugung, ohne den luftempfindlichen Schweißprozess zu beeinflussen. Am System angebrachte Schweißer-UV-Lamellen verhindern die Einwirkung optischer Strahlungen.
Simone Bauer arbeitet seit zwei Jahren bei der Unternehmensgruppe SPITZKE und betreut im Zentraleinkauf den Bereich Elektrotechnik. Die Maschinenbauingenieurin und Mutter von zwei Kindern ist zudem Schweißaufsichtsperson der SPITZKE-Tochter Schienenfahrzeugbau Großbeeren GmbH (SFG).
Frau Bauer, so ein klassischer Tüftler, der in der Garage aus rostigen Resten neue Geräte zusammenbastelt, erkennen Sie sich darin wieder?
Ja, das trifft es genau: So entstehen neue Anlagen, die vielleicht ein bisschen komisch aussehen, aber sie funktionieren. Deshalb bin ich wohl tatsächlich eine klassische Erfinderin.
Arbeiten Sie bei Spitzke auch so intuitiv?
In der Instandhaltung müssen Sie als Ingenieur da sein, wo gearbeitet wird. Da sehe ich, dass jemand im Wagenkasten drinsitzt und schweißt und ruckzuck sind alle Kollegen im Umkreis eingenebelt. Und dann sind wir dran, dafür eine leistungsfähige Konstruktion zu bauen, ohne dabei den Schweißprozess zu stören.
Sind Sie zu Hause auch so anpackend?
Auf jeden Fall. Wenn wir den Grill aufstellen, dann baue ich dafür eine feuerfeste Verkleidung. Unser Grill ist danach sogar schicker.
Und Ihr Mann? Lässt der das zu?
Mein Mann ist bei uns für alles zuständig, was mit Kabeln und Strom zu tun hat. Aber wenn ich will, dass beim neuen Ikea-Schrank die Zierleisten vorne angeschraubt werden, dann muss ich selber Hand anlegen.
Sie stammen aus einer Eisenbahnerfamilie?
Durch und durch: Mein Vater war zeitlebens Bahner, mein Onkel hat als Gleisbauer gearbeitet und mein Mann ist bei DB Netz für das Zugsicherungssystem ETCS zuständig.
Sie hatten also eigentlich keine Chance, der Eisenbahn zu entkommen.
Heute bin ich froh, dass ich nicht Musikerin geworden bin. Das ist eine brotlose Kunst. Die Bahnbranche bietet dagegen gerade uns Frauen eine riesige Palette spannender und komplexer Berufe. Und mit unserem weiblichen Blick auf die Dinge kommen wir auch nochmal auf andere Ideen als unsere männlichen Kollegen.
Ihre Kinder sind nicht zufällig…
Doch. Meine zwei Töchter wissen alles übers Zugfahren. Die kleine Achtjährige hat sich gerade zum Geburtstag einen Elektronikbaukasten gewünscht.
Jane Grabowski (51) ist mit Lokomotiven seit frühester Jugend vertraut. Obwohl sie als Mädchen nie den Wunsch verspürte, einen technischen Beruf zu lernen, hatte doch ihr Bruder die notorische Modelleisenbahn. „Das war genau so eine Modelleisenbahn, wie sie heute auch meine männlichen Kollegen haben.“ Jane Grabowski allerdings hat sich mit den kleinen Modellen nicht begnügt. Sie baut für Siemens Mobility die ganz großen Loks.
Ihr ganzes Berufsleben lang hat Grabowski für Siemens gearbeitet, und von Anfang an war sie an der Entwicklung neuer Lokomotiven beteiligt. Wie das so gekommen ist, weiß sie nicht. „Dafür hatte ich keinen Generalplan. Es hat sich einfach so entwickelt“, erzählt die ausgebildete Fahrzeugelektrikerin, studierte Verkehrstechnikerin und diplomierte Ingenieurin. Dass sie während der Ausbildung und später im Studium immer fast ganz allein unter Männern war, hat Grabowski nie behindert. Im Gegenteil: Jetzt war es ihr Chef Uwe Joos im Vertrieb von Siemens, der seine begabte Mitarbeiterin für den „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin“ nominiert hat. Ein Volltreffer, meint die Jury.
Position: System Architect - Engineering
Unternehmen: Siemens Mobility
Jane Grabowski trägt bei Siemens den schönen Titel „System Architektin“. Die Ingenieurin hat eine Innovation ersonnen, die dem Käufer einer Vectron über die Lebensdauer der Lokomotive hinweg einfach mal so fast eine Million Euro einspart. Aber erzählen wir der Reihe nach:
Der Energieverbrauch eines elektrischen Bahnfahrzeuges besteht nicht nur aus der Energie, die für die Traktion anfällt, sondern auch aus Energie, die während des Stillstands verbraucht wird. Dieser Abstellmodus-Verbrauch dient der eigentlichen Transportaufgabe überhaupt nicht und sollte daher so gering wie möglich gehalten werden.
Gerechnet über den gesamten Lebenszyklus einer Lokomotive, der etwa 30 Jahre beträgt, liegt hier großes ökologisches und finanzielles Sparpotenzial, das mittlerweile auch bei Ausschreibungen in den Fokus rückt. Jane Grabowski hatte also ein klares Ziel vor Augen: Sie musste neue Komponenten für den Stillstand-Modus entwickeln und das Betriebskonzept der Lok daran anpassen.
Klassischerweise setzt er die Komponenten im Abstellmodus identisch zum Fahrbetrieb ein. Das heißt: Haupttransformator, Ein- und Ausgangssteller sowie der Zwischenkreis werden genutzt, um die Fahrdrahtspannung auf Bordnetzspannung abzusenken.
Da diese Komponenten für den Fahrbetrieb ausgelegt sind, fallen im Abstellmodus hohe Verluste an. Natürlich vermindert das die Effizienz der Lok empfindlich.
Um eine solche Energieverschwendung zu vermeiden, ergänzte Jane Grabowski den Haupttransformator um eine Wicklung, damit er für den Stand-By-Betrieb passt. Ab sofort ist die Fahrdrahtspannung von 25 kV direkt auf die für Nebenbetriebe notwendige Spannung von 390 V transformierbar. Das Bordnetz kann nun direkt durch die Fahrdrahtleitung gespeist werden.
Diese Neuentwicklung ermöglicht eine Energieeinsparung von bis zu 85 Prozent im Vergleich zur klassischen Speisung des Bordnetzes im Stillstand. Über die gesamte Lebenszeit einer Lokomotive entspricht dies einer Einsparung von rund 800.000 Euro.
Dass der Abstellmodus bei allen Elektrogeräten ein heimlicher und besonders ärgerlicher Energiefresser ist, weiß jeder umweltbewusste Bürger. Für den Heimgebrauch reicht es allerdings oft schon, den Kippschalter an der Steckdose zu betätigen. Umso verdienstvoller der Aufschlag, den Jane Grabowski hier im großen Stil für echte Energiefresser hinlegt. Die Jury sagt es in Reimen: Bye bye, Standby und verleiht der Siemens-Mitarbeiterin Jane Grabowski den Innovationspreis Mobilitätsgestalterin 2018 in der Kategorie „Umweltinnovation“.
Frau Grabowski: Was ist so toll an einer Lokomotive?
Jane Grabowski: Also, wenn Sie selbst eine gebaut haben, dann sieht so ein Fahrzeug nochmal ganz anders aus. Ich jedenfalls bin immer ganz stolz auf meine Produkte. Eine Lok ist etwas, das sich bewegt, was man anfassen kann, Sie können damit fahren. Das ist ein tolles Gefühl.
Postieren Sie sich auch an Bahnübergängen, um Loks zu fotografieren?
So was käme mir nicht im Traum in den Sinn. Aber wenn ich auf Spaziergängen meine erste Lok vorbeifahren sehe, dann freue ich mich.
Welche ist das?
Die BR 152 für die Deutsche Bahn. Die erste vergisst man nie.
Sie bauen seit fast dreißig Jahren Loks. Wie viele Serien gehen auf Ihr Konto?
Etwa sechs. Einen Prototypen für Korea haben wir entwickelt. Für Queensland in Australien hat ein Kohlebahnbetreiber ein neues Modell bestellt. Dafür hatten wir richtig gute Ideen, die der Kunde gar nicht verlangt hatte.
Und die Lok, für die Sie jetzt ausgezeichnet werden, fährt in Finnland.
Die Finnen haben extrem lange Strecken im Güterverkehr. Die Loks stehen da häufig rum und verbrauchen im Stand unnötig viel Energie. Also habe ich mir etwas für den Haupttransformator einfallen lassen, damit er für den Stand-By-Betrieb passt.
Wäre das auch eine Idee für den deutschen Markt?
Das Problem haben alle Güterbahnen, die lange Strecken bedienen. Also, ja, durchaus.
Sind Sie auch persönlich sparsam mit Energie?
Da achte ich sehr darauf. Wenn wir zu Hause ein Zimmer verlassen, schalten wir das Licht aus. Mit Energie sorgsam umzugehen, das ist für mich ein Selbstzweck.
Wussten Sie, dass Ihr Chef Sie für den Innovationspreis Mobilitätsgestalterin nominieren wollte?
Um Erlaubnis hat er mich nicht gefragt. Er hat das einfach mal so gemacht.
Zu dem multinationalen Zughersteller Bombardier passt Nicole Michel (51) bestens: Im Schlepptau des Vaters, der für Mercedes in Asien arbeitete, verbrachte sie ihre Kindheit in Singapur und kam erst mit elf Jahren nach Deutschland zurück. Dass seine Tochter nach ihrem Industriedesign-Studium in Pforzheim und Chicago auf einmal Züge umgestalten wollte, fand auch der Automanager gut. Schließlich hatte Nicole Michel an der Uni schon erlebt, dass Frauen in der Autobranche in der Regel im Bereich Farben („Colour an Trim“) landen. Das war der jungen Designerin zu wenig. Und bei der Bahn gibt es in Sachen Gestaltung schließlich auch eine Menge zu tun. Zum Beispiel die Fahrradmitnahme. Aber hier sind wir schon mittendrin.
Position: Teamleiterin Industrial Design - Interior
Unternehmen: Bombardier Transportation
Dass Fahrradreisenden beim Ein- und Aussteigen aus dem Zug regelmäßig der Schweiß auf der Stirn steht, könnte bald passé sein: Die Bombardier Innendesignerin Nicole Michel hat nämlich mit ihrem Team ein Transportelement entwickelt, mit dem Fahrräder während der Reise nicht
Der Fahrradhalter von Nicole Michel und ihrem Team ist eine Innovation, die einer multimodal gedachten Eisenbahn den Rücken stärkt. Natürlich ging es mit dem Rad im Zug auch schon früher immer irgendwie. Und ein Kerl aus dem Kraftstudio stemmt ein schweres Fahrrad samt Gepäck ohne Mühe in die übliche Halterung. Aber wozu die Muskelprotzerei? Wozu der Stress? Schon gar, wo Damenfahrräder ohne die hohe Stange nicht wirklich stabil einzuhängen sind? Besser mit Köpfchen einparken! Und eine Innovation, die eine Vernetzung von zwei umweltfreundlichen Verkehrsträgern leichter macht, die hat für die Jury Vorfahrt. Damit geht der Titel „Mobilitätsgestalterin 2018“ in der Kategorie „Innovation Personenverkehr“ an die Bombardier-Designerin Nicole Michel.
Frau Michel, Sie sind „Mobilitätsgestalterin 2018“. Wie fühlt sich das an?
Großartig. Als ich es erfuhr, dachte ich: Das ist ja ein Ding. Allerdings erkläre ich es mir so: Ein Fahrradhalter für den Zug, das ist etwas, was jeder gebrauchen kann. Es lässt sich anfassen und ist gut verständlich.
Also waren Sie nicht überrascht?
Doch. Denn schließlich denke ich seit 25 Jahren, dass die Fahrradhalter in Zügen besser werden müssten, und es hat sich nichts getan. Der Fahrradtransport bei der Bahn ist … ja… stiefmütterlich. Spartanisch. Und immer wird das Vorderrad in Mitleidenschaft gezogen. Das ist bei unserem ÖBB-Zug jetzt endlich anders.
Fahren Sie selber gerne Fahrrad?
Ja, zur Arbeit radele ich durch den Park von Sanssouci und am Bahnhof hebe ich dann mein Rad in den Zug. Bei meinen 15 Kollegen im Team ist es nicht anders: Wir sind fast alle passionierte Fahrradfahrer, und ich denke, da kommt in der Mobilität gerade mächtig etwas in Bewegung. Die jüngeren Leute wollen Verkehrsmittel benutzen und nicht mehr besitzen.
Und schon sehen auch die Züge anders aus?
Richtig. Als ich bei Bombardier angefangen habe, hießen wir noch „AEG Schienenfahrzeuge“. Ich war fertig studierte „Industriedesignerin“, schaute mir die Züge an und dachte: Klasse, da wartet jede Menge Arbeit auf dich.
Ein Auto zu gestalten, wäre das nichts für Sie gewesen?
Doch, mein Vater war Leiter der Mercedes-Niederlassung in China, deshalb lag mir das nicht fern. Allerdings merkte ich beim Studium, dass die Autoindustrie beim Design nicht gerade frauenfreundlich ist. Männer machen die schnittigen Modelle und Frauen dürfen die Farben aussuchen. Oft gestalten die Autodesigner jahrelang nur ein winziges Detail, zum Beispiel den Außenspiegel. Das war mir nicht genug.
Dann wollten Sie schon als kleines Mädchen die Mobilität revolutionieren?
Gar nicht. Zuerst wollte ich Hausfrau werden, wie meine Mama. Später interessierten mich zwei Dinge: Mathematik und Kunst. Und nun musste ich beides zusammenbringen. Also? Industriedesign, das ist mein Ding. Und ich habe meine Wahl keine Sekunde lang bereut.
Was ist für Sie gutes Design?
Das erklärt sich allein durch die Formensprache und ist verständlich ohne Betriebsanleitung. Aber damit die Leute etwas gerne benutzen, muss es auch noch charmant sein. Es ist dieses gewisse Etwas, eine Cleverness, ein Twist, der unsere Herzen höher schlagen lässt.